THE IDES OF MARCH

Mehr Drama denn Thriller

Der junge und brilliante Kampagnenfachmann Stephen Meyers (Ryan Gosling) hat sich dem Gouverneur Mike Morris (George Clooney) angeschlossen, der sich mit dem Politiker Ted Pullman (Michael Mantell) ein heißes Rennen um die Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur der Demokraten in Ohio liefert, die der Kampagnenchef Paul Zara (Philip Seymour Hofman) bereits in der Tasche zu haben glaubt.

Tom Duffy (Paul Giamatti), Kampagnenchef der Gegenseite, ist das junge Talent Meyers nicht verborgen geblieben. An dem Tag, da Paul versucht, den demokratischen Senator Thompson (Jeffrey Wright) für Morris‘ Kampagne zu gewinnen, trifft Duffy Meyers, um den dazu zu überreden, die Seiten zu wechseln. Um ihm die Sache schmackhaft zu machen, verdeutlicht er Meyers, daß Pullman Thompson längst an seiner Seite hätte, da dem das Außenministerium versprochen worden sei. Ohio gehe unter Garantie an Pullman. Meyers lehnt das Angebot trotzdem ab und will Paul über den Abwerbeversuch unterrichten; als der sich nicht meldet, läßt Meyers die Dinge auf sich beruhen.

Er fängt eine Affäre mit der Praktikantin Molly Stearns (Evan Rachel Wood) an. Durch einen Zufall kommt er dahinter, daß sie einen One Night Stand mit Morris hatte. Sie ist schwanger und braucht Geld für eine Abtreibung. Ihr Vater – ein mächtiger Mann der Partei in Washington und Katholik – darf nicht erfahren, was passiert ist. Meyers verspricht ihr, sich um alles zu kümmern, danach solle sie heimfahren, ihr Job sei erledigt, so sei das „bei den Profis“. Ein Fehler und man sei „raus“.

Bei einer Unterredung beichtet er Paul den Abwerbeversuch, zugleich werden beide von der Journalistin Ida Horowicz (Marisa Tomei) unter Druck gesetzt, sie will Informationen zum Vorwahlkampf. Während Meyers sich um Molly kümmert und sie in eine Abtreibungsklinik bringt, wo er sie wieder abholen will, wenn sie sich nach dem Eingriff meldet, wird er erneut von Ida kontaktiert, die plötzlich von seinem Treffen mit Duffy weiß. Als er Paul darauf anspricht, macht dieser ihm klar, daß er, Paul, selbst es war, der der Journalistin die Info gesteckt habe, da er Meyers als illoyal wahrgenommen habe, da dieser das Treffen zunächst verschwiegen habe. Die einzige Währung in diesem Geschäft, das sie betrieben, so Pauls Credo, sei jedoch Loyalität. Deshalb könne er Meyers nicht mehr trauen. Dieser ist seinen Job los. Er ist „raus“.

Er fährt zu der Abtreibungsklinik, wo er Molly wartend vermutet. Sie ist jedoch nicht mehr da. Als er zurück ins Hotel kommt, wird er Zeuge, wie die Wachleute sie finden, sie hat sich umgebracht. Meyers will nun ohne Rücksicht auf Verluste zuschlagen, geht zu Duffy und bietet ihm seine Mitarbeit an. Doch Duffy will die gar nicht, er will auch die „heißen Infos“ nicht, die Meyers ihm bietet – er wollte lediglich, daß der brilliante junge Mann nicht mehr Pressechef beim Gegner ist. Da Senator Thompson noch nichts von Meyers Rauswurf weiß, trifft er sich mit diesem und bietet seine Unterstützung und die Stimmen seiner Wahlleute an, wenn Morris ihm die Vizekandidatur böte. Nun nutzt Meyers sein Wissen, um Morris so unter Druck zu setzen, daß dieser nicht nur Paul entlassen, sondern ihn, Meyers, auch wieder einstellen und zudem seine Bedingungen – Thompsons Vizekandidatur – akzeptieren muß.

Manche Filmwerke werden Opfer der eigens für sie gestarteten Werbekampagnen. THE IDES OF MARCH (2011) könnte dazu gezählt werden, der Film startete in Deutschland als Politthriller, was ihm sicherlich nicht gut getan hat. Denn mit einer solchen Beschreibung wird man dem Film nicht gerecht und der Zuschauer einer falschen Erwartung ausgesetzt. Erwartet man einen Thriller erwartet, wird man enttäuscht. Zu klar haben wir es hier mt einem Drama zu tun, daß seine Figuren starken Belastungen aussetzt und ihre Überzeugungen strapaziert, ihre Ideale auslotet und sich die Frage stellt, unter welchen Bedingungen man bereit sein muß, einen Teil der eigenen Ideale aufzugeben, um vielleicht größere Teile davon zu retten. Und welche Chancen nutzen wir? Wie entscheiden wir uns, wenn wir vor die Frage gestellt werden, ob uns unsere Ideale mehr wert sind als, sagen wir, die Karriere?

