HEISSE GRENZE/THE WONDERFUL COUNTRY

Tausche Pferd gegen Frau...?

Martin Brady (Robert Mitchum) erschoß einst den Mörder seines Vaters und floh nach Süden, über die Grenze nach Mexico. Dort verdingt er sich als Pistolero und Mann fürs Grobe bei den Castros. Die sind das dort herrschende Brüderpaar: Der eine – Cipriano (Pedro Armendáriz) – als Gouverneur, der andere – Marcos (Victor Manuel Mendoza) – als örtlicher Generalstabschef. In deren Auftrag soll Brady Gewehre aus den Staaten besorgen. Doch sein Pferd namens „Tränen“ stürzt, als er in das texanische Kaff einreitet, wo er die Gewehre abholen soll. Brady bricht sich ein Bein.

Während er sich erholt, macht er die Bekanntschaft des Texas Rangers Captain Rucker (Albert Dekker) und des örtlichen Armeekommandanten Major Colton (Gary Merrill), sowie dessen bezaubernder Frau Helen (Julie London). Er verliebt sich in Mrs. Colton, wird aber darüber aufgeklärt, daß sie die Männer verrückt mache und über den dementsprechenden Ruf verfüge. Brady wird von Colton ausgefragt, wie die Verhältnisse südlich der Grenze seien, denn er will eine Strafexpedition gegen die Apachen durchführen und braucht dazu die Zustimmung und Unterstützung der Castros.

Je länger Brady bleibt, desto mehr gewöhnt er sich an das Leben in Amerika. Captain Rucker versucht, ihn für die Rangers zu werben und spricht ihn offen auf den Mord an dem Mörder seines Vaters an, gibt ihm aber auch zu verstehen, daß er nichts zu befürchten habe, wenn er bliebe, bei „seinen Leuten“, also unter Amerikanern.

Brady erfährt, daß der Wagen mit den Gewehren, den er ja nicht begleiten konnte, auf dem Weg nach Mexico verschwunden ist. Die Castros sind dementsprechend ungehalten. Brady wird bei einem Fest Zeuge, wie der Deutsche Ludwig (Max Slaten) mißhandelt wird. Brady geht dazwischen, es entsteht eine Streiterei und in Notwehr erschießt er einen Mann. Erneut ist er also auf der Flucht.

Zurück in Mexico trifft er seine dortigen Freunde wieder, darunter Pancho Gil (Mike Kellin). Die Castros verlangen Aufklärung über den Verbleib ihrer Gewehre. Als Major Colton mit Frau und Anhang mit einer Delegation nach Mexico kommt, um über eine gemeinsame Maßnahme gegen die Apachen zu sprechen, sieht Brady Helen wieder. Sie gestehen sich ihre Liebe, Helen sagt aber auch, daß die Geschichten über sie stimmten – sie verachte nicht nur ihren Mann, sondern all diese Männer, die nur mit ihrem „speziellen Werkzeug“ Männer seien könnten – sie meint die Waffen. Brady sei anders gewesen, doch nun sähe sie auch in ihm nichts weiter als einen Mann mit Waffe. Brady legt die Waffe ab und küsst sie.

Er begleitet die Strafexpedition gegen die Apachen, bei der der Major lebensgefährlich verletzt wird und schließlich stirbt, nicht ohne Brady zu bitten, seiner Frau den Ring des Majors zu bringen. Brady und die anderen Soldaten bringen die Apachen auf und stellen einen Wagen sicher, in dem sich die verschwundenen Gewehre befinden.

Als Brady wieder zu den Castros zurückkommt, befiehlt ihm der Gouverneur, seinen Bruder, den General umzubringen, da dieser sonst das gleiche mit ihm, dem Gouverneur täte. Brady verweigert den Befehl, er wolle nicht mehr töten. Er wisse auch nicht mehr, wo er hingehöre.

So reitet er und trifft auf den General, der mittlerweile die Gewehre erhalten hat. Dieser teilt Brady mit, daß der Gouverneur leider verstorben sei, mit diesem geschlossene Verträge dementsprechend nicht mehr gültig seien. Brady teilt auch dem General mit, daß er fort wolle. Der General schickt einen Killer hinter Brady her, der dessen Pferd „Tränen“ tötet, dann aber selber von Brady getötet wird.

Dieser legt seine Waffen und seinen Sombrero ab und geht zu Fuß über den Rio Grande, der die Grenze zwischen den USA und Mexico markiert.

