K-19 – SHOWDOWN IN DER TIEFE/K-19: THE WIDOWMAKER

Kathryn Bigelow entführt uns in den frostigen Kalten Krieg und die eisige Tiefe des Ozeans

Juni 1961: Der Fregattenkapitän Alexei Vostrikow (Harrison Ford) wird mit dem Kommando über ein neues U-Boot der russischen Marine betraut. Die K-19 soll in der Arktis einen Raketentest durchführen, der den Amerikanern die sowjetische Einsatzbereitschaft von nuklearen Waffen demonstrieren soll.

Vostrikow, dessen Vater einst ein Held der Revolution war, unter Stalin aber im Gulag landete, trifft von Beginn an auf Widerstand der Mannschaft, die ihrem bisherigen Kapitän Mikhail Polenin (Liam Neeson) ergeben ist.

Polenin, der die Entwicklung und den Bau des Schiffes begleitet hatte, weiß, daß es Konstruktionsfehler gibt, vor allem aber weiß er, daß das Schiff mit teils mangelhaften Werkstoffen gebaut wurde. Er befürchtet, daß es noch nicht bereit ist, die ihm zugedachte Aufgabe zu erfüllen.

Auch Vostrikow, der allerhand Mängel entdeckt – unter anderem, daß der für den Nuklearreaktor verantwortliche Ingenieur ein Trinker ist – teilt dem Flottenkommando seine Bedenken mit, die jedoch mit der Begründung, man müsse den Amerikanern zeitnah einen Hinweis der eigenen Stärke geben, abgeschmettert werden.

Einige böse Omen kommen zu den technischen Bedenken hinzu: Der Bordarzt wird, als er verzweifelt versucht, darauf hinzuweisen, daß die falschen Medikamente geliefert wurden, überfahren, sein Nachfolger ist ein zu Seekrankheit neigender Arzt des Stützpunkts. Bei der Schiffstaufe schlägt die Sektflasche an die Bordwand, zerplatzt aber nicht – für Seeleute immer ein schlechtes Zeichen. Der Nachfolger des geschassten Ingenieurs ist ein Frischling von der Akademie, der seine Aufgabe nur rein theoretisch kennt.

Auf See beginnt Vostrikow umgehend, die Mannschaft mit allerhand Übungen, vor allem Notübungen, zu drangsalieren. Polenin lässt ihn wissen, daß er sich so keine Freunde an Bord macht, was dem Kapitän aber egal zu sein scheint. Er will eine Mannschaft, die in dem Moment, wo es drauf ankommt, exakt weiß, was sie zu tun hat. Auch lässt er das Schiff bis an seine Belastungsgrenze tauchen, was ihm schwere Schäden an der Außenhaut zufügt.

Schließlich erreicht die K-19 ihren Zielort und macht den angekündigten Raketentest. Dieser gelingt. Vostrikow gibt der Mannschaft ein paar Tage frei und sie vergnügt sich mit Festen und Fußballspielen auf dem Eis. Polenin geht davon aus, daß das Schiff nun in den Heimathafen zurückkehrt, damit die technischen Mängel ausgeglichen werden können. Doch das Flottenkommando gibt neue Befehle aus: Die K-19 soll umgehend Position vor der amerikanischen Ostküste beziehen und von dort aus die Flottenbewegungen der Amerikaner beobachten.

Unterwegs auf dem Weg durchs Eis, kommt es in einem der Kernreaktoren zu einem Leck. Das Schiff droht in einer Kernschmelze zu explodieren und – da eine amerikanische Fregatte in der Nähe gesichtet wurde – mit deren Zerstörung einen Nuklearkrieg auszulösen.

Einige Männer melden sich freiwillig, um das Leck zu schweißen und Kühlwasser so umzuleiten, daß der defekte Reaktor nicht überhitzen kann. Sie alle kommen mit schweren Verbrennungen und vor allem verstrahlt von ihrem Einsatz im Reaktor zurück. Der Ingenieur selbst entpuppt sich als zu feige, um Dienst am Reaktor zu tun. Nun will Vostrikow das Schiff seinem eigentlichen Zielort zuführen, obwohl die Amerikaner, die beobachten, daß die russische Mannschaft in klirrender Kälte auf dem U-Boot herumläuft, was der Kapitän angeordnet hatte, damit sie der Strahlung an Bord möglichst entgehen, ihre Hilfe anbieten. Vostrikow lehnt diese ab, da er Angst hat, daß das Schiff dem Feind in die Hände fällt.

