DER CLAN, DER SEINE FEINDE LEBENDIG EINMAUERT/CONFESSIONE DI UN COMMISSARIO DI POLIZIA AL PROCURATORE DELLA REPUBBLICA
Damiano Daminai stellt der italienischen Gesellschaft, dem Staat und seinen Institutionen ein sehr schlechtes Zeugnis aus
Der als gemeingefährlich eingestufte Straftäter Michele Li Puma (Adolfo Lastretti) wird auf Betreiben des Commissario Bonavia (Martin Balsam) aus der Psychiatrie, wo er einsitzt, freigelassen. Kaum entlassen, begibt der Mann sich in das Büro des Bauunternehmers Ferdinando Lomunno (Luciano Catenacci), um diesen zu ermorden. Doch statt des Baulöwen wird Li Puma von einem Killerkommando erwartet, das ihn tötet – nicht, ohne selbst von Li Puma massakriert zu werden.
Bonavia ist als erster Polizist am Tatort und weiß erstaunlich schnell, wie sich alles zugetragen haben könnte. Staatsanwalt Traini (Franco Nero), ein Norditaliener, der nicht mit den Beziehungen und Gepflogenheiten auf Sizilien vertraut ist, will das Verbrechen sauber und nach den Regeln der Justiz aufklären. Doch Bonavia klärt ihn bald auf, wie die Dinge hier laufen.
Lomunno ist nicht nur der lokal bestimmende Bauunternehmer, ihm gehört praktisch die ganze Stadt. Der Bürgermeister, der Vorsitzende des Bauausschusses, verschiedene Honoratioren – sie alle stehen bei Lomunno entweder auf der Gehaltsliste oder aber in dessen Schuld. So kann Lomunno schalten und walten, wie ihm beliebt.
Traini, der unter dem Schutz des Oberstaatsanwalts Canistraro (Arturo Dominci) arbeitet, glaubt nach wie vor an die hehren Gesetze des Staats und an dessen Institutionen. Korruption im Staatsapparat oder gar der Justiz hält er für undenkbar. Umso verwirrender ist für ihn die Tatsache, dass Bonavia offenbar sehr genau geplant hat, wie der Mordanschlag auf Lomunno geschehen sollte. Offenbar hatte der Commissario sogar die Übergabe der zu nutzenden Waffen an den Mörder geplant.
Traini kommt dahinter, dass Li Puma den Bauunternehmer vor allem deshalb gehasst hat, weil der mit seiner Schwester Serena (Marilù Tolo) liiert ist und die beiden gemeinsam dafür gesorgt hatten, dass Li Puma im Gefängnis, bzw. der Irrenanstalt landet. So war Li Puma quasi ein leicht zu manipulierendes und williges Werkzeug in Bonavias Händen.
Bonavia nimmt Traini mit in das Dorf, aus dem er stammt. Hier, auf einem Hügel, erzählt er dem Staatsanwalt von Lomunno und dessen Untaten. Wie er einst einen jungen Gewerkschafter, der gegen die Arbeitsbedingungen in Lomunnos Firmen aufbegehrte und die Männer des Dorfes aufrief, sich zu wehren, keine Angst zu haben, töten und anschließend alle Zeugen des Mordes, darunter einen Hirtenjungen, ein halbes Kind, beseitigen ließ. Bonavia erklärt Traini, dass dieser Mann sein Vorbild sei und er sich mühe, diesem nachzueifern. Doch musste er wieder und wieder die Erfahrung machen, dass Lomunno nicht zu besiegen sei, sich immer wieder der Strafverfolgung entziehe, auch, weil er mächtige Freunde in der Politik und eben auch der Justiz habe.
Traini sucht Lomunno auf und spricht mit ihm. Wie alle andern auch, ist er zunächst von dessen Eloquenz und Freundlichkeit geblendet. Doch nach und nach begreift auch Traini, wie weit das Komplott reicht.
Dennoch will er den Kriminalfall weiterhin sauber und unter den herkömmlichen Regeln klären. Es gelingt ihm, Serena aufzutreiben und sie zu überreden, sich als Zeugin der Anklage zur Verfügung zu stellen, da sie die Gespräche Lomunnos mit Offiziellen mitgehört hatte und in viele seiner – auch der illegalen – Pläne eingeweiht gewesen ist. Schließlich willigt sie auf Trainis Drängen hin ein. Er bringt sie in eine sichere Wohnung, von der nur er weiß.
Dann setzt Traini Bonavia massiv unter Druck. Er zwingt den Mann, ein Geständnis abzulegen, danach will er ihn vor Gericht bringen wegen des versuchten Mordes an Lomunno. Traini erhält das Geständnis, doch als er es liest, enthält es viel weitreichendere Geständnisse, als er dachte: Bonavia erklärt, er habe Lomunno eigenhändig erschossen.
Genau das tut der Kommissar auch, während Traini sein Geständnis liest. Anschließend stellt Bonavia sich und wird ins Untersuchungsgefängnis überstellt. Als Serena in der Wohnung im Fernsehen von der Festnahme Bonavias hört, ruft sie in der Staatsanwaltschaft an, um sich nach den genauen Vorgängen zu erkundigen.
Bald darauf taucht ein Kommando auf, dessen Anführer behauptet, sie sollten Serena zur Polizei bringen. Doch dann ermorden die Männer die Frau und bringen den Leichnam auf eine von Lomunnos Baustellen, wo er in einen Stützpfeiler eingemauert wird.
Traini und Bonavia treffen im Gefängnis aufeinander. Bonavia fragt den Staatsanwalt, ob er denn nun rauszufinden gedenke, wie das Killerkommando an Serenas Adresse gekommen ist. Angeblich wusste ja ausschließlich er, Traini, von dieser Wohnung. Traini weigert sich, eine mögliche Verbindung seiner Dienststelle mit den Männern Lomunnos, also mit der Mafia, auch nur zu erwägen. Nach wie vor glaubt er an die Justiz und die Gesetze. Er hält den Staat für integer.
Bonavia erklärt ihm, er sei naiv. Er wisse, dass er nicht mehr lange leben werde, denn im Gefängnis herrschten eigene Gesetze, auf die Traini überhaupt keinen Einfluss habe. Vielleicht gingen dem Staatsanwalt ja dann die Augen auf und er begreife die Zusammenhänge.
Der Kommissar behält recht: Bald wird er von zwei gedungenen Mördern erstochen. Den Männern kann man nachsagen, dass sie den Kommissar als eben den Mann erkannt hätten, der sie einst in den Knast brachte, tatsächlich sind sie aber von Lomunno angeheuert worden. So ist der Fall glatt und sauber und kann geschlossen werden.
Auf einem offiziellen Empfang stellt Traini den Oberstaatsanwalt. Der lächelt ihn maliziös an und fragt: „Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“
Vielleicht kann man an keinen Filmen wie denen von Damiano Damiani besser und genauer nachweisen, dass Mafia-, also Gangsterfilme, und Politthriller immer miteinander verflochten sein müssen, will man das Phänomen des organisierten Verbrechens in seiner spezifisch italienischen Ausprägung genauer untersuchen und wirklichkeitsgetreu abbilden. Damiani hatte mit IL GIORNO DELLA CIVETTA (1968) einen der allerersten wirklich als solchen zu bezeichnenden Mafiathriller vorgelegt und darin analysiert, weshalb der Kampf gegen diese sizilianische Verbrecherorganisation so schwierig ist: Verflechtungen bis in die staatlichen Institutionen, in die Polizei und die Justiz, aber auch in die Parteien hinein, ja, so deutet der Film es an, sogar bis in die Regierung, verhindern genauere Untersuchungen und erst recht die Verurteilung der Hintermänner. Und ganz gleich, wohin sich ein Staatsangestellter wendet, der nicht korrupt ist, der an einer tatsächlichen Aufklärung von Verbrechen interessiert ist, er stößt immer auf eine Mauer des Schweigens. Omertà.
Nur drei Jahre später hatte Damiani, der zumeist auch für die Drehbücher seiner Filme – zumindest der ambitionierten – verantwortlich zeichnete, den Glauben an die Institutionen des Staats und seiner Vertreter offenbar vollends verloren. Mit CONFESSIONE DI UN COMMISSARIO DI POLIZIA AL PROCURATORE DELLA REPUBBLICA (1971), der auf Deutsch den äußerst martialischen und letztlich auch irreführenden Titel DER CLAN, DER SEINE FEINDE LEBENDIG EINMAUERT trägt, legte der Regisseur eine ebenso bittere wie letztlich auch zynische Abrechnung mit dem zeitgenössischen Italien vor.
Wie im früheren Film ist es auch hier erneut Franco Nero, der beauftragt wird, einen Mord aufzuklären. Spielte er in IL GIORNO DELLA CIVETTA den aufrechten Capitano der Polizei, der in Sizilien den Mord an einem LKW-Fahrer untersucht und an eben jener weiter oben schon erwähnten Omertà, dem auf der Insel herrschenden Schweigegelübde, scheitert, so gibt er nun den Staatsanwalt Traini, der – ebenfalls auf Sizilien – versucht, den Mordversuch an dem Bauunternehmer Lomunno unter die Lupe zu nehmen und schnell feststellen muss, dass er sich mit sämtlichen Honoratioren der Stadt und so ziemlich jedem, der hier etwas zu sagen hat, wird anlegen müssen. Vor allem aber stellt er fest, dass der ebenfalls an der Aufklärung beteiligte Kommissar Bonavia offenbar selbst in das Mord-Komplott verstrickt ist. Denn je tiefer Traini in die Materie eintaucht, desto klarer wird, dass gewisse Vorgänge – der Mörder, der selbst bei dem Mordanschlag getötet wurde, wurde nur zwei Tage vor dem Anschlag aus der Psychiatrie entlassen, obwohl er als gefährlich galt; Lomunno war offenbar unterrichtet und nicht in seinem Büro, als der Anschlag stattfand, stattdessen wartete dort ein Killerkommando auf den Mörder usw. – nur mit dem Einverständnis oder der Kenntnis Bonavias möglich waren.
Damiani und seinem Co-Autor Salvatore Laurani gelingt es, aus einer zunächst actiongeladenen und eines Thrillers würdigen Story nach und nach einen ebenso spannenden wie bitteren und teils beängstigenden Polit-Thriller zu destillieren. Selten wurde derart genau extrahiert, wie in einer Gesellschaft wie der spezifisch sizilianischen eine Organisation derart viel Macht anhäufen und ausüben kann, ohne dass sie je wirklich durch staatliche Verfolgung bedroht ist. Nahezu jeder – vom Bürgermeister bis zum Vorsitzenden des Bauausschusses, vom örtlichen Baulöwen bis zu den Zulieferern – ist involviert, nahezu jeder erhält, natürlich seinem Platz in der Hierarchie entsprechend, einen Anteil vom Kuchen und somit ist eben auch jeder Mitwisser, wenn nicht gar Mittäter an allem, was im Auftrag der Bosse geschieht. Der Einfachheit halber ist es hier ein Boss – eben jener Lomunno, auf den der ursprüngliche Anschlag verübt wurde.
Im Kern erzählen Damiani und Laurani zunächst eine Kriminalgeschichte. Es geht um einen Mordanschlag und darum, ihn aufzuklären. Es ist eine fast geniale Wendung des Drehbuchs, genau aus diesem Umstand den Dreh- und Wendepunkt der politischen Hintergrundgeschichte zu basteln. Denn der Staatsanwalt Traini hält sich fast sklavisch an die Vorgabe, den Mord, bzw. Mordanschlag zu untersuchen und schickt sich an, obwohl Commissario Bonavia ihn schnell und umfassend über die Verhältnisse aufklärt, die politischen Realitäten so zu akzeptieren, wie sie sehr offensichtlich sind. So gelangt schließlich Bonavia immer stärker in den Fokus der Untersuchungen. Und nimmt man den Kriminalfall genau, so ist dieser Fokus auch richtig. Denn es war tatsächlich Bonavia, der dafür gesorgt hat, dass Li Puma, der Mörder, der bei seinem Anschlag auf den Bauunternehmer selbst umkommt, aus der Psychiatrie entlassen wird. Bonavia wusste, dass Li Puma umgehend auf Lomunno losgehen würde, wenn auch aus persönlichen Motiven, ist der doch mit Li Pumas Schwester liiert und mit ihr gemeinsam dafür verantwortlich gewesen, dass Li Puma selbst in der „Irrenanstalt“ – wie die psychiatrische Einrichtung im Jahr 1971 noch problemlos genannt werden durfte – gelandet ist.
Li Puma ist also nichts weiter als Bonavias Werkzeug. Und Bonavia berichtet in einem langen Mittelteil Traini von einem Schulfreund, der einst gewerkschaftlich engagiert zu einem Generalstreik aufrief, um die Macht des damals noch sehr jungen Lomunno zu brechen. Dieser Freund war ein Kommunist, der schließlich von Lomunno umgebracht wurde. Dessen Schergen ließen auch alle Zeugen dieses Mordes, darunter einen Hirtenjungen, ein Kind, verschwinden. Während dieser Erzählung, die in Rückblenden gezeigt wird, während Bonavia berichtet, wird deutlich, wie unglaublich brutal Lomunno und seine Leute vorgehen. Ebenso wird deutlich, weshalb Bonavia, der seit Jahren versucht, den Bauunternehmer dingfest zu machen, zusehends verzweifelt und schließlich bereit war, seinerseits zu unlauteren Mitteln zu greifen. Er wird es zum Ende des Films sein, der Lomunno dann erschießt.
Was der Film allerdings brillant herausarbeitet, ist, dass nicht nur Li Puma Bonavias, wenn auch falsch genutztes Werkzeug ist, sondern Staatsanwalt Traini das Werkzeug derer, die daran interessiert sind, den übereifrigen Kommissar zu beseitigen. Gerade weil der Oberstaatsanwalt darauf beharrt, den Anschlag auf Lomunno als gewöhnlichen Kriminalfall zu behandeln und Traini mehr oder minder zwingt, sich auf die rein vordergründigen Tatsachen zu beschränken, ist es möglich, dass die Hintermänner einmal mehr unbehelligt bleiben. So wird das korrekte staatliche, institutionelle Handeln selbst zur Schutzmaßnahme gegen zu genaue Untersuchungen der Hintergründe und einer zu genauen Suche nach den Hintermännern.
Wenn Kommissar Bonavia schließlich selbst Hand anlegt und den einmal mehr ungeschoren davonkommenden Lomunno erschießt, dann ist dies – rein dramaturgisch betrachtet – eine Befreiung aus einem institutionellen Korsett, das zunehmend zu einer Zwangsjacke wird. In der Kritik wurde darauf verwiesen, dass Bonavias Handeln und durch ihn Damianis Analyse nahezu anarchistisch anmuten. Dem ist zuzustimmen. Denn tatsächlich beweist Damiani gerade in der Abfolge von IL GIORNO DELLA CIVETTA zu CONFESSIONE DI UN COMMISSARIO DI POLIZIA AL PROCURATORE DELLA REPUBBLICA den Verlust seines Glaubens in die staatlichen Institutionen und deren Glaubwürdigkeit, bzw. in ihre tatsächliche Funktionalität. Mehr noch: In Damianis Analyse ist zunehmend nicht mehr zwischen dem Staat und der Mafia zu unterscheiden, beide werden deckungsgleich. Zwar übt Lomunno selbst kein staatliches Amt aus, doch wird seine Verstrickung mit den staatlichen Vertretern – hier durch die Stadtverordneten und die Staatsanwaltschaft symbolisiert – überdeutlich, wenn sie alle in seinem vorübergehenden Versteck antanzen und sich von ihm Direktiven zum weiteren Vorgehen abholen. Und wenn sich Traini am Ende des Films, nachdem Bonavia seinerseits im Gefängnis ermordet wurde, endlich die entscheidende Frage danach stellt, wer eigentlich jeweils von den Vorgängen, eigentlich nur der Polizei oder dem inneren Kreis der Behörden bekannt, unterrichtet war, da ist es zu spät. Auf einem Empfang konfrontiert Traini, eisig schweigend, den Oberstaatsanwalt. Und der fragt – äußerlich ungerührt – ob irgendetwas nicht stimme? Es ist dies der Moment, in dem Traini begreift, dass auch er lediglich ein Werkzeug gewesen ist. Eines seines Vorgesetzten und durch diesen ein Werkzeug der Mafia, die sich so eines unliebsamen Gegners entledigen konnte.
Es muss, so scheint Damianis Schlussfolgerung, wer moralisch sauber bleiben will, wer wirklich gegen die herrschenden Verhältnisse an- und vorgehen will, zu Mitteln greifen, die eben nicht mehr durch die Gesetzeslage gedeckt sind. Auch in IL GIORNO DELLA CIVETTA war der Capitano schließlich bereit, Mittel anzuwenden, die zumindest fragwürdig sind. So setzte er Zeugen unter Druck, hörte widerrechtlich Büros ab und brachte Informanten in Lebensgefahr, um an Informationen zu gelangen. Doch weiter ging er nicht und musste zwangsläufig scheitern. Staatsanwalt Traini will sauber bleiben und eben nicht zu unlauteren Mitteln greifen – und scheitert ebenfalls. Nimmt man beide von Franco Nero gespielten Männer als symbolische Funktionsträger, so wird deutlich, dass in einem System, das zunehmend korrupt ist, vielleicht aber nicht einmal mehr das, sondern schlichtweg dysfunktional, für Idealisten – oder auch einfach nur korrekt arbeitende Beamte – kein Platz mehr ist. Und nimmt man den zutiefst verletzten, von Martin Balsam nahezu perfekt gespielten Commissario Bonavia hinzu, der stoisch seinen Weg geht, weil er längst die Zusammenhänge begriffen hat, dann wirkt es so, als müsse man den Staat mit dessen eigenen Mitteln angreifen: Mit Gewalt.
Gewalt in ihrer konkreten wie symbolischen Form ist eines der bestimmenden Themen des Films. Allerdings delektiert sich der Film nicht an ihr. Wenn sie geschieht – das Massaker zu Beginn im Büro des Bauunternehmers Lomunno, die in Bonavias Rückschau verübten Morde an dem Gewerkschafter und an dem Hirtenjungen (tatsächlich die wahrscheinlich unangenehmste und brutalste Szene im Film), sowie Bonavias Mord an Lomunno und schließlich die Ermordung des Kommissars im Gefängnis – dann ist sie plötzlich, brutal und ekelerregend. Damiani scheut sich in diesen Momenten nicht, Gewalt als das zu zeigen, was sie ist, jedoch ohne sich daran zu berauschen. Die Momente sind heftig, aber kurz. Ein weiterer Mord – der an Li Pumas Schwester Serena – wird im Film ebenfalls gezeigt, wesentlicher aber ist die Entsorgung ihrer Leiche. Die nämlich wird auf einer der Baustellen, an denen Lomunnos Firmen beteiligt sind, tatsächlich in einen Pfeiler eingemauert. Nicht lebendig, wie der deutsche Titel behauptet, aber dennoch zeigt der Umgang einmal mehr die ganze Verrohung dieser Gesellschaft. Da stehen mehrere Männer vollkommen unbeteiligt um die nackte Frauenleiche herum und warten darauf, dass der, der den Zement anrührt, seine Arbeit erledigt.
Wirklich interessant an diesem ganzen Handlungsstrang um Li Pumas Schwester und deren Verwicklung mit Lomunno ist aber letztlich etwas anderes: Hier wird gezeigt, wie das System der Mafia, das schon den Staat befallen und vergiftet hat, auch in die Familien, also das Innerste, das Heiligtum der italienischen Gesellschaft vorgedrungen ist. Zugleich wird aber auch gezeigt, wie wenig das ewige Beschwören der „Familie“ als Wert an sich – auch die Mafia bezeichnet sich als „la famiglia“ – überhaupt zu bedeuten hat. Wer dem Patriarchen, dem Don, in die Quere kommt, wird brutal und effizient abgeräumt, dessen Leben ist nichts mehr wert. Damiani wertet also auch noch die letzten Bastionen der italienischen Gesellschaft ab, verweist deren vermeintliche Werte in das Reich der Legenden und lässt die Betrachter des Films mit einem sehr, sehr unguten Gefühl vollkommener und zutiefst zynischer Resignation zurück.
Um diese kühle und brutale Analyse eines gegenwärtigen Italiens darzustellen, wählen Damiani und sein Kameramann Claudio Ragona gängige Mittel des damaligen Genrekinos, vor allem des Italowestern. Reißschwenks, extreme Zooms, Sprünge zwischen großer Distanz und fast unangenehmer Nähe zu den Protagonisten – die Bilder des Films wirken oft disruptiv, immer wieder werden die Betrachter*innen überrascht und mit ungewöhnlichen Perspektiven konfrontiert, so dass man kaum zur Ruhe kommen, sich niemals sicher in diesem Geflecht fühlen kann. Was ganz der Handlung und ihrer Wendungen entspricht. Und damit letztlich einer Gesellschaft, die nicht mehr einzuschätzen ist, in der einerseits jeder zu wissen scheint, wie es läuft, zugleich aber niemand sicher sein kann, wo in der Hierarchie er selbst eigentlich steht. Riz Ortolani unterlegt diese Bilder mit einem manchmal konventionell-dramatischen Soundtrack, der momentweise zu reinem Terror wird, wenn sich das zu reinen Geräuschen verdichtet, schrill und verletzend.
Damiano Damiani ist mit CONFESSIONE DI UN COMMISSARIO DI POLIZIA AL PROCURATORE DELLA REPUBBLICA tatsächlich ein – leider etwas in Vergessenheit geratenes – Meisterwerk gelungen, das einen bitteren Blick auf das damals zeitgenössische Italien wirft und diesem Land wahrlich kein gutes Zeugnis ausstellt. Der Regisseur sollte in den Folgejahren weitere vergleichbare Werke abliefern, deren Zynismus immer deutlicher zutage trat, deren Wirklichkeitsanalyse immer brutaler, wenn auch nüchterner wurde.