OPERATION: KINGDOM/THE KINGDOM: In einem fernen Land…

Actionreisser mit politischem Subtext

Der FBI-Agent Fleury (Jamie Foxx) besucht den Kindergarten seines Sohnes, als er den Anruf eines guten Freundes bekommt, der in Riad, Saudi Arabien, stationiert ist. Es habe einen grauenhaften Anschlag auf die Siedlung amerikanischer Bürger, die in Riad leben, gegeben, Frauen, Kinder, Männer seien bei diesem Attentat umgekommen, Fleury solle sofort kommen. Noch während des Gesprächs explodiert eine weitaus stärkere Bombe als zuvor und tötet so noch viel mehr Unschuldige – Retter und Helfer inklusive, auch Saudis. Fleury versucht, eine Truppe zusammenzustellen, die schnell eingreifen und die Untersuchungen vor Ort führen kann. Er wird zurück gepfiffen. Zwischenwahlen stünden an, da wäre es nicht opportun, noch mehr Amerikaner nach Riad zu schicken. Fleury setzt alles in Bewegung, was er zur Verfügung hat (vornehmlich seine Beziehung zu einer Journalistin der Washington Post) und erhält so die Erlaubnis, mit seinem Team für 5 Tage nach Riad zu reisen. Vor Ort werden ihm und seinen Leuten von der einheimischen Sicherheitsbehörde unter dem Kommando von Colonel Al-Ghazi (Ashraf Barhom) jedwede Steine in den Weg gelegt, die sich nur finden lassen. Schließlich reicht es Fleury – er nutzt den Besuch zu einem Abendessen beim Prinzen, um diesem nahezulegen ihn und seine Leute arbeiten zu lassen. Dazu lobt er Al-Ghazi, dessen Fähigkeiten er erkannt hat und den er eigentlich schätzt, von dem er aber auch weiß, daß dessen Hände gebunden sind. Der Prinz erlaubt ihnen frei zu arbeiten und nun können die Pathologin Janet Mayes (Jennifer Garner), der Sprengstoffexperte Grant Sykes (Chris Cooper) und der Computerfachmann Adam Leavitt (Jason Bateman) sowei Fleury selbst loslegen. Schnell kommen sie dahinter, daß der Anschlag von einem Saudi geplant und ausgeführt worden sein muß. Je näher sie der Lösung kommen, desto gefährlicher wird ihre Mission, bis schließlich Leavitt bei einer Fahrt durch Riad entführt wird. Die anderen verfolgen die Entführer und können in einem Showdown nicht nur die Verantwortlichen ausschalten, sondern auch ihren Kollegen retten…

2007 erschien mit THE KINGDOM unter der Regie von Peter Berg einer jener Filme, die dem Anforderungsprofil des postmodernen Kriegsfilms nahezu perfekt entsprachen: Ein Actionreißer, der sich zumindest um etwas Kulturkritik bemüht und die amerikanische Präsenz im Nahen Osten wenn schon nicht hinterfragt, so doch zumindest als fragwürdig hinstellt. Anders als bspw. Kathryn Bigelow in ZERO DARK THIRTY (2012) jedoch, steht die Unterhaltung im Vordergrund, wird das politische Szenario letztlich nur genutzt, um ein realistisches Setting zu schaffen. Doch das ist durchaus glaubwürdig inszeniert.

Es beginnt im Vorspann, der eine Time-Line präsentiert und die Verflechtung amerikanischer (und britischer) Ölkonzerne mit den Saudis seit den 1930er Jahren aufzeigt. Dabei wird deutlich, wie die Verwicklungen – politisch wie ökonomisch – auch dazu führten, daß im Jahr 2001 zwei Flugzeuge in zwei Türmen in NYC einschlugen. Der Film bemüht sich anfangs um detailliert realistische Darstellung, wenn die Kamera sich immer wieder die Zeit nimmt, Betende zu zeigen oder die so seltsam anmutenden Gegensätze: Da endet die moderne Stadt urplötzlich und man steht in der Wüste, da werden neben hochmodernen Autos eben auch Kamele nach wie vor für Transporte genutzt usw. Eine fremde Kultur, betrachtet durch die gepanzerten Scheiben eines SUV. Im Kontakt mit den Arabern geben sich die Amerikaner extrem vulgär, zumindest werden sie so gezeigt. Ihrer Fäkalsprache, ihrem derben Humor, ihrem Desinteresse an allem, was nicht amerikanisch ist, wird einer Kultur entgegengestellt, die eben noch in traditionellen Mustern denkt und handelt. Buch und Regie enthalten sich jedweder Deutung, sie zeigen, manchmal distanziert, das Aufeinandertreffen zweier Kulturen, die ferner nicht voneinander sein könnten. Da kann ein Mann einer Frau eben die Hand nicht geben und wenn diese Frau dann auch noch anfängt, Fingerabdrücke der Leichen moslemischer Männer zu nehmen, führt das zu geradezu hysterischen  Auseinandersetzungen. Interessant in diesem Netz der Gegensätze ist natürlich die Figur des Col. Al-Ghazi, der nicht nur leidlich Englisch spricht, sondern auch in Amerika war und der amerikanischen Kultur durchaus Interesse entgegenbringt (und damit weitaus kultivierter ist, als es die vier Amerikaner je wären). Gefragt, warum er Polizist geworden ist, berichtet er von all den amerikanischen Serien, die er als Kind sah und so diesen Wunsch in ihm geweckt hätten. So ist hier sogar ein ganz klein wenig vom amerikanischen Kulturimperialismus zu spüren.