Die großen Themen im Western sind die Rache, der Kampf gegen eine übermächtige Natur, zu der zumindest im klassischen Western auch die Eingeborenen, die Indianer, gezählt wurden, die Frage danach, wie ein Mann sich zu verhalten hat im Angesicht von Gefahr, es ist die Frage nach der Gewalt. Dem allen unterliegt, sozusagen als Subtext, der jedoch Rhythmus und Aufbau vieler Western bestimmt, grundlegend die Frage nach der Domestizierung, auch und gerade im Sinne einer Beherrschung. Es muß das Land bezwungen werden, es müssen die Pferde gefügig gemacht werden, die Indianer müssen befriedet – und also domestiziert – werden und vor allem müssen die Männer domestiziert werden. Im Grunde erzählt jeder große Western nur und genau davon: Wie ein Mann seine Freiheit aufgibt zugunsten einer Ehe, einer Liebe. Also zugunsten einer Frau. Die symbolisch für die Zivilgesellschaft steht, jene Gesellschaft, in der Recht und Gesetz, eine Ordnung herrschen und das Duell, den offenen Ausbruch von Gewalt, in zivilrechtliche Bahnen lenken. Wenn man so will, hat man damit den Western in seinem ureigenen Kern freigelegt.

Robert Parrish weiß dieses Konstrukt geschickt zu nutzen in diesem Western, der schon das Ende der klassischen Ära markiert und sowohl in seinem Setting als auch in der Mise-en-Scène bereits auf das verweist, was kommen würde: Der Dreck der Italowestern und die Melancholie der amerikanischen Spätwestern. Doch sein Inhalt verweist noch einmal zurück auf all die gebrochenen Männer des ‚erwachsenen‘ Western, jener Filme, die ab ca. 1948/49 Unterhaltung für Erwachsene boten, die den Western und seine Protagonisten ernst nahmen, die mehr boten, als wilde Pferdeverfolgungen und Indianerangriffe aus dem Bildhintergrund von hinten rechts. Und die dafür auch massiv angegriffen wurden, seien sie doch zu psychologisch, zu analytisch, die Helden zu zerfressen von Selbstzweifeln und Eigenhass. Alles Vorwürfe, die sich THE WONDERFUL COUNTRY (1959) gefallen lassen müsste. Doch Parrish ist ein wundervoller, langsamer, streckenweise gar lyrischer Western gelungen, der zu unterhalten weiß und dennoch ruhig und nachdenklich sein Thema ausbreitet…

Wollte man böse sein, so könnte man das Ganze mit dem markanten Titel ‚Tausche Pferd gegen Frau‘ überschreiben. Doch ganz so einfach sollte man es sich nicht machen. Robert Parrish erzählt mit Hilfe eines hervorragend aufgelegten Robert Mitchum (dessen eigene Firma D.R.M. das Projekt finanzierte und der bei der Produktion eine gewichtige Rolle spielte) die Geschichte eines Mannes zwischen zwei Kulturen, eines Menschen, der nicht weiß, wohin er gehört und wozu er sich bekennen soll. Mehrmals während des Verlaufs der Geschichte wird er neu eingekleidet, bzw. aufgefordert sich zu kleiden, wie…und meist widersetzt er sich. Als er in dem texanischen Kaff einreitet, unrasiert, ungewaschen und mit Poncho und Sombrero angetan, wird er für einen Mexikaner gehalten, als Colton ihn nach den Bedingungen der Castros für einen gemeinsamen Feldzug gegen die Indianer fragt, fragt Brady zurück, ob Colton die Bedeutung des Wortes ‚Gringo‘ kenne? Genau das sei er, Colton, für die Castros, nichts weiter als ein Gringo – womit er zu Verstehen gibt, daß Colton wird bezahlen müssen, um die Castros zu einer Allianz zu überreden. Als Brady schließlich den Befehl des Gouverneurs verweigert, dessen Bruder zu töten, macht ihm dieser klar, daß er nicht zu ihnen, also den Mexikanern gehöre und Brady fragt ihn entgeistert, ob der Gouverneur ihn, Brady, für einen Gringo halte. Es ist ein Wechselspiel, welches den Film stark prägt. Dabei werden gängige Rollenklischees unterlaufen, teils aufgelöst.

Doch den Mut, das ganze Beziehungsgeflecht der Kulturen wirklich offen zu gestalten, bringen die Filmemacher dann doch nicht auf. Letztendlich wird Brady sich für die amerikanische Seite entscheiden. Und das wiederum ist das Verdienst von Mrs. Colton. Wenn Brady am Ende des Films die Waffen und den Hut neben seinem toten Pferd – Symbol des Getriebenseins, einziger wahrer Freund in einem Leben der Gefahr – ablegt und über den Fluß geht, dann legt er damit nicht einfach seine „mexikanische Identität“ ab, sondern läßt schlicht das Leben, das er bis dato geführt hat, hinter sich. Brady ist domestiziert, bereit, in eine Zivilgesellschaft einzutreten, für die Mrs. Brady stellvertretend steht. Die drei großen Begegnungen der beiden im Film werden genau darum inszeniert: Sie treffen sich im Wohnzimmer der Bradys, das so auch in einer Bostoner Villa liegen könnte, sie treffen sich in den weiten Säulenhallen des Gouverneurssitzes der Castros und schließlich treffen sie sich kurz vor Mrs. Bradys Abreise aus Mexiko vor den Toren eines mexikanischen Forts. Jedes Mal spielt dabei der Gegensatz zwischen Bradys „Beruf“ und dem Leben, das Helen Colton führt, eine Rolle – offen oder subtextuell. Sie verachtet die Männer der Gewalt. Dabei verachtet sie einen Mann wie den Major – der also für die staatlich organisierte Gewalt steht – ebenso, wie sie die rauhen Männer der Grenzgegenden verachtet, die sie – eine allzu deutliche Anspielung und sehr gewagt für einen Film der späten 50er Jahre – mit den Waffen, den „besonderen Spielzeugen“, identifiziert, ohne die sie sich nicht als Männer fühlen könnten. Brady will so nicht sein. Er will eine Heimat, er will wissen, wo er hingehört.

