SADO – STOSS DAS TOR ZUR HÖLLE AUF/BLUTIGER WAHNSINN/BEYOND THE DARKNESS/BUIO OMEGA

Joe D´Amatos Ekelstück von 1979 ist ein Beispiel für ungewollte "Meisterwerke"

Frank Wyler (Kieran Canter) ist ein wohlhabender junger Mann, der glücklich mit Anna (Cinzia Monreale) verheiratet ist. Das Paar lebt auf einem mittelalterlichen Anwesen in den Bergen des italienischen Tirols. Frank ist Tier-Präparator, womit er eher einem Hobby frönt, als einer geregelten Arbeit nach zu gehen.

Die Haushälterin des Anwesens, Iris (Franca Stoppi), die sich schon um Frank kümmerte, da dieser noch ein Kleinkind war, begehrt ihren Herrn heimlich und sorgt mit Hilfe eines Voodoo-Zaubers dafür, daß Anna tödlich erkrankt.

Für Frank ist der Verlust seiner geliebten Frau kaum auszuhalten. Nachdem Anna begraben wurde, begibt sich Frank nachts auf den Friedhof und gräbt die Leiche wieder aus. Auf dem Weg zurück zu seinem Anwesen, hat er eine Panne mit dem Wagen, was der Anhalterin Jan (Luzia D´Elia) die Möglichkeit gibt, sich ungefragt in den Wagen zu setzen. Frank nimmt die sofort kiffende Amerikanerin mit.

Daheim angelangt, beginnt er, an Annas leblosem Körper jene Prozeduren vorzunehmen, die er auch zum Präparieren von Tieren ausführt. Er lässt sie ausbluten, entnimmt ihr die Organe, das Herz, in das er hineinbeißt, um einen Teil seiner Geliebten in sich zu tragen, das Hirn und die Augen. Dann stopft er sie aus und behandelt sie so, daß sie von nun an das Bett mit ihm teilen kann.

Während der Prozedur taucht die nach ihrem THC-Rausch wieder erwachte Jan plötzlich im Labor auf. Frank, außer sich vor Wut, gestört zu werden, fällt über sie her, reißt ihr in seinem Furor die Fingernägel mit einer Zange aus und lässt die junge Frau dann ersticken.

Iris hilft ihm anschließend, die Leiche zu zerstückeln und in einem Säurebad aufzulösen.

Obwohl in Folge die Polizei auftaucht und auch der Leichenbestatter Kale (Sam Modesto) merkt, daß etwas nicht stimmt, bleibt Frank dabei, seine Anna bei sich zu behalten. Doch die scheinbare Idylle wird einerseits durch Iris gestört, die ihre Ansprüche auf Frank geltend macht und zudem immer wieder darauf beharrt, man müsse die Leiche früher oder später los werden, als auch auf Franks zusehends drängenderen Wunsch, sich andere Frauen gefügig zu machen.

So lernt er eines Tages eine Joggerin kennen, die sich auf einem Feldweg verletzt hat. Sofort bietet Frank ihr seine Hilfe an, nimmt sie mit zu sich nach hause und lässt Iris die Dame verarzten. Die findet den jungen Kerl wohl attraktiv, man landet recht schnell im Bett. Doch es ist das Bett, in dem auch Anna liegt, die Frank aufdeckt, verschafft es ihm doch außerordentlichen Reiz, mit einer Frau intim und zugleich in Annas Nähe zu sein.

Als die Joggerin den Leichnam bemerkt, beginnt sie zu schreien, was Frank mit einem beherzten Biss in ihre Kehle unterbindet. Er lässt die Frau verbluten und gemeinsam mit Iris verfrachtet er den Leichnam im Keller in einen Ofen, wo er langsam verbrennt.

Bei einem erneuten Besuch der Polizei findet diese nichts Verdächtiges, obwohl sie sogar den Ofen inspiziert.

Iris lädt ihre Verwandtschaft ein und verkündet die Verlobung mit Frank. Diese hat sie ihm abgerungen gegen das Versprechen, ihn nicht von Anna zu trennen. Zwar lässt Frank das Ganze mit sich geschehen, zieht sich aber immer weiter in sich zurück. Tagelang sitzt er bei Anna und schwört ihr ewige Treue.