Doch wenn in den letzten 20 Minuten des Films die Action dann so richtig los- und jedwede Logik den Bach runtergeht, ist das den Regeln eines Hollywoodblockbusters geschuldet, der bei allen politischen Implikationen eben sein Geld einspielen muß. Die Action ist gut, die ideologischen Hintergründe und die Härte, die dann gezeigt wird, sind es nicht. Allerdings sollte man, wünscht man political correctness, einen solchen Film erst gar nicht anschauen. Selten stellt Hollywood andere Länder und Kulturen fair und ausgewogen da. Und wenn es das zu tun sich bemüht – wie in SYRIANA (2005) – dann kommt zwar vielleicht ein guter bis sehr guter, meist aber weder ein sonderlich beliebter Film, noch ein Actionreißer dabei heraus. So hält es THE KINGDOM also wie auch Paul Greengrass in GREEN ZONE (2010): Sobald es an Aufklärung und schließlich ans Töten geht, kippt das Ganze und läßt wenig Spielraum für Feinheiten oder Differenzierung. Dann ist und bleibt THE KINGDOM ein Hollywoodfilm. Ohne Wenn und Aber.

Dennoch geht die ausgewogene Darstellung im Kontext dieses Films relativ lange auf. Und subtil weiß auch er seine Stiche zu setzen. Ein Merkmal der postmodernen, hybriden Kriegsfilme ist die Darstellung des Krieges als ein Netzwerk der unterschiedlichsten Dienste und Truppenteile. Da arbeiten Armee und Geheimdienste zusammen, ja, sie sind, wie in ZERO DARK THIRTY, kaum noch voneinander zu  unterscheiden, in der Methodik ähneln sie sich immer mehr und gleichen sich auch bewußt immer weiter an. Das kann man durchaus als Programm sehen, Teil einer Doppelstrategie: Einerseits werden moderne Kriege – wohl realistisch, was diese Deutung angeht – als ein Geflecht aus unterschiedlichen, teils geheimen Operationen gezeigt, an denen immer nur kleine, hochspezialisierte Einsatzkräfte beteiligt sind; andererseits wird dieses Programm inszenatorisch genutzt, dem Zuschauer ein Gefühl der Desorientiertheit, des Chaos, der Unübersichtlichkeit zu vermitteln. Wenn in THE KINGDOM nun plötzlich FBI-Agenten am Schauplatz eines Anschlags in Übersee auftauchen, postuliert der Film ganz heimlich, still und leise sein Anliegen: Wäre es vielleicht sinniger gewesen, auch die Terroranschläge des 11. September, Terror generell, als polizeiliche Ermittlung zu untersuchen und damit der aufgeladenen, pathetischen und nur schwer zu kontrollierenden Kriegs-Terminologie zu entziehen?

Doch sollte man auch dies nicht zu hoch hängen. Man hat in den vergangenen 10, 15 Jahren einen Haufen Actionfilme und actionreiche Politthriller gesehen, die es besser machen, die spektakulärere Bilder und fesselndere Jagden haben. Hier werden zu viele Klischees bemüht, die den Film ärgerlich machen: Da sind die tatkräftigen FBI-Leute einerseits, die natürlich von Staatssekretären, Beamten und Politikern andererseits ausgebremst werden, da ist der Botschaftsangehörige, der sich schmierig gegen das FBI verhält, usw. Hinzu kommt ein Kamerastil, der mittlerweile selbst zum Klischee geronnen ist – eine extrem verwackelte Handkamera, die einen vermeintlichen Dokumentarstil vortäuscht und daran gekoppelt eine Schnittfolge, die es manchmal – gemeinsam mit den viel zu schnellen Untertiteln, wenn Arabisch gesprochen wird – nahezu unmöglich macht, dem Film zu folgen. Das soll natürlich die Irritation der dem Land fremden Ermittler wiedergeben, das gelingt sicher auch vergleichsweise gut, nur leider verpasst der Zuschauer dann doch für die Handlung dieses Films wesentliche Informationen.

Schließlich kommt das Klischee des hinterhältigen Arabers hinzu, dessen sich ein Film von 2007 wahrscheinlich nicht entziehen konnte. Araber, die man nicht versteht, die rumschreien, die verschlagen ausschauen und die man im Zweifelsfall zusammenschlagen oder eben gar töten kann. So sehr sich der immerhin vom großen Meister Michael Mann (HEAT/1995, INSIDER/1999) produzierte Film mit proamerikanischen und antiarabischen Ressentiments zurückhält, bzw. sie gar nicht erst bedient, frei von einer dumpfen Angst vor dem und den Fremden ist er nicht. Durchaus wird eben doch das Bild einer uns ebenso fernen wie feindlich gesonnenen Kultur bedient. Und genau darin liegt das Problem dieser Filme: Sie sehen den Feind nicht in einer gegnerischen Nation oder der Gruppe der Terroristen, sie bedienen vielmehr die Ansicht, daß der Feind eine gesamte Kultur, vor allem aber eine Religionsgemeinschaft sei. Eine gefährliche Haltung, ob nun im Guten oder Schlechten.

Alles in allem kann THE KINGDOM unterhalten, der Schluß ist als reines Actionspektakel zwar gelungen, entbehrt aber jeder Logik. Unter den postmodernen Kriegsfilmen eher ein Leichtgewicht, trägt der Film seine Anliegen nicht ganz so theatralisch exponiert vor sich her, wie Bigelows Filme das tun, versteckt werden aber auch hier eine Menge Signale kulturpessimistischer Art ausgesendet.

 

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