SOUTHBOUND

Brillanter Episodenhorror

THE WAY OUT

Zwei Männer, Mitch (Chad Villella) und Jack (Matt Bettinelli-Olpin), rasen in einem Pick-Up einen Highway entlang durch die Einöde. Sie werden von seltsamen, über der Prärie schwebenden, undefinierbaren Wesen verfolgt. Sie gelangen in einen kleinen Ort, halten an der Tankstelle, gehen in den anschließenden Diner, wo Jack das Mädchen an der Kasse zu erkennen scheint. Sobald die beiden sich etwas frisch gemacht haben, setzen sie sich erneut in den Wagen, rasen weiter, nur um umgehend wieder – aus der anderen Richtung kommend – an der gleichen Stelle zu halten. Nachdem sie dies mehrmals durchgemacht haben, rennt Jack aus dem Wagen und den Highway entlang, wo er schließlich von einer der Kreaturen, die ihnen gefolgt sind, gestellt und getötet wird. Mitch, in dem Glauben, für das, was er und Jack getan haben, eine Strafe zu verdienen, folgt den Kreaturen in ein Motel, das sich, kaum betreten, als Mitchs eigenes Haus entpuppt, wo seine Tochter permanent um Hilfe schreit und immer an dem Ende des Gangs auftaucht, an dem Mitch gerade nicht ist. Er verfällt der vollkommenen Verzweiflung, als er das grauenerregende Schreien der Tochter hört und weiß, er wird ihr niemals helfen können…und die Kreaturen schauen zu…

 

SIRENS

Aus dem gleichen Motel checken morgens Sadie (Fabienne Therese), Ava (Hannah Marks) und Kim (Nathalie Love) aus. Sie bilden eine Jazzband, die einige Zeit zuvor ein viertes Mitglied, Alex, verloren hat. Wieder unterwegs, platzt der Reifen des Busses, mit dem sie reisen. Sie haben keinen Ersatzreifen dabei und müssen auf Hilfe warten. Schließlich, nach Stunden, nimmt ein freundliches Ehepaar (Susan Burke; Davy Johnson) sie mit. Sie sollen bei den beiden übernachten, tags drauf ein Nachbar mit einem Ersatzreifen aushelfen. Sadie hört, wie die Gattin Alex erwähnt, von der aber niemand zuvor gesprochen hatte. Das Paar lädt für den Abend Freunde, die Kensingtons (Anessa Ramsey; Dana Gould) mit ihren Zwillingssöhnen ein. Zum Essen gibt es eine seltsame fleischliche Substanz, die Sadie zu essen sich weigert, zumal sie Vegetarierin ist. Ava und Kim essen, was ihnen vorgesetzt wird. Nach dem Essen kommt es zu Streit zwischen den dreien, da Sadie meint, sie sollten lieber abhauen, die anderen sie undankbar finden. Zudem werfen ihr Kim und Ava nun vor, sie sei an Alex´ Tod schuld, habe sie in der „bestimmten“ Nacht doch nicht auf diese aufgepasst. Plötzlich beginnen Ava und Kim, eine dickflüssige schwarze Substanz zu erbrechen. Als Sadie Hilfe holen will, verabreicht der Hausherr den beiden eine Medizin, wobei er mehrmals darauf hinweist, daß dies „normal“ sei. Sadie weigert sich, von dem Zeug zu trinken. Kim und Ava verfallen einer Trance und schlafen ein. Nachts erwacht Sadie von einem Albtraum. Sie findet die Betten ihrer Freundinnen leer und schleicht sich aus dem Haus. Schließlich wird sie Zeugin, wie das Ehepaar und seine Freunde ein satanistisches Ritual veranstalten. Als sie fliehen will, wird sie entdeckt, kann sich aber verstecken. In ihrem Versteck erscheint ihr eine aggressive Vision von Alex, Sadie flieht erneut, rennt auf die Straße und wird überfahren…und die Kreaturen schauen zu…

 