Eines Abends fährt er ins nahegelegene Städtchen und trifft dort auf eine Blondine. Die ist sehr offensiv und Frank nimmt sie mit. Während er sich darauf vorbereitet, ein weiteres Opfer zu töten, klopft es an der Tür. Iris öffnet und erschrickt: Anna steht vor der Tür. Es ist ihre Zwillingsschwester Elena (ebenfalls Cinzia Monreale). Als Frank diese erblickt, ist er sofort auf sie fixiert, weil sie die Erinnerung an die lebende Anna evoziert. Er schickt die Blondine fort und will sich umgehend Elena widmen.

Die wurde derweil von Iris bewusstlos geschlagen. Iris will ein und für alle Mal dem Spuk ein Ende machen und Frank unter ihre Gewalt bringen. Es kommt zu einem Kampf zwischen Herr und Haushälterin, bei dem Frank schwer verletzt wird. Doch gelingt es ihm, Iris zunächst das halbe Gesicht weg zu beißen und sie dann mit dem Küchenmesser, das sie gegen  ihn gerichtet hat, zu erstechen.

Kale,  der  Leichenbestatter, der bei vorheriger Gelegenheit das Haus inspiziert hatte und dabei auf Annas Leiche gestossen war, offenbar aber nicht die Polizei informiert hat, kehrt zurück, um seinerseits für Gerechtigkeit zu sorgen. Er dringt in das Haus ein und findet nicht nur die toten Bewohner – Frank ist mittlerweile seinen Wunden erlegen – sondern auch Anna. Er bringt sie zurück ins Bestattungsinstitut, wo er sie wieder in ihren Sarg legt. Alles soll seine Ordnung haben. Doch gerade, als er den Sarg wieder in das Grab schaffen will, wird der Deckel aufgestossen und die nur bewußtlose Elena beugt sich schreiend heraus. Freece….

Wenn es eine A-Riege unter den Regisseuren gibt, eine B- und eine C-Riege, dann gibt es auch noch jene Riege, die gar nicht mehr erfasst wird, sondern beim großen Treffen aller Filmschaffenden bestenfalls am Katzentisch sitzen darf, wenn nicht gleich im Gesindehaus. In diese Riege sind eine Reihe jener Regisseure einzuordnen, die sich immer am schwarzen Rand der Filmkunst bewegt haben, Regisseure, die auf die niedrigsten Instinkte abgezielt haben, die skrupellos zusammenklauten, nicht zitierten, sondern plagiierten, und sich für nahezu nichts zu schade waren. Und denen doch auch immer mal, wenn man so will, „Meisterwerke“ gelangen, Filme, die so delirierend, krank, brutal oder ausbeuterisch waren, daß sie in ihrer Schamlosigkeit schon wieder einer anderen, düsteren, grausamen Wirklichkeit Ausdruck verliehen. Sie sind nicht zu verwechseln mit jenen Künstlern, die sich bewußt aus künstlerischem Kalkül, aus Wagemut in den abseitigeren Regionen des Filmschaffens herumtrieben, Könnern wie John Carpenter, Abel Ferrara oder Alejandro Jodorowsky. Diese Künstler wollten entweder das Genrekino wiederbeleben und bedienen, es einer höheren Weihe nahebringen oder aber mit Schock, Ekel oder Drastik Aussagen über die Conditio Humana treffen. Sie schufen Werke, die auf ihre Zeit reagierten und abseits des Mainstreams – vor allem des Hollywood-Mainstreams – einen anderen Blick auf die Welt werfen wollten. Sie waren witzig, manchmal zynisch, gelegentlich poetisch, politisch bewußt, voller Kreativität und vor allem kompromißlos. Sie wollten ein anderes Kino, ein radikaleres Kino, ein Kino, das endlich als Kunst anerkannt wurde und sich notfalls auch von kommerziellen Ansprüchen lossprach.

