FROM BEYOND

Erstaunlich frisches Relikt einer anderen, einer analogen Zeit

Dr. Pretorius (Ted Sorel) ist es mithilfe eines Resonators gelungen, die Zirbeldrüse im Hirn derart zu stimulieren, daß diese sich – in späteren Stadien des Experiments – durch die Stirn des Betreffenden bohrend praktisch zu einem weiteren Organ entwickelt, welches in der Lage ist, sowohl „Außersinnliches“ wahrzunehmen, als auch telepathisch Gegenstände zu bewegen oder zu bedienen. Doch offenbar haben die Experimente Nebenwirkungen: Nicht nur werden Lebewesen sichtbar, die möglicherweise ununterbrochen um uns sind, sondern eine Schleuse scheint geöffnet, durch welche Wesen einer anderen Welt, einer Parallelwelt, in die unsrige eindringen. Für Pretorius ist der Triumph zugleich sein Ende: Etwas…Großes…aus dieser Parallelwelt beißt ihm den Kopf ab. Sein Assistent, Crawford Tillinghast (Jeffrey Combs), ist erster und einziger Mordverdächtiger für die Polizei. Er soll auf Zurechnungsfähigkeit untersucht werden, redet er doch wirres Zeug von unsichtbaren Wesen. Die Psychiaterin Dr. Katherine McMichaels (Barbara Crampton) stellt fest, daß Tillinghasts Zirbeldrüse bereits abnorm vergrößert ist und möchte mit seiner Unterstützung das Experiment wiederholen, das Pretorius und sein Adlatus durchgeführt haben. So quartieren sie, Tillinghast und der Polizist „Bubba“ Brownlee (Ken Foree) sich in Pretorius‘ Anwesen ein, nicht ahnend, welch gewaltige Kräfte sie da freisetzen. Sie öffnen Pforten für Wesen, denen sich zu widersetzen nahezu unmöglich sein wird. Und mitten unter diesen: Pretorius!

Dem amerikanischen Autoren H.P. Lovecraft, Verfasser von Grusel-, Horror- und Geistergeschichten, aber auch Erschaffer eiens ganzen vorzeitlichen Mythensystems, ein Mann des 19. Jahrhunderts mit einem ausgesprochenen Faible für die modernen, sprich: technischen Wissenschaften, ist seitens der Filmwelt selten Gerechtigkeit widerfahren. Die meisten Verfilmungen seiner Werke sind eher mißlungen, einige unfassbar schlecht. Oft wurden lediglich die Grundgerüste seiner Arbeiten genutzt, um daraus Hexen- oder andere Schauermären zu destillieren. Da gehört das Regie/Produzentenduo Brian Yuzna/Stuart Gordon noch zu jenen Filmemachern, deren Adaptionen – wenn auch meist nicht wirklich nah am Original – sich noch die größten Meriten verdient haben, fangen sie doch zumeist wenigstens den Geist der Vorlagen ein. Ihre Helden weisen zumindest den bei Lovecraft oft so verstörenden Genius auf, der sie über das Mittelmaß des Menschlichen nicht nur hinausdenken, sondern sich auch über alles Menschliche hinwegsetzen läßt. Es sind Männer – Männer der Wissenschaft – die unbekannte Dimensionen suchen, Jenseitiges, Töne aus den Weiten des Alls und Zeichen aus der Tiefe der Zeit. Oder aber sie wollen sichtbar machen, was uns mit unseren beschränkten Sinnen verborgen bleibt. Immer gibt es bei Lovecraft ein Dahinter, ein Weiterführendes, eine Ebene, derer wir uns nie wirklich bewußt sind, die wir aber erahnen und die uns Schauer über den Rücken jagt, denn auch das ist bei Lovecraft meist sicher: Das, was da lauert, ungesehen, unerkannt, ist uns nur in den seltensten Fällen wohlgesonnen, bestenfalls ignoriert es uns, sind wir doch zu unwichtig in den gewaltigen Abläufen und Wälzungen der Äonen. Doch häufig scheint es nur gewartet zu haben und greift aus nach uns, sobald wir ihm die Möglichkeit dazu bieten.

