OHNE GEWISSEN/THIS WORLD, THEN THE FIREWORKS

Eine kleine, feine und gemeine Verfilmung einer Kurzgeschichte des großen Jim Thompson

Marty Lakewood (Billy Zane) und seine Schwester Carol (Gina Gershon) mussten als Kinder miterleben, wie ihr Vater erschossen wurde, was ihre Mutter wunderlich werden ließ.

Mittlerweile erwachsen, muß Marty im Jahr 1956 aus Chicago fliehen, wo er sich als Reporter durchschlägt und einigen korrupten Herren der Stadt zu nah gekommen ist. Er läßt Frau und Kind zurück und flieht zu Mutter und Schwester nach Kalifornien.

Schnell wird deutlich, daß ihn und Carol mehr als „einfache“ Geschwisterliebe verbindet, sie sind dringend aufeinander angewiesen in einer Welt, die sie als feindlich und abweisend wahrnehmen.

Marty verdingt sich eine Zeit lang als Lokalreporter, bis er seinen Chef vor den Kopf stößt. Carol verdient sich ihr Geld als Prostituierte.

Marty beginnt eine Affäre mit der liebestollen Polizistin Lois Archer (Sheryl Lee), die ihn weitaus mehr liebt, als er sie. Sie wartet darauf, daß ihr Bruder, ein Soldat, aus Übersee heimkehrt.

Während Marty Lois drängt, ihr schönes, am Strand gelegenes Haus zu verkaufen, weil er das Geld braucht, überwacht er seine Schwester, die ihrerseits von einem Privatdetektiv beschattet wird. Marty sucht diesen auf und bringt ihn – final – dazu, die Beschattung einzustellen.

Daheim kommt es vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen Marty und Carol auf der einen Seite, ihrer Mutter (Rue McClanahan) andererseits. Diese betrachtet ihre Kinder mittlerweile als „Brut“ die man hätte vernichten sollen, als sie noch klein waren. Aus Marty, der ein an sich recht ruhiges Gemüt hat, bricht in Momenten großer Erregung immer wieder ein zutiefst alttestamentarischer Glaube hervor, der mit Mutters Glaube an das Böse korrespondiert.

Carol hat einen Unfall mit einem Freier, der diesen das Leben kostet, Marty hilft ihr selbstredend.

Marty steht zunehmend unter Stress und so kommt es zwischen ihm und Lois vermehrt zu – auch gewalttätigen – Auseinandersetzungen.

Als ihre Mutter sie wild beschimpft, macht Carol eines Abends kurzen Prozeß und flößt ihr eine ordentliche Überdosis eines Schmerz- und Beruhigungsmittels ein. Der Leichenbestatter wertet dies als „natürliche Todesursache“.

Carol verschwindet nachts und hinterläßt Marty lediglich einen Brief, sie habe etwas zu erledigen und müsse für eine Weile verschwinden.

Nach einigen Tagen bekommt Marty einen Anruf aus Mexico von einem Quacksalber: Dort läge seit Tagen die Leiche einer jungen Miss Lakewood, die ihm bei einer illegalen Abtreibung unter der Hand gestorben sei. Marty leugnet, die Dame zu kennen.

Er setzt Lois unter Druck, endlich ernst zu machen mit dem Haus. Als er sie abends aufsucht, taucht ihr Bruder auf, Marty erschießt ihn, begreift erst dann, daß er es hier keineswegs mit einem Bruder, sondern mit einem gehörnten Ehemann zu tun hatte. Eine seltsame Art der Doppelung zum Tod seines Vaters, wie Marty auffällt. Lois hat sich auf denkbar einfache Art ihres Gatten entledigt, weiß sich aber als Polizistin zu helfen. Sie und Marty verschwinden.

Wie zuvor schon die 80er Jahre, sahen auch die 90er eine ganze Reihe sogenannter Neo-Noirs, Thriller also, die sich inhaltlich wie formal an den ‚Film Noir‘ der 40er und 50er Jahre anlehnten. Einige dieser Filme hatten durchschlagenden Erfolg – BASIC INSTINCT (1992) ist wohl das Paradebeispiel dafür -, andere erlangten eher Kultstatus in der Gemeinde der Liebhaber, wie THE LAST SEDUCTION (1994) oder ONE FALSE MOVE (1992). THIS WORLD, THEN THE FIREWORKS (1997) datiert schon eher aus der Spätphase dieses Revivals. Basierend auf der Vorlage einer Kurzgeschichte von einem der literarischen Meister des düsteren Fachs, Jim Thompson, legen Larry Gross (Script) und Michael Oblowitz (Regie) einen recht gekonnten Thriller um ein mörderisches Geschwisterpaar vor.