Nein, gemeint sind Filmschaffende wie Ruggero Deodato, Hershell Gordon Lewis oder Lucio Fulci, die wahrscheinlich an diesem Katzentisch Platz nehmen müssten. Auch sie tummelten sich im Bereich des Horror-, Splatter- und Exploitationfilms, oft waren sie Grenzgänger in den Bereich der Pornographie oder schufen seltsame Cross-Over-Spielereien, die kaum eindeutig zuzuordnen sind. Sie sind – wohlgemerkt – keine Vertreter jenes Undergroundkinos, das seit den 60eer Jahren die Mitternachtsvorstellungen der Kunst- und Studentenkinos der USA und Europas mit schockierenden, auch oft ekelerregenden Werken befeuerten, Leuten wie John Waters, der schon erwähnte Alejandro Jodorowsky oder George A. Romero, obwohl sie momentweise eben auch in deren Regionen künstlerischen Schaffens eindrangen. Jene Regisseure, die hier an den Katzentisch verbannt werden, waren Nutznießer, sie waren Profiteure, für viele von ihnen gilt, was einst der amerikanische Sexploitation-Filmer Russ Meyer zum Besten gab: Er drehe Filme für den Profit und dafür setze er auf alles, was Zuschauer in die Auto- und Bahnhofskinos zog, wo seine Werke liefen; es sei Zufall, daß er Filme drehe, wenn es keine Filme seien, die er herstelle, dann wären es vielleicht Rasierklingen gewesen.

Dennoch gelangen sogar Russ Meyer eine Handvoll Filme, die Kultstatus erlangten und von denen einige auch heute noch überzeugen können, weil sie – gewollt oder ungewollt – ein Ausdruck ihrer Zeit sind, etwas auf den Punkt bringen, das in der Luft lag, manchmal ihrer Zeit sogar voraus waren. Und auch Ruggero Deodato, Hershell Gordon Lewis und vor allem Lucio Fulci sind in ihren langen Karrieren einige Filme gelungen, die über sich selbst hinausweisen, die nicht nur Kultstatus erreichen konnten – was im Grunde in Zeiten der digitalen Verbreitung jedem noch so obskuren Film, Comic oder Song gelingen kann, da sich irgendwo schon ein paar Leutchen finden, die noch für die abseitigsten Dinge Interesse aufbringen und diese verehren, was den „Kult“status von Kunstwerken mittlerweile etwas fragwürdig macht – sondern auch bleibenden Wert besitzen. Deodatos CANNIBAL HOLOCAUST (1980) wird trotz aller zynischen Berechnung ein Film bleiben, der zumindest in Diskursen über Zumutbarkeit, Zensur und Medienreflektion seinen Stellenwert hat und behauptet; Fulcis E TU VIVRAI NEL TERRORE – L`ALDILÀ (Dt: ÜBER DEM JENSEITS/1981) wird in der Filmhistorie für seine seltsam poetische, manchmal psychedelische Wirkung auch zukünftig Bestand haben; Hershell Gordon Lewis´ BLOOD FEAST (1963) und auch seine TWO THOUSAND MANIACS (1964) werden ihre Stellung als die frühesten Vertreter des Splatter- und Gore-Metiers als Subgenre des Horrorfilms behaupten. Man mag diese Filme verurteilen, man mag ihnen schlechten Geschmack, Zynismus, den Willen zum Ekel und Menschenverachtung vorwerfen – daß sie ihre Wirkung hatten und haben, wird man ihnen nicht absprechen können.

