SASKATCHEWAN

Raoul Walsh zieht es nach Kanada

Der „Mounty“ Tom O´Rourke (Alan Ladd) und sein Freund Cajou (Jay Silverwheels) werden bei einem Ritt durch die Berge beschossen. Es stellt sich heraus, daß es die einzige Überlebende eines Indianerüberfalls auf einen kleinen Treck ist, die da geschossen hat. Tom und Cajou nehmen Grace Markey (Shelley Winters) mit ins Fort. Durch die Vorkommnisse wissen die „Mounties“ nun, daß offenbar Sioux-Indianer über die Grenze aus Montana nach Kanada strömen. Nach dem Sieg über General Custer am ‚Little Big Horn‘ fühlen sie sich stark.  Sie wollen die befriedeten Cree-Indianer, zu denen auch Cajou gehört, überreden, mit ihnen gemeinsam gegen die Weißen zu kämpfen. Der Chef der Mounties, Benton (Robert Douglas), hat die Cree vorsichtshalber entwaffnen lassen, er fordert nun O´Rourke auf, dasselbe mit Cajou zu tun. Dies führt zu einem Bruch zwischen den beiden, die sich als „Brüder“ betrachten. Im Fort taucht ein amerikanischer Marshal auf, Carl Smith (Hugh O´Brian), der einen Haftbefehl für Grace hat. Sie soll in Montana ihren Mann, Carls Bruder, erschossen haben. Benton befiehlt, das Fort zu räumen und auf direktem Weg in eine größere Garnison abzuziehen. Unterwegs kommt es zu einem Zwischenfall, bei dem Smith einen Indianer erschießt. Damit zieht er sich die Feindschaft von O´Rourke zu. Es kommt zu weiteren Zwischenfällen, bei denen einzelne Soldaten verletzt werden. O´Rourke beschließt, gegen Benton zu meutern und einen zwar weiteren aber dafür sicheren Weg einzuschlagen. Die Soldaten der Einheit folgen ihm, womit sowohl O´Rourke als auch alle andern dem Kriegsgericht unterstehen, sobald sie in der Garnison sind. O´Rourke gelingt es schließlich, den Trupp gegen allerhand Widerstände – unter anderem plädiert Smith dafür, einen Verletzten zurück zu lassen – sicher in die Garnison zu bringen. Dann bricht er auf, um sich mit den Cree zu beratschlagen. Während Benton ein Kommando zu den Sioux führt, mit denen er reden zu können glaubt. Doch natürlich tappt er in eine Falle. Erst als O´Rourke die Cree bewaffnet und sie zum Kampfplatz führt, wo sie an der Seite der Mounties gegen die Sioux kämpfen, wendet sich das Blatt. Es kommt zum Showdown zwischen O´Rourke und Smith und schließlich werden er und die Männer auch freigesprochen, als Benton erkennt, wie unrecht er, wie recht O´Rourke hatte.

SASKATCHEWAN (1954) ist ein seltsamer Zwitter von einem Western. Wundervolle Landschaftsaufnahmen der kanadischen Wildnis – der Film wurde vor Ort in Saskatchewan gedreht – kontrastieren mit einer widerlichen Ideologie, durchaus spannende Momente beißen sich mit einem Indianerbild, das man schon damals, als der Film entstand, für überholt halten konnte und da die Geschichte aus kanadischer Sicht erzählt wird, bekommt der Amerikaner gehörig sein Fett weg. Man fragt sich, was dieser Film eigentlich will, außer mit einem Abenteuer zu unterhalten?

Walsh selber, so wird er in Joe Hembus´ WESTERNLEXIKON zitiert, mochte weder die Story noch das Drehbuch, zudem hatte Ladd weiterführende Verpflichtungen, die das Team dazu zwangen, den Film schnell zu drehen. Davon merkt man wenig, man kann dem Film kaum Hektik oder auch nur technische Unsauberkeit vorwerfen. Schon eher sind es die ideologischen Implikationen, die einem zu denken geben. Wie schreibt Hembus? „Die widerliche Ideologie, zwei Indianerstämme aufeinander zu hetzen“. So ist es. Da werden schließlich die Cree-Indianer bewaffnet, um mit den Mounties gemeinsam gegen die Sioux zu kämpfen, die nach dem Sieg über Custer am ‚Little Big Horn‘ über die Grenze strömen, um Westkanada zu „befreien“. Und weil sich in einem ordentlichen Schul-Script die Makrogeschichte schließlich immer in der Mikrogeschichte spiegeln soll – Drehbuchschule, 1. Semester – kommen da nicht nur kriegerische „Rothäute“ über die Grenze, sondern auch gleich eine Frau auf der Flucht und ein sich als Marshal gebender Mörder. Im Grunde ist alles, was in diesem Film aus den U.S.A. kommt, verdorben. Wilde, Huren und Mörder, wenn man so will. Ein netter Eindruck, den der Film von Amerika hinterlässt. Walsh wird’s gemocht haben.