THE ACCIDENT

Lukas (Mather Zickel) spricht über ein Headset mit seiner Frau, während er des Nachts einen Highway entlangfährt. Plötzlich taucht aus dem Nichts eine junge Frau auf, die er überfährt. Wir erkennen Sadie, die vollkommen verquer und entstellt auf der Straße liegt und offenbar stirbt. Lucas ruft den Notdienst, muß aber gestehen, seine genaue Position nicht zu kennen, sein GPS könne ihn nicht orten. Die Dame in der Notrufzentrale holt eine Notärztin ans Telefon, die Lucas Anweisungen gibt, was zu tun sei. Er schleppt Sadie in sein Auto und rast auf eine nah gelegene Stadt zu, die sich, als er sie erreicht, als menschenleer entpuppt. Auch im Krankenhaus wirkt es so, als seien eben noch Menschen da gewesen, doch trifft Lucas erneut niemanden an. Er legt Sadie auf eine Trage, wobei ihr vollkommen verdrehtes und malträtiertes Bein abbricht. Die Ärztin fordert ihn auf, unter ihrer Anweisung das Opfer zu intubieren, als Sadie zu krampfen beginnt, meldet sich eine weitere Stimme und teilt Lucas mit, daß er Chirurg sei und ihm nun helfen würde, Sadies kollabierte Lunge aufzublähen. Lucas schneidet Sadie auf und versucht, ihre Lunge wieder auszufüllen, dabei stirbt das Mädchen endgültig. In seinem Headset beginnen die Stimmen wie irre zu kreischen und hysterisch zu lachen. Lucas will aus dem Hospital fliehen, doch findet er alle Ausgänge verschlossen. Er droht zu verzweifeln, als das Telefon schellt und sich die Stimmen erneut melden. Lucas solle in die Umkleide gehen, er habe das alles nicht verdient. So findet er seine Klamotten einmal komplett neu vor, ebenso steht sein Wagen neu und unbeschadet vor dem Krankenhaus. Lucas steigt ein und fährt davon, als sei nichts passiert…und die Kreaturen schauen zu…

 

JAILBREAKER

Eine Frau hängt den Hörer eines öffentlichen Telefons ein, aus dem wir noch kurz Lucas letzte Worte hören. Sie blickt ihm nach und lächelt, dann geht sie zurück in eine Bar. Dort entwickeln sich diverse mehr oder weniger nichtssagende Gespräche zwischen der Frau und anderen Gästen, als Danny (David Yow) die Bar mit einem Schrotgewehr bewaffnet stürmt. Er fordert die Gäste auf, ihm den Aufenthaltsort seiner Schwester zu nennen. Warren (Tyler Tuione), der sich als Dämon entpuppt, greift Danny an; der schießt ihm die Klauenhand weg und zwingt Al (Matt Peters), den Barmann, ihn zu seiner Schwester zu bringen. Unterwegs versucht Al, Danny davon zu überzeugen, daß der einen großen Fehler mache und sehr enttäuscht sein werde. Als sie schließlich in dem Geheimraum eines Eiscafés eintreffen, wo Jesse (Tipper Newton), Dannys Schwester, als Tätowiererin arbeitet, muß Danny feststellen, daß Al recht hatte: Jesse fragt zunächst, was Danny hier wolle, als der sagt, er sei gekommen, sie zu retten, nachdem er zwölf lange Jahre nach ihr gesucht habe, lehnt sie die Rettung rundweg ab, sie sei freiwillig hier. Danny tötet Al und entführt Jesse. Er schießt sich den Weg zum Wagen gegen eine ganze Riege weiterer Dämonen frei und rast dann mit Jesse auf dem Beifahrersitz in die nächtliche Wüste hinaus. Jesse teilt ihm mit, daß sie „damals“ die Eltern getötet habe und gern da sei, wo sie sei. Er solle aufhören, nach ihr zu fahnden und sie nun gehen lassen. Danny hört nicht auf sie. Im Rückspiegel verfolgt ihn die Meute der Dämonen. Dann ist die Straße zuende und als einzige Möglichkeit bleibt die pure, leere Wüste. Jesse warnt Danny eindringlich, dort hinaus zu fahren, doch er gibt Gas. Der Wagen vefällt einem massiven Vibrieren, bis Danny anhält. Die Dämonen zerren ihn aus dem Wagen und in die Nacht hinaus. Jesse lächelt, dreht das Radio auf und fährt zurück in die Stadt…und die Kreaturen schauen zu…