Ganz außen an dem besagten Katzentisch sitzt ein Mann, der unter Filmhistorikern und -wissenschaftlern einen ganz besonders schlechten Ruf genießt, dessen Filmen kaum jemand auch nur ein Gran Daseinsberechtigung zugestehen mag: Joe D´Amato. In seiner langen Karriere drehte D´Amato Italo-Western, Abenteuerfilme und vor allem sogenannte Sexploitation-Filme, darunter alle Teile der originalen BLACK EMANUELLE-Serie (ab 1976), bis auf das Original und den offiziellen zweiten Teil, die beide Bitto Albertini realisierte. Berühmt-berüchtigt machten D´Amato allerdings zwei dem Sub-Genre des Splatterfilms zuzurechnende Horrorfilme, die seit ihrem Erscheinen denkbar schlechte Reputation haben. BUIO OMEGA (1979) und ANTROPOPHAGUS (1980), die zu Deutsch die vielversprechenden Titel SADO – STOSS DAS TOR ZUR HÖLLE AUF sowie MAN-EATER – DER MENSCHENFRESSER tragen, schockierten die Öffentlichkeit und ihr Publikum mit Szenen bis dahin nicht gesehener Brutalität, lustvollen Schlachtereien, Exzessen des Ekels und in beiden Fällen spezifischen Gerüchten über Produktion und Effekte des Dargestellten, die es in sich hatten. Im Falle von ANTROPOPHAGUS war es die Darstellung eines aus dem Mutterleib gerissenen Fötus, der dann genüßlich vom titelgebenden Menschenfresser verspeist wird, der den Hype um den Film und seinen Ruf begründeten. Bei dem in Deutschland weniger bekannten, deshalb auch dementsprechend weniger berüchtigten BUIO OMEGA war es das Geraune, es handele sich in Teilen um einen Snuff-Film, also ein Werk, in dem echte Folterungen, echte Leichenfledderei oder gar echte Tötungen zu bestaunen seien. Da der Film schon kurz nach seiner Veröffentlichung in Deutschland auf dem Index landete, teils direkt aus den Kinos entfernt wurde, gab es kaum Gelegenheiten, ihn zu begutachten und er verlor sich ein wenig in den Weiten der hinter Vorhängen verborgenen Schmuddelecken der Videotheken – meist in bis zur Unkenntlichkeit gekürzten Fassungen. Um jedwede Spannung diesbezüglich gleich aus dem Text zu nehmen: BUIO OMEGA ist kein Snuff-Film. Er verfügt lediglich über – für einen Film seines Budgets und seiner Kategorie – manchmal erstaunlich gute Spezialeffekte. D´Amato, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, daß er seine Filme sehr genau darauf ausrichtete, was gerade Kasse zu machen versprach, könnten die Gerüchte allerdings erfreut haben, dienten sie doch einer gewissen düsteren Faszination, die in einschlägigen Kreisen ein hervorragendes Vermarktungsargument gewesen sein dürfte.

Hat der Film seinen Ruf verdient? Womit hat man es bei BUIO OMEGA eigentlich zu tun? Nun, in allererster Linie ist es ein typischer Vertreter der harten Welle italienischer Horrorfilme der späten 70er und frühen 80er Jahre. Und als solcher ist es ein Splatterfilm, wenn auch sicher keiner der allzu derben Art, auch wenn man das kaum glauben mag. Er enthält Szenen extremer Grausamkeit, das ist nicht zu leugnen, doch auf die Gesamtlänge von 94 Minuten gerechnet und vor allem gemessen an dem, was die Zombie-Filme jener Jahre boten, hält er sich erstaunlich zurück. Gemessen an dem, was bspw. Fulci seinem Publikum teils zumutete, verfügt BUIO OMEGA vor allem über eine vergleichsweise packende Story und vor allem hat sich D´Amato, was man ihm kaum zutrauen würde, große Mühe gegeben, dem Film einen guten Look und eine verführerische, manchmal geradezu träumerische Atmosphäre zu verpassen. Daß die Story gelungen ist, mag der Tatsache geschuldet sein, daß es sich bei BUIO OMEGA um die Neuverfilmung des Franco-Nero-Streifens IL TERZO OCCHIO (Dt.: DAS DRITTE AUGE/1966) handelt, D´Amato sich also dementsprechend nicht weiter um den Verlauf der Handlung kümmern musste. Doch sollte man nicht despektierlich werden – die Atmosphäre des Films musste D´Amato schon selber kreieren. Und das ist ihm erstaunlich gut gelungen.

Seinem Prinzip, vornehmlich schöne Menschen, meistens nackt, durch schöne Landschaften wandeln zu lassen, blieb der Regisseur auch hier treu. Der Hauptdarsteller Kieran Canter entspricht gemessen an seinem Können zwar nicht  unbedingt den Anforderungen an einen Schauspieler, der einen Film tragen muß, da er in nahezu jeder Szene zu sehen ist, dafür ist er aber gut anzuschauen. Gleiches gilt für Cinzia Monreale, die in der Doppelrolle der Anna und Elena Völkl auftritt, wobei sie als erstere vor allem nackt und tot herumzuliegen hat, als letztere nur wenige Minuten auf der Leinwand zu sehen ist und ihr darstellerisches Vermögen nicht allzu viel Schaden anrichten kann. Es steht zu befürchten, daß es auch eher ihr Aussehen war, das ihr später noch Rollen in dem Bud-Spencer-Vehikel PIEDORE D´EGITTO (Dt.: PLATTFUSS AM NIL/1980) und in Dario Argentos LA SINDROME DI STENDHAL (1996) einbrachte. Und auch die sich schlußendlich als böse Hexe entpuppende Haushälterin Iris wird mit Franca Stoppi von einer durchaus schönen Frau gespielt, die allerdings einen gewissen herben Charme versprüht. Auch die diversen Opfer des liebeskranken Frank entsprechen den damals gängigen  Schönheitsidealen. Daß die Damen, D´Amatos ureigenen Regeln folgend, viel nackte Haut zeigen mussten, versteht sich fast von selbst.