Ein Offizier und der an Bord befindliche Politkommissar beschließen, Vostrikow des Kommandos zu entheben, Polenin einzusetzen und so die Mannschaft zu retten. Polenin lässt beide verhaften und setzt den Kapitän sofort wieder in dessen Kommando ein.

Mittlerweile muß der Ingenieur feststellen, daß die Reparaturarbeiten am Reaktor nicht hinlänglich waren und erneut die Temperatur steigt. Erneut droht eine Kernschmelze. Diesmal überwindet der Mann sich und dringt zum Reaktor vor, wo er alleine die nötigen Arbeiten ausführt.

Währendessen ist an Bord des Schiffes ein Feuer ausgebrochen und droht ebenfalls, schwere Schäden anzurichten. Ihm fallen fünf Matrosen zum Opfer.

Nachdem die Krise halbwegs überwunden ist, befiehlt Vostrikow, das Schiff zu evakuieren und die Hilfe der Amerikaner anzunehmen. Doch bevor dies geschieht, taucht ein russisches Kriegsschiff auf und nimmt die Männer an Bord.

Zurück in der Heimat, wird Vostrikow der Prozeß gemacht, in dem Polenin für ihn aussagt. Der Kapitän wird freigesprochen.

28 Jahre später trifft sich die verbliebene Mannschaft, die dazu verdonnert wurde, Stillschweigen über die Vorkommnisse auf der K-19 zu wahren, am Grab jener Männer, die sich damals geopfert hatten. Von den Verstrahlten überlebte keiner mehr als ein halbes Jahr den Einsatz. Vostrikow und Polenin erhebebn ihr Glas auf die Helden der K-19.

Kathryn Bigelow ist eine der wenigen Regisseurinnen, die in Hollywood reüssieren konnten. Und das mit Actionfilmen und Thrillern, nicht, wie bspw. Penny Marshall, hauptsächlich mit Komödien und Gesellschaftsdramen. Bigelow gelang es im Laufe ihrer Karriere, nicht nur das Genrekino zu bedienen, sondern ihre Filme hatten auch eine gewisse Relevanz, zumindest immer Hintersinn. Auch war sie immer von einer gewissen Obsession für Heldentum, Patriotismus und alles Militärische beseelt. Davon kündet auch und gerade K-19: THE WIDOWMAKER (2002), der von einer wahren Begebenheit an Bord eines sowjetischen Atom-U-Boots 1961 erzählt, eine Geschichte, die bis Mitte der 90er Jahre unter Verschluß gehalten wurde.

U-Boot-Filme waren immer schon ein beliebtes Sub-Genre des Kriegsfilms[1]. Sie bieten meist klaustrophobische Spannung, erzählen fast immer von der Angst in einem engen stählernen Sarg und davon, wie Männer unter diesen Bedingungen zu Helden werden können. Ob Robert Wise´ RUN SILENT, RUN DEEP (1958), ob John Sturges´ ICE STATION ZEBRA (1968), ob Wolfgang Petersens DAS BOOT (1981) oder Jonathan Mostows U-571 (2000) – es sind fast immer dieselben Topoi und Szenarien, die für Spannung sorgen und den Zuschauer in Bann ziehen: Der Druck, der das Boot zu zerquetschen droht, die platzenden Nähte, Wasserbomben, die zerstörerisch explodieren – und das Echolot schickt sein einsames „Pling“ durch die Stille des Ozeans. Vieles davon bietet auch Bigelow in ihrem Werk.

Da sie eine Geschichte aus dem Kalten Krieg erzählt, fehlen naturgemäß die Bomben und die Feindberührung, und so bezieht K-19: THE WIDOWMAKER seine Spannung vorwiegend aus der Konfrontation des neuen Kapitäns Vostrikow, den Harrison Ford mit der gleichen kaltschnäuzigen Autorität gibt, mit der er in einem Film wie AIR FORCE ONE (1997) den amerikanischen Präsidenten gegeben hatte, und des ehemaligen Kapitäns Polenin, gespielt von dem Iren Liam Neeson. Auch dieses Spannungsfeld ist aus Marine- und U-Boot-Filmen hinreichend bekannt, am berühmtesten wahrscheinlich in THE CAINE MUTINY (1954) aufbereitet. Auch auf der K-19 kommt es zu einer kurzzeitigen Meuterei, als ein hoher Offizier und der mitreisende Politkommissar Vostrikow absetzen wollen, da dieser die Mannschaft nicht nur hetzt und mit immer neuen Notübungen drangsaliert, sondern bei Eintritt des Unfalls auch gefährdet. Doch weiß ein Mann wie Polenin, was er zu tun hat und lässt, kaum wurde ihm das Kommando übergeben, die Meuterer verhaften und setzt den alten Kapitän wieder als solchen ein.