So arbeitet sich der Film am Thema „Zugehörigkeit“/“Heimat“ ab vor der Blaupause einer für den Western typischen Domestizierung. Dies ist ein erwachsener Blick auf diese Männer und ihre Beziehungen zur Welt, was den Film adelt. Er verlangt vom Zuschauer schon eigene Arbeit, ein Mitdenken.

Leider gelingt es Parrish aber nicht, den Fallen amerikanischer Vorurteile zu entkommen. Er nimmt es mit gleich vier kulturell schwierigen Beziehungen zwischen Volksgruppen auf: Da sind – natürlich – die Weißen, die jedoch geschickt als nicht homogen dargestellt werden, indem der Waffenhändler Ben Sterner und sein Bruder Ludwig als Deutsche gekennzeichnet sind (was an sich natürlich schon einen gewissen Hautgout hat); hinzu kommen die Mexikaner, bei denen Brady lebt, unter denen er Freunde hat (Pancho steht dafür und ist sogar bereit, das Wagnis auf sich zu nehmen, für Brady zu lügen, damit der schließlich seinen Häschern entkommen kann), die aber dennoch als – recht typisch für amerikanische Filme der Zeit – verschlagen, hinterhältig und unberechenbar gezeigt werden; dann sind da die Indianer, die hier einmal mehr schlicht tötbare Figuren ohne Persönlichkeit oder Geschichte sind, womit der Film eher rückständig wirkt; zu guter Letzt muß erwähnt sein, daß Major Colton ein Regiment schwarzer Soldaten befehligt, was ihn kennzeichnet als eine Soldaten, dem nicht viel zugetraut wird (und der dann ja auch die Güte hat, per tödlicher Verletzung aus der Geschichte zu entschwinden). Aus dieser Perspektive muß man festhalten, daß THE WONDERFUL COUNTRY nicht aus den Fallen eines extrem amerika-zentrischen Blickwinkels herausfindet. Dem Blickwinkel des WEISSEN, männlichen Amerikaners. Das Drama des individuellen Mannes, der Weg dieses Mannes aus der „Wildnis“ in den Salon der Zivilgesellschaft, seine Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen – das alles stellt der Film großartig dar und findet dafür auch die passenden Symbole und Metaphern. Die gängigen Vorurteile zu bemühen, ist ein wirklicher Schwachpunkt, der zu bemängeln bleibt. Am deutlichsten wird dies, wenn Brady Mrs. Colton und einige Damen in der mexikanischen Provinzstadt auf eine Fiesta begleitet, wo der „Tag der Toten“ – jener hohe Feiertag, den so nur die Mexikaner feiern – begangen wird und dies – mit einem nervösen Soundtrack unterlegt – eine maximale Distanz und Fremdheit gegenüber den Mexikanern und ihrer Kultur zum Ausdruck bringt. In dieser Szene bleibt die mexikanische Kultur nicht nur fremd, sie wirkt auch bedrohlich. Und durch diese Bedrohlichkeit in der Kultur, daran läßt der Film wenig bis keine Zweifel, sind eben auch die Mexikaner – die Castros, die ja nicht umsonst diesen Namen tragen in einem Film von 1959 – determiniert.

Man muß aber auch schlicht anerkennen, daß THE WONDERFUL COUNTRY eben mit seinem langsamen Tempo, der wenigen, dann aber pointierten Action, einem hervorragenden Soundtrack von Alex North und vor allem mit wunderbaren Bildern des Grenzlandes (gedreht wurde allerdings in der mexikanischen Provinz Durango), eingefangen von Floyd Crosbys großartiger Kamera, zu bestechen weiß. hinzu kommt eine gut aufgelegte Schauspielerriege, aus der Mitchum allerdings noch einmal hervorsticht. Dies ist sicherlich eine seiner besten Leistungen gewesen und straft seine oft zynischen Aussagen über sein Spiel Lügen.

Ein ruhiger, schöner, melancholischer Western, der schon einen Epochenwechsel ankündigt und noch einmal versucht, dem amerikanischen Mann einen Standort zu sichern, sicheren Grund, auf dem er stehen kann, wo er weiß, wer er ist.

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