Die Außenaufnahmen des Films fanden in Brixen, im italienischen Teil Tirols, statt und geben dem Film durchaus Flair. Da Frank ein wohlhabender junger Mann ist, fand man hier mit Burg Ramolo/Ratzötz auch die nötige Location, um ihm ein angemessenes Heim zu geben. Malerisch ist die Gegend, und da der Film im Sommer gedreht wurde, kommt die Schönheit auch zum Ausdruck. D´Amato, der auch selber als Kamermann fungierte, nutzte den damals durch die Fotos und Softsexfilme eines David Hamilton beliebten Weichzeichner, der den Bildern etwas Träumerisches verleiht. Als habe jemand zart auf die Kamera gehaucht, werden die Konturen unscharf, verwaschen die Hintergründe, der Zuschauer fühlt sich in ein Märchenland, etwas Außerweltliches, versetzt. Das Zusammenspiel von schönen Menschen und einer wunderbaren Umgebung lässt den Film zunächst wie eine leichte französische Sommerromanze wirken – bis dieses Flair mit den extrem grausamen und ekelerregenden Szenen kontrastiert, die dem Zuschauer dann geboten werden.

Als Anne stirbt, kommt Frank nicht mit dem Einbruch der Realität in sein traumhaftes Leben klar, gräbt die Leiche nachts auf dem Friedhof aus und bringt sie in sein Schloß. Da er Tierpräparator ist, fällt es ihm nicht schwer, seiner Geliebten die gleiche Behandlung zukommen zu lassen, wie seinen sonstigen Objekten. So wird das Publikum Zeuge einer kompletten Präparation seiner Geliebten. Frank entnimmt Anne die Eingeweide, das Herz, in das er – immerhin hatten diese beiden ihre Herzen aneinander verloren – entsprechend herzhaft hineinbeißt, er saugt ihr das Hirn ab,  lässt sie ausbluten und entfernt ihre Augen, um sie dann so zu behandeln, daß sie von nun an als Tote das Bett mit ihm teilt. Das erinnert alles ein wenig an den amerikanischen Experimentalfilm THE ACT OF SEEING WITH ONE`S OWN EYES (1971) von Stan Brakhage, der ebenfalls – allerdings unter professionellen Bedingungen und als Dokumentation – eine komplette Autopsie beobachtet, dabei sehr nah an die Details herangeht und durchaus unangenehm auf ein Publikum wirken kann.

Unterbrochen wird Franks Zeremonie, der, hat man einen Sinn dafür, eine gewisse Ästhetik nicht abzusprechen ist, von einer jungen Tramperin, die Frank auf dem Rückweg vom Friedhof mitgenommen und betäubt hatte. Deren Darstellerin Lucia D´Elia ist dann auch die einzige in diesem Film, die nicht den gängigen Schönheitsvorstellungen entspricht, sondern eher derb wirkt. Da die junge Jan, wie die Tramperin heißt, Amerikanerin sein soll, kommt hier möglicherweise eine gewisse Geringschätzung des Regisseurs für das Heimatland dieses ersten Opfers des zusehends verrückteren Frank zum Ausdruck. Die üblichen Vorurteile des vornehmen Europäers gegenüber der Popkultur der einstigen Besatzer, die doch so überdeutliche Spuren in der italienischen Alltagskultur hinterlassen haben. Frank fällt über Jan her, reißt ihr mit einer Zange die Fingernägel einer Hand einzeln aus und erschlägt sie dann. Erstes Anzeichen, daß wir es wirklich mit einem Film von Joe D´Amato zu tun haben, denn motiviert ist dieser Sadismus nicht. Sicher – Franks Behandlung seiner geliebten Ehefrau gleicht einer sakralen Handlung, doch gelingt es Kieran Canter nicht, entsprechend Wut oder Zorn über diese ungebührliche Störung darzustellen, und so lässt sich das Gefühl nicht gänzlich leugnen, daß der Regisseur fand, es sei an der Zeit, dem Publikum etwas zu bieten – möglichst etwas Haarsträubendes. Und haarsträubend geht es dann gleich weiter: Iris hilft ihrem heimlich verehrten Arbeitgeber, den sie, nach eigener Aussage schon als Kind kannte und bemutterte, die tote Tramperin in Stücke zu hacken und in einem Säurebad aufzulösen.

