SCHARFSCHÜTZE JIMMY RINGO/THE GUNFIGHTER

Man kann seinem Image nicht entkommen...

Jimmy Ringo (Gregory Peck in einer seiner besten Rollen) kommt in eine Stadt geritten, er ist unterwegs und will seinen Durst stillen. Im Saloon wird er von einem jungen Kerl erkannt und gestellt, er solle sich wehren, zeigen, ob er wirklich derart schnell und gut mit der Waffe sei, wie gesagt wird. Ringo versucht, das Unheil abzuwenden, der junge Mann läßt sich nicht abweisen und zieht. Ringo ebefalls und so stirbt der andere. Ringo ist immer noch der schnellste. Er flieht, als ihm die anderen Gäste des Saloons sagen, daß der Tote drei Brüder hatte, denen es egal sei, wer zuerst gezogen habe. Die Brüder nehmen die Verfolgung auf, Ringo stellt sie unterwegs und nimmt ihnen die Pferde und ihre Waffen ab. Dann reitet er weiter. Sein Ziel ist die Stadt Cayenne. Hier geht er schnurstracks in den örtlichen Saloon und wird dort auch sofort vom Barkeeper Mac (Karl Malden) erkannt. Der verspricht sich zwar ein dolles Geschäft mit dem berühmten Gast, läßt aber lieber den Sheriff holen. Dieser Sheriff, Mark Strett (Millard Mitchell), kennt Ringo. Er weiß auch, warum dieser gekommen ist: Er will seine alte Liebe Peggy (Helen Westcott) sehen und zurückgewinnen. Die aber will den Mann und Vater ihres Kindes, Klein-Jimmy, nicht sehen. Während Ringo im Saloon wartet, versuchen erst Mark, dann die Bardame Molly (Jean Parker), mit Peggy zu reden. Vor dem Saloon treiben sich nicht nur die Männer der Stadt herum, meistens furchtsam, sondern auch die Kinder,v.a. die Jungs. Ringo ist bekannt. Er wird gefürchtet, bewundert und ist Ziel für Jungspunde, die sich einen Namen machen wollen. Hunt Bromley (Skip Homeier) ist ein solcher. Während Ringo sich endlich entschließt, die Stadt zu verlassen, taucht Peggy doch noch auf und zugleich reiten auch die Brüder in die Stadt. Es gelingt Sheriff Mark mit Hilfe seines Deputys, die Brüder davon abzuhalten, eine wilde Schießerei anzufangen, doch aus dem Hinterhalt ist es dann Bromley, der meint, sich Ruhm zu verschaffen, indem er Ringo tötet. Sterbend bittet dieser den Sheriff, Bromley nicht zu verhaften, er, Ringo hätte zuerst gezogen. Bromley, so sein letzter Wunsch, solle erleben, was er erleben musste: immer unterwegs und immer auf der Hut zu sein, denn man ist als bekannter Scharfschütze ein zu beliebtes Ziel, als das man sich je einen Moment der Ruhe gönnen könne.

Manchem – unter anderem Joe Hembus in seinem Western-Lexikon (das man bei aller Vorsicht doch immer wieder empfehlen muß) – mutet dieser Film wie der erste „Edelwestern“ im Sinne von „Erwachsenenwestern“ an. Hembus geht sogar soweit, zu sagen, daß HIGH NOON (1952) oder SHANE (1953) nie entstanden wären ohne diesen Film. Mag sein. Henry King war ein ambitionierter Filmemacher, der sich in den meisten seiner Filme durchaus um Tiefgang bemühte. Hier also, in THE GUNFIGHTER (1950), ist es die Geschichte des alternden Revolverhhelden, der schließlich zum Gefangenen seiner eigenen Profession und des damit einhergehenden Rufes/Ruhmes wird.

Alles was man dem sogenannten Edel-, Erwachsenen- oder „psychologischen“ Western vorwarf, ist hier schon angelegt: Daß diese Filme das Heiligste des Western aufgäben, indem sie keine Westerngeschichten über das Land mehr erzählten z.B. Stimmt. Wir sehen hier so gut wie gar keine Landschaftsaufnahmen, alles spielt sich im Grunde (bis auf die kurze Episode, in der Ringo den Brüdern die Waffen und Pferde abnimmt) innerhalb der Stadt Cayenne ab. Und dort größtenteils im Saloon oder anderen geschlossenen Räumen. Auch haben wir es weder mit einer westerntypischen Rachegeschichte zu tun, noch mit einer, die davon handelt, wie ein Mann um etwas kämpft, sei es Land, Geld, Ruhm oder eine Frau. All das liegt schon hinter den Figuren dieses Films.