George Clooneys fünfte Regiearbeit zeigt einmal mehr sein großes Interesse am Politikbetrieb seines Landes, seine – für amerikanische Verhältnisse linke, für europäische Verhältnisse moderat liberale – politische Einstellung und gibt ihm in der Rolle des zukünftigen Präsidentschaftskandidaten Morris die Gelegenheit, einige seiner Ansichten zu Waffengesetzen, Abtreibung und dem Auslandsengagement des Pentagon unters Volk zu bringen. Und der Film zeigt, daß der Mann nicht nur ein sehr guter Schauspieler ist, sondern auch vom Regie-Metier einiges versteht. Er und seine Darstellerriege – eine ausgesuchte und hervorragende Schar außergewöhnlicher Schauspieler – veredeln dieses Drama, daß persönliche Schuld und politische Intrige elegant und glaubwürdig zu vermischen weiß.

Wie im Politikbetrieb (sicherlich nicht nur) der USA nahezu alles zur Waffe im Wahlkampf werden kann, wie diejenigen, die bereit sind, diese „Kriege“ (siehe den Dokumentarfilm THE WAR ROOM [1993] über die Clintonkampagne) zu führen, jede Information gierig einsaugen und auf ihre Nützlichkeit hin abklopfen, wie jeder nur noch ein „Profi“ zu sein hat, der funktioniert, und wie schließlich ein jeder auch Opfer dieser Art von Professionalismus werden kann – all das zeigt THE IDES OF MARCH exemplarisch. Der Film nimmt keine Anleihen bei wirklich stattfindenden Kampagnen, es ist ihm eher darum zu tun, die politische Klasse und die Welt, in der sie sich bewegt, zu hinterfragen. Das tut er in erlesenen Bildern, in erlesenen Dekors, in einer Welt der teuren Hotels, der teuren Bars und Restaurants und des gedämpften, indirekten Lichts. Eine in sich geschlossene Welt, in der es um Deals geht und darum, wer wann welche Informationen erhält; ein System, das sich selbst füttert und am Leben erhält. Eine Welt, in der die eigenen Ideale nichts, das Image alles ist. Er tut es mit einem hervorragenden Drehbuch, das allen Darstellern gute Zeilen in den Mund legt, so daß ein teils brillianter Dialogfilm entsteht. Spannung allerdings bezieht dieser Film ebenafalls aus den Dialogpassagen, weniger aus der Handlung selbst oder gar aus der Action. Die gibt es hier nicht. Clooney vertraut der geradlinigen Geschichte, die einfach sein und bleiben muß, will sie parabelhaft beschreiben, worum es dem Regisseur geht. Der vertraut den Dialogen und er vertraut seinen Schauspielern, die diesen Dialogen die nötige Schärfe geben können, damit der Zuschauer bereit ist, zu folgen.

Dem Film wurde also in Europa sicherlich sein „Thriller“-Etikett zum Verhängnis, zudem aber auch die komplizierten Verfahren amerikanischer demokratischer Prozesse. Möglicherweise wurde der Film aber auch nie mit Blick auf den globalen Markt gedreht. Clooney gehört zu dieser kleinen Riege im traditionell eher liberalen Hollywood, die – wahrscheinlich auch dadurch, viel in der Welt herumzukommen – weiß, wie es um Amerikas Ansehen bestellt ist. Clooney hat sich während der gesamten Amtszeit der Regierung George W. Bush deren Politik entgegengestellt, er hat mitten in deren zusehends faschistoide Anmaßungen hinein den Film GOOD NIGHT, AND GOOD LUCK (2005) über die düsteren Jahre der McCarthy-Ära gedreht und auch damit eine im Rest der Welt weitestgehend unverständliche Bestandsaufnahme und Warnung an seine amerikanischen Landsleute geliefert. Hier scheint ihm auch eher wichtig zu sein, im eigenen Land gehört zu werden, als mit seinem Film internationale Meriten einzuheimsen. Und was die Botschaften angeht, die Gouverneur Morris da Kund tut, so sind das alles Ansichten, die jeder vernünftige Europäer längst verinnerlicht hat. Clooney versucht also offensichtlich auch im 21. Jahhrundert noch einmal, Einfluß zu nehmen auf die Politik seines Landes, die manchmal doch archaisch und alttestamentarisch anmutet. Das ist ihm hoch anzurechnen.

So bleibt der Film selber teils etwas oberflächlich und geht nicht allzu tief in die Analyse des politischen Betriebs Washington D.C., auch nutzt er persönliche Verstrickungen, um seine Geschichte voranzutreiben. Kompromißlose europäische Politaktivisten linker Coleur werfen ihm das (natürlich) vor, da er nicht eine reine Analyse der herrschenden Bedingungen abliefert. Doch wer die amerikanische Politik noch einmal genau betrachtet (man denke nur an die Lewinskyaffäre), der weiß ja, welch starke Rolle gerade diese privaten Verstrickungen dort spielen. Hier also hat man es mit einem kleinen, feinen Drama zu tun, das manchmal an CITY HALL (1996) erinnert, manchmal ein wenig an ALL THE KING`S MEN (2006). Das ist streckenweise packend, immer intelligent, sehr gut gespielt und berührt. Was will man mehr von einem Polit…drama…?

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