Es gelingt D´Amato erstaunlich gut, die erlesenen Interieurs seines Films, ebenso, wie die ländliche Umgebung Tirols, mit den Fürchterlichkeiten kontrastieren zu lassen, die er seine Figuren begehen und ihnen widerfahren lässt. Genau dieser Kontrast macht die eigentümliche, krankhafte, aber ebenso schöne Atmosphäre und die seltsame Qualität des Films aus. Und er hat Qualität, so schwer es auch fällt, das zuzugeben. D´Amato spielt mit Motiven von Liebe und deren quälendem Verlust, ebenso mit Motiven der Nekrophilie, bedenkt man Franks Bissigkeit, auch mit solchen des Kannibalismus, er nimmt Anleihen bei Werken der klassischen Antike, beim Marquis de Sade, er evoziert den Frankenstein-Mythos, er verweist auf filmische Werke wie Hitchcocks PSYCHO (1960). Er changiert zwischen sommerlicher Unbekümmertheit, tief empfundener Trauer, zorniger Raserei und irrwitzigem Begehren. Der Kern des Werks ist der Tabubruch, in allerlei Varianten. Leichenfledderei, der „schöne Leichnam“[1] als ambivalente Haltung gegenüber dem Tod, das Bewahren, das Erhalten des Körpers, aber auch das Begehren des toten Körpers und die damit verbundene Herrschaft über das Objekt der Begierde. Frank ist tief verstört ob des Todes seiner Frau – doch je mehr Leichen er in der Badewanne zersetzt, je mehr tote und halbtote Frauen er im Ofen im Keller verbrennt, desto mehr spürt er auch, daß der tote Körper seiner Macht unterliegt, der lebende hingegen Willen und Wehrkraft besitzt. Ohne, daß D´Amato diesen Aspekt allzu deutlich in den Vordergrund stellt, schwingt Franks Wandlung vom Liebenden zum Nekrophilen doch deutlich in der Handlungsentwicklung mit.

Zwar beschläft Frank den toten Körper Annes nicht und als ihre offensichtliche Zwillingsschwester auftaucht, ist sein Begehren des lebenden Körpers auch umgehend wieder entfacht. Doch zumindest die Szene, in der er mit einem seiner Opfer direkt neben Annes balsamierter Leiche schläft und es offenbar darauf anlegt, daß diese entdeckt wird, kommt BUIO OMEGA echter Nekrophilie doch sehr nah. Den letzten Schritt aber – und man sollte sich nicht täuschen, Joe D´Amato hätte sich sicherlich nicht gescheut, auch diesen zu zeigen – kann oder will Frank nicht gehen. Der tote Körper bleibt also sakrosankt. Die Leiche wird bearbeitet, sie wird ausgenommen und entleert, doch dienen diese Handlungen der Täuschung, den Körper an sich – zumindest das Erscheinungsbild Annes – erhalten zu können. Natürlich ist auch dieses Verhalten Franks ambivalent, wenn nicht gar widersprüchlich, denn zunächst muß er den geliebten Körper zerstören, ihn öffnen, den Tabubruch begehen, das Körperinnere nach außen zu holen, um einen Zustand herzustellen, der in sich paradox, widernatürlich ist. Es mag genau dieses Paradox sein, daß ihn zum Mörder werden lässt, das ihn mehr und mehr die Beherrschung und Auslöschung des lebenden Körpers suchen lässt.