 

THE WAY IN

Jem (Hassie Harrison) kommt aus der Toilette eines Eiscafés und begegnet Jesse, die durch eine Geheimtür verschwindet, durch die auch Danny auf der Suche nach seiner Schwester ging. Jem geht zurück an den Tisch ihrer Eltern Cait (Kate Beahan) und Daryl (Gerald Downey). Es ist ihr letztes gemeinsames Wochenende, bevor Jem aufs College gehen wird. Sie verlassen das Lokal und werden, als sie in ihren Wagen steigen, beobachtet. In ihrem Urlaubshaus wollen sie gerade das Abendbrot zubereiten, als plötzlich drei maskierte Männer eindringen. Cait und Daryl werden gefesselt, Jem kann sich verstecken. Als sich einer der Männer zu Daryl hinab beugt, scheint der ihn zu erkennen und fleht die Männer an, seine Familie zu verschonen. Einer der Männer wispert Cait ins Ohr, was ihr Mann getan hat und wir sehen an ihrer Reaktion, daß diese Kenntnis sie entfremdet. Der Mann dreht sich zu Daryl und tötet Cait mit den Worten: „Auge für Auge“. Jem greift die Männer an, die sie zwar überwältigen, sie dann aber auffordern, abzuhauen. Sie flieht, muß aber gegenwärtigen, daß ihr Vater getötet wird. Einer der Männer hält dem sterbenden Daryl ein Foto vor die Nase: Ein Kind ist darauf zu sehen, ein Kind, welches wir als Mitchs Tochter aus der ersten Episode erkennen. Das gleiche Bild hatte Mitch betrachtet, während er nach und nach dem Wahn verfiel. Als Daryl schließlich tot ist, nehmen die Männer die Masken ab und wir erkennen Mitch und Jack, sowie einen dritten, uns unbekannten Mann namens Shane. Jem greift die Männer erneut an und kann sie schwer verletzen; Mitch tötet Jem, dies jedoch eher aus Versehen denn mit voller Absicht. Alle drei Männer erschrecken, wissen sie doch, daß sie zu weit gegangen sind. Sie gehen auf die Straße, wo die Erde aufbricht und tentakelbewehrte Wesen nach ihnen greifen. Aus den Leichen der Getöteten brechen eben jene Kreaturen hervor, die den Film hindurch die Geschehnisse zumindest beobachtet, durchaus auch beeinflusst haben. Während Mitch und Jack es zu ihrem Pick-up schaffen, wird Shane von einem der Tentakelwesen in die Abgründe und Schlünde der Hölle gezogen. Die beiden anderen rasen davon, in ihrem Pick-Up, einen Highway entlang, durch die Einöde…verfolgt von seltsamen, über der Prärie schwebenden, undefinierbaren Wesen…

Im lesenswerten Begleittext des Mediabooks, in welchem der Film in Deutschland erschien, ist zu lesen, daß man es bei SOUTHBOUND (2015) mit einem Zustand zu tun habe, den der Film für den Süden der USA – genauer: Texas und den Südwesten – postuliere. Definitiv ist dieser Analyse zuzustimmen. SOUTHBOUND lehrt den Interessierten sehr viel darüber, wie ein Horrorfilm – klassisch – funktioniert, zugleich funktioniert er aber auch schlicht als Horrorfilm. So seien vorab all jene beruhigt, die den Film – immerhin ein Episodenfilm, der sich mit Kultgrößen wie Romeros CREEPSHOW (1982) messen muß – eher skeptisch beäugen: Dies ist ein hervorragender Horrorstreifen, dem nicht nur eine bedrückende, beklemmende, beängstigende Atmosphäre zu eigen ist, der nicht nur weiß, wie man Schocks setzt und Splatter und Gore zu präsentieren versteht, dabei eine zeitgemäße, durchaus gesunde Härte besitzt, sondern in der Mischung dieser Elemente plus einem gekonnten Drehbuch, den richtigen Twists und dank einiger durchaus ansprechender Schauspielerleistungen wirklich zu verstören, ja zu gruseln versteht.

