MR. HOBBS MACHT FERIEN/MR. HOBBS TAKES A VACATION

Die zweite Kooperation zwischen Henry Koster und James Stewart bietet konservative Familienunterhaltung

Mr. Hobbs (James Stewart) kommt aus dem Urlaub zurück und bittet seine Sekretärin umgehend zum Diktat. Doch keineswegs will er einen Geschäftsbrief schreiben, sondern einen an seine Frau Peggy (Maureen O´Hara). Dieser wünscht er mitzuteilen, daß er bei aller familiären Verbindung zukünftig doch lieber mit ihr allein zu urlauben gedenke. Denn die zurückliegenden Wochen in einem gemieteten Haus am Meer seien für ihn wenig erholsam gewesen ob des dauernden Besuchs durch die Kinder, deren Gatten und die damit einhergehenden Probleme, die er sich in den Ferien gern vom Leibe hielte.

Das Feriendomizil entpuppt sich als Bruchbude; kaum eingezogen, enthüllt Peggy, daß die gesamte Familie – beide Töchter mit Anhang – im Anmarsch sei; als Hobbs mit seinem jüngsten Sohnemann eine Bootstour unternimmt, verlieren die beiden sich im Nebel, allerdings finden sie rechtzeitig zum Strand zurück, bevor die väterliche Autorität ernsthaft angekratzt wird; seine lange vorgenommene Strandlektüre von KRIEG UND FRIEDEN wird Mr. Hobbs durch allzu aufdringliche Nachbarn vergällt…

Die Ehe seiner jüngeren Tochter Katey (Lauri Peters) scheint in Untiefen geraten zu sein, kaum angekommen, haut ihr Gatte Joe (Fabian Forte)  bereits wieder ab. Er ist arbeitslos und nervlich schwer angeschlagen. Zwar gelingt es Katey mit Hilfe ihrer Frau Mama, Joe wieder heimzuholen, doch nun dräut neues Unheil, denn sein möglicher neuer Arbeitgeber hat sich angekündigt. Mr. Hobbs und Peggy sind fest entschlossen, ihr Bestes zu geben, damit ihr Schwiegersohn schnell wieder in Lohn und Brot steht.

So vergeht der Urlaub, Mr. Hobbs findet nur wenig Ruhe und Erholung und beendet also das Diktat nach der endlosen Aufzählung all dessen, was schief gelaufen ist, mit der dringenden Bitte, demnächst gemeinsam und OHNE Kinder die von Mr. Hobbs lang angedachte Europareise anzutreten. Als er schließt, schaut ihn seine Sekretärin mitleidig an und fragt, ob dem Brief die gleiche Behandlung zuteil werden solle, wie jenen aus den vergangenen Jahren? Aber sicher, grient Mr. Hobbs und eröffnet ihr, daß das Haus fürs kommende Jahr bereits gemietet sei…

James Stewart war ein Company-Man, ein Schauspieler, der immer wieder mit bevorzugten Regisseuren arbeitete, denen er half, einen bestimmten Leinwandtypus eines Mannes zu entwerfen, für den er wie geschaffen war. Er arbeitete mehrfach mit Frank Capra und wurde bei ihm zum Prototyp des Liberalen der New-Deal-Ära unter Roosevelt, Alfred Hitchcock war er der zwar aufgeschlossene, aber wertkonservative Amerikaner schlechthin, dann gab es die ausgesprochen fruchtbare Zusammenarbeit mit Anthony Mann, mit dem er nicht nur einige Dramen drehte, sondern in fünf berühmten Filmen das gesamte Western-Genre neu definierte und maßgeblich daran beteiligt war, es aus den Kinderschuhen in eine erwachsene und reife Ära zu führen. Für diese kongenialen Werke mit Mann wird Stewart wohl ewiger Ruhm zuteil werden. Weniger fruchtbar, weniger zukunftsweisend und nicht annähernd so klassisch gealtert wie die genannten Kooperationen, doch im Ergebnis zumindest in einem Falle zeitlos, ist die mit Henry Koster. Fünfmal arbeiteten Regisseur und Hauptdarsteller zusammen, vier Mal waren es Komödien, einmal ein abenteuerliches Drama um Wissenschafts- und Fortschrittsglaube namens NO HIGHWAY IN THE SKY (1951); ein Film, der thematisch nah an der Stewart/Mann-Kollaboration THUNDER BAY (1953) liegt. Unter den Komödien ist es HARVEY (1950), der von der Freundschaft eines etwas schrulligen Herrn zu einem unsichtbaren, über zwei Meter großen Hasen erzählt, der wohl zeitlosen Status als Klassiker genießt. Skurril, ein wenig surreal und für seine Zeit in Hollywood erstaunlich postmodern, ist HARVEY ein Platz im Pantheon der großen Komödien sicher. Danach kam es erst 1962 mit MR. HOBBS TAKES A VACATION zu einer erneuten Zusammenarbeit der beiden Künstler.