Neben solchen wirklichen Tabubrüchen, versucht sich D´Amato aber auch an einer ganzen Reihe von kritischen, teils sogar komischen Momenten. Iris, die, wie das Publikum weiß, für Annas Tod verantwortlich war – per Voodoo wurde Franks Frau mit einer schweren Krankheit vom Leben ins Jenseits befördert – ist eigentlich an sozialem Aufstieg und Einlaß in die bourgeoisen Kreise ihres Arbeitgebers interessiert, der seinerseits allerdings nur Erbe ist und eher als Schöngeist denn wahrer Vertreter höherer Klassen gezeichnet wird. Ein Snob ist er allerdings schon. Wenn Iris´ Verwandtschaft auftaucht, um die Verlobung einer der ihren mit einem Abkömmling sogenannter „besserer“ Schichten zu feiern, bedient D´Amato sich recht skrupellos bei Luis Buñuel und Marco Ferreri. Dennoch entbehrt die Szene nicht einer gewissen Komik, wenn Frank kurz auftaucht, einen Schluck trinkt und sich dann mit einer Verbeugung wieder verabschiedet, um in der Einsamkeit seines Schlafzimmers der toten Anna zu gedenken, mit der er durchgehend – und leider recht eintönig – Zwiesprache hält. Wieder und wieder beteuert er gegenüber dem leblosen Körper, daß er sie niemals allein ließe, immer für sie da sein werde und überhaupt nur ihr gehöre. Der Klassenkampf bricht vollends aus, wenn Elena auftaucht und Iris sofort bemerkt, daß Frank auch diesem Teil der Völkl-Zwillinge zu erliegen droht. Es entbehrt dann ebenfalls nicht einer gewissen Komik – auch wenn der Regisseur sich dessen nicht bewußt gewesen sein dürfte – daß Frank in der körperlichen Auseinandersetzung mit Iris die Oberhand behält, auch, weil er im Gegensatz zu ihr, die ihn sauber mit einem Küchenmesser zu filetieren gedenkt, mit unsauberen Methoden kämpft und ihr kurzerhand das halbe Gesicht wegbeißt, bevor er sie mit ihrer eigenen Waffe erdolcht. Die Bourgeoisie hat noch immer gewusst, wie man die dienenden Klassen zu unterwerfen hat, im Notfall, indem man sie eben auslöscht – auch diese Weisheit schleicht sich auf drastische Weise in D´Amatos Film.

Ist das zu viel der Interpretation? Natürlich ist es das. BUIO OMEGA soll erschrecken, schockieren und ekeln, das ist sein Anliegen. Doch ist es ein gutes Beispiel für die eingangs aufgestellte These, daß selbst einem ausgemachten Plagiator, einem Regisseur, dem alles recht ist, solange es kommerziell irgendwie Erfolg zu versprechen scheint, gelegentlich, möglicherweise sogar entgegen der eigenen Intention, etwas gelingen kann, das über sich selbst hinausweist, vielleicht sogar über sich hinauswächst. Das sollte nicht davon ablenken, daß der Film voller Logikfehler steckt, dramaturgisch enorme Schwächen aufweist und die Figuren derart klischeehaft sind, daß sie schon lächerlich wirken, wie Karikaturen ihrer selbst. Das Tempo ist gediegen bis langsam, die darstellerischen Leistungen sind wie erwähnt meist weniger als schwach, Motivation und Handlungsweise auch der Nebenfiguren – wie bspw. des Bestatters, der maßgeblich zur Aufklärung dessen beiträgt, was sich in dem alten Gemäuer zuträgt – sind kaum nachvollziehbar. Gerade diese Merkmale beweisen, daß es man es mit einem typischen Film von Joe D´Amato zu tun hat. Und doch entstehen aus den Schwächen meist auch die Stärken dieses Films. Das gediegene Tempo trägt zu der träumerischen Atmosphäre bei, die meist statische Kamera – die dann immer mal wieder mit wackeligen Aufnahmen der Handkamera konterkariert wird – sorgen für eine seltsam distanzierte Haltung als Zuschauer, die das ganze mit einem gewissen Abstand betrachten läßt, die Figuren sind in ihrer Holzschnittartigkeit eben auch Prototypen und Karikaturen in einem, was die Sache ebenfalls eher entrückt. Wirklicher Schrecken kommt so kaum auf. Dafür hat man als Betrachter – wenn man nicht gerade damit beschäftigt ist, bei den allzu derben Gore-Szenen den Ekel zu unterdrücken – viel Zeit, sich so seine Gedanken über den Film zu machen und die gewollten wie ungewollten, die auch unfreiwillig komischen Aspekte des ganzen Unternehmens zu beachten. Dabei entstehen dann Texte wie dieser.