Grundlegend basiert der Film auf der Arbeit des Regiekollektivs ‚Radio Silence‘, das für zwei der insgesamt fünf Episoden – THE WAY OUT und THE WAY IN, die jeweils am Anfang und am Ende dieses Reigens aus, wie der New-York-Times-Kritiker Neil Genzlinger schrieb, „Fragmenten“ stehen – verantwortlich zeichnet. Mit diesen beiden Episoden erfüllt der Film, der sich zwar durchaus übernatürlicher Elemente bedient, dabei aber eher surreal anmutet, einen Kreis, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Das beginnt mit der Schleife, in der die beiden Protagonisten in THE WAY OUT wieder und wieder vor demselben Diner anlangen, in dem sie die immer gleichen Gäste das Immergleiche essend antreffen, es äußert sich in den Übergängen einer Geschichte zur anderen, die manchmal willkürlich erscheinen, die aber immer die Erwartungshaltung des Zuschauers unterlaufen und manches – vor allem am Übergang der Geschichten THE ACCIDENT/JAILBREAKER – noch im Nachhinein für einen schrecklichen Schauer sorgen, wenn der Zuschauer begreift, wie sinnlos all die Versuche waren, die der Mann unternommen hat, um die junge Frau, die er soeben überfahren und deren Körper er nahezu komplett zerstört hatte, zu retten. Es sind Momente wie dieser, die dem Film dann doch eine tiefere Bedeutung geben, indem sie uns zeigen, daß hinter all dem Gezeigten möglicherweise eine noch viel größere und weitreichendere Wahrheit sich versteckt. Höllenkreise.

Es ist diese Strategie des Nichtsagens und Nichtzeigens, die Genzlinger von „Fragmenten“ und „Segmenten“, statt von abgerundeten Geschichten/Stories sprechen ließ. Die Regisseure der einzelnen Segmente – neben ‚Radio Silence‘ sind dies Roxanne Benjamin für  SIRENS, David Bruckner für THE ACCIDENT und Patrick Horvath für JAILBREAKER – scheuen sich nicht, wesentliche Fragen einfach unbeantwortet zu lassen, den Zuschauer immer wieder vor den Kopf zu stoßen, wenn sie ihn entlassen, ohne daß es Aufklärung oder auch nur eine gangbare Interpretationsmöglichkeit des Gesehenen gibt. Ebenso gelingt es – was ihnen allerdings auch kritisch vorgeworfen wurde – die Übergänge der einzelnen Geschichten so zu gestalten, daß der Film bruchlos wirkt, aus einem Guss, wie komponiert. Und das ist er auch. Daß dabei möglicherweise die „Handschrift“ der einzelnen Künstler auf der Strecke bleibt, sollte man eher honorieren, denn kritisieren, stellen sie ihr Können doch offensichtlich vollkommen in den Dienst des Werkes. Es ist diese offene Struktur, die auf einer Metaebene zugleich ein geschlossenes System offenbart, die den Film tiefgreifender wirken lässt, als viele seiner Genreverwandten jüngeren Datums. Wo Filme wie SAW (2003) oder HOSTEL (2005) bestenfalls als Reflektion auf ihren direkten Zeitgeist, in diesem Falle den des entfesselten Kapitalismus, gelesen werden können, hat SOUTHBOUND doch deutlich mehr eigenes mitzuteilen. Diese Episoden sind nicht willkürlich aneinander gereiht und lauscht man dem im Original von Horror-Wizard Larry Fessenden gesprochenen Stimme aus dem Radio, das immer, in allen Geschichten läuft, begreift man durchaus, daß es aus dieser Einöde, von diesem „Highway to Hell“, kein Entkommen mehr geben kann. Im Grunde ist alles klar erklärt, wenn man dieser diabolischen Stimme folgt.