Walsh ist aber nun mal der Meister, der er ist, weshalb er es versteht, aus einem mageren Script, einem gehetzten Hauptdarsteller und leidlichen Drehbuchideen plus einer wirklich grandiosen Landschaft einen immerhin noch etwas über dem Durchschnitt anzusiedelnden Western zu basteln. Obwohl man ja eher von einem „Northern“ reden müsste. Mit das beste an der Produktion – neben dem Regisseur – dürfte Kameramann John F. Seitz gewesen sein. Der Mann hat in seiner endlos langen Karriere, die während der Stummfilmära bei Rex Ingram begann und sich bis in die 1960er Jahre hinzog, mit etlichen Größen Hollywoods gearbeitet, er wusste also, trotz seiner recht geringen Erfahrung mit Western, genau, was zu tun war, um die magere Story mit erlesenen Bildern aufzupeppen. Walsh ließ ihn machen und so entstanden einige der wundervollsten Aufnahmen des Westens, die im Western der 50er Jahre zu bewundern sind. Majestätisch erheben sich in fast jedem Bild die Ranges der Rocky Mountains im Hintergrund, die schneebedeckten Kappen gleißen unter einem azurblauen Himmel, das üppige Grün der bewaldeten Berghänge und das grau-bräunliche Unterholz bieten einen perfekten Hintergrund für das kleine Drama, das sich zwischen Alan Ladd, Shelley Winters und Hugh O´Brian abspielt. Und natürlich zu aller Zufriedenheit so endet, daß sich Hauptdarsteller und Hauptdarstellerin am Ende in den Armen liegen können.

Und ebenso, wie dies sicher ist, ist es eben auch sicher, daß die „guten“ Indianer, eben jene, die sich brav unter die paternalistische Fuchtel der ‚Royal Canadian Mounted Police‘ – kurz der „Mounties“ – begeben, über die „bösen“ Indianer, also die kriegerischen Sioux, siegen werden. Daß sie einer kleinen Verwirrung unterliegen und ernsthaft für ein paar Momente glauben, sie sollten sich dem Freiheitskampf der anderen anschließen – geschenkt. Wer einen netten Aufpasser hat, wie Alan Ladd, der uns in den ersten Szenen des Films ja auch in inniger Freundschaft mit seinem „Bruder“ Cajou gezeigt wird, der muß nicht für die Freiheit kämpfen. Der ist froh, außerhalb der Palisaden des Forts in seinem Tipi hocken zu können und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Sicher, wir schreiben das Jahr 1954, aber immerhin hatte Delmer Daves bereits 1950 mit BROKEN ARROW (1950) einen Film vorgelegt, der sehr viel differenzierter und genauer mit dem Thema umzugehen verstand. Ein Jahr später drehte Robert D. Webb mit WHITE FEATHER (1955) einen weiteren Meilenstein des sogenannten „Indianerwesterns“, 1956 drehte John Ford mit THE SEARCHERS (1956) zumindest einen sehr doppeldeutigen Film hinsichtlich des Blicks der Weißen auf die Ureinwohner Amerikas. Es wird deutlich, daß ein Western, der ein derart vorgestriges Bild der Indianer zeichnet, wie es SASKATCHEWAN tut, auch heillos vorgestrig wirkt.

Ungewollt stellt Walsh natürlich zwei Dinge zur Schau, die für amerikanische Western und vor allem Kriegsfilme recht typisch werden sollten: Er zeigt die amerikanische Methode des „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ – und wird darob bewaffnet. Genau das tun die Mounties schließlich mit den Cree. Erinnert fatal an die Strategien, die die CIA in Vietnam, in Afghanistan, im Irak und an anderen Stellen weltweit immer wieder genutzt hat: Andere für sich kämpfen lassen. Zudem wird hier – eine Methode, die der U.S.-Kriegsfilm der 1980er Jahre vor allem nutzte, um sich die Historie hinsichtlich des Vietnam-Kriegs zu schönen – die Schlacht am ‚Little Big Horn‘ noch einmal geschlagen, und natürlich gewonnen. Fast achtzig Jahre nach den Ereignissen scheint der Stachel, einem im Grunde weit unterlegenen Feind unterlegen gewesen zu sein, immer noch tief zu sitzen. Custers letzte Schlacht bleibt im kollektiven Gedächtnis des weißen, protestantischen Amerika ein Schandfleck. Tausendfach wurde das Geschehen von 1876 filmisch beschworen, hier wird es das erneut und zwar auf besonders perfide Weise. Sicher, Walsh hat beides – Bewaffnung und Kompensation – sicherlich nicht absichtlich gezeigt, wie er es gezeigt hat, doch drückt sich in seinen Bildern, die die Indianer schließlich auch noch als feige zeigen, genau diese Haltung aus.

Der eigentliche Twist aber ist die Tatsache, daß all dies eben nicht die Amerikaner tun, sondern die Kanadier. Die Amerikaner in SASKATCHEWAN sind einfach nur noch Wesen der Halbwelt. Ein wenig hat man den Eindruck, die Kanadier hier betrachten die Amerikaner wie Eindringlinge, die alles Schlechte der Welt ins Land schleppen. Diese Haltung trägt noch zu den seltsamen Wirrungen des Films bei. Kanandier, die sich wie Amerikaner verhalten, Amerikaner, die von vornherein nur noch als Verbrecher und Haltlose gezeigt werden – ungewollt verbreitet der Film ein ausgesprochen düsteres Menschenbild unter diesen wunderbar weiten Himmeln der Rockies.

So ist SASKATCHEWAN eher als soziologisches Stück amerikanischer Geisteshaltung interessant, denn als Spannungsfilm. Dennoch wird der Liebhaber des Genres auf seine Kosten kommen, denn es sind eben die erwähnten Meister am Werk und mit seiner Länge von gerade mal 85 Minuten ist der Film auch kein Gran zu lang. Eng gebündelt, stringent und so spannend, wie es eben geht, bietet er mit seinen grandiosen Panoramabildern zumindest Kurzweil, solange man bereit ist, über die haarsträubenden Implikationen hinwegzusehen. Sicherlich nicht Walshs bester Film, beweist SASKATCHEWAN aber, was die großen Meister auch aus schwachen Stoffen noch zu machen in der Lage sind.

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