DIE LETZTEN AMERIKANER/SOUTHERN COMFORT

Vietnam at home: Walter Hill holt den Krieg heim

Louisiana, 1973. Die Nationalgarde hält ein großes Manöver in den Sümpfen ab. Der Texaner Charles Hardin (Powers Boothe) wird als Neuling einem Zug zugeteilt, dessen Mitglieder sich von diversen Übungen bereits kennen. Angeführt von Staff Sgt. Crawford Poole (Peter Coyote) macht sich der Trupp auf einen 40-Km-Marsch quer durch den Sumpf. Die Männer, allen voran Pfc. Spencer (Keith Carradine), der sogar einige leichte Mädchen für die Nacht organisiert hat, nehmen das gesamte Unterfangen nicht sonderlich ernst.

Schon relativ bald nach dem Abmarsch müssen die Männer feststellen, daß ihr Karten entweder nicht stimmen, oder die Landschaft sich durch Regen oder Hochwasser massiv verändert hat. Vor ihnen tut sich ein vergleichsweise großer See auf. Cpl. Reece (Fred Ward) findet das Lager einiger Cajun People, wie man die französischen Sumpfbewohner hier nennt. Auch ein paar Kanus sind hier befestigt und Reece schlägt vor, diese zu nehmen und den Weg auf dem Wasser fortzusetzen. Nach kurzem Streit einigt man sich, es so zu machen. Doch kaum auf dem See, merken die Männer, daß sie beobachtet werden. Offensichtlich konnten die Cajuns die Botschaft, die sie ihnen hinterlassen haben, nicht lesen. Auch auf die Anrufe von Poole reagieren sie nicht. Schließlich reißt Stuckey (Lewis Smith) sein Maschinengewehr in die Luft und beginnt, auf die Fremden zu schießen – mit Platzpatronen. Alle Waffen haben lediglich Platzpatronen, weil dies schließlich nur ein Manöber ist. Doch die Cajuns verstehen auch das incht und töten Poole mit einem Kopfschuß. Im anschließenden Chaos kentern alle drei Boote, die Männer landen im Wasser und verlieren sowohl ihr Funkgerät, als auch den einzigen Kompass.

Nachdem die Männer es ans rettende Ufer geschafft haben, wird Cpl. Casper (Les Lannom), ranghöchster Offizier, zum neuen Anführer ernannt. Sofort muß er sich mit Reece auseinandersetzen, der scharfe Munition mitführt, diese aber nicht teilen will. Casper gelingt es nicht, Reece kraft seiner Autorität dazu zu bringen, die Munition auszuhändigen; erst als Hardin Reece überwältigt, gibt dieser klein bei. Zwischen Hardin und Reece herrscht ab nun Eiszeit.

Spencer unterhält sich immer wieder mit Hardin und erfährt von ihm, daß er als Ingenieur in der Ölindustrie arbeitet und dort gelegentlich rauhe Sitten herrschten. Deshalb könne er, Hardin, auch mit einem Messer umgehen. Obwohl die beiden sich mögen, entsteht auch hier Spannung, da Spencer sich als Mann aus Louisiana vom Texaner belächelt fühlt. Hardin versichert ihm, daß er einfach nur dieses Wochenende überstehen und wieder nach Hause wolle, wo „genau die gleichen Arschlöcher rumlaufen, wie hier„.

Der Trupp stellt einen Cajun Trapper (Brion James) und nimmt ihn gefangen. Spencer weist den aufgebrachten Reece daraufhin, daß es nichts, nicht mal ein Indiz gäbe, das den Mann mit dem Mord an Poole in Verbindung brächte. Reece hält das für Haarspalterei, Casper schließt sich an. Es kommt zu Mißhandlungen, aus denen sich Spencer und Hardin raushalten, allerdings, so Hardins Credo, greift er auch nicht ein, er will einfach mit all dem nichts zu tun haben. in der Hütte des Cajun finden die Männer allerhand Essbares, aber auch Waffen – eine wichtige Entdeckung, ist doch jeder nach der Verteilung von Reece´ Munition mit nur drei scharfen Patronen ausgestattet – und Dynamit. Reece kommt zu dem Schluß, es mit einem Wilderer zu tun zu haben. Der Soldat Bowden (Alan Autry), der zuvor seine Wertschätzung für Poole mehrfach zum Ausdruck gebracht hatte und möglicherweise sogar ein wenig in seinen Vorgesetzten verliebt gewesen ist, dreht durch, bemalt sich und jagt die gesamte Hütte und ihren Inhalt in die Luft.