Peter Straub schreibt in seinem Roman IF YOU COULD SEE ME NOW sinngemäß, daß die Weite des Mittleren Westens so enorm sei, daß gerade hier der Firnis der Gegenwart extrem gedehnt und durchlässig würde, so daß nirgendwo sonst Vergangenheit und Gegenwart und womöglich auch die Zukunft fast deckungsgleich und sich damit durchdringen würden. Die Autoren von SOUTHBOUND nehmen sich dies zu Herzen. Wenn schließlich Mitch und Jack, die Protagonisten der ersten Episode THE WAY OUT , in der letzten THE WAY IN von den mysteriösen Wesen, die sich ihren Weg durch den Asphalt der Highways bahnen, angegriffen und beinahe verschlungen werden, bleibt wenig Zweifel daran, daß wir es hier mit einer Texasversion der Hölle, mindestens aber des Purgatoriums zu tun haben. Die Zeit- und Raumschleifen, die der Film zuvor beschreibt, die Sinnlosigkeit, die wir hinter einigen Aktionen begreifen, die surreale Atmosphäre einer nahezu von Menschen entleerten Welt, verdichten sich so rückblickend zu Hinwiesen auf genau das Szenario, das am Ende offen zutage tritt. Und plötzlich möchte man als Zuschauer lieber gar nicht so genau wissen, was hinter all den offenen und losen Enden noch an Erklärung zu finden ist, denn vielleicht sind es ja genau die Erklärungen, die uns verloren machen. Für immer.

Der Süden – womit meist die Südstaaten östlich des Mississippi gemeint sind – hat seine ganz eigene Mythologie des Schreckens. Ob Mark Twain, Ambrose Bierce oder auch William Faulkner: Sie alle wussten auf die eine oder andere Art davon zu berichten. Hier haben Menschen Schuld – die Schuld der Sklaverei – auf sich geladen und sie wurden dafür bestraft und die Strafe dauert an. Es ist nicht von ungefähr, daß die amerikanische Populärkultur dort, in den Weiten der Prärien oder aber den Sümpfen des Südens, immer wieder angesetzt hat, um den schlammigen Grund der amerikanischen Seele zu erforschen. Menschen, die umgeben von Hitze, Feuchtigkeit und der historischen Blutschuld leben, saugen eben dies auf, sie sind zerfressen vom Bösen, das hier gedeiht. Inzucht, Satanismus, Voodoo – im giftigen Klima der südlichen Sümpfe entstand schon immer ein Gebräu, das zu kosten noch niemandem bekommen ist.

Stilistisch gemahnt das an die Horrorfilme der 80er Jahre, vor allem die Musik wirkt wie ein Abfallprodukt aus der Soundwerkstatt von John Carpenter, der die eindringlichen Soundtracks zu HALLOWEEN (1978), THE FOG (1980) u.a. selber schrieb und meist auch mit geringfügiger Unterstützung selber am Synthesizer einspielte. Auch die Kameraarbeit gemahnt eher an die Slasher- und Backwoodmovies der 70er und 80er Jahre, als an die Schnitt- und Montagegewitter, die modernere Vertreter des Genres gern bieten. Hier bewegt sich die Kamera noch selber, und vor der Kamera agieren Schauspieler, nicht Stand-Ins. Die Plots der einzelnen Geschichten könnten relativ problemlos aus Stephen-King-Geschichten der mittleren Phase stammen und an mehreren Stellen verweist der Film ganz offen auf Vorgänger und Vorbilder von THE LAST HOUSE ON THE LEFT (1972), über THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE (1974) bis hin zu solchen eher unbekannten Perlen wie NEAR DARK (1987), Kathryn Bigelows viel gelobtem Beitrag zur filmischen Mythologie des Vampirs. Ein Film übrigens, der sich eines ähnlichen Settings – der Südwesten und die immensen Weiten der Wüste und Prärien – bedient. Wie seine Vorgänger aus den 80ern, bedient sich auch SOUTHBOUND in den entscheidenden Momenten – Splatter-, Gore- und Ekelmomenten – handgemachter und nur gelegentlicher CGI-Effekte. Man kann darüber streiten, doch werden wohl die meisten Aficionados zustimmen, daß CGI selbst bei allergrößter Mühe erkennbar bleibt. Kein CGI-Effekt kann so blutig und dreckig wirken, wie ein mit Schweineblut und echtem Fleisch hergestellter Ekelmoment. Man kann ewig über die Vor- und Nachteile diskutieren, es wird immer Verfechter dieser wie jener Meinung geben, doch wirken die meisten Effekte definitiv eher dann, wenn das, was wir sehen, auch wirklich passiert.

Zu all diesen Vorteilen gesellt sich eine Eigenschaft, die die besseren Horrorfilme immer schon ausgezeichnet hat und die in den vergangenen 20 Jahren, seit Peter Jacksons BRAINDEAD (1992), oft mißverstanden und überstrapaziert wurde: Der Humor. Nach Jacksons Splatterhommage, die zwar durchaus parodistische Züge aufwies, dabei aber die Genrekonventionen gekonnt durchdeklinierte, überschlugen sich die Versuche, Splatter und Terror als Parodie oder sarkastisch verfremdet darzubieten. Einige dieser Versuche sind gelungen, andere weniger. Was ihnen allen zueigen ist, ist die Überbetonung des Komischen zu Ungunsten des Horrors. Dabei vergaßen einige der Macher, daß Horrorfilme immer schon ein gerüttelt Maß an Komik mitbringen. Schon Tod Brownings DRACULA (1931) antwortet auf Renfields Frage, ob er ihm nicht Gesellschaft leisten wolle: „I´ll never drink…wine“. Roman Polanski spielt die Klaviatur des schrecklich komischen Bösen gekonnt in THE FEARLESS VAMPIRE KILLERS (1967), Tobe Hoopers THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE kann man auch als kranke Komödie lesen, wenn man so will, und Wes Cravens Kreatur Freddy Krueger, Serienkiller aus dem Unterbewusstsein in der NIGHTMARE ON ELM STREET-Reihe (1984ff.) ist im Grunde ein Clown. Ein für sein Publikum potentiell tödlicher Clown, der uns jedoch prächtig zu unterhalten weiß. All diese Werke (vielleicht Polanskis Film noch am wenigsten) haben aber ganz klar den Anspruch, ernst zu nehmende Horrorfilme zu sein. Sie alle haben verstanden, daß Schrecken und Lachen sehr nahe Verwandte sind. SOUTHBOUND gelingen Momente, namentlich in der Episode THE ACCIDENT, die von solch schreiender Komik sind und doch nur hysterisch das Grauen zu kaschieren suchen, das sie erzeugen – und es letztlich verstärken. Die Regisseure haben sehr genau verstanden, daß ein Film wie dieser im Grunde nur funktionieren kann, wenn man an den richtigen Stellen die richtigen Lacher einbaut.

Superlative und Höchstbelobigungen sind immer schwierig, weil sie Filme überfrachten und ihnen zu viel aufladen, was sie möglicherweise eben dann doch nicht halten können. Ohne also zu hohe Erwartungshaltungen schüren zu wollen, kann man dennoch getrost sagen, daß dieser Film zum Besten gehört, was der (post)moderne Horrorfilm heute zu bieten hat. SOUTHBOUND verspricht viel und hält mehr. Eine seltene Eigenschaft bei denn meisten Filmen.

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