STRASSEN DER NACHT/HUSTLE

Der späte Robert Aldrich liefert eine Meta-Auseinandersetzung mit dem Genrefilm

Ein totes Mädchen wird am Strand angespült, die beiden Detectives Gaines (Burt Reynolds) und Belgrave (Paul Winfield) können den Eltern nur mitteilen, daß es sich um Selbstmord handelt.

Der Vater der jungen Frau, Marty Hollinger (Ben Johnson), will diese Tatsache nicht akzeptieren und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Gaines und Belgrave sind einerseits genervt, verstehen andererseits aber die Wut und den Schmerz, die sich in dem Mann angestaut haben. So ermitteln auch sie unter der Hand weiter.

Dabei stoßen sie auf immer weitere Kreise, die der Fall ziehen könnte, ist doch unter anderem der Staranwalt Leo Sellers (Eddie Albert) verstrickt. Der ist zugleich jedoch Kunde bei Nicole (Catherine Deneuve), Gaines selbstbewusste Freundin, die als Luxus-Callgirl arbeitet. Gaines, der seine Frau und seinen Sohn verließ, nachdem er die Gattin mit einem anderen im Bett erwischt hatte, stört Nicoles Profession zunehmend.

Sellers beruft sich nun als Alibi auf ein Stelldichein eben mit Nicole. Allerdings hat er just in dieser Zeit auch den Befehl zur Ermordung von drei Gewerkschaftsfunktionären gegeben, was die Untersuchung auch für ihn gefährlich macht, da sie seine Geschäfte zu stören droht.

Die Detectives erfahren schließlich, daß die Tote, wie auch ihre ehemalige Mitbewohnerin, in Sexfilmen aufgetreten ist. Leider hat auch Marty dies mittlerweile herausbekommen, indem er die Mitbewohnerin seiner Tochter mit Gewalt unter Druck gesetzt hat.

Im Haus von Sellers kommt es so schließlich zur finalen Auseinandersetzung, die der Anwalt nicht überlebt. Gaines läßt es aber im Nachhinein so aussehen, als sei alles ein Unfall gewesen. So kann er Marty vor dem Gefängnis bewahren. Als Belgrave ihn fragt, warum er dies tue, antwortet Gaines, daß einmal die Gerechtigkeit siegen solle und auch die zu ihrem Recht kämen, die sonst immer verlieren.

Anschließend ruft er Nicole an, mit der er sich zwischenzeitlich ob ihres Jobs verkracht hatte, und bittet sie, ihn am Flughafen zu treffen. Er will sich seinen Traum erfüllen und mit ihr nach Rom fliegen. Unterwegs zum Flughafen wird er bei einem Überfall in einen Schußwechsel verwickelt und stirbt.

Regie-Meister Robert Aldrich, Actionstar Burt Reynolds und die französische Kinoikone Catherine Deneuve sind die Stars in HUSTLE (1975), einem Thriller, der mit Elementen des ‚Film Noir‘ spielt – das sollte eine spannende Mischung sein! Und so läßt sich diese Geschichte um den harten Polizisten des LAPD, Phil Gaines (Burt Reynolds), seine Freundin, das Luxuscallgirl Nicole Britton (Catherine Deneuve) und seinen Partner Louis Belgrave (Paul Winfield) auch an.

Auf dem Papier wirkt das alles wie ein herkömmlicher und eher durchschnittlicher Thriller. Und nimmt man die reinen Handlungselemente, dann ist es auch genau das: Ein durchschnittlicher Thriller, bei dem selten Spannung aufkommt und die eigentlichen Fragen danach, wer der Mörder ist und wer in der Verantwortung steht im Grunde nicht einmal beantwortet werden. Am Ende wird man sich, wie der Vater des Opfers, wohl  damit abfinden müssen, daß der vermeintliche Täter zwar moralisch verantwortlich war, die junge Frau sich aber offenbar selbst das Leben genommen hat. Nein, dies ist kein guter Spannungsfilm. Allerdings will er das auch nicht sein. Aldrich, einer jener Regisseure aus der „Übergangszeit“ der späten 50er und frühen 60er Jahre – also nicht mehr klassisches Studiohollywood, allerdings auch kein Vertreter des sogenannten ‚New Hollywood‘, sondern eher einer jener Filmemacher, die verschiedene Genres durchaus mit neuen Perspektiven und anderen Handlungsverläufen zu befruchten wussten – legt es hier eher auf die Dekonstruktion eines Genres an, welches ihm einige Erfolge beschert hatte.

Die Spannung des Films liegt eben nicht in seinem „Fall“, sondern darin, wie die Protagonisten auf den Fall und aufeinander reagieren. Von Anfang an baut der Film enormen Konfliktstoff auf: Ein Polizeiapparat, der wenig Mitgefühl und kaum Sympathie für die Opfer oder deren Angehörige übrig hat; Polizeibeamte, die sich zynisch geben – da sei auch der kurze aber eindrucksvolle Auftritt des großen Ernest Borgnine als markiger Polizeichef Santuro erwähnt – und zugleich an ihrem eigenen Zynismus zu ersticken drohen; Männer wie Marty, die vorgeben, ihre geliebte Tochter rächen zu wollen, denen dann aber gegenüber Frauen ebenfalls nur Verachtung und Gewalt als Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen; und schließlich ein „Held“, der bei all seiner behaupteten Abgebrühtheit nicht damit klar kommt, daß seine Freundin ein emanzipiertes und selbstbestimmtes Leben führt. Dieser letzte Punkt ist besonders zu bewerten, denn diesen letztlich unsicheren und selbstzweifelnden Beamten vom damals seinem Machoimage frönenden Burt Reynolds spielen zu lassen, hat schon Hintersinn. HUSTLE wirkt wie ein Film, der den Schmerz, die Verunsicherung, die Angst sichtbar machen will, die sonst hinter den Drehbuchsprüchen und harten Posen verborgen bleiben. Und auf dieser Ebene ist es ein starker Film.

Es ist aber eben kein wirklich spannender Film, erst recht nicht, wenn man einen herkömmlichen Thriller erwartet. Und leider sind auch einige Drehbuchschwächen zu konstatieren. Zwar ist die Rolle der Deneuve als emanzipierte Frau, die eben mit ihrem Körper Geld verdient, solange niemand bereit ist „für sie zu sorgen“, wie sie es einmal formuliert, durchaus gut angelegt und auch wesentlich, um uns Reynolds innere Zerrissenheit begreiflich zu machen. Doch ist es dramaturgisch vollkommen unnötig, sie mit dem Anwalt Sellars in Verbindung zu bringen, der auch durch jede andere Prostituierte ein Alibi bekommen hätte. So ermöglicht es ihm lediglich eine Spitze gegen Reynolds Figur, der immer wieder durch andere Männer mit der Profession seiner Freundin konfrontiert wird. Der Mann, der seine Frau wegen Untreue verlassen hat, geht eine Beziehung zu einer Frau ein, die ihm per se nicht wird treu sein können – es sind diese Ambivalenzen, die den Film durchaus auf ein hohes Niveau heben, manchmal jedoch überkonstruiert wirken und wie etwas verzweifelte Versuche, Gaines häusliche Problem mit der an sich konventionellen Thriller-Handlung in Einklang zu bringen.

Catherine Deneuve gibt diese Nicole Britton mit einer routinierten Eleganz, die sie in viele Rollen zu legen versteht. Vergleicht man den Film jedoch bspw. mit dem im selben Jahr (einem äußerst produktiven für die Künstlerin) entstandenen ZIG-ZIG (1975), der sie – ebenfalls als Prostituierte – in einer Rolle mit lesbischen Untertönen zeigte oder gar mit L’AGRESSION (1975), einem grotesk brutalen Film, in dem sie die Selbstbefreiung einer Frau mit äußerst spärlichen Mitteln darstellt, merkt man ihr hier die Routine doch ganz deutlich an. Da der Film verschiedentlich mit den Versatzstücken des ‚Film Noir‘ spielt – ein zweifelnder Held, die Verstrickung in schicksalhafte Wendungen, wie Gaines Ende am Schluß des Films oder auch der scheinbare Fatalismus, mit dem Marty den Mörder seiner Tochter jagt und dabei bereit ist, bis zum Äußersten zu gehen – könnte man in Nicoles Anwesenheit auf Sellars Boot, als dieser die Gewerkschaftsmitarbeiter umbringen läßt, ebenfalls in diese Richtung deuten: Die Femme fatale, die den Helden ins Unheil führt, vielleicht doppelte Spiele spielt. Doch wird dieser Ansatz, so er denn stimmte, schnell wieder fallengelassen. Dramaturgisch ist auch diese Wendung vollkommen unnötig. So erinnert Nicole entfernt an all die großen Damen des ‚Film Noir‘, die Barbara Stanwyck oder Joan Crawford oft gespielt haben. Doch ähnelt sie diesen eher in ihrer Unabhängigkeit, ihrer Freiheit, zu tun und zu lassen, was sie will. Natürlich steckt darin auch ein verkappter Seitenhieb auf die Mitte der 70er Jahre erstarkende Frauenbewegung. Nicole wird nicht nur finanziell unabhängig gezeigt, sondern auch emotional: Als Gaines meint, ihr ins Handwerk pfuschen zu dürfen, als sie einen Kunden am Telefon „bedient“, kommt es zwischen den beiden zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, bei der sie schließlich die Oberhand behält – mit den „Waffen einer Frau“, was allerdings ein bitterböser Kommentar auf die Forderungen der Feministinnen ist.

HUSTLE kann als ein Film überzeugen, der über eine bestimmte Art von Filmen und deren Machart nachdenkt. Da wird Aldrichs Werk zu einem Meta-Film. Weniger überzeugen kann er als Thriller, dazu ist er zu uneinheitlich und auch zu unentschlossen, wo die Reise eigentlich hingehen soll. Eine gute Darstellerriege – Ben Johnson einmal in einer ganz anderen Rolle als jenen, die er in unzähligen Western spielte oder die sein Kreativvater Sam Peckinpah ihm gemeinhin angedeihen ließ – schafft einen hohen Entfremdungsgrad, diese Figuren sind glaubhaft in ihrer Gebrochenheit. Einige gute Ansätze – so glaubt der Zuschauer vergleichsweise lange, es mit einem Plot zu tun zu haben, der ihn in höchste Gesellschaftskreise führen wird – werden nicht so weit verfolgt, wie es möglich gewesen wäre, andere sind ein wenig unausgegoren und wirken aufgesetzt, wie Gaines Tod am Ende – wiederum eine Anspielung auf den ‚Film Noir‘ und seine immer einem unwägbaren Schicksal ausgelieferten Helden und Antihelden. Sicherlich ist dies kein Meisterwerk, daß Robert Aldrich, der seiner Karriere danach nur noch vier weitere Filme hinzufügen konnte, vorgelegt hat. Doch bei aller Kritik – HUSTLE ist eine interessante Auseinandersetzung mit dem Genrefilm und steht damit durchaus in der zeitgenössischen Tradition der 70er Jahre in Hollywood, die mit Robert Altman u.a. eine ganze Reihe von Filmemachern sahen, die sich den traditionellen Erzählmustern der Traumfabrik anders, neu, aufregend, manchmal anstrengend, aber eigentlich immer mit interessanten Ergebnissen näherten.

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