Natürlich hat dies alles mit Lovecrafts Vorlage nicht mehr allzu viel zu tun. Nicht nur wurde die Handlung in die zeitgenössische Gegenwart verlagert, sondern die Story wurde auch – es waren die 80er! – mit einer gehörigen Portion Sex aufgepeppt, indem man dem Resonator nicht nur die Zirbeldrüse beeinflussende, sondern noch ganz andere Regionen des menschlichen Körpers stimulierende Kräfte zuschrieb. Personal wurde hinzuerfunden und der Gore- und Splatteranteil wäre dem eher gesetzten Herrn aus Massachusetts – wie übrigens auch die erotischen Details – wahrscheinlich ein Graus gewesen. Man sollte einem Film wie FROM BEYOND (1986) also nicht als Verehrer von Lovecraft begegnen, besser als Liebhaber des härteren 80er-Jahre-Horrorfilms. Denn auf dieser Ebene kann der Film erstaunlich gut bestehen. Eine wunderbar abgehangene Schlachtplatte, die die Zeit erstaunlich gut überdauert hat, was man nicht unbedingt jedem Film dieser Epoche nachsagen kann. So erstaunlich es auch klingen mag, diesem Rezensenten gefällt FROM BEYOND sogar weitaus besser als die immer noch als Kultfilme gehandelten Yuzna/Gordon-, bzw. die reine Brian Yuzna-Produktionen RE-ANIMATOR (1985) und BRIDE OF RE-ANIMATOR (1990). Sieht man sich das Original – ebenfalls eine Lovecraftadaption – , also RE-ANIMATOR, heute an, bleibt ein gewaltiger Blutfleck in Erinnerung, doch der ganze Film wirkt heute etwas albern, leicht überholt, zu gewollt und angestrengt. Dagegen hat man bei FROM BEYOND während der gesamten 86 Minuten Laufzeit (des Director’s Cut, den man unbedingt präferieren sollte, da er doch 6 Minuten länger und deutlich blutiger ist) das Gefühl, dieser Schleim- und Schnodderbatzen hat jedem der Beteiligten großen Spaß gemacht. Keinen Moment kommt Langeweile auf, nie versucht der Film irgendwie mehr zu sein, als er ist – ein durchgeknallter ‚Mad-Scientist‘-Stoff mit Monstern, Maden und Markerschütterndem. Die Wesen, die Stuart Gordon und sein Team für Maske und F/X auf den Zuschauer loslassen, haben es in sich, sind mit viel Liebe zum Detail ausgestattet und dementsprechend enervierend im Anblick. Wir haben es mit einem astreinen Monsterfilm zu tun, der selbstbewußt auf seine Schauwerte setzt. Und der sehr genau weiß, was er sich und der Gemeinde schuldig ist.

Stuart Gordons Inszenierung hält sich keinen Moment mit Fragen der Logik, Machbarkeit oder gar Wahrscheinlichkeit auf – mit der ersten Aufblende sind wir mitten im Geschehen und aus selbigem entläßt uns des Regisseurs eiserne Regiehand nicht mehr für auch nur einen einzigen Moment, bis zum allerdings bitterbitterbösen Ende. Straff wird die Handlung angezogen, Gordon braucht nicht mehr als zwei Schauplätze und ein Personal von maximal sechs Sprechrollen, den Rest erledigt die Abteilung für Spezialeffekte und der Set Designer, denn das muß man den Filmen des Gespanns Yuzna/Gordon grundsätzlich attestieren: Ihre Filme sind immer mit viel Sorgfalt und Hingabe an auch scheinbar Nebensächliches ausgestattet und jedes Set wirkt somit ausgesprochen überzeugend. Hier fällt das besonders auf, wenn man Pretorius‘ Haus – äußerlich eine Villa, die eher an ein klassisches Spukhaus erinnert – in Erscheinung und Funktion miteinander vergleicht. Das im Obergeschoß untergebrachte Labor, bestückt mit einem Computer, der uns Heutige einfach nur in lachendes Erstaunen versetzt, erinnert nicht umsonst durchaus an Dr. Frankensteins Wirkungsstätte.

Und wie sein ungemein berühmterer Vorgänger muß auch Pretorius feststellen, daß menschliches Streben selten jene Ziele erreicht, die es ersehnt, dafür aber oft Unverhofftes eintritt; doch da Pretorius nunmal einer Lovecraftgeschichte entstammt, geht seine Erkenntnis – so man es denn so nennen will – weit über diese Binsenweisheit hinaus. Nein, wie es den Lovecraft’schen Figuren nun einmal zu eigen ist, muß dieser Wissenschaftler auch erkennen, daß „da draußen“ nicht nur die uns bekannten Gesetzmäßigkeiten keine Gültigkeit mehr besitzen, sondern auch Kräfte walten, die möglicherweise das Wesen dessen, was wir Wissenschaft nennen, komplett verändern, ja, ad absurdum führen. Auch wenn Lovecraft selbst sicher nicht sonderlich begeistert gewesen wäre von dieser Bearbeitung seines Stoffes, die sich niemals zu ernst nimmt, ohne dabei wie RE-ANIMATOR gänzlich in die Farce abzukippen, muß klar anerkennen, daß Stuart Gordon auf seine poppig-comichafte Art durchaus den Geist von Lovecrafts Universums einfängt. Es ist natürlich auch kein Zufall, daß unter den Lovecraft-Jüngern diese Verfilmungen als die durchaus gelungenen gelten, einerlei, wie weit sie sich im Setting und auch der den Stories zugrunde liegenden Ernsthaftigkeit (die Lovecraft ja sehr wichtig war) von den Vorlagen entfernt haben.

FROM BEYOND kann also bald dreißig Jahre nach seiner Erstaufführung immer noch im Pool jener Splatter/Gorefilme überzeugen, die aus einer Zeit zu uns herüberreichen, die von handgemachten Effekten, Latex- und Schaumpuppen, falschen Gliedmaßen und vielen, vielen Litern Kunstblut berichten, lange, bevor nahezu jeder Effekt am Computer generiert sein aseptisches, virtuelles Dasein in diversen Neuverfilmungen alter Klassiker fristete. Diese Schauspieler sind noch wirklich durch klebrige rote Meere gewatet, mussten stundenlange Maskenbildnereien über sich ergehen lassen und wussten am Ende des Drehtags, was sie da geleistet hatten. Schön, dieses Kleinod wieder ungekürzt und voll hergestellt genießen zu können.

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