HERRIN DER TOTEN STADT/YELLOW SKY

Ein großartig photographierter schwarz/weiß-Western

Nachdem sie eine Bank überfallen haben, reitet ein Trupp Banditen auf der Flucht vor der Kavallerie in die Salzwüste. Niemand, so heißt es, könne dieser entrinnen. Die sechs Männer riskieren alles. Als sie meinen, das Ende sei nah, entdecken sie in der Ferne eine Stadt. Diese entpuppt sich jedoch als eine Geisterstadt, in der nur noch die junge Mike (Anne Baxter) und ihr Großvater leben. Sie suchen hier Gold.

Die Banditen lassen sich zunächst willkommen heißen und päppeln sich auf. Eine Quelle löscht den Durst, die junge Dame und ihr Großvater versorgen die Männer mit Essbarem. Schließlich sind alle wieder so weit auf dem Damm, daß sie ihr Augenmerk auf die Stadt und die beiden einzigen Bewohner richten können. Nicht nur sind einige der Männer naturgemäß ganz angetan, weibliche Bekanntschaft zu machen, mindestens der unnahbare Dude (Richard Widmark) will das Gold haben, und zwar alles, für sich allein.

Zusehends kommt es zwischen den Männern zu Spannungen. Der Anführer, Stretch (Gregory Peck), der sich der jungen Mike schon angenähert hat und sich ihr nahefühlt, muß sich schließlich entscheiden: Will er auf der Seite seiner Männer stehen und skrupellos das Gold an sich bringen oder will er sich im Sinne seiner Liebe zu Mike gegen seine Kumpane stellen? Es kommt zum Showdown…

YELLOW SKY (1948) nimmt sich Zeit, er geht Umwege, er hört den Protagonisten zu. Dabei gelingen ihm gute Charakterisierungen; alle Männer und auch die beiden Bewohner der Stadt erhalten ein eigenes Profil. Das wirkt sich v.a. bei Anne Baxters Figur ‚Mike‘ positiv aus: Nicht wirklich schön, hat sie dennoch genügend Sex-Appeal, daß die Begeisterung der Männer, vor allem die von Stretch, glaubwürdig ist, zugleich nimmt man Baxter aber auch den Wildfang, das „Mannweib“, wie es an einer Stelle im Film heißt, ab. Sie wirkt bedrohlich, wenn sie mit der Flinte auftaucht und die Männer in Schach hält. Auch nimmt man ihr ab, daß sie in der Lage ist, Peck einen Schlag zu verpassen, der ihn zu Boden schicken kann. Sehr viel hängt hier dramaturgisch von dieser Frauenfigur ab.

Man kann dem Film allerdings auch allerhand vorwerfen, unter anderem genau das, was im vorigen Absatz als eine seiner Stärken genannt wurde: eine gewisse Geschwätzigkeit. Ob Dude, ob einer der Banditen, ob Stretch oder eben „Großpapa“: Jeder darf, bzw. muß sich einmal von der Seele reden, was ihn bedrückt. Auch gibt es Logikbrüche in der Handlung: Die Männer, zunächst eiskalte Banditen, hätten eine Menge Gelegenheiten, die junge Frau und ihren Großvater auszuschalten; ebenso hätte Dude mehr als einmal die Möglichkeit, Stretch zu erledigen, als klar wird, daß dieser nicht mehr eindeutig auf Seiten seiner Männer ist; die körperlichen Begehrlichkeiten mindestens zwei der Männer gegenüber Mike in die Tat umzusetzen, gäbe es nicht nur Gelegenheit, sondern im Grunde wären sie auch jederzeit dazu fähig und in der Lage.

So könnte man das weiterführen. Es entsteht der Eindruck einer gewissen Unentschlossenheit innerhalb der Dramaturgie. Nicht nur scheinen sich diese Männer nicht einig, auch der Film scheint mit sich selbst nicht ganz einig zu sein, worauf das hinauslaufenn soll. Vor allem bleibt psychologisch der Umschwung auf der Strecke, wann Mike beginnt, Stretch wirklich zu mögen. Denn die erste Annäherung des Anführers der Banditen an die junge Frau, wird zunächst wie eine Schlägerei zwischen Kerlen inszeniert, dann als Vergewaltigung. Doch all diese Einwände gehen dadurch verloren, daß der Film immer, wenn man meint er habe Längen und beginnt, sich mit den Widersprüchlichkeiten zu beschäftigen, anzieht. Dann gibt es eben doch genug spannende und dramatische Begebenheiten, damit der Zuschauer wieder in die Spur kommt.

Was den Film dann aber wirklich außergewöhnlich und zu einem Juwel des Genres macht, ist seine Photographie. Man kann lange über die Vor- und Nachteile von schwarz-weiß photographierten Filmen streiten. Im Western, das sieht man bei solchen Klassikern wie RED RIVER (1948), MY DARLING CLEMENTINE (1946), STAGECOACH (1939) u.v.a., gibt eine schwarz-weiß-Photographie dem Film eine spezifische Note, eine spezifische Glaubwürdigkeit, eine Authentizität. So auch hier: Jedes Barthaar, jeder Staubfleck, jede knittrige Falte in den Hemden und Hosen scheint dem Betrachter ins Auge zu springen, wodurch die Bilder eine enorme Detaildichte erhalten. Gleiches gilt für die Landschaftsaufnahmen: durch die starke Licht-Schatten-Kontrastrierung stechen die Wolken am Himmel besonders hervor, werden die Berghänge und Felsschluchten rund um „Yellow Sky“, wie die Geisterstadt titelgebend heißt, hervorgehoben, die Schatten werden besonders tief und undurchdringlich. Die Bilder dieses Films haben Wucht. In diesen Landschaftsaufnahmen verschwinden die Menschen. Fast organisch scheinen die Protagonisten manchmal mit den Bildhintergründen zu verschmelzen. Man muß an die Landschaftsaufnahmen eines Ansel Adams denken, die ja ebenfalls in ihrer schwarz-weißen Kontrastrierung der amerikanischen Landschaft eine ganz eigene Note und einen eigenen Charakter gegeben haben.

Teils im Death Valley gedreht, an der Grenze zwischen Kalifornien und Arizona, stellt der Film die Lebensfeindlichkeit dieses Landstrichs geradezu exemplarisch heraus. Gerade der Beginn, sowohl die Flucht aus der Stadt und die Verfolgung durch die Kavallerie, als auch der daran anschließende Weg durch die Wüste, die jedes Geräusch zu schlucken scheint, sind filmtechnisch großartig, dynamisch, in Szene gesetzt.

Trotz der erwähnten Unentschlossenheit, was den Grad der „Bösartigkeit“ der Banditen angeht (vor der dann ja der „Held“ Peck auch nicht ganz so strahlen kann), trotz eines gewissen Hangs zu allzu langen Erklärungen, trotz einer etwas umständlichen Erzählweise und sicher nicht mit der Klasse, die Wellmans eigenen Ausnahmewestern THE OX-BOW INCIDENT (1943) auszeichnete, hat man es bei YELLOW SKY mit einem Klassiker des Genres zu tun, der v.a. durch seine großartige Kameraarbeit besticht.

Spannend und mit einem ungewöhnlichen Setting, weiß der Film iimmer noch zu unterhalten.

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