SACRAMENTO/RIDE THE HIGH COUNTRY

Zu Sam Peckinpahs Frühwerk

Steve Judd (Joel McCrea) kommt nach Sacramento, wo er den Job angenommen hat, einen Goldtransport aus den Bergen abzuholen und in die Stadt zur Bank zu bringen. Er trifft seinen alten Kumpel Gil Westrum (Randolph Scott), der sich gemeinsam mit seinem jungen Kompagnon Heck Longtree (Ron Starr) als Jahrmarktbudenbetreiber verdingt. Die beiden schließen sich Steve an. Allerdings haben sie vor, die angegebenen 250.000$ selbst einzustecken. Unterwegs kommen sie zu einer Farm, wo die junge Elsa (Marietta Hartley) ihrem ebenso gottesfürchtigen, wie Gottes Zorn widergebenden Vater Joshua Knudsen (R.G. Armstrong) zu entkommen versucht (sie will unbedingt heiraten und zieht sich ein aufreizendes Kleid an, lange bevor die Männer die Farm wirklich erreicht haben). Eigentlich, so gibt sie zu verstehen, ist sie verlobt mit Billy Hammond (James Drury), der mit seinen Brüdern in den Bergen ein Goldgräbercamp betreibt. Steve, Gil und Heck, der sich gleich in Elsa verliebt hat, nehmen sie mit. Im Goldgräberlager angekommen, entpuppen sich die Brüder als brutale Kerle, die im Grunde der Meinung sind, daß Elsa ihnen allen gehört, wenn sie Billy heiratet. In der Hochzeitsnacht, nach einer traurigen, von einem vollkommen betrunkenen Friedensrichter vorgenommenen Ehezeremonie, versuchen die Brüder, Elsa zu vergewaltigen. Steve und Gil befreien sie und kündigen an, sie wieder mitzunehmen. Gil klaut dem Richter dessen Zulassung für Kalifornien, so daß sie behaupten können, die Trauung sei unrechtmäßig. Währedn des Rückwegs versuchen Gil und Heck schließlich, das Gold – sehr viel weniger, als sie dachten – an sich zu bringen, was Steve jedoch ahnte. Er entwaffnet die beiden und schickt Gil, von dem er zutiefst enttäuscht ist, weg. Heck versichert glaubhaft, daß er sich in der Stadt dem Sheriff stellen will, weshalb Steve ihn mitnimmt und dies sogar ungefesselt. Als der kleine Trupp die Farm der Knudsens erreicht, sind die Hammond-Brüder bereits da und verletzen Steve gefährlich. Es kommt zu einer Schießerei, bei der auch Heck verwudet wird. Da taucht Gil auf, er hat sich das Pferd eines der Brüder besorgt und nun greift er in die Schießerei ein. Er und Steve stellen sich offen dem Kampf, so wie sie es früher getan hätten. Die verbliebenen Hammonds werden getötet, doch auch Steve erwischt es tödlich. Er will in Ruhe sterben. Gil verspricht ihm, das Gold in die Stadt zu bringen und damit dafür zu sorgen, daß Steves Job erledigt wird, ihm also seine Intergrität zu bewahren, was diesem sehr wichtig war.

Der Film blendet auf und man meint, man stünde mitten in der Verfilmung eines Comics von Windsor McCay. Die Traumwelten aus „Little Nemo“ lassen grüßen: Da rennen Kamele mit Pferden um die Wette, da wird der in die Stadt reitende Cowboy (der uns Zuschauern ja eigentlich signalisiert: Western!) belächelt von den ganzen Anzugträgern, als sei er aus der Zeit gefallen, da fahren frühe Automobile durchs Bild. Und das alles in knallbunten Farben. Sam Peckinpah findet in seinem zweiten Spielfilm schon das Thema, das dann eines seiner Hauptthemen bleiben sollte: Der alternde Westerner, der sich in einer modernen Welt nicht mehr zurecht findet. Und die moderne Welt – auch das eines der zukünftig wichtigsten Themen Peckinpahs – verliert ihre Werte.

Steve gelten die alten Werte viel, er will seinen Auftrag erfüllen und ist bereit, dafür zu sterben. Nicht bereit ist er, für eine Frau zu sterben. So will er das Mädchen erst nicht mit in die Goldgräberstadt nehmen, dann will er sie nicht mit zurücknehmen, schließlich will er sie nicht dalassen. Es sind seine Werte als Mann und Gentleman, daß man eine Dame a)nicht in ein solches Camp mitnimmt und b)daß man sie, wenn sie Probleme hat, nicht dort zurück läßt. Und will man sie wieder mitnehmen, muß gewährleistet sein,d aß das rechtlich in Ordnung ist. Deshalb ist es so wichgtig, ob der Friedensrichter nun ein Zertifikat hat oder nicht. Die Werte Steve beinhalten eben auch, daß eine Frau, die rechtmäßig geheiratet hat, zu ihrem Mann gehört. Erst Gils Trick erlaubt es Steve, sich Elsas erneut anzunehmen. Und so wird er also wider seinen Willen zu einem edlen Retter in einer Welt, die solche Rettungen gar nicht mehr zu goutieren weiß. Und er stirbt dafür. Nicht der Versuch, das Gold zu steheln, wie man vermuten würde, kostet ihn das Leben, sondern seine Werte als Mann gegenüber Frauen. Und mit ihm stirbt auch etwas, das Peckinpah sehr wichtig gewesen ist und das er Steve Judd (der Züge von Peckinpahs Vater getragen haben soll) zuschreibt: Persönliche Integrität. Würde. Nie denkt dieser Mann daran, das Gold für sich zu behalten. Er hat einen Job angenommen und bringt ihn zuende.

Gil Westrum, der schließlich überleben und den Auftrag in Steves Sinne zuende bringen wird (woran dieser, das sagt er seinem alten Freund noch, nie gezweifelt hat), kommt in dieser neuen, modernen Welt scheinbar besser zurecht, scheint auch weitaus mehr für sie gemacht zu sein. Anfangs sehen wir ihn als einen Jahrmarktschützen, der sich flunkernd gewaltiger Abenteuer rühmt (die er nur teils erlebt hat, wie Steve ihn und uns wissen läßt), der gegen jeden für ein paar Cent schießt, der meint, es mit ihm aufnhemen zu können. Im Grunde ist er ein Betrüger in einer Welt, die betrogen werden will, wenn sie sich auf Jahrmärkten von einer scheinbar längst vergangenen Zeit erzählen läßt, die im Film gerade einmal 25 Jahre vorbei ist. Gil Westrum, der mit einem wenn man so will „miesen“ Trick dafür sorgt, daß Elsa sich aus der im Grunde rechtmäßigen Ehe wieder herauswinden kann. Dies sind die Tricks, scheint Peckinpah uns sagen zu wollen, die es in der modernen Welt braucht. Weitaus mehr braucht, als Würde und Integrität. Wo seine, Peckinpahs, Sympathien liegen, ist keine Sekunde anzuzweifeln.

Was den Film im Peckinpah-Oeuvre außergewöhnlich macht, ist sein Humor. Der große Meister hatte immer einen ausgefallenen Sinn fürs
Absurde (man denke an die Postkutsche mit den betrunkenen Indianern in THE DEADLY COMPANIONS, man denke an den absurden Tanz, den die Bankkunden am Beginn von THE WILD BUNCH während des Überfalls aufführen müssen oder an James Coburns pikiertes Gesicht in PAT GARRETT AND BILLY THE KID, wenn er zurück in die Stadt kommt und sich über die Leiche von Bob Ollinger mokiert – letzterer übrigens ebenfalls von Armstrong gespielt, so wie hier Vater Knudsen), doch in RIDE THE HIGH COUNTRY läßt er dem freien Lauf. Lange passiert in diesem Film wenig bis nichts, schon gleich gar keine Action. Doch die Dialogpassagen zwischen Randolph Scott und Joel McCrea sind herzerfrischend komisch. Sie dürfen sich ständig über die Ahnungslosigkeit der Jugend lustig machen und darüber auslassen, wie das Alter einen zwar auszehrt, dafür aber ruhiger und überlegter macht. Peckinpah gibt ihnen eine Menge Gelegenheiten, ihr Können, schlicht schon das, wie man als alter Westernheld zu gehen und zu reiten hat, vorzuführen. Und sie behalten Recht – auch das gönnt ihnen bloody Sam.

Man kann gerade in diesen Dialogen erkennen, daß Peckinpah sich – im Gegensatz zu seinem ersten Film, dem man das dann auch anmerkte – hier ausbedungen hatte, das Drehbuch zumindest überarbeiten zu dürfen. Ihm wurde zugestanden, dies bei den Dialogen zu tun, nicht jedoch durfte er den Film in seinen großen Linien erneuern. Und so hat man es mit einem der dialoglastigsten Western zu tun, einem der lustigsten dazu (ohne Komödie zu sein – wohlgemerkt, dies ist nicht THE HALLELUJAH TRAIL o.ä.), der sein fast surreales Setting der ersten Minuten zwar so nicht durchhält, aber dennoch über die ganze Filmzeit ein Gefühl der Entfremdung aufrecht erhalten kann, welches den Zuschauer die Problematik, der sich ein Mann wie Steve Judd ausgesetzt sieht, nachvollziehen läßt.

Natürlich hat das alles nicht die Klasse der späteren Großwerke. Wie auch? Es waren Peckinpahs erste Gehversuche als Alleinverantwortlicher. Er besteht sie mit Bravour, ohne Frage. Doch merkt man ihm hier eben – wie bei Film davor und erst Recht beim berüchtigten Nachfolger MAJOR DUNDEE an, daß da Produktionskräfte am Walten waren, denen er nichts entgegenzusetzen hatte. Dennoch hat man es hier mit einem äußerst sympathischen und auch spannenden Western zu tun, der fast zeitgleich mit John Fords THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE erschien und gemeinsam mit diesem die Frage aufwarf: Was wird aus all den Helden, wenn sie alt sind und die Zeit vergeht? Ein früher Spätwestern. Ein guter.

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