DIE WARRIORS/THE WARRIORS

Der urbane Parcours des Lebens

Cyrus (Roger Hill), Chef der größten und härtesten Gang New Yorks – der „Riffs“ – ruft jeweils neun unbewaffnete Abgesandte der einhundert wichtigsten und größten Gangs der Stadt zusammen. Seine Idee: Zählt man alle Kämpfer dieser Gangs zusammen und noch all jene der kleineren und unorganisierten hinzu, hat man ein Heer von nahezu 60.000 Kriegern, die die Stadt übernehmen könnten. Cyrus plant, sie alle zusamemnzufassen in einer „Army of the night“, die der städtischen Polizei weit überlegen wäre.

Im Van Cortlandt Park in der Bronx treffen sich die Abgesandten und lauschen Cyrus` Vision. Dann fällt ein Schuß und Cyrus stirbt. Der Todeschütze ist der verrückte Luther (David Patrick Kelly), Chef der „Rogues“, der jedoch von Fox (Thomas G. Waites), Mitglied der „Warriors“ aus Coney Island, beobachtet wird. Luther bezichtigt Fox der Tat und die „Riffs“ töten daraufhin Cleon (Dorsey Wright), den Chef der „Warriors“.

Diese müssen sich nun die gut 80 Meilen von der Bronx zurück nach Coney Island durchschlagen, wähnen sich dabei von der Polizei verfolgt und begreifen erst nach und nach, daß sie auf der Abschußliste stehen, da jede Gang der Stadt per Rundfunk angehalten wird, sie zu stellen und den „Riffs“ für den Mord an ihrem Anführer auszuhändigen.

Und so wird es ein erbitterter Überlebenskampf, bei dem sich der Gang, die unterwegs zersplittert und deren Mitglieder nicht alle die Nacht überleben werden, u.a. Mercy (Deborah van Valkenburgh) anschließt, die sich in deren neuen Anführer Swan (Michael Beck) verliebt hat.

Erst am heimischen Meer, im anbrechenden Morgengrauen, wenn es zur finalen Auseinandersetzung zwischen den „Warriors“ und den „Rogues“ kommen soll, klärt sich auf, wer wirklich für den Mord an Cyrus verantwortlich war. Deren Anführer attestiert den überlebenden „Warriors“, gut zu sein – Swan antwortet: „Die besten!“

Walter Hill legte mit THE WARRIORS (1979) seinen erst dritten Spielfilm vor und hatte dennoch eines seiner Themen gefunden: Die Bedingungen unter denen Gruppen zusammenrücken oder auseinaderfallen können, Gruppen unter extremen Druck von außen. Sowohl der nächste Film, den Hill realisierte, THE LONG RIDERS (1980), als auch dessen Nachfolger SOUTHERN COMFORT (1981), behandeln dieses Thema. Und in allen dreien sind Handlung und Setting fast abstrakt. Wie in einer Versuchsanordnung wird hier die Bewegung im Raum durchgespielt. Wo DRIVER (1978), der Vorgänger (und sicherlich abstrakteste Actionfilm der Filmgeschichte), defninierte, wie man den Raum nutzt, um sich ununterbrochen Vorteile zu verschaffen, zeigt THE WARRIORS den Raum als eine dunkle und ebenfalls fast abstrakte Bedrohung. Immer wieder wird die Handlung unterbrochen und der Zuschauer betrachtet ein Paar weiche Lippen, die in ein Mikrofon sprechen und den Stand der Jagd auf die vermeintlichen Mörder bekannt geben, gekoppelt an die Ansage des gerade dazu passenden Musikstücks. Dabei drückt dieser Mund aus, wie der jeweilige Blick auf die Gejagten gerade ist: angewidert, belustigt, verachtend und schließlich auch bewundernd. Und teilt uns und den mithörenden Gangs mit, wo sich die Beute gerade befindet. Dies – ebenso die immer wieder über das auf Plänen markierte U-Bahn-Netz von NYC gleitenden Fingern der Mitglieder der „Warriors“, die versuchen herauszufinden, wo sie sind und wo sie hinmüssen – läßt die Strecke aus der Bronx nach Coney Island wie einen Parcours erscheinen, den die Jungs zu durchlaufen haben. Die Straßen selbst jedoch zeigt Hill als immergleiche Abfolge dunkler Gassen, Reihen dunkler, leerstehend wirkender Häuser, düsterer Parks und immer gleich erscheinender U-Bahnstationen, die plötzlich neongrelles Licht in die Nacht streuen. New York als gesichtslose, anonyme Bedrohung. Keines der Wahrzeichen der Stadt wird gezeigt, nie sehen wir irgendeines der heute so bekannten Symbole der Metropole: keine gelben Taxen, keine Diners, keine neongesättigten Straßen bei Nacht. Diese Stadt scheint den Atem anzuhalten. Sie scheint sich zu ducken.

Bei allem Grad an Abstraktion, muß aber auch gesehen werden, daß Walter Hill auf sehr reale und damals die Stadt unmittelbar betreffende Entwicklungen anspielt: Das Bandenproblem wuchs sich zu einem ernstzunehmenden Problem aus, die Stadt drohte an ihrem eigenen Unrat und Müll zu ersticken, die Gewalt auf den Straßen nahm bedrohliche Ausmaße an. Doch sollte man sich nicht der Illusion hingeben, daß Hill hier ein sozialkritisches Statement abgeben wollte. Ihn interessiert die Gruppe unter Druck (weshalb er auch bereit ist, logische Brüche in Kauf zu nehmen – warum z.B. klauen die Gangmitglieder nicht einfach einen Wagen und fahren über die Stadtautobahnen heim? Für Hill kein Thema, denn es geht hier nicht um eine realistische Zeichnung des Konflikts oder seiner Lösung). Die Stadt, die Gangs, die Gewalt und das Setting sind ihm Mittel zum Zweck.

Er präsentiert dem staunenden Publikum ein Sammelsurium verschiedener Banden, die in seltsamen, teils bizarren Kostümierungen auftreten: Da sind Discoboys auf Rollschuhen ebenso dabei, wie es eine Baseballgang gibt, deren Mitglieder fatal an Alex und seine Droogs in Kubricks A CLOCKWORK ORANGE (1971) erinnern, einen Haufen Skinheads oder die sogenannten „Orphans“, die nicht zu dem Treffen eingeladen waren und sich deshalb auch nicht an den Aufruf der „Riffs“ gebunden fühlen und die „Warriors“ durch ihr Gebiet ziehen lassen. Jede dieser Gruppen steht eher exemplarisch für die sich zersplitternden Jugendgruppierungen der 70er Jahre, als daß man sie ernsthaft für Gangs in New York hielte.

Walter Hill geht es also auch um einen Kommentar auf eine Entwicklung, die immer dynamischer die einst politisch aufgeheizte einheitliche Jugendbewegung der 60er Jahre abzulösen begann. Cyrus tritt zu Beginn auf wie ein politischer Führer, die „Riffs“ werden im Film wie eine streng hierarchisch, fast militärisch organisierte Einheit gezeigt, die irgendwo zwischen den Black Panthers und Mussolinis Schwarzhemden verortet werden muß. Luther, der eigentliche Mörder, kreischt auf die Frage, warum er getan hat, was er getan hat, er „tue solche Sachen eben gern“ – ein weiteres Zeichen für die nicht mehr gegebene Einheitlichkeit subkultureller Bewegungen und darauf, daß Wahnsinn und Lust am Bösen die einstige Lust an Frieden und Liebe längst abgelöst haben. So wird THE WARRIORS auch zu einer Zustandsbeschreibung der Subkultur am Ende der für Amerika so schwierigen 70er Jahre.

Es gibt ein paar Momente, die dem Film ein leicht sozialkritisches Flair geben – so fragt sich Swan am Morgen, als die Überlebenden aus der U-Bahn treten und er sich umblickt, ob es das gewesen sein soll, wohin zurückzukehren sie nun die ganze Nacht gekämpft hätten? Und in der U-Bahn werden wir Zeuge einer zwar feindlich gestimmten doch friedlichen Begegnung zwischen dem abgekämpften Swan und der ebenfalls nicht mehr ganz frischen Mercy mit zwei Pärchen, die in ihren überkandideleten Rüschenhemden und Blousons offenbar zur Upper Class Manhattans gehören. In dieser Szene, einer der besten des Films, da Hill sich hier statt auf Action und Gewalt einfach auf Bilder der Ruhe und die Blicke seiner Darsteller verläßt, werden die so unendlich weit auseinander liegenden Lebenswelten dieser Stadt angedeutet. Deutlich wird gezeigt, wie in dieser Stadt das Leichte einer durchfeierten Samstagnacht (nicht von ungefähr erinnern die beiden Jungs dieser Paarungen in ihrer Aufmachung an Travolta in SATURDAY NIGHT FEVER [1977]) mit der reinen Gewalt eines knallharten Überlebenskampfes koexistieren kann, ohne sich je wirklich zu berühren, ja, ohne je voneinander auch nur zu erfahren.

Doch sollte man sich da keinen falschen Annahmen hingeben: Dies ist nicht Walter Hills Anliegen, ebenso wenig ist es sein Anliegen, die Gewalt zu geißeln, die hier als Konfliktlösung dient. Die wird in diesem Setting schlichtweg als gegeben hingenommen. Er will einen spannenden, actiongeladenen Unterhaltungsfilm abliefern, der ihm u.a. dazu dient, seine gruppendynamischen Beobachtungen unter den Laborbedingungen der Metropole anzustellen. Dabei ist ein Meisterwerk und Kultfilm des Gangfilms (wenn man es mal so nennen will) entstanden, der heute sicherlich nichts Aktuelles mehr zu erzählen hat (dazu wirkt er auch zu fern, sowohl in der Handlung als auch in der formalen filmischen Auflösung), der aber immer noch zu unterhalten und uns etwas über diese Zeit zu erzählen weiß, die so, so lange vergangen zu sein scheint.

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