MAN-EATERANTROPOPHAGUS

Joe D´Amatos nahezu absurdes Meisterwerk des kalten Grauens

Ein junges Paar verlustiziert sich am Strand einer namenlosen Ägäis-Insel. Beide werden auf fürchterliche Weise abgeschlachtet.

Einige Zeit später – Julie (Tisa Farrow) sucht ihre Schwester, die mit ihrem Freund auf einer der vielen kleinen Inseln der Ägäis urlaubt. Sie bittet eine Gruppe junger Leute, sie auf deren Boot mitzunehmen. Die Gruppe erklärt sich bereit, Julie auf der Insel abzusetzen. Zwischendurch kommt es zwischen ihr und dem Bootsführer Andy (Saverio Vallone) zu Tändeleien, die Gruppe formiert sich einige Male um. Die schwangere Maggie (Serena Grandi) lässt sich von Carol (Zora Kerova) die Karten legen. Doch bei der letzten Karte, die Maggie zieht, will Carol nicht mehr antworten. Julie übernimmt und verspricht Maggie eine gute Zukunft mit ihrem Kind, wird aber, nachdem Maggie gegangen ist, von Carol zur Rede gestellt, warum sie etwas gesagt habe, das eindeutig nicht aus den Karten zu lesen gewesen sei?

Die Gruppe erreicht die Insel, die vollkommen verlassen scheint. Da Maggie sich beim Verlassen des Schiffs den Fuß vertritt, bleibt sie an Bord, während der Rest sich aufmacht, das kleine Dorf zu erkunden. Unterwegs erblickt Daniel (Mark Bodin) eine Frau hinter einem Fenster. Julie findet schließlich heraus, daß auch das Haus ihrer Freunde verlassen ist und sowohl die Telefon- als auch die Telexleitungen zum Festland gekappt wurden. In einem anderen Haus finden sie eine mumifizierte aber offenbar angenagte Leiche. Die Gruppe entschließt sich, zum Schiff zurück zu laufen, im Kai angelangt müssen sie aber feststellen, daß das Schiff den Hafen verlässt. Nun geht man zurück zum Haus von Julies Freunden, wo sie auf ein blindes Mädchen stoßen, welches Daniel schwer verletzt, als es ihn mit einem Messer angreift. Henrietta (Margaret Mazzantini), die Tochter von Julies Freunden, berichtet davon, daß ein Kannibale auf der Insel sein Unwesen treibe, der die gesamten Dorfbewohner nach und nach abgeschlachtet habe und nun auf der Suche nach neuen Opfern über die Insel streife. Sie könne ihn riechen, wenn er näher komme.

Für die Nacht verbarrikadiert man sich in einem Haus, aber Andy und Arnold (Bob Larson) machen sich noch einmal auf, um Medizin für den verletzten Daniel zu besorgen. Der bemüht sich umgehend, die Gunst der Stunde zu nutzen und Julie zu becircen, eine Szene, die Carol beobachtet. Die, eigentlich mit Daniel liiert, rennt in die Nacht hinaus, die mißverstandene Julie hinterher. In ihrer Abwesenheit wird Daniel von einem entstellten Riesen angegriffen, der ihm die Kehle zerfetzt. Henrietta hingegen lässt er am Leben. Am nächsten Morgen stößt die Gruppe auf ein altes Chalet, dessen Geschichte Julie kennt: Die hier lebende Familie – Klaus Wortmann, dessen Frau und das gemeinsame Kind – ist in den Gewässern um die Insel verschollen. Ruth (Rubina Rey), die Schwester des Mannes, verlor darob den Verstand. Erneut sehen sie die Frau, die sich der Gruppe auch im Dorf kurz gezeigt hatte, nun sind sie sicher, es mit eben der verrückten Schwester zu tun zu haben. Doch bevor sie ihrer habhaft werden, stürzt sich diese an einem Seil im Treppenhaus zu Tode.

Julie, Andy und Arnold finden Carol schlafend im Salon des Hauses. Die Männer lassen Henrietta und die Frauen im Haus zurück, sie wollen das Schiff beiholen, das sich wieder der Küste nähert. Julie findet Hinweise auf die Geschichte der Wortmanns und auch auf eine geheime Tür, die die Katakomben freigäbe, wo die Überreste von Klaus Wortmanns Opfern zu finden seien. Während Julie sich daran macht, die Tür zu finden, trennen sich Arnold und Andy, da Arnold meint, Hinweise auf Maggies Verbleib zu finden. In einem Geheimgang stößt er auf Maggie, die hier geradezu aufgebahrt liegt. Arnold will sie retten, trägt sie durch den Gang, der mit Leichen und Körperteilen ausstaffiert ist, Richtung Ausgang und wird von Wortmann (George Eastman) gestellt. Arnold beschwört den Kannibalen, ihn, seine Frau und das ungeborene Kind gehen zu lassen, er, der selber einmal Frau und Kind gehabt habe, müsse doch Mitgefühl empfinden.

Wortmann erinnert sich: er und seine Familie seit Tagen in einem Schlauchboot treibend, der Junge längst tot, die Frau sterbend. Da greift er zu, will essen, was sich anbietet, will trinken, was der Körper des Jungen ihm zu bieten hat. Die Frau begehrt auf, sie will verhindern, daß er sich versündigt, letzte Tabus bricht, er gerät in Raserei, will vernünftig sein, sie überzeugen, sie wirft sich dazwischen, sein Messer blitzt in der Sonne und die Klinge fährt ihr tief in den Leib. Wortmann taucht aus den Tiefen seiner Erinenrung auf, er verletzt Arnold schwer, greift sich Maggie, beugt sich tief über die schreiende Frau und reißt ihr den Fötus heraus. Dann beginnt er, ihn vor den Augen der sterbenden Eltern zu verpeisen.

Julie hat derweil die geheimen Gänge unterhalb des Anwesens und dort eine ganze Reihe von Aufzeichnungen zu Wortmanns Treiben gefunden. Carol kommt hinzu, wird aber angegriffen und getötet, es kommt zu einer Jagd, bei der schließlich auch Henrietta ihr grausiges Ende findet und dann endlich Wortmann, der sich gerade über Julie hermachen wollte, als Andy ihm eine Hacke in den Bauch rammt. Der Menschenfresser sinkt auf die Knie und hält sein hervorquellendes Gedärm, blickt es erstaunt an und frisst sich dann selber auf…

 

Aristide Massaccesi – welch ein Name! Vielleicht wollte sein Träger ihn nicht allzu sehr belastet wissen, weshalb er sich für seine künstlerischen Werke eine ganze Reihe von Pseudonymen zulegte, dessen bekanntestes wohl Joe D´Amato sein dürfte. Unter diesem Namen schuf der Maestro Werke wie die BLACK-EMANUELLE-Reihe (seit 1975) mit Laura Gemser, ab den späten 70er Jahren widmete er sich dann mehr dem harten Horrorfilm, bevor er zu den Softerotik- und Hardcoreproduktionen zurückkehrte. Aus dieser Phase des harten Horrorfilms stammt auch der vorliegende ANTROPOPHAGUS (1980), der es in Deutschland unter dem Namen MAN-EATER zu ausgesprochen berüchtigter Bekanntheit brachte, da er einer jener Filme ist, die bis heute keine Freigabe durch die FSK erhalten haben und weiterhin im Giftschrank liegen.

Wer den Film nur aus der Gerüchteküche kennt, wird natürlich wissen, daß es eine fürchterliche Szene gibt, in der einer Schwangeren das Kind bei lebendigem Leibe aus eben diesem gerissen wird, der Fötus wird anschließend gut sichtbar vom titelgebenden Menschenfresser verspeist. Da sein Hunger schier unstillbar scheint, verputzt der Kerl später auf die gleiche Art und Weise das eigene Gekröse. Es sind diese beiden Sequenzen, die dem Film seine eher anrüchige Reputation verschafft haben. Wie meist in solchen Fällen, schadet es nie, sich die an solcher hängenden Filme zumindest ansatzweise einmal anzuschauen, da man sonst letztlich Propaganda aufsitzt. Meist stellt man dann fest, daß die anrüchigen Werke kaum mehr als genau das zu bieten haben, was ihren Ruf einst einmal begründete – und meist sind diese Fürchterlichkeiten dann auch noch furchtbar schlecht gemacht.

Man muß natürlich auch nicht so tun, als ginge es bei einem Film wie diesem nicht auch genau darum: Maximales Unwohlsein hervorzurufen. Die Welle ultraharter Horrorstreifen zu Beginn der 1980er Jahre bezeugt den Willen, das Publikum zu schockieren, es zu ekeln, vor den Kopf zu stoßen und dafür jedwede Widerwärtigkeit zu nutzen, die technisch machbar war. Der Ekel, den wir dann empfinden wenn wir weiter zuschauen bei dem, was uns präsentiert wird, ist auch immer ein Spiel nicht nur mit der eigenen Grenze des Erträglichen – das berühmte „Schaffe ich es und halte es aus?“ – sondern auch mit unserer ureigenen moralischen Grenze: „Wie weit bin ich bereit, solchem beizuwohnen?“ Der Horrorfilm spielt eben nicht nur mit unseren Ängsten, er ist auch immer eine ambivalente, ambigue Herausforderung unseres ethischen Systems, unseres Selbstbildes. Die Infragestellung moralischer Gewissheiten ist sein ureigenes Betätigungsfeld, weshalb die Eskalation sein zwangsläufiges Instrument ist, ja sein muß. Die „Fötusszene“ stellt genau eine solche Eskalationsstufe dar.

Der „Fötus“ war in diesem Fall ein gehäuteter Hase und die eigentliche Widerwärtigkeit besteht darin, daß der Darsteller des Menschenfressers, der notorische George Eastman, bereit war, in den rohen Kadaver zu beißen. Heute erzählt Leonardo DiCaprio in jeder Talkshow, wie er für den Oscar-prämierten THE REVENANT (2015) ein Stück rohe Leber aß und ein jeder nimmt dies als Ausweis der Authentizität, die den Film besonders glaubhaft wirken ließe. 1980 war die Vorstellung, daß ein Schauspieler in ein rohes Stück Fleisch beißt, zensurwürdig. Es hatte also genau die Wirkung, die D´Amato wollte. Schock, Ekel, Skandal als Verkaufsmerkmal – der Meister machte zeitlebens nie einen Hehl daraus, daß seine Filme Produkte waren, die sich ökonomisch rentieren mussten. Da steht er ganz in der Tradition eines Russ Meyer, der getrost als Pate aller (post)modernen B- und C-Filmer betrachtet werden darf.

Doch in einem Oeuvre, an dessen gesamten Titel sich wahrscheinlich nicht einmal sein Erschaffer noch zu erinnern vermag, findet man dann meist auch mal etwas, das ihm zwar vielleicht nur „passiert“, das aber dennoch gelungen ist. Erstaunlicherweise lässt sich ANTROPOPHAGUS dazu zählen. Vergleicht man ihn mit den damals üblichen Standards vor allem im auch von D´Amato gern bedienten Zombie-Subgenre, bietet der Film wenig Schauwerte, wenig Spektakel, kaum Action und auch die Schocks, will man sie denn als solche bezeichnen, sind eher rar. Vor allem in den letzten Minuten steigert die Regie die Schlagzahl, taktet die Ekelmomente in kürzeren Intervallen, doch trotz der oben schon beschriebenen Widerwärtigkeiten, wirkt hier nur weniges aufgesetzt oder rein dem Selbstzweck geschuldet. Und das sei nicht miss zu verstehen, denn Filme wie dieser haben das Spektakel des zerstörten Körpers, mit zunehmend besseren Effekten das Spektakel der Zerstörung selber, zu ihrem eigentlichen Daseinszweck erkoren. Das mag man bedauern oder auch nicht, Fakt ist es dennoch. Doch D´Amatos Regie hier wirkt, als wolle er genau diese Erwartungen unterlaufen. Es gelingen ihm für einen Film wie diesen ausgewogene, oft wirklich ernsthafte Dialoge, seine Darsteller wissen auch noch nach 15 Sekunden auf der Leinwand etwas mit sich anzufangen, Bild und auch die Regie selber verstehen es, eine zunächst latente, später durchaus explizite Spannung aufzubauen. Der Film ist – verglichen mit heutigen Standards sowieso – erstaunlich langsam. Er nutzt die grelle Sommersonne des südlichen Italien, wo der Film zu Großteilen gedreht wurde, um zunächst die Verlorenheit seines Touristentrupps unterschwellig anzudeuten, später zu unterstreichen und dann, die Bedrohlichkeit ihrer Leere betonend, diese Gassen so hell wie möglich auszuleuchten. Gepaart mit gelegentlichem Einsatz der Handkamera, die den Zuschauer wiederum die Enge, das Labyrinthische der Gassen spüren lässt, gepaart auch mit gelegentlichen Einsatz subjektiver Kameraeinstellungen, die Julie und ihre Freunde meist aus der Halbdistanz zeigen und wodurch lange Zeit lediglich suggeriert wird, daß sie von etwas auf der Insel Anwesendem beobachtet werden, entsteht ein subtiles Grauen, dem man sich gut hingeben kann.

Wenn die Schocks dann kommen, sind sie zwar heftig, werden aber derart inszeniert – fast möchte man sagen: distanziert inszeniert – daß auch sie kaum noch Potential besitzen, den Zuschauer zu überfallen oder gar ernsthaft zu erschrecken. Dem Tempo des eher  gemächlichen Kannibalen entsprechend, der seine Opfer mit der Gewißheit eines Minotaurus verfolgt, werden sie der Insel und den diversen ober- und unterirdischen Labyrinthen, die diese birgt, doch kaum jemals entkommen können, werden auch die Angriffe und Verstümmelungen eher gemächlich inszeniert, ist es weniger die Plötzlichkeit oder Heftigkeit, mit der die Dinge geschehen, sondern eher die Genauigkeit, mit der die Kamera verfolgt, was und wie es geschieht. So muß man dem Film vielleicht eher kaltes Grausen attestieren, als daß er die Lust am Erschrecken bedienen könnte. Dazu ist dies alles zu gleichförmig, rhythmisch zu anspruchslos, im Timing wenig überzeugend. D´Amato scheut sich auch nicht, Gewitter, Blitz und Donner, Geheimgänge oder mumifizierten Leichen zur Spannungssteigerung einzusetzen, wenig hier entspricht der dramaturgischen Methodik eines ihm zeitgenössischen Horrorfilms.Fast erinnert das an die Kunstfilme des Autorenkinos, die sich momentweise des klassischen Horrofilminventars bedienen, um die etwas abseitigeren Teile ihrer Geschichten zu erzählen.

Die Bilder wirken manchmal schon so überblendet, daß der Effekt entfremdet und uns den Figuren noch entäußerter erscheinen lässt. Während der Bootsfahrt zur Insel kann man nicht einmal mehr eine Horizontlinie erkennen, Himmel und Meer verschwinden ineinander, werden zu einem scheinbar abgeschlossenen Raum. Wo, wenn überhaupt, soll hier noch die Grenze zwischen Realität und (Alb)Traum sein? Und wo sollte hier ein Entkommen sein? Doch solange wir frei von bösen Ahnungen sind, könnten wir uns auch in der Sommerromanze eines Éric Rohmer wähnen. Selbst die Dialoge weisen darauf hin: Junge Menschen, Ende der 70er Jahre, die sich mit der Mythologie, mit der Geschichte der sie umgebenden Kultur auskennen und darüber kommunizieren. Sie sind in der Lage, das Geschehen nicht nur als schreiende Opfer zu reflektieren, sondern einzuordnen, was ihnen erstaunlich viel Charakter für einen Film dieser Preisklasse gibt.

Das Buch von Joe D´Amato und seinem Darsteller Luigi Montefiore, der als „George Eastman“ zu den verkannten Genies des abseitigen und vergessenen Kinos gehört, steckt voller Anspielungen auf die antike, aber auch die christliche Mythologie. Bei all dem gewollten Ekel, bei allem Affront, den der Film gegenüber seinem Publikum darstellen will, ist er doch erstaunlich deutlich mit den Spuren seines europäischen Erbes markiert. Auch wenn er es ebenso gnadenlos wie skrupellos entschlackt, entfremdet und natürlich trivialisiert, um es seinen Bedürfnissen anzupassen. Nikos Karamanlis, wie der Antropophagus einst bürgerlich hieß, ist ein moderner Odysseus, der nicht zu den Seinen heimkehrt, sondern sie viel mehr ab nun mit sich nimmt: Er frisst sie auf um selber weiter leben zu können, mythologisch nimmt er damit ihre Seelen in sich auf. Er nimmt aber auch – in vielerlei Ebenen auf das Chrsitentum rekurrierend – das Sohnesopfer an. Kannibalismus ist das große Tabu der westlichen Kultur und spielt doch an auffalend wichtigen Stellen mit der Idee. Kannibalismus ist aber in gewisser Weise auch ein Totem. Das Töten und Verspeisen des Opfers ist auch eine archaische kultische Handlung, sich der Kraft des anderen, des Besiegten zu bemächtigen.

Das zweite positiv besetzte Tabu, das hier im chrsitlichen Sinne interpretiert und brutal angegriffen wird, ist die Familie. Sie ist vielleicht einmal Heim und Hort gewesen, doch ist sie hier und jetzt auch zum Zentrum des Grauens geworden. Wortmann verschlingt Menschenfleisch, doch kann er in der Wiedeholung, seriell, nicht mehr bannen, was er einst entfachte, die Opferung der eigenen Familie kann er sich nicht vergeben, weil Gott sie nicht mehr vergeben kann. Den Sohn kann man nur einmal opfern und nur einer kann es. Wie Odysseus entfacht auch Wortmann also den Zorn der Götter/des Gottes und wird furchtbar dafür gestraft. Und man solle nicht annehmen, die Deutung sei an den Haaren herbeigezogen – man achte auf die Bilder eines „geschlossenen“ Horizonts, auf die Enge der Gassen und das Fehlen aller menschlichen Anwesenheit und spüre, wie die metaphysische Verlassenheit langsam Besitz ergreift. Dann spürt man die Kraft eines solchen Filmes, dann kann man begreifen, was einen „Horrorfilm“ im eigentlichen Sinne ausmacht.

Doch D´Amato lässt sein Ungeheuer nicht einfach im Mythischen sich selbst genügen. Anders als die amerikanischen Verwandten der Zeit – Jason Vorhees aus FRIDAY THE 13TH (1980) und Michael Myers aus John Carpenters HALLOWEEN-Reihe (ab 1978) – wird hier nicht über den Umweg der Psychiatrie Zgang zur Ebene des Mythos gesucht, sondern es wird gezeigt, was geschieht, wenn man als moderner Mensch im Mythos verheddert. Psychologisch verfällt man damit nämlich dem Wahn. In endloser Wiederholung – zumindest deuten die Funde in den Katakomben der Insel darauf hin – sucht Wortmann Befreiung von der Schuld, metaphysisch wird er seinen Hunger aber nie mehr stillen können und menschlich kann er nie mehr werden. D´Amato will sein Publikum aber nicht im Unklaren lassen, wie dieses Wesen wurde, was es ist. Die Erklärung mag uns Karamanlis nicht sympathisch machen, aber seine Taten werden nachvollziehbarer, also erklärlich. Sie treten aus dem Bereich des Mythos in den Bereich der Wissenschaft. Und sie liefern eine Erklärung für die Wahnsinnstat am Ende des Films: Der Eigenkannibalismus ist schließlich wenn schon kein Ort, so doch die einzige, die finale Tat, durch die Erlösung vielleicht noch möglich ist. Am Ende seiner Irrfahrt steht für diesen modernen Irrenden eben keine Heimat, er verliert sich nur im Wahnsinn, all das Hoffen, all der Glaube, waren dann umsonst. Der existenzielle Horror, das Ende in einem abstrakten Nichts, in dem der Mensch nach nahezu zweitausend Jahren abendländischer Philosophie, die irgendwo hier ihren Ausgang nahm, angelangt ist und sich nun in einem Säurebad toxischer Information, übelkeiterregender Überinformiertheit langsam aufzulösen beginnt.

ANTROPOPHAGUS funktioniert wie die besseren und besten Horrorfilme der Filmgeschichte als ein Spiegel unterschwelliger aber auch akuter Ängste und Befürchtungen, ebenso als Katalysator verdrängter Schuld und diffuser Bedrohungen und auch als skandalöse wie spielerische Inszenierung lustvoller Tabubrüche. Das macht ihn sicher zu keinem „guten“ Film, aber es ist ein herausragendes Stückchen Terrorkino aus der ersten Hochphase wirklich harter Splatter- und Gorefilme. D´Amato wollte sein Publikum schockieren und er wollte damit kommerziellen Erfolg haben. Gern hing er sich mit seinen an erfolgreiche Produktionen aus Hollywood, seien es die CONAN-Verfilmungen (ab 1982) mit Arnold Schwarzenegger, denen er sich mit dem eigenen ARTOR L`INVINCIBILE (1982) anschloß, seien es die MAD MAX-Filme (ab 1979), denen er mit ANNO 2020 – IL GLADIATORI DEL FUTURO (1982) seine eigene, nicht unbedingt originelle Endzeitvision entgegensetzte. Das Doppelkunstwerk LE NOTTI EROTICE DEI MORTI VIVENTI (1980) und PORNO HOLOCAUST (1981), schnell und billig mit ein und demselben Stab hintereinander weg an derselben Location gedreht, nutzte den Erfolg von George A. Romeros DAWN OF THE DEAD (1978), um sich einen Vorteil am Markt zu verschaffen. Viele dieser Werke wirken etwa so, wie man es erwarten würde: Billig, trashig. Doch neben den BLACK-EMANUELLE-Filmen, denen man ansieht, daß sie ihrem Macher doch irgendwie am Herzen lagen, kann man mindestens von ANTROPOPHAGUS und dem älteren BUIO OMEGA (1979) behaupten, daß D´Amato hier deutlich andere Wege beschritten hat und ihm – gewollt oder nicht – kleine, verstörende Meisterwerke des Abseitigen, des Absurden und Grotesken, des reinen Grauens und des tiefen Wahns gelungen sind, die uns viel mitzuteilen haben über des Menschen Verfasstheit in Anbetracht der letzten Dinge…

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