Bigelow gelingt nicht, was ihr in Filmen wie NEAR DARK (1987) oder POINT BREAK (1991) eben sehr wohl gelungen war: Sie kann dem Genre wenig bis nichts Neues hinzufügen. Die Konfliktlinien sind vorhersehbar, die Entwicklung der Handlung und der Figuren ebenfalls. Das Flottenkommando schickt ein in Teilen unfertiges Schiff auf eine heikle Mission, deren Ziel rein politisch ist, da sie die Amerikaner beeindrucken und russisches Atompotenzial ausstellen soll; der zunächst unnahbare und autoritäre Kapitän sieht seine Fehler ein und entschuldigt sich; der ehemalige Kapitän ist ein guter, ehrlicher Mann, der zwar sieht, wohin all das führt, dennoch aber bereit ist, für seine Mannschaft durch dick und dünn zu gehen; der feige Ingenieur, der sich vor dem den sicheren Tod bringenden Einsatz am defekten Reaktor drückt, stellt sich schließlich seiner Aufgabe und wird damit zum Helden; zuvor haben gleich sechs Mann ihr Leben bereitwillig geopfert, um das Schiff vor einer Kernschmelze und einer nuklearen Explosion zu retten. Helden, wohin man sieht. Oder, in Vostrikows Worten, aufrechte Sowjetbürger, die die ihnen zugeteilte Aufgabe fraglos übernehmen. Das Problem dabei ist, daß sich aus all dem kein wirklicher Spannungsbogen ergibt. Man folgt der Handlung, dem Drama, das sich auf vollkommen vorhersehbaren Bahnen, gleichsam in einem übersichtlichen Schema, ausbreitet, sich gemächlich aufbaut, dann kurzzeitig kulminiert und schlußendlich genau die Auflösung erfährt, die zu erwarten war.

Besonders ins Auge fällt, daß es der Regie nicht gelingt, unter Vermeidung allzu klischeehafter Einstellungen und Aufnahmen, das Boot, die Enge im Boot oder auch nur die Mannschaft in irgendeiner Weise in ein interessantes Licht zu rücken. Die Bilder bleiben konventionell, lediglich eine Kamerafahrt durch den Mittelgang des Schiffs lässt den Zuschauer kurzzeitig den Atem anhalten. Ansonsten nichts Neues in der Tiefe.

So bleibt das einzig wirklich bemerkenswerte an Bigelows Film, daß hier eine sehr amerikanische Regisseurin ein sehr russisches Thema erzählt. Einige Jahre später sollte sie mit THE HURT LOCKER (2009) den U.S.-Soldaten im Irak ein Denkmal setzen und dafür den Regie-Oscar einheimsen. Hier aber gibt sie sich ganz dem Gesang des sowjetischen Helden hin, der selbstlos und anti-individualistisch sein Leben für die Gemeinschaft opfert. Zugleich singt die das Hohelied eiserner Disziplin und harter, aber gerechter Autorität. Daß sie Vorgesetzte exakt so darstellt, wie es etliche Regisseure getan haben, die das amerikanische Militär portraitierten, kann man als besonders ironisch oder besonders einfallslos bezeichnen, das bleibe dem Zuschauer überlassen. Im Oeuvre Bigelows muß man K-19: THE WIDOWMAKER leider unter die wenigen wirklich schwachen Werke einordnen. Man fragt sich, was die Regisseurin an dem Stoff so gereizt haben mag, daß sie den Film nicht nur drehte, sondern gemeinsam mit Hauptdarsteller Harrison Ford auch produzierte? Daß sie eine Verfechterin von Härte gegen sich selbst und andere ist, ist bekannt. Da mag ihr ein Stoff wie dieser gerade recht gekommen sein. Umso erstaunlicher, wie wenig sie dann damit anzufangen weiß.

 

[1] Allerdings sollte  man bei K-19: THE WIDOWMAKER eher von einem Militär- als einem Kriegsfilm sprechen.

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