Mit dem Cajun als Gefangenem ziehen die Männer weiter in der Hoffnung, die als einziges Merkmal in der Landschaft verzeichnete Bahnlinie zu finden, oder von einer angenommenen Suchaktion gefunden zu werden. In der Gruppe kommt es immer wieder zu Spannungen, vor allem weil Casper einerseits keine Entscheidungen trifft, andererseits jeden anbrüllt, der seine Autorität anzuzweifeln wagt. Und sogar zwischen Hardin und Spencer kommt es zu einem Streit, als Hardin Spencer anstiftet, sich gegen Casper zu stellen, selbst aber nichts unternehmen will.

Es kommt zu  weiteren Übergriffen aus dem Nichts: Hunde greifen die Männer an und verletzen einige schwer, der Soldat Cribbs (T.K. Carter) stirbt in einer fürchterlichen Falle. Am Morgen, der Trupp hat im Dschungel notdürftig ein Lager aufgeschlagen, trifft Hardin Reece an, wie dieser den Cajun foltert, indem er ihn zu ertränken droht. Zwischen Hardin und Reece kommt es zum Streit und schließlich zu einem Messerkampf, bei dem Hardin seinen Kontrahenten schließlich tötet. Der gefangene Trapper kann derweil fliehen, nachdem er, der bisher offenbar kein Wort Englisch verstanden hat, Hardin in eben dieser Sprache aufgefordert hatte, Reece zu töten.

Waren die Toten bisher mitgeschleppt worden, begraben sie nun alle drei und machen sich wieder auf den Weg. Spencer löst Casper ab, der von Stuckey unterstützt wird, jedoch selber einsieht, daß er kein geeigneter Gruppenführer ist, ist ihm doch nicht einmal eine Orientierung am Lauf der Sonne gelungen. Unterwegs stoßen sie auf die wieder ausgegrabenen Leichen ihrer Kameraden, wodurch die Männer noch weiter entmutigt werden. Als ein Hubschrauber auftaucht, die Männer aber offensichtlich nicht gesehen werden, rennt Stuckey panisch hinter ihm her, bis er in einem Tümpel aus Treibsand einsinkt und schließlich verschluckt wird. Die verbliebenen Männer teilen sich auf, Stuckey zu suchen. Spencer, Hardin und der nach seinen Ausfällen gefesselte Bowden gehen in eine Richtung, Casper und Pfc. Simms (Franklyn Seales)  in die andere.

Während Spencer und seine Begleiter sich immer tiefer im Sumpf verlieren, treffen Casper und Simms auf ihre Verfolger und greifen diese an. Beide werden wie räudige Hunde niedergeschossen.

Spencer, Hardin und Bowden richten sich ein Nachtlager ein; als sie morgen erwachen, ist Bowden verschwunden. Dafür gewahren sie, daß sie direkt neben der Bahnstrecke campiert haben. Sie folgen ihr bis zu einem Durchgang, wo sie Bowden erhängt finden. Der Trapper, der bewaffnet auf der Brücke steht, sagt ihnen auf Englisch, wie sie aus dem Sumpf finden und fordert sie auf, schnell zu verschwinden, er und seine Freunde wären keine Freunde von Jungs, die Krieg spielten. Und seine Freunde seien bei Gott nicht so nett wie er.

Unterwegs werden die beiden von einem lokalen Cajun und seiner Frau in deren Wagen mitgenommen. Doch anstatt in eine Stadt, fahren sie in ein Cajun-Dorf, wo offenbar ein Fest vorbereitet wird. Schweine werden geschlachtet, Musik spielt und es wird bereits getanzt und gesungen. Die Bewohner begegnen Hardin und Spencer weitgehend freundlich bis indifferent und beide sind der Meinung, daß ihnen hier im Grunde keine Gefahr droht. Spencer lässt sich sogar auf ein Tänzchen ein. Doch Hardin bleibt wachsam und bekommt mit, wie ein Boot landet mit einigen Männern, die ihren Verfolgern recht ähnlich sehen. Während die Dorfbewohner weiter feiern und die Musik immer eindringlicher in ihrem Rhythmus wird, kommt es zwischen Spencer, Hardin und ihren Häschern zu einem letzten Duell, das beide Männer überleben, aber keiner der sie verfolgenden Cajuns.