BUIO OMEGA ist sicher keins der eingangs erwähnten „Meisterwerke“, wahrscheinlich muß man konstatieren, daß Joe D´Amato ein solches in seiner Karriere, anders als Fulci oder Deodato, dann eben doch nicht gelungen ist. Doch ist er gelungen genug, um den Regisseur zumindest für einen kurzen Moment vom Katzentisch wegzuholen und ihn für einige Augenblicke zumindest am Tisch mit den Künstlern aus der C-Riege sitzen zu lassen. Denn trotz aller Fehler, trotz aller Langatmigkeit, trotz aller ungewollt komischen Momente, ist es doch ein mitunter spannender, seine Funktion als harter Horrorfilm erfüllender Streifen geworden, der einiges an Atmosphäre zu bieten hat. Erst recht, wenn man ihn am sonstigen Oeuvre des Meisters misst. Da er bereits 1979 entstand, muß man ihm sogar eine gewisse Vorreiterrolle zugestehen, nimmt er doch deutlich voraus, was in den kommenden Jahren auf die Leinwände der Schmuddelkinos und ab Mitte der 80er Jahre in die Videotheken gespült werden sollte. Damals war er ein Gradmesser dafür, was man so aushalten konnte und die, die ihn sogar noch im Kino gesehen hatten, hielten die Eintrittskarte in Ehren, da diese ein Ausweis für wahre Kennerschaft war und bewies, daß man das richtige Näschen hatte. Sowas wächst sich raus und mittlerweile hat sie eher nostalgischen Wert. Die Kinokarte, versteht sich.

In postmodernen Zeiten und denen des CGI sind die Tricks besser, ist der Look raffinierter, sind die Stories hintergründiger und ironischer. D´Amatos Film ist von heiligem Ernst geprägt, was ihn umso anrührender macht. Er zeugt von einem Willen zum Schock, von einem Willen zur Überwältigung, der heute in diesem Maße kaum mehr zu finden ist, auch, weil heutzutage eine solche Geschichte kaum mehr in dieser Art erzählt werden könnte. BUIO OMEGA genießt einen gewissen Kultstatus, der aus einer Zeit stammt, wo dieses Verdikt eben noch etwas galt, da man einiges unternehmen musste, um einen solchen Film überhaupt zu Gesicht zu bekommen und zudem Kultstatus per Mund-zu-Mund-Propaganda über einen gewissen Zeitraum erarbeitet werden musste. Heute kann man alles auf Youtube sehen und wird der Kultstatus bereits von den Marketingabteilungen der Produktionsfirmen vorgefertigt mitgeliefert. Heutzutage ist die Produktion eines solchen Filmes – die Schwemme an Horrorfilmen, die das neue Jahrtausend mit sich gebracht hat, bezeugt es – aber auch sehr viel einfacher. Digitale Aufnahmeverfahren und die digitale Technik generell, machen es möglich, Effekte herzustellen, von denen Filmemacher vergleichbarer früherer  Werke nur träumen konnten. So zeugt BUIO OMEGA eben auch von einer mittlerweile lange vergangenen Zeit, als Filmemachen harte Arbeit war, Handarbeit. Zudem teuer. Man musste einfallsreich sein und sich überlegen, wie man Atmosphäre schuf, wie man Effekte auf die Leinwand brachte, wie man sein Publikum abholen konnte. Damals gab es keine Möglichkeiten, in der Post-Production ganze Städte um Darsteller herum aufleben zu lassen u.ä. Und allein dafür gebührt BUIO OMEGA eine gewisse Anerkennung, und sei es eben auch nur als historisches Zeugnis.

 

[1] Vgl. diesen und folgende Abschnitte: Shelton, Catherine: UNHEIMLICHE INSKRIPTIONEN. Eine Studie zu Körperbildern im postklassischen Horrorfilm. Bielefeld, 2008; S.271-350.

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