Jim Thompsons Welt ist immer düster, manchmal etwas düsterer. Immerhin gönnt er den Geschwistern Marty und Carol Lakewood – anders als vielen seiner verkommenen Protagonisten – in der erstaunlich werkgetreu umgesetzten Vorlage noch eine Erklärung für ihr Verhalten. Billys alttestamentarischer Zorn auf eine Welt, die ihm vorenthält, worauf er meint, ein Recht zu haben, seine Wut gegen ein Schicksal, daß ihn und seine Schwester früh mit Gewalt konfrontiert hat (wofür die beiden allerdings schon als Kinder eher Spott übrig gehabt zu haben scheinen), korrespondiert mit einigen von Thompsons anderen Figuren. Doch ihr Wirken ist hier, wie in seinen Geschichten generell, bar aller moralischen Anwandlungen. Beide tun, was sie zum Überleben meinen tun müssen und verbitten sich jederlei Urteil darüber (wie Marty gegenüber ihrer Mutter einmal deutlich formuliert). Daß diese moralische Inkohärenz schließlich Muttermord und das Verleugnen der eigenen Schwester einbezieht, liegt nur in der Logik dieser Familie, in der ein jeder immer sehen musste, wie er zurechtkommt.

Oblowitz ist bei seiner Umsetzung des Stoffes ein in weiten Teilen passabler Thriller gelungen, der seine Stärken vor allem im Setting und in dem sehr guten Soundtrack von Peter Rugolo hat, den dieser – Jahrzehnte nach seinen Arbeiten für Fernsehserien wie THE FUGITIVE (1963-67) – stimmig um zwei Aufnahmen von Chat Baker herum erarbeitet hat. Seine Arbeiten mit Baker lagen weitaus länger zurück. Hier haben wir einen langsamen, träg-schwülen Sound, getragen von Saxophon und Trompete, der ebenso die unterschwellige Bedrohlichkeit, wie auch die dräuende Erotik dieser Geschichte unterstreicht. Set Design und das Artwork des Films funktionieren, obwohl es gerade bei Filmen, die in den 50er Jahren spielen sollen, oft geschieht, daß sie extrem gekünstelt wirken. Daraus machen Oblowitz und sein Kamermann Tom Priestley Jr. jedoch das Beste, indem sie der ganzen Geschichte, der gesamten Mise-en-Scène des Films einen extrem artifiziellen Look verpassen, der teilweise schon surreale Züge trägt. Damit umgehen sie ein Problem, daß gerade in den Verfilmungen der Geschichten von Jim Thompson immer wieder akut wird: Die Entscheidungen, die die Protagonisten treffen, sind psychologisch nicht unbedingt immer nachzuvollziehen. Da Thompson rigoros aus der Ich-Perspektive schreibt, fällt es ihm natürlich weitaus leichter, seinen Lesern die Motive zu vermitteln, die hinter mancher Handlung stecken. Ein Film hat da weitaus größere Legitimationsprobleme. Indem einige Szenen ins Surreale abzukippen scheinen, die Farbdramaturgie manchmal nahezu psychedelisch wird, werden die Handlungen der Figuren überhöht, wird die Filmwirklichkeit verzerrt. Der gesamte Plot wird unreal und dadurch (alb-)traumhaft.

Doch wie auch in Thompsons Geschichten, geht es im Film wild zu: Diese Typen treffen immer auf die entsprechenden Extreme. In diesem Fall ist das die Polizistin Lois Archer, die sofort auf den schönen Marty anspringt und ihn zu verhaften droht, wenn er nicht umgehend mitkommt und sie beglückt. Das ist Thompson-Country in Reinkultur. Doch funktioniert das nur bedingt. Überhaupt muß man konstatieren, daß der Film bei all seinen Vorzügen schließlich etwas unentschlossen ausfasert. Sei es die Abtreibung, die Carol ins Jenseits befördert, seien es die diversen Mordkomplotts, die im Nirgendwo versanden, sei es Lois gelungene Lüge, Marty habe es mit ihrem Bruder zu tun oder sei es das Drama zweier verlorener Kinder unter der Fuchtel einer dem Wahn verfallenen Mutter (die Rue McClanahan mit erstaunlichem Mut zur Hässlichkeit sehr überzeugend spielt) – was geschrieben wie die Lebensbeichte eines Mörders aus widrigen Umständen wirkt, mäandert im Film etwas ziellos dahin und endet letztlich willkürlich. Und geht psychologisch nur bedingt auf. Da Marty – der uns die ganze Zeit aus dem Off kommentiert, was wir sehen – uns nun mal die Beziehung zu seiner Schwester als das allerwichtigste in seinem Leben geschildert hat, fällt es uns schwer, seine Kälte gegenüber ihrem Tod zu glauben. Daß wir in der letzten Szene des Films begreifen, daß nicht der durchaus zur Brutalität neigende Marty die ihn begehrende Lois ausnutzt, sondern das Ganze exakt andersherum läuft, ist zwar klassischer Noir, wird in diesem Falle aber lediglich lapidar und wie nebenbei ausgespielt. Doch soll das den Spaß und die Spannung, die der Film bietet, nicht schmälern.

THIS WORLD, THEN THE FIREWORKS unterhält, er ist durchaus spannend und überzeugt mit einer recht guten Schauspielerriege, die Klasse anderer Thompson-Verfilmungen wie THE KILLER INSIDE ME (2010) oder natürlich Sam Peckinpahs Klassiker GETAWAY (1972) erreicht er nicht. So ist es am Ende Rugolos Soundtrack, der wirklich nachhaltig in Erinnerung bleibt. Der nämlich lohnt sich voll und ganz.

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