Über

Norman Mailer sagte einmal, daß die Fiktion uns oft mehr über die Realität erzähle, als jedes Geschichtsbuch. Man mag darüber streiten, ganz von der Hand zu weisen ist dieser Eindruck nicht. Nun sind noch einmal Jahrzehnte seit dieser Äußerung vergangen und wir stehen mitten in der Postmoderne, möglicherweise schon wieder an deren Ende, und die Grenze zwischen dem, was „erfunden“ ist und dem, was als „wahr“ gelten kann, ist – vor allem durch die Digitalisierung und das Aufkommen des Internets – noch weitaus durchlässiger geworden, als sie es vielleicht immer schon war…

Wahr ist: Fakten und Fiktionen bedingen einander und seit dem 11. September 2001 – ein Tag der Vieles wahr werden ließ, was bis dahin lediglich in den überhitzten Gehirnen gescheiterter Verschwörungstheoretiker möglich schien – hat der aufmerksame Beobachter durchaus den Eindruck, Vieles dessen, was das alltägliche Geschäft der Politik, was das alltägliche Leben des „normalen“, durchschnittlichen Bürgers betrifft, sei längst in den Seiten diverser Thriller, in den Bildern etlicher Filme und TV-Spektakel entworfen, erdacht, durchgespielt worden.

AUS GEGEBENEM ANLASS soll an dieser Stelle aber verdeutlicht werden, daß es nicht darum geht, Fakten und Fiktionen nebeneinander zu stellen oder gar auszutauschen. Mit Donald Trump im Weißen Haus hat die Vereinfachung, die Reduktion, die Ent-Komplexisierung aller Zusammenhänge, allen Denkens und letztlich auch des Handelns eingesetzt und die Macht übernommen. Es scheint, daß Wirklichkeit nur noch aus Tweets besteht, die dahinter befindlichen Schicksale und realen Auswirkungen aber keine Wirklichkeit mehr darstellen. Man droht Ländern mit totaler Vernichtung, man anerkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels und legt damit möglicherweise die Lunte für weitere fünfzig Jahre Krieg im Nahen Osten, man erklärt Offensichtliches zum „Fake“ und hievt offensichtlich Falsches ins Rampenlicht des Wahrhaftigen.Und ignoriert die realen Folgen und Konsequenzen, buw. verweist diese dannn ins Reich der „Fake News“, wenn einem die Ergebnisse des eigenen Tuns zu nah kommen.

In dieser Melange aus Fakten und Fiktionen kann der einzelne, der Konsument, der Leser, der Rezipient wahrlich verloren gehen. Doch sollte man klar differenzieren: Wenn die fiktionale Durchdringung der Welt ihre Spuren in der Entwicklung eben dieser Welt hinterlässt, hat man es mit einem feinen Gewebe aus Wechselwirkungen zu tun, denen nachzuspüren eine ebenso aufregende, wie manchmal diffizile Aufgabe ist; erklärt man rot zu blau und blau zu grün und grün zu rot, dann spielt man entweder ein leicht zu durchschauendes Spiel, um andere zu verwirren – bestenfalls eine Strategie, wenn vielleicht auch nicht die aller ausgefuchsteste, oder aber man lügt einfach. Nur so, aus Langeweile, oder weil man meint, die eigene Großartigkeit – oder das Amt, das man durch Zufall bekleidet – berechtigten dazu, man habe sozusagen die Macht über die Wirklichkeit selbst. Oder aber man lügt, weil einem gerade nichts einfällt. Die allermeisten Lügen sind Stehgreiflügen, schnell im Affekt aufgesetzte Geschichtchen. Das aber hat nichts mit dem Spiel der Wirklichkeit und ihrer Repräsentation in den Künsten zu tun.

Genau hier beginnt schon die Arbeit, die Durchdringung der Wirklichkeit mit Fiktionen und Narrativen einzelner wie institutioneller Art bloß zu legen, es beginnt die Differenzierung: Man muß die profane Lüge, die versucht, sich gewiefter zu geben, als sie ist, deutlich von eben dem Wechselspiel von Fakten und Fiktionen, dem wir uns hier widmen, ja hingeben wollen, unterscheiden.

Diese Seiten wollen sich vornehmlich mit Büchern – also literarischen Werken – und Filmen aller Art beschäftigen, doch soll dabei immer auch die Wirksamkeit, Wirkmächtigkeit und propagandistische/manipulative Auswirkung auf die Gesellschaft, in den Köpfen der Leser und Zuschauer bedacht werden. Gerade unter Berücksichtigung der oben dargelegten Gedankengänge, scheint es mehr denn je geboten, diese Wechselwirkungen zu