Spencer und Hardin verlassen das Dorf, als erneut ein Hubschrauber über sie hinwegfliegt und sich andeutet, daß Rettung naht.

Es gibt etliche Wege für eine Gesellschaft, ein Land, eine Nation, sich zu verrennen, und es gibt etliche Möglichkeiten, die Resultate des eigenen Irrwegs schön zu reden, zu verfeinern und anzupreisen. 1981 hatte die amerikanische Gesellschaft, die U.S.-Nation, ihren Irrweg in Fernost, der einen fürchterlichen, zehnjährigen, a-symmetrischen Krieg bedeutet hatte und alles in allem mindestens zweieinhalb Millionen (meist Vietnamesen, Kambodschaner und Laotsen) Menschen das Leben gekostet hatte, gerade sechs Jahre offiziell beendet, doch die Gesellschaft litt unter den Folgen dieses Abenteuers, das sie moralisch bankrott und wirtschaftlich angeschlagen zurückgelassen hatte. In den Dschungeln Vietnams hatte die amerikanische Nation (spätestens) ihre Unschuld verloren, derer sie sich seit dem Zweiten Weltkrieg, einem moralisch „guten“ Krieg, immer weiter versichert hatte. Vietnam war ein Debakel, in jeder Hinsicht.

Die kulturelle Verarbeitung hatte auf sich warten lassen. Während des Krieges hatte es nur sehr wenige Filme gegeben, die sich unmittelbar mit ihm auseinandersetzten, allerdings hatte es auch nicht die Hollywood-typischen Durchhalte- und Propagandafilme gegeben, sieht man einmal von John Waynes Militärsause THE GREEN BERETS (1968) ab, der aber eher wie ein Ausflug des ‚Duke‘ in fremde Regionen aussah, bei dem aber wieder mal Menschen mit anderer Hautfarbe und Physiognomie getötet wurden. Was im Western der Indianer, war in diesem Werk eben „Charlie“ – der Vietcong und die bösen Nordvietnamesen. Nein, es hatte mal mehr, mal weniger verklausulierte Werke gegeben – man denke an Robert Altmans M*A*S*H (1970) oder Arthur Penns ALICE`S RESTAURANT (1969) oder Sam Peckinpahs THE WILD BUNCH (1969) – die sich mit Vietnam auseinandersetzten, Filme, die die Thematik jedoch offen angingen, gab es nicht. 1979 erschien Francis Ford Coppola in Cannes mit einem Monster von Film – APOYALYPSE NOW (1976/79) – und legte damit die Blaupause der Grammatik eines aufkommenden Subgenres des Kriegsfilms vor: Der Vietnamkriegsfilm. Die Hubschrauber, die Helme, die Topoi vom „verrückten“ Krieg, vom „Rock’n’Roll-Krieg“, vom Krieg, in dem die Arbeiterklasse verheizt wurde und die reichen Bengel von der Westküste sich freikauften, der Dschungel als Ausdruck einer zerklüfteten, verwirrten, undurchdringlichen amerikanischen Seelenlandschaft, deren zwanghafte Selbstauslöschung programmiert scheint – Coppola legte all das an. Doch hatte es zu Beginn der 80er Jahre erst wenige weitere, das Thema wirklich aufgreifende und kritisch aufbereitende Filme gegeben, Michael Ciminos THE DEER HUNTER (1978) oder Hal Ashbys COMING HOME (1978) gehörten dazu. Vielen dieser Werke wurde vorgeworfen, sie seien vollkommen amerikazentriert und hätten nahezu gar keinen Blick für das Leid der vietnamesischen Bevölkerung. Der Vorwurf ist nicht von der Hand zu weisen.

Aus amerikanischer Sicht war „Vietnam“ wahrscheinlich immer eine rein inneramerikanische Angelegenheit. An diesem Krieg entflammte die Bürgerrechtsbewegung erneut, nachdem sie Mitte der 60er Jahre, nachdem Lyndon B. Johnson maßgebliche Gesetze zur Beseitigung der nach wie vor herrschenden Segregation erlassen hatte, ein wenig erschlafft war; es entzündeten sich daran die studentischen Unruhen der 68er, es führte zu einer unglaublichen Spannung und inneren Zerrissenheit des Landes. Es war ein Krieg, der sich maßgeblich mit sozialen Fragen und denen nach Rassismus und Minderheitenbehandlung kurzschloss und der psychologisch eine Nation mit „dem Andern“ ihrer eigenen Seele konfrontierte. Die Fremdheit des Landes, der Kultur und der Menschen in Vietnam spiegelte in gewisser Weise die Entfremdung der Amerikaner zu sich selbst. So erfolgreich und scheinbar moralisch überlegen die USA am Ende des Zweiten Weltkriegs gewesen sein mögen, Mitte der 60er Jahre waren sich die unterschiedlichen Klassen, Schichten und Ethnien sehr, sehr fremd geworden. Es ging ein tiefer Riss durch das Land und die Gesellschaft.

Als Walter Hill SOUTHERN COMFORT (1981) vorlegte, stand ihm also einerseits ein gewisses Gerüst an filmischer Grammatik zur Verfügung, zugleich war das Subgenre noch nicht so ausgeformt und durchdekliniert, daß es als Korsett zu eng gewesen wäre, Eigenes, Neues aufzunehmen und zudem war auch der ideologische Zugang zum Thema noch nicht derart verengt – das änderte sich schlagartig ab 1982, als Sylvester Stallone in FIRST BLOOD (1982) erstmals als Veteran „John Rambo“ die Leinwand erklomm und damit den die 80er Jahre beherrschenden revisionistischen Ton anschlug – , so daß Hill sich dem Thema relativ frei widmen und vor allem von einer interessanten, dem Actionkino als Genre inhärenten Position aus bearbeiten konnte. Um dem Vorwurf zu entgehen, sich nicht den Leiden des Gegners zu widmen, verlegte Hill seine Geschichte gleich nach Amerika. Statt eines Platoons – ein Begriff, der erst fünf Jahre später durch Oliver Stones gleichnamigen Film in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen sollte – im Einsatz, nutzt er die Wehrübung eines Verbands der Nationalgarde im Sommer 1973 in den tiefsten Sümpfen Louisianas, um einen bitterbösen und manchmal fast schwarzhumorigen Blick auf Neurosen und Befindlichkeiten einer extrem egozentrischen und extrem verunsicherten, eben gespaltenen  Nation zu werfen. Hill holt den Krieg sozusagen „heim“.

In der Kultur der Cajun People findet Hill eine passende Metapher für die Fremdheit der Kultur Vietnams, ja, für kulturelle Entfremdung überhaupt. Dieses Völkchen, das sich seit dem späten 18. Jahrhundert in den Sümpfen Louisianas angesiedelt hatte, vertrieben aus den französischen Provinzen des kolonialen Kanadas, hat eine ganz eigene Kultur, ein eigenes französisches Idiom, eine eigene, vom Blue Grass beeinflusste Musik, eine eigene Küche usw. hervorgebracht; es lebt relativ abgeschieden in den Sümpfen und Dschungelwäldern an der Südküste des Bayou States. Bayou nennt man die Sumpfgewässer, die die Küstenlandschaft Louisianas fast unmerklich  in den Golf von Mexiko übergehen lassen. Wenn also neun Soldaten spielende Großstadtbewohner – Lehrer, Ingenieure, Beamte – auf diese Waldbewohner treffen, besteht sofort ein grundlegendes Mißverständnis. Man kann nicht miteinander kommunizieren und verpasst damit die grundlegende menschliche Verständigungsebene. Da die Herren Soldaten aber eben sind, was sie sind – vom Script als durchschnittlich intelligente männliche Amerikaner gezeichnet, interessiert daran, möglichst wenig Aufwand zu betreiben für etwas wie eine Wehrübung, das man im Grunde nicht wirklich ernst nimmt, dafür aber an kühlem Bier und Frauen interessiert – interessieren sie sich nicht wirklich für die Fremden im eigenen Land.

Hill jedoch lässt seine ätzende Kritik schon vor der Begegnung und Auseinandersetzung mit den Fremden einsetzen. Die Nationalgardisten werden als komplett überfordert gezeigt: Weder können sie wirklich mit ihrem Material umgehen, noch verstehen sie etwas von Topographie, davon, wie man Karten liest, auch wenn die Landschaft sich verändert, und letzten Endes verlieren sie schließlich genau die Gegenstände, die ihnen helfen könnten in ihrem Mißgeschick – bspw. den Kompass und das Funkgerät. Daß sie sich verlaufen, weist sie ebenfalls als ihrer Aufgabe nicht gewachsen aus. Dafür sind einige von ihnen Rowdies, denen es Spaß macht, mit den ausgeteilten Platzpatronen im Wald rumzuballern, was im waffennärrischen Amerika schon zum guten Ton gehört. Den Ausflug betrachten die Männer eher als ein Wochenendabenteuer und als die Situation sich ändert, ja verschärft, dauert es zunächst, bis sie begreifen, was geschieht, dann brechen sie in Panik aus. Und entwickeln einen unbändigen Drang zu töten, zu vernichten und zu foltern. Einer wird verrückt und brennt die Hütte der Einheimischen nieder, einer beginnt, mit Gewalt „Antworten“ aus dem gefangenen Cajun herauszupressen, nach und nach stellen alle die Autorität ihres Anführers in Frage, der diesen Posten nur aufgrund „der Streifen“ an seinem Revers bekommen hat, nachdem der eigentliche Offizier getötet wurde. Diese „Streitmacht“ ist ein letztlich ungeordneter Haufen von Männern, die  sich gegenseitig nicht leiden können un die alle – das darf man niemals vergessen – keine Berufssoldaten sind. Ein Zustand, der auch für viele, viele Dienende in Vietnam galt.

Es fällt nicht schwer, Hills Werk ab der ersten Einstellung als Allegorie oder reine Metapher zu begreifen. Als Sam Peckinpah 1969 THE WILD BUNCH vorlegte und sich massiver Angriffe ob der Schlußszene ausgesetzt sah, in der ein vollkommen außer Kontrolle geratenes Maschinengewehr praktisch die komplette Bevölkerung einer mexikanischen Siedlung massakriert, verteidigte er sich damit, daß die gesamte Nation Abend für Abend den Krieg zur Hauptsendezeit wie eine Soap Opera goutiere, die dort sattfindende Gewalt aber real sei und sich kulturell auch spiegeln müsse; das Maschinengewehr sei nichts weiter, als eben jene amerikanische Militärmaschinerie, die in ein fremdes Land eingefallen sei und dort, vollkommen außer Kontrolle geraten, nur Tod, Leid und Not produziere. Walter Hill nimmt diese Aussage wortwörtlich: Diese „Streitmacht“, für die die neun Nationalgardisten stehen, ist unfähig, überfordert, versteht ihr Material nicht (oder kennt es gleich gar nicht) und reagiert vollkommen panisch auf nicht näher verifizierte Bedrohungen – wie die amerikanische Öffentlichkeit seinerzeit auf die „Dominotheorie“, die da besagte, daß, falle auch nur ein Land Asiens dem Kommunismus anheim, dies der Beginn einer Kettenreaktion sei. Hill nimmt die Neurosen seiner Landsleute hier mit bitterem Blick und äußerst bösem Humor auf die Schippe.

Hills Analyse lässt sechs Jahre nach Beendigung der realen Kampfhandlungen wenig Gutes an seinen Landsleuten. Der von Fred Ward gespielte Corporal Reece entpuppt sich als astreiner faschistoider Charakter, der bei kleinster Abweichung vom Plan bereit ist, zivilgesellschaftliche Rechte und Gepflogenheiten aufzugeben. Bedenkt man, daß die gesamte Konfrontation mit den Cajun People zunächst darauf beruht, daß die Truppe sich deren Kanus aneignet, ohne darum zu bitten und dann – wenn auch mit Platzpatronen, was zunächst aber nicht erkennbar ist – auf die Fremden schießt, lässt das Script wenig Spielraum, wer hier „schuld“ ist. Daß sich die Verfolger der Truppe als wahrlich bösartige und offensichtlich in ihrer Wilderei bedroht fühlende Zeitgenossen entpuppen, konterkariert Hill mit den freundlichen Cajuns, die die überlebenden Soldaten Spencer und Hardin mitnehmen und an ihrem Fest teilnehmen lassen. Hill zeigt – auch in der drastischen Darstellung eben getöteten Wilds und gefangener Fische, aber auch beim Töten zweier Schweine für das Fest am Abend – durchaus die maximale Fremdheit, die diese Menschen für „normale“, durchschnittliche Amerikaner haben, auch wenn Ameriknaer die Jagd lieben. So, wie sie hier erscheint, ist sie nicht „Sport“, sondern archaischer Überlebenswille, ein blutiges und mitleidloses Geschäft. So bleibt der Film vergleichsweise ambivalent in der Zeichnung der Figuren. Wirklich sympathisch kommt hier gar niemand rüber und so klammern wir uns an jene, die am wenigsten unsympathisch wirken.

Doch dadurch, daß die Cajuns ebenfalls Amerikaner sind, holt Hill den Konflikt auf eine bedrückende Art und Weise ins Land zurück. Weder zeichnet er den gefangenen Trapper, noch die die Truppe verfolgenden Cajuns als besonders freundliche Menschen, doch beachte man Hills Inszenierung der Fremden ganz genau: Sie sind nicht freundlich, aber sie sind lange Zeit auch nicht feindlich, eher neutral. Die Eskalation geht immer von dem Trupp Soldaten aus. Erst die Kanus, dann der Beschuß, schließlich die Vernichtung der Hütte ihres Gefangenen samt dessen gesamter Habe – auch hier übrigens bieten sich jede Menge Parallelen zu Vietnam, wo die sogenannte seek & destroy-Strategie nichts als verbrannte Erde und zerstörte Heime hinterließ. Daß die Cajuns sich bedroht fühlen müssen, da sie offensichtlich als Wilderer, also illegal, ihr Dasein fristen, genügt Hill als Begründung für ihren Furor, der nach und nach sieben der Männer das Leben kostet, wobei die Todesarten durchaus ekelerregend sind. Daß der von Brion James gespielte Trapper, den die Truppe ohne jegliches Indiz für dessen Schuld gefangen- und mitnimmt, sich als jemand entpuppt, der durchaus zur Täuschung und Trickserei fähig ist, liegt in der Natur der Bedrohung: Was blieb ihm anderes übrig, als sich „dumm“ zu stellen? Auch dies eine Metapher für den Vietcong, der sich unsichtbar machen konnte, der täuschte und trickste in Anbetracht einer gnadenlos überlegenden feindlichen Macht. Doch lässt der Trapper Hardin und Spencer schließlich laufen, also die beiden Soldaten, die er im Laufe seines Passionsweges als diejenigen ausmachen konnte, die sich für ihn und für Recht und Gesetz eingesetzt haben. Hardin hatte Reece letztlich sogar dafür getötet.

Walter Hill hat – darin seinem Idol Peckinpah nicht unähnlich – gewisse Vorlieben für die Produktionsbedingungen wie für die Plots seiner Stories. Er arbeitete gerade in frühen Jahren mit einer Art Stock Company, also Darstellern und einem Stab, die er immer wieder einsetzte und nutzte. Vor allem der Musiker Ry Cooder, hierzulande eher für seine Musik zu Wim Wenders´ PARIS, TEXAS (1984) bekannt, steuerte sowohl zu THE LONG RIDERS, als auch zu SOUTHERN COMFORT und späteren Werken Hills seinen typischen Slide-Guitar-Stil als Soundtrack bei. Inhaltlich sind seine Werke oft dadurch geprägt, daß eine Gruppe eher zufällig Zusammengewürfelter in eine Situation gebracht werden, in der sie sich gegen eine feindliche Umwelt verteidigen und durchschlagen müssen. In THE WARRIORS (1979) war es eine Jugendgang, die sich aus der Bronx bis nach Coney Island durchschlagen musste, in THE LONG RIDERS (1980) eine Banditenbande um die James-Brüder, die sich im „feindlichen“ Umfeld der Nach-Bürgerkriegsjahre gegen die neue Ordnung stellt. Hills Interesse gilt dabei eindeutig der Frage, wie äußerer Druck auf inneren Druck sich auswirkt. In SOUTHERN COMFORT wird dies noch durch die Zusammensetzung verstärkt: Powers Boothe als Charles Hardin spielt überzeugend den Außenseiter, der eigentlich mit der ganzen Angelegenheit – schon der Übung an sich – nichts zu tun haben will und als Einzelner gegen die andern steht, die sich bereits kennen. Die Konfliktlinie innerhalb der Gruppe ist damit schon markiert und wird durch den entstehenden Druck von außen nur schneller deutlich.

Obwohl SOUTHERN COMFORT  wie ein zwar extrem modern inszenierter, aber letzten Endes konventioneller Actionfilm daherkommt, weist er doch einige Merkmale des frühen Walter Hill auf. Es gibt Momente, in denen werden – oft unvermittelt in die laufende Handlung eingeschnitten – Zwiegespräche einzelner Gruppenmitglieder gezeigt. Dabei treten die Figuren wie in einem Brecht´schen Theaterstück aus ihren Rollen hervor und kommentieren das Geschehen, aber auch die Verhältnisse in der Gruppe. Hill nutzt dies einerseits, um einzelne Mitglieder des Trupps zu charakterisieren, aber auch, um den Film, das Werk, die Entwicklung selbst auf einer Art Metaebene zu kommentieren. Nach dem extrem formalistischen und damit fast experimentell wirkenden THE DRIVER (1978), finden sich die oben beschriebenen Momente auch in THE WARRIORS, der einzelne Gangmitglieder in diesen Zwiegesprächen zeigt, zeitlich und räumlich oft in einem Zusammenhang, der eigentlich im Handlungsverlauf nicht passt. Durch dieses Stilmittel wird in SOUTHERN COMFORT noch einmal verdeutlicht, daß der Film als Allegorie funktioniert und auf die unmittelbare amerikanische Vergangenheit anspielt und als solches als Kommentar gedacht ist. Hill hatte genau begriffen, wie gut sich das Genrekino eignet, um eben diese Kommentare auf die Gesellschaft grundlegend oder spezifische einzelne Punkte abzugeben.

Mehr als andere, sicherlich mehr als spätere Werke Hills, kann man SOUTHERN COMFORT als klare Gesellschaftskritik verstehen. Überdeutlich manche Anspielungen. Und die Härte, die der Film hat, markiert genau den entscheidenden Punkt: So sind wir, scheint er zu sagen, so sind wir Amerikaner. Gewaltverliebt, prae-faschistisch, rassistisch, dumm, egozentrisch und neurotisch, wenn nicht gar paranoid. Der deutsche Titel DIE LETZTEN AMERIKANER ist so gesehen ein sehr, sehr treffender, doch sollte man die Perfidie, die im Originaltitel steckt, nicht unterschätzen. Southern Comfort ist zunächst natürlich der Name einer bekannten Likör-Marke, doch übersetzt man ihn, bedeutet er so etwas wie „südlicher Komfort“ oder „Luxus“. Was der Film ausstellt, ist das genaue Gegenteil. Dreckig, nass und kalt für die einen, ist das Leben hier für die andern sowieso von Härte und alltäglichem Überlebenskampf geprägt. Der Dschungel – ein von Hill wahrlich beeindruckend inszeniertes Stück bizarrer Formen und Details  – erinnert natürlich unmittelbar an das reale Vietnam,  evoziert aber  bspw. auch Szenen aus Coppolas APOCALYPSE NOW. Aber auch mit einem Film wie John Boormans DELIVERANCE (1972) korrespondiert SOUTHERN COMFORT. In Boormans umstrittener Zivilisationskritik nimmt die Redneck-Bevölkerung der Appalachen eine ähnliche Funktion ein, wie die Cajuns bei Hill, allerdings werden sie von Boorman sehr fragwürdig inszeniert.

Diese Verweise verdeutlichen den Rang des Films als Allegorie. Hill ist sich sehr bewußt, daß sein Film ein Film ist, ein artifizielles, metaphorisches  Werk über einen Krieg. Darin unterscheidet er sich von Coppola, der einst für seinen Film in Anspruch nahm, er SEI Vietnam. Wenn Hill seinen Film nun also SOUTHERN COMFORT nennt, steckt darin der erste und letzte böse Kommentar auf eine Gesellschaft, die dabei ist, sich selbst zu verlieren und darob Selbstzerfleischung betreibt. Kein gutes Zeugnis. Aber ein schnell vergessenes – denn FIRST BLOOD und seine Hauptfigur „John Rambo“ sorgten schnell für ein ganz anderes, weniger kritisches, aber möglicherweise die amerikanische Psyche besser bedienendes Programm  der Vergangenheitsbewältigung.

SOUTHERN COMFORT war ein leidlich erfolgreicher, wie so viele Filme Hills erst in der Zweitauswertung auf dem Videomarkt seinen Kultstatus erreichender Genrefilm, der wie  eine Wegmarke zwischen den gesellschaftlich engagierten Werken des New Hollywood der 1970er Jahren und den hedonistischen, der Unterhaltung verschriebenen Filmen, Blockbustern und Spektakeln der 1980er Jahre liegt.

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