Und wenn man es ganz genau nimmt, hat man es auch gar nicht mit einem Western zu tun, sondern mit einem psychologischen Drama um einen Mann („fast vierzig“, sagt Jimmy Ringo an einer Stelle), der in eine Sinn- und Lebenskrise, heute: midlife crisis, gerutscht ist. Das alles kommt eben im Westerngewand daher. Dieser Kerl kämpft auch nicht mehr, er schickt andere los, seine Kämpfe zu führen. Ähnlich ist es mit der Action: Eigentlich sehen wir dem Sheriff meist dabei zu, wie er diese verhindert. Er sorgt dafür, daß die einen daheim bleiben und die anderen die Stadt verlassen, bis Ringo fort ist. Er will Ruhe und keine Schießerei. Die Schießereien, die der Film dann zeigt, sind auch eher schnell vorbei und wenig aufregend. Und der Sheriff – selbst einmal ein Bandit, der mit Ringo ritt – weiß auch, daß Ruhm und Bekanntheit ein friedliches Leben, wie er es hat, nahezu unmöglich machen (wie er Ringo an einer Stelle des Films sagt, als dieser wissen will, wie er, der Sheriff, es gemacht hätte). Will man leben, sollte man keine Legende sein.

Doch alles, was man an den sogenannten Edel-, Erwachsenen- oder „psychologischen“ Western mögen kann (und was das Genre in gewisser Weise eben auch erst zu seiner Reife und Ernsthaftigkeit geführt hat), ist hier eben auch angelegt: Der Film verhandelt die Rolle des Western in der Frage der Narration einer Gesellschaft. Er verhandelt auch, wenn allerdings auf subtilere Weise, die Frage, in wiefern Gewalt als Bindemittel eienr Gesellschaft dient und diese schon allein dadurch ein Gift in sich trägt. Jimmy Ringo ist ein Revolverheld, der sich seinen Ruhm erschossen hat. Dieser Falle entkommt er nicht mehr. Er weiß, daß Männer wie er nur durch die Waffe sterben können. Und in diesem Wissen (daß sich ja dann am Schluß des Films auch bewahrheitet) ist auch die ganze Vergeblichkeit des Unterfangens, Peggy noch einmal zu sehen, sie womöglich zurückzugewinnen, schon angelegt. Das ist die Tragödie dieses Mannes. Er ist zu klug, als daß er nicht wüsste, daß es für ihn keine Zukunft mit Familie und Liebe gibt. Als er mit Peggy schließlich redet, formuliert er dann auch genau jene Sehnsüchte, die den Western immer schon vorangetrieben haben: Laß uns nach Westen gehen, nach Kalifornien oder vielleicht nach Nordwesten, wo uns/mich (den Schützen) keiner kennt. Um an Ruhm, Glück, Erfüllung oder Reichtum zu gelangen, gingen junge Männer schon immer nach Westen in Amerika. THE GUNFIGHTER formuliert (erstmals?), wie der Westen eine neue Konnotation bekommt, hier will einer dahin, um vor der eigenen Vergangenheit fortzulaufen, um dem eigenen Schicksal zu entkommen. Das jedoch, scheint uns der Film zuzuraunen, geht eben nicht.

Kings Filme sind oft überambitioniert, an seinem Westerndrama BRAVADOS (1958), ebenfalls mit Peck in der Hauptrolle acht Jahre später realisiert, kann man das gut beobachten. Gehalt, Tiefsinnigkeit und Anspruch werden in diese Filme hineingepumpt und das tut ihnen oft nicht gut. Hier, in THE GUNFIGHTER geht es jedoch perfekt auf. Der Film ist keine Minute zu lang, er erlaubt sich keine Mätzchen, er kommt von Anfang an zur Sache und spielt sein Anliegen klar und deutlich aus. Man fiebert mit diesem Mann, der so gern ein anderer wäre und doch nicht fortlaufen kann vor dem Ruhm, den er sich erworben hat.

Ein großer, kleiner Film.

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