DIE WURZELN DES HIMMELS/THE ROOTS OF HEAVEN

Guter Abenteuerfilm - fragwürdiger Subtext

Im französischen Äquatorial-Afrika werden immer mehr Elefanten Opfer der Wilderer. Die Stoßzähne werden für „Billardkugeln und Briefbeschwerer“ gebraucht, wie der Aussteiger Morel (Trevor Howard) einmal seinen Widersachern im Kolonialklub entgegen schleudert. Doch niemand nimmt ihn ernst, helfen oder seine Petition unterschreiben will erst recht keiner, bedeutete dies doch das Aus für all die schönen und gewinnbringenden Safaris etc. Lediglich die Bardame Minna (Juliette Gréco) und der meist betrunkene Major Forsythe (Errol Flynn) sind bereit, Morel zu unterstützen. Auch noch, als dieser beginnt, terroristische Methoden anzuwenden und sich in den Busch schlägt, um von dort aus gegen das Töten zu agitieren und vorzugehen. Der amerikanische Sensationsreporter Cy Sedgewick (Orson Welles) macht Morels Anliegen mit einer Livereportage und seiner Fernsehshow bekannt und international beliebt. Örtliche Einzelhändler und ein einheimischer Rebell schließen sich Morel nun an – eine Allianz, in der jeder jeden ausnutzt, um seine eigenen Vorteile daraus zu ziehen. Im Auftrag des Gouverneurs findet der Abenteurer Saint Denis (Paul Lukas) Morel im Busch. Eigentlich soll er diesen verhaften, stattdessen kehrt er heim mit der dringenden Bitte, Morel mit Waffen, Munition und Verpflegung zu unterstützen. Minna und Forsythe übernehmen dies und schließen sich ebenfalls Morels Leben und Kampf im Busch an. Da die Dürre in diesem Jahr außerordentlich lange anhält, ziehen die Elefanten an die großen Gewässer und Trinkstellen. Dies wollen sich ein skrupelloser Hasardeur und der Rebellenanführer Waitari (Edric Connor) zunutze machen. Mit den getöteten Elefanten könnte sich die gesamte Rebellenarmee finanzieren. Morel und seine Leute wollen dies unbedingt verhindern. Also positionieren sie sich strategisch und verjagen die Elefanten mit gezielten Schüssen in die Luft. Doch Die Wilderer sind in der Überzahl, überwältigen Morel und die anderen, wobei Forsythe sogar den Tod findet, und nehmen alle gefangen. Doch der Gouverneur will um keinen Preis Märtyrer und deshalb läßt Waitari seine Gefangenen laufen. Die schwerkranke Minna wird getragen und Morel führt sein kleines Häuflein Aufrechter zurück, quer durch die Wüste zu einer Ansiedlung. Als Minna in Sicherheit ist, marschieren Morel und seine engsten Vertrauten einfach weiter in die Wüste…

John Huston war neben Howard Hawks, John Ford oder Raoul Walsh einer der renommiertesten Hollywood-Regisseure der klassischen Ära, wenn es um Gangster, Action oder Abenteuer ging. Ein Kerl für Männergeschichten. Daneben war er aber auch selber – Hemingway in vielem verbunden – einer jener Kerle, von denen er so gern erzählte. Er liebte das Hochseeangeln, die Jagd und die Safari. Er liebte bis zu einem gewissen Grad die Gefahr. Die Legende will, daß die Dreharbeiten zu AFRICAN QUEEN (1951) im Jahr 1950/51 im Grunde ein Abschreibungsprojekt gewesen seien, um ihm und seinem Produzenten eine kostenlose Safari zu ermöglichen. Eher Zufall, daß dabei einer der schönsten Filme der 50er Jahre herauskam. Clint Eastwood hat dieser Facette in Hustons Persönlichkeit 1990 in WHITE HUNTER, BLACK HEART (1990) Rechnung getragen. Kaum erstaunlich also, daß Huston seiner „großen Liebe“ Afrika eine Art Denkmal setzen wollte, als er 1958 THE ROOTS OF HEAVEN (1958) in die Kinos brachte. Der Film bezieht deutlich Stellung und tritt für Artenschutz und den Erhalt der Umwelt und natürlicher Lebensräume ein, lange bevor diese Anliegen politisch opportun erschienen oder gar massenkompatibel wurden. Mit einer damals ordentlichen Besetzung und seiner Stammkraft Oswald Morris an der Kamera drehte er an Originalschauplätzen und im Tschad.

Da John Huston nun einmal war, wer er war, unterhält dieses Savannendrama aufs Vortrefflichste für zwei Stunden. Beeindruckende Bilder der Elefanten, der Savanne, des Buschs und der Wasserstellen sorgen für Aufregung und Spannung, die Story packt, die Schauspieler tragen sie gut, vor allem Flynn als dauertrinkender Ex-Offizier weiß zu überzeugen. Trevor Howard, der die Rolle von William Holden übernahm, weiß seinem Part die nötige Radikalität und sogar eine Prise Wahn mitzugeben, so daß man Morel sein Anliegen absolut abnimmt. Die Gréco war dazu da, schön zu sein, was sie auch angemessen ist, zudem weiß auch sie in der Rolle der aus Deutschland und vor den Kriegstraumata Geflohenen zu überzeugen. Ein rundum gelungenes 50er-Jahre-Abenteurpaket, wollte man meinen. Und doch bleibt ein fader Beigeschmack.

Fast exemplarisch kann man an THE ROOTS OF HEAVEN ablesen, wie selbst die liberalsten Filmemacher Hollywoods scheitern können, wie selbst die bestgemeinten Anliegen nicht funktionieren, wenn die grundlegende Sichtweise auf das, worum es geht, komplett eurozentriert eingeschränkt ist. Wobei „eurozentriert“ den amerikanischen Blick eines John Huston hier mit einschließt. Hustons Anliegen sind richtig und wichtig (für uns Heutige noch weitaus mehr als für die Menschen der 50er Jahre, drohen uns die Großwildarten doch wirklich auszusterben), doch ist sein Blick auf Afrika (und das konnte man auch in AFRICAN QUEEN schon sehen) ein durch und durch kolonialistischer. Afrika ist für Männer wie Huston (da dürfte er Hemingway sehr ähnlich gewesen sein) schlicht ein riesiger Spielplatz, wo sie „Männer“ sein, wo sie noch einmal ihre Machophantasien ausleben dürfen. Wenn sie sie zur Genüge ausgelebt haben, fällt ihnen auf, daß ihr Spielplatz eigentlich ein hübsches Fleckchen Erde ist und dementsprechend schützenswert. Und das wird dann gnadenlos – weil ja als richtig erkannt – gegen jede örtliche Bevölkerung oder jedwedes politische Anliegen durchgezogen. In THE ROOTS OF HEAVEN schauen wir weißen Männern dabei zu, wie sie weiße Konflikte weißer Diskurse auf dem „schwarzen Kontinent“ austragen. Und dabei wird es zwischenzeitlich wirklich rassistisch. Einerseits könnte man dabei den Blick auf Schwarze generell nehmen, die hier lediglich dienende Funktion haben: In der Geschichte sind sie Diener weißer Herren, filmkontextuell dienen sie der (weißen) Handlung. Schwarze sind hier schwer von Begriff, unterwürfig, meist aber gar nicht vorhanden. Oder aber sie sind korrupt, wie der als Rebellenführer eingeführte Waitari. Denn der schließt sich Morel zunächst an, weil er sich dadurch Aufmerksamkeit für seine politischen Anliegen erhofft, dann läßt er Morel fallen, als ihm jemand einflüstert, daß er, würde er sich am Handel mit Elfenbein beteiligen, seine Rebellenarmee damit finanzieren könnte. Damit wird nicht nur ein Schwarzer diskreditiert als jederzeit zur Illoyalität neigend, sondern die politischen Anliegen des damals – 1958/59 – gerade erwachenden Schwarzafrikas werden generell verunglimpft. Wenn nicht in Bausch und Bogen verdammt, so doch zumindest als rückständig klassifiziert gegenüber den „eigentlichen“, von einem Visionär wie Morel (und Huston) natürlich längst erkannten wesentlichen Problemen.

John Huston hatte immer wieder mit dem Vorwurf des Rassismus zu kämpfen, am stärksten waren diese Vorbehalte gegen seinen direkt im Anschluß an THE ROOTS OF HEAVEN gedrehten Western THE UNFORGIVEN (1960), bei dem ihm ein rassistischer und hierarchisch abfälliger Blick auf die Indianer vorgeworfen wurde. Huston hat die Vorwürfe weit von sich gewiesen und fühlte sich in seiner Ehre gekränkt. Aus seiner Sicht sicherlich eine nachvollziehbare Reaktion, verstand er sich doch mindestens als Liberaler, wenn nicht als Linker, gerade in einem Hollywood, daß durch den Senator Joseph McCarthy heimgesucht worden war. Und man ist geneigt, ihm die Empörung abzunehmen. Die Art von Rassismus, die Männer wie Huston ausstellten, entsprach keinesfalls jenem Südstaatenrassismus des durchschnittlichen Redneck aus Alabama. Vielmehr ist er ein Beispiel für jenen Blick auf die Welt, die europäische, vornehmlich französische Theoretiker der 60er und 70er Jahre erstmals aufdeckten und der dann in den amerikanischen Universtäten als ‚race-and-gender-studies‘ Furore machten. Es ist schlicht der oben bereits erwähnte eurozentritische Blick, der diesen Männern ganz natürlich vorkam: Es war nie in deren Bewußtsein gedrungen, daß sie NICHT die Spitze, die Krönung der Menschheit sein könnten. Die Welt wird wahrgenommen aus Sicht des kolonial-imperialistischen Europäers (Angehörigen der westlichen Welt), dem jeder andere Kontinent ganz natürlich als „unterlegen“ (da technisch nicht „weit genug“ fortgeschritten), deren Bewohner als „unzivilisiert“ erscheinen. Afrika ist schön und weist massiv Bodenschätze auf, die man ausnutzen kann – die westlichen Staaten und Nationen, die durch den westlichen Kapitalismus geprägten Gesellschaften, haben das Know-how und die Geldmittel, diese Ressourcen auszunutzen, also steht es ihnen gleichsam auf natürliche Weise zu. Die zukunftsgläubigen 50er Jahre waren für diese im Grunde spätimperialistische Weltsicht des 19. Jahrhunderts geradezu prädestiniert. Und ein Mann wie John Huston, der sicher im Kontext der erzkonservativen amerikanischen 50er Jahre liberal zu nennen ist, war eben auch ein Macho und Alphatier, extrem überzeugt von sich selbst und bar aller Selbstzweifel (außerhalb des künstlerischen Kontexts). Ein Mann voller Widersprüche, der bereit gewesen sein soll, sich für einen befreundeten Schwarzen in einer Bar in Santa Monica zu schlagen, der aber eben auch extrem reaktionären Hobbies wie der Großwildjagd nachging. Ein Mann der Ambivalenzen.

THE ROOTS OF HEAVEN bleibt ein eher mittelmäßiges Werk eines großen Regisseurs, er bleibt ein guter Abenteuerfilm, der zwei Stunden zu unterhalten weiß und er bleibt – vielleicht macht ihn das erst wirklich interessant – ein Paradebeispiel dafür, wie Männer der westlichen Zivilisation sich trotz aller „theoretischen“ Überzeugungen eben sehr schwer damit taten und tun, sich von dem tradierten Blick ihrer sich überlegen wähnenden Kultur zu lösen.

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