Henry Koster hatte seine ersten Meriten bereits in den 1930er Jahren in Deutschland verdient, wo er zunächst Regieassistent war, bis eine Zufallsgelegenheit ihm die Chance bot, selbst Regie zu führen. Seit den späten 30er Jahren – wie so viele auf der Flucht vor den Nationalsozialisten – in Hollywood, hatte er sich auf das leichte Fach spezialisiert und drehte Komödien, Lustspiele und Liebesfilme. James Stewart verhalf er mit der Rolle des etwas grantigen Mr. Hobbs, der seiner Sekretärin einen Brief an seine Gemahlin diktiert, in dem er weitschweifig erklärt, warum der gerade absolvierte Familienurlaub für ihn definitiv der letzte gewesen sei, zu einer Leinwandpersona, die seinem mittlerweile doch fortgeschrittenen Alter gerecht wurde. Deutlich jenseits der fünfzig, wich Stewarts manchmal linkische Schlacksigkeit doch einer saturierten Gesetztheit, aus dem etwas jungenhaften Kerl war ein leicht gravitätischer Herr geworden. John Ford, der dreimal mit Stewart gedreht hat, allerdings erst spät mit ihm zusammentraf, erkannte diese Veränderung schon in TWO RODE TOGETHER (1961) und besetzte Stewart als alternden, zynischen Marshal McCabe; ein Jahr später verhalf er Stewart mit der Rolle sowohl des Junganwalts Ransom Stoddard, als auch dessen älteren Ego in THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE (1962) zu einer der späten Paraderollen des Schauspielers. Im gleichen Jahr besetzte Koster ihn schließlich als grummeligen Mr. Hobbs.

James Stewart war nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil er selbst in Momenten äußerster Wut beherrscht blieb und noch seinem ärgsten Gegenüber freundlich zu begegnen verstand. Seine Western mit Anthony Mann sind auch deshalb so brillant, weil jeder einzelne von ihnen Stewarts Rollenmodell unterlief und den gleichen Typus des „all american guy“ von seiner harten, abweisenden, oft brutalen, manchmal sadistischen Seite zeigte. Und damit eben das entlarvte, was in den netteren Rollen unter der Oberfläche allgemeiner Freundlichkeit allenfalls einmal durchschimmerte. Mr. Hobbs nun bietet die Möglichkeit, genaue diese etwas düstere Seite auch in einen Film hinein zu holen, der seiner gesamten Anlage zufolge eine leichte, manchmal beschwingte Sommerkomödie sein sollte. Da Henry Koster nie im Verdacht stand, ausgesprochen kritische oder gar subversive Filme zu drehen, kann man  auch hier zunächst relativ harmlose Späße auf Väterchens Kosten erwarten, etliche Verstrickungen und Tändeleien, bis sich schließlich alles in Wohlgefallen auflöst – spätestens, wenn der urlaubsgeplagte Familienvater mit Fluchtambitionen sich per Diktat Luft gemacht hat und seiner Sekretärin gesteht, das Haus schon für kommendes Jahr gemietet zu haben. Soweit alles so gut wie harmlos. Doch ist das Ganze von einer subversiven Sicht auf das Heiligtum des amerikanischen Selbstverständnisses – der Familie – unterlegt, der man gut und gerne Bösartigkeit unterstellen kann. Denn Mr. Hobbs Haltung, die er nie wirklich verbergen kann und die ihm nur aufgrund der Gutmütigkeit seiner Umwelt als Marotte ausgelegt wird, unterläuft das gesamte Klischee der „glücklichen Familie“, indem er deutlich zeigt, daß er nicht nur einen grundsätzlich anderen Urlaub gewünscht hätte, sondern auch, daß es für seinen Geschmack viel zu wenig Distanz zwischen ihm und seinen Liebsten gibt.

Nun sollte man diesen Aspekt allerdings auch nicht zu hoch hängen. Episodenhaft erzählt der Film die Urlaubserlebnisse der Familie, skizziert dabei allerhand kleine und größere Dramen, die sich allesamt irgendwie in Wohlgefallen auflösen. Hobbs und sein jüngster Sohn erleben ein Abenteuer auf hoher See, daß den Vater beinah als durchschnittlichen Menschen entlarvt, bevor eine gütige Fügung des Schicksals seinen patriarchalen Heldenstatus doch noch rettet, das sich obligatorisch als Bruchbude erweisende Feriendomizil sorgt für allerhand erheiternde Einlagen, das sich anbahnende Ehedrama der Tochter erlaubt es Stewart, Mr. Hobbs als treusorgenden und mitfühlenden Vater zu zeigen und zugleich führt der Besuch des zukünftigen Arbeitgebers des abgängigen Schwiegersohns und seiner Frau zu einer Reihe von amüsanten Verwicklungen, die das Paar Stewart/O´Hara zu elterlicher Hochform auflaufen lässt. Schließlich und endlich findet der Film natürlich auch zurück dorthin, wo alles Sehnen, Streben und Sorgen sich in Wohlgefallen auflöst: Im Schoß der Familie darf man seine Wunden lecken, wird man umsorgt und findet man eben doch die Ruhe, die man nicht einmal allein wirklich genießen könnte.

MR. HOBBS TAKES A VACATION ist letztlich gutmütig konservatives Hollywoodkino, das in seiner Biederkeit belegt, wie ein System – das Studiosystem – seiner Grundlage verlustig geht und verunsichert nach neuen Wegen sucht, zugleich aber auch an alten, erfolgversprechenden Rezepten festhielt. Und der Erfolg gab Koster und seiner Crew recht. Der Film war sehr erfolgreich an den Kinokassen, wurde für allerhand Preise nominiert und kann auch heute noch durch sein Timing, die gelegentliche Schwärze der Komik und nicht zuletzt durch den Soundtrack von Henry Mancini, der Hobbs vermeintlichen Leidensweg cool unterlegt, überzeugen. Von den Stewart/Koster-Kooperationen nach HARVEY ist dies sicherlich die stärkste, die nachfolgenden Filme spielten das Modell „Jimmy Stewart als grummliger aber gutmütiger Vater“ in verschiedenen Varianten durch, boten dann aber eher das Immergleiche in immer neuen Verpackungen. Dies aber bleibt eine durchaus sehenswerte Komödie, die auch Dekaden nach Erscheinen zumindest kurzweilig zu unterhalten weiß.

 

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