DER LETZTE ZUG/EXPERIMENT IN TERROR

Leicht veraltet, filmhistorisch jedoch interessant - ein früher Blake Edwards

Als die junge Bankangestellte Kelly Sherwood (Lee Remick) nachts in ihr Haus in den Hügeln von San Francisco heimkehrt, wird sie von einem Mann bedroht, der sie zwingen will, der Bank 100.000 Dollar zu stehlen, er bräuchte das Geld und gäbe ihr 20% ab. Wenn sie nicht bereit sei, zu kooperieren, werde er sie oder ihre Schwester Toby (Stefanie Powers) töten. Es gelingt Kelly entgegen der Anweisung des Mörders, Kontakt mit dem FBI aufzunehmen. Der Agent John Ripley (Glenn Ford) nimmt sich ihrer an. Gegen die Widerstände seiner Vorgesetzten, die nicht glauben, es hier wirklich mit einem Verbrechen zu tun zu haben, nimmt er die Ermittlungen auf. Während die Poliezi versucht, Kelly und ihre Schwester möglichst unauffällig vor Zugriffen zu schützen, Telefonüberwachung eingerichtet wird und man versucht, die einschlägigen Unterweltverbindungen auf den Fall anzusetzen, gerät Kelly in immer größere Ängste, Paranoia ergreift Besitz von ihr, denn der Fremde nimmt Kontakt mit ihr auf, ja, er schleicht sich sogar in ihr Haus, ohne daß es der Polizei oder dem FBI gelänge, dies zu verhindern. Schließlich bringt der Fall einer toten Künstlerin etwas Licht ins Dunkel. Der Mörder kann entlarvt, doch nicht gefasst werden. Auch dessen Freundin weigert sich, mit der Polizei zusammen zu arbeiten. Mit der Bank wird ausgehandelt, daß Kelly das Geld wirklich stehlen darf, um eine fingierte Übergabe zu inszenieren. Der Mörder will diese Aktion während eines Baseballspiels mitten im Stadion. Zuvor aber bringt er Toby in seine Gewalt, damit er ein Faustpfand hat. Ripley kann das Versteck ermitteln, Toby befreit werden. Im Stadion kommt es schließlich zu einem Showdown in der Menge, bei der der Mörder stirbt.

Was einmal an den Nerven des Publikums zerrte, muß nicht zwangsläufig auch heute noch packen. Es ist ein immer wieder neu zu hinterfragendes Geheimnis, welche Filme die Zeit gut überdauern und welchen dies nicht gelingt. Meist kann man es nicht wirklich erklären und flüchtet sich in Hilfskonstruktionen wie die der „Magie“ eines Regisseurs etc. Manchmal ist es aber auch ganz einfach: Man sieht einen Film, will ihn eigentlich mögen und muß sich doch eingestehen, daß er nicht halten kann, was er verspricht. Und man weiß auch genau, warum das so ist.

EXPERIMENT IN TERROR (1962) ist solch ein Fall. Blake Edwards hat einen verspäteten ‚Film Noir‘ in der Tradition jener Filme der 1950er Jahre abgeliefert, die sich explizit auf „wahre Begebenheiten“ stützten, wie Hitchcocks THE WRONG MAN (1956), oder aber eine genaue Betrachtung polizeilicher Arbeit behaupteten, wie William Wyler in DETECTIVE STORY (1951). Edwards Thriller liegt irgendwo dazwischen. Nach einem vom coolen Jazz Henry Mancinis unterlegten Vorspann, der uns eine nächtliche Fahrt durch San Francisco präsentiert, und einem jedem Horrorfilm angemessenen Auftakt, der das Publikum wahrlich das Fürchten lehrt, richtet der Film sich schnell in einem Midtempo ein und konzentriert sich auf die Ermittlungsarbeit der FBI-Einheit. Wohl kehrt er immer mal wieder zu den Sherwood-Schwestern und der Bedrohung, der sie ausgesetzt sind, zurück, doch nutzt er diese Szenen eher, um den vergleichsweise ruhigen Fluß der Erzählung ein wenig aufzupeppen. Schließlich wird Kelly Sherwood in die Ermittlungen direkt eingebunden, während Toby als Druckmittel und Spannungsanheizer in die Hände des dem Publikum früh enttarnten Täters fällt. Das Script ist unentschlossen, ob Spannung und Nervenkitzel erzeugt werden sollen, es also ein waschechter Thriller sein soll, oder ob man authentisch von einer Ermittlung berichten will. Denn es tut wenig, dieses Script, um einen wirklichen Spannungsbogen aufzubauen und zu halten. Zu gleichmäßig und unaufgeregt kommt das alles daher, zu gemächlich auf über zwei Stunden Laufzeit verteilt, geschieht zu wenig Überraschendes, um den Zuschauer ernsthaft zu fesseln. Dafür erleben wir ausführlich Zeugenbefragungen, Einweisungen in Gefängniszellen und allerhand Polizeiroutine wie Beschattung und Verfolgung, gelegentlich unterbrochen von Momenten äußersten Schreckens – wie jenen im Atelier einer Zeugin, die schließlich auch ein Opfer wird.

Stilistisch ist EXPERIMENT IN TERROR allerdings hochinteressant. Vor Ort in San Francisco gedreht, bietet er – Mancinis Soundtrack trägt kongenial dazu bei – ein wahrlich cooles Portrait einer coolen Stadt, die selbstbewußt und groß im Kommen war. Betrachtet man Glenn Fords in harten schwarz-weiß-Kontrasten eingefangenes Gesicht, seinen Trenchcoat, den Hut, denkt man sofort an die harten Typen auf den Groschenheften, die es früher an den Kiosken der Kindheit zu kaufen gab. Jerry Cotton und Co. lassen grüßen. Hier mögen sie ihre filmischen Vorbilder gefunden haben: Diese Männer sind Kerle mit kantigem Kinn und eisernem Blick, so wachen sie über die Sicherheit der Nation,, sie haben alles gesehen, davon zeugen ihre Gesichter, die tiefen Falten, die Furchen, die bronzene Haut. Mit diesen Gesichtern bürgen sie für die Ernsthaftigkeit der Situation, für die Bedrohung, die herrscht. Um Ford versammelt findet sich eine ganze Riege solcher Originale; jedwedes Klischee über FBI-Agenten könnte hier entworfen und ausgearbeitet worden sein. Doch ein Ensemble hervorragender Charakterdarsteller – von Roy Poole, Ned Glass oder Clifton James bis Ross Martin als ausgesprochen bedrohlichem Mörder – verleiht all diesen Figuren, den guten wie den zwielichtigen, Glaubwürdigkeit. Man folgt Ripleys Bemühungen, Licht ins Dunkel zu bringen, mit Aufmerksamkeit, merkt aber bald, daß heutzutage keine Folge einer täglichen Kriminalserie mit derart veralteten Winkelzügen und Entwicklungen arbeiten würde. Dennoch erstaunen der Zynismus der Polizisten, Ripleys Art, in einem Augenblick vom freundlich mitfühlenden Onkel in den Modus eines brutalen Kerls zu wechseln, dem fast jedes Mittel recht ist, um sein Ziel zu erreichen. Ford spielt das hervorragend. Wie Edwards die Stadt, aber auch in etlichen Großaufnahmen die Gesichter seiner Protagonisten – die Angst in Lee Remicks Augen, die Panik in Stefanie Powers Gesicht, Fords Müdigkeit und die distanzierte Leere in Martins Augen – in Szene setzt, wie er Räume inszeniert, sodaß sie wie Fallen anmuten, wie es ihm gelingt, das Gefühl steter Bedrohung langsam zu steigern und eine Atmosphäre steter Paranoia zu erzeugen, das alles ist von großer Könnerschaft und zeigt, was für ein großer Regisseur in Edwards steckte.

Vielleicht hätten Edwards und die Gordons, die das Drehbuch nach ihrem eigenen Roman verfasst hatten, ihre Geschichte deutlich straffen und in stringente 90 oder 100 Minuten packen sollen, es wäre letztlich ein spannenderer Film entstanden. So ist EXPERIMENT IN TERROR eher filmhistorisch als Kind seiner Zeit interessant, denn ebenso, wie er den schon erwähnten ‚True Crime‘-Filmen nah steht, spiegelt er auch die paranoide Grundstimmung der späten 50er und der 1960er Jahre in den U.S.A. wider. Ähnlich wie INVASION OF THE BODY SNATCHERS (1956) oder THE MANCHURIAN CANDIDATE (1962) in ihren jeweiligen Genres, erzeugt EXPERIMENT IN TERROR eine permanente Atmosphäre subtiler Bedrohung, der man sich nicht entziehen kann. Er berichtet also eher aus einer bestimmten Zeit und von deren spezifischen Stimmungen, als daß er heute noch mit Spannung zu unterhalten verstünde. Was dem Genuß aber keinen Abstrich tun muß.

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