BARRY SEAL – ONLY IN AMERICA/AMERICAN MADE

Doug Liman präsentiert politische Verwicklungen der 1980er-Jahre als Farce

Ende der 70er Jahre wird der erfahrene TWA-Pilot Barry Seal (Tom Cruise) dabei erwischt, wie er kubanische Zigarren in die U.S.A. schmuggelt. Bevor es zu einer ernsthaften internen Untersuchung kommen kann, taucht ein Mann namens Monty Schafer (Domhnall Gleeson) auf und gibt sich als CIA-Mitarbeiter zu erkennen. Er wirbt Barry für waghalsige Aufklärungsflüge über Lateinamerika an. Dafür stellt er ihm ein extrem schnelles Flugzeug zur Verfügung, das es dem Piloten erlaubt, auch im Tiefflug die Ausbildungslager der sandinistischen Rebellen in Nicaragua zu überfliegen und zu fotografieren.

Barry nimmt an und arbeitet fortan für eine auf ihn eingetragene Tarnfirma der CIA. Seiner Frau Lucy (Sarah Wright) gegenüber behauptet er, weiterhon für die Fluggesellschaft TWA zu arbeiten, obwohl sie schnell merkt, daß seine Arbeits- und die Abwesenheitszeiten und vor allem sein Gemütszustand sich stark verändert haben.

Barry begreift schnell, daß das Flugzeug ihm noch ganz andere Möglichkeiten bietet und so zieht er – wenn auch eher durch Zufall – ein lukratives Geschäft mit dem Medellinkartell auf, das Kokain in großen Mengen in die U.S.A. befördern will. Da sein Flieger klein und schnell genug ist, kann er auf der Route über den Golf von Mexico die Radare der U.S.-Luftüberwachung unterfliegen und seine Fracht im Hinterland von Louisiana abwerfen.

Zunächst entwickelt sich alles zu seiner Zufriedenheit, er ist häufiger und gern gesehener Gast auf den Ranches der kolumbianischen Drogendealer, deren Verbindungsmann zu Barry Jorge Ochoa (Alejandro Edda) ist. Doch nach und nach werden die Behörden doch auf sein Treiben aufmerksam. Schafer sorgt dafür, daß Barry einer Verhaftung in Baton Rouge, wo er mit seiner Familie lebt, entgeht und die Familie Seal nach Mena, Arkansas, umzieht. Hier, in der tiefsten Provinz, stellt die CIA Barry einen eigenen Flugplatz zur Verfügung. Als Gegenleistung verlangt der Geheimdienst, daß er auf seinen Drogenflügen Waffen für die nicaraguanischen Contras transportiert.

Barry fliegt nun immer häufiger, weshalb er seine Firma expandieren lässt, zusätzliche Maschinen kauft und ihm bekannte zuverlässigge Piloten einstellt. Durch seine Doppeltätigkeit wird Barry immer reicher. Bald wissen er und Lucy nicht mehr, wo sie das Geld noch verstecken sollen. In Koffern und Schränken, vergraben im Garten, auf dieversen In- und Auslandskonten bunkern sie ihre Einnahmen.

Barrys Schwager JB (Caleb Landry Jones), ein Taugenichts, lebt mittelerweile auf Barrys Anwesen, benimmt sich aber unberechenbar. Als er mit einer großen Menge Geld aufgegriffen wird, macht er sich nicht nur verdächtig, sondern lenkt auch die Aufmerksamkeit der örtlichen Polizei zusehends auf Barry und dessen Organisation.

Barry veranlasst JB, sich mit einer gewissen von Barry zur Verfügung gestellten Summe für immer zu verziehen. JB droht seinem Schwager mit weiterer Erpressung, will dann aber abhauen. Er steigt in seinen Wagen, zündet und fliegt daraufhin mit ihm in die Luft. Barry versucht, die Überreste seines Schwagers und des Autos notdürftig zu verstecken. Er weiß nun, daß er sich mit dem Medellinkartell auf wirklich gefährliche Partner eingelassen hat.

Schafer fängt eines Tages an, auf Barrys Flugplatz ein Übungsgelände für Contras – die reaktionären Rebellen gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua – einzurichten. Diese beherbergt Barry nun zusätzlich.

Die DEA, das FBI und die ATF ziehen einen immer engeren Ring um Barrys Organisation. Und schließlich greifen sie zu. Schafer lässt Barry fallen, vom Ausbildungslager der Contras ist plötzlich nichts mehr zu sehen. Gelohnt hat sich das Lager, wie Barry erfährt, sowieso nie, da die Hälfte der Kämpfer abgehauen und untergetaucht ist.

Nun setzt die DEA ihn auf das Medellinkartell an. Barry fliegt weiterhin seine Einsätze, spitzelt die Organisation von Pablo Escobar (Mauricio Meja) allerdings gleichzeitig aus. Als es zu ersten Zugriffen kommt, weiß Barry, daß er auf dem Präsentierteller sitzt. Sein Geld wird konfisziert, die CIA kennt ihn nicht mehr, Schafer gibt es nicht und auch die DEA ist nun wieder als Verdächtiger an ihm interessiert. Er stellt sich als Kronzeuge zur Verfügung und sorgt dafür, daß Lucy und die Kinder sicher in Baton Rouge Unterkunft finden.

An einem regnerischen Morgen sitzt Barry in seinem Wagen, als sich ihm aus verschiedenen Richtungen Männer nähern. Sie erschießen ihn mit großkalibrigen Waffen.

Der Polit-Thriller als Farce – spätestens seit Barry Levinsons WAG THE DOG (1997) ist dies ein probates Mittel, um den Wahnsinn moderner politischer Auswüchse darzustellen. Allerdings braucht man dafür ein hervorragendes Script und ein sehr gutes Gespür für das, was man zu sagen  hat. Levinson hatte beides.

Doug Liman, der mit FAIR GAME (2010) allerdings schon bewies, daß er das Zeug für einen packenden Polit-Thriller hat, fehlt in AMERICAN MADE (2017) von den oben genannten Zutaten ein wenig. Dabei gibt die Geschichte des Barry Seal, der für die CIA verdeckt Waffen nach Nicaragua flog, zugleich aber einen lukrativen Drogenschmuggel von Kolumbien in die U.S.A. aufzog, Auslöser des sogenannten „Mena-Skandals“ war und dessen Firma schließlich sogar in die Iran-Contra-Affäre verwickelt wurde, allerhand her, um sowohl als Thriller oder auch als Farce zu funktionieren. Vielleicht auch gerade deshalb, weil die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht.

Liman entscheidet sich dafür, seine Story mit allerhand filmtechnischen Spielereien als gallige Komödie aufzuziehen. Seals auf Videoband festgehaltene Bekenntnisse, die den Film in zeitliche Kapitel einteilen, sind dabei nur eine von vielen unterschiedlichen Varianten, die genutzt werden. Es werden ebenso reale Nachrichtenschnipsel, Zeichentrickeinspielungen, verfremdete Landkarten oder nachträglich bearbeitetes Material, das dadurch dokumentarischen Charakter erhält, verwendet. An einen wirklich gut ausgewählten Soundtrack gekoppelt, wird so ein Gefühl für die frühen 1980er Jahre vermittelt, für den Zeitgeist und den Hintergrund, vor dem sich diese wahnwitzige Geschichte abspielen konnte. Zudem erhält der Film dadurch auch eine durchaus komische Note, wirkt allerdings auch uneinheitlich. Gelegentlich entsteht der Eindruck, daß Buch und Regie auch Schwachstellen, zumindest dramaturgische Bruchstellen, übertünchen wollen.

Mit Tom Cruise steht Liman ein Schauspieler – und Star – zur Verfügung, der natürlich perfekt geeignet ist, einen amerikanischen Sonnyboy zu spielen, welcher zudem ein ausgekochtes Schlitzohr ist. Seal beginnt sein gefährliches Spiel eher durch Zufall, als ihm ein CIA-Agent kontaktiert, der auf ihn aufmerksam wurde, weil er als einer der fähigsten Piloten der Linie TWA gilt – in den 80er Jahren eine der großen amerikanischen Fluggesellschaften – sich aber mit den Zollbehörden überwirft, weil er kubanische Zigarren ins Land geschmuggelt hat. Dieser CIA-Mann stellt ihm ein extrem schnelles Flugzeug zur Verfügung. Seal soll Aufnahmen von Ausbildungslagern sozialistischer Kämpfer, wie den Sandinistas, in Lateinamerika machen, entdeckt aber schnell, wozu seine Maschine noch alles gut ist. Cruise spielt das lässig, nie hat man den Eindruck, diesem Kerlchen könnte irgendetwas zustoßen oder einer seiner Pläne könnte fehlschlagen. Der Tanz auf mehreren Hochzeiten, der schließlich auch noch eine Tätigkeit als DEA[1]-Spitzel einschließt, bei der er das berühmte Medellin-Kartell um den Drogengroßhändler Pablo Escobar ausspionieren soll, mutet im Film wie ein Spiel an, in dem nur Seal die Fäden ziehen kann, weil nur er genau versteht, wie sie gesponnen wurden.

Streckenweise ist das wirklich lustig, bspw. wenn er und sein expandierendes Unternehmen, für das er schließlich mehrere erfahrene Kampfpiloten anheuert, derart viel Geld scheffelt, daß weder er noch seine Frau wissen, wohin mit dem ganzen Zaster. In Koffern, Schränken, vergraben im Garten, auf diversen offenen wie geheimen Konten und verteilt über mehrere Bundesstaaten, bunkert die Familie Seal ihr Geld. Auch Seals anfängliches Versteckspiel vor seiner Frau, der er lange vorgaukelt, weiterhin für die TWA zu fliegen, obwohl er bereits regelmäßige Aufklärungsflüge über Lateinamerika bestreitet, hat komisches Potential. Ebenso die Tatsache, daß das ihm von der CIA zur Verfügung gestellte Land in Arkansas zwischenzeitlich zu einer Ausbildungsbasis für Contra-Rebellen genutzt wird und die Familie Seal nun in unmittelbarer Nähe zu diesen rauen Gesellen lebt. Liman spielt auch recht gelungen mit Klischees, wenn er einen unauffälligen Kerl, der sich als Monty Schafer ausgibt und Seals Führungsoffizier und Gönner wird, diesen für die CIA rekrutieren lässt; wenn Seals Schwager JB alle Merkmale des Taugenichts und sein südamerikanischer Mittelsmann Jorge Ochoa alle Kennzeichen des Machos aus dem Latino-Handbuch aufweisen und die Männer vom Kartell sich exakt so verhalten, wie man das aus etlichen Dokumentationen zu kennen glaubt. Liman treibt ein schon böses Spiel, wenn die Kleinstadt Mena, irgendwo im Nirgendwo von Arkansas gelegen, zu Seals Basis mutiert und dem Zuschauer genüsslich sämtliche nur denkbare Midwest-Klischees präsentiert werden.

Der selbsternannte Lebemann mitten in der Provinz: AMERICAN MADE versteht lange zu unterhalten und verliert dabei, seinem Original-Titel entsprechend, nicht aus den Augen daß dies ein sarkastischer Kommentar auf eine Zeit ist, in der Ronald Reagan den Turbokapitalismus entfesselte und jeder – egal mit welchen Mitteln – sein Stück vom Kuchen abhaben wollte. Und zugleich eine Zeit, in der die diversen Dienste – ob CIA, DEA oder das FBI, die sich in einer wirklich haarsträubenden Szene bei der Verhaftung Seals und seiner Drogenschmuggler gegenseitig in die Quere kommen – es wahrlich wild trieben.

Doch sollte man nicht vergessen, daß die Geschichte des wirklichen Barry Seal recht tragisch endete. Die CIA ließ ihn fallen, um sich noch besseren Geschäften zu widmen – daraus wurde dann die Iran-Contra-Affäre, in die einer von Seals Piloten maßgeblich verstrickt war – und Seal plötzlich zwischen allen Stühlen saß. Und ganz sicher sollte man nicht vergessen, daß der reale Barry Seal schließlich am 19. Februar 1986 in Baton Rouge auf offener Straße von einem Killerkommando des Medellin-Kartells erschossen wurde. Da er nur wenige Tage später vor einer Grand Jury des Staates Arkansas über die Verstrickungen der CIA mit dem Drogenschmuggel aussagen sollte, ist der Verdacht nicht ganz von der Hand zu weisen, daß der Mord vom Auslandsgeheimdienst zumindest geduldet wurde. Doug Liman zeigt auch  diese Seite der Geschichte, doch genau da tritt eine der bereits erwähnten Bruchstellen des Films zu Tage. Den Dreh vom ironisch-sarkastischen Kommentar auf die 80er Jahre hin zu einer dramatischen Entwicklung, gelingt ihm nicht wirklich. Schon zuvor war es das Schicksal, das Barrys Schwager ereilt – er wird per Autobombe getötet – , welches einen Hinweis auf die Richtung gibt, die der Film zwangsläufig nimmt. Wahrscheinlich ist auch hier die Beteiligung des Kartells nicht auszuschließen. Schon diese Szene stellt einen Bruch in der lockeren Inszenierung dar, wenn sie auch noch vergleichsweise unernst gelöst wird, indem Barry , der Augenzeuge des Attentats wird, nichts Besseres einfällt, als den toten Schwager und das zerstörte Auto irgendwo am Straßenrand ausreichend zu tarnen und anschließend zu hoffen, daß beide nicht entdeckt werden.

Was Levinson in WAG THE DOG so nahtlos gelang und was seinem Film das gewisse Etwas, den nötigen Esprit, gab, schafft Liman nicht: Den schmalen Grat zwischen Sarkasmus mit durchaus zynischer Unternote und einer Atmosphäre potentiell tödlicher Bedrohung zu meistern. Dennoch bleibt AMERICAN MADE ein durchaus gelungener Film über jene Seiten der 80er Jahre, die vom Hedonismus, der Egozentrik und Maßlosigkeit jener Dekade geprägt waren. Gerade in Zeiten eines Donald Trump, der jeder Beschreibung als amerikanischer Präsident spottet und Dinge wie selbstverständlich möglich macht – Lügen, Drohungen, Rassismus und Sexismus als politische Haltung, um nur einige zu nennen – nutzt jedes Buch, jeder Artikel und jeder Film, der uns etwas darüber erzählt, wie und wo das einmal angefangen hat. Wenn man es dann noch so lössig wie Doug Liman und Tom Cruise vermittelt, kann das Publikum bei allem Entsetzen wenigstens ab und an noch lachen. Wie sollte man dieser Farce, die im Jahr 2019 längst Realität ist, auch sonst begegnen?

 

[1] Das Kürzel DEA steht für Drug Enforcement Administration, was soviel wie „Drogenvollzugsbehörde“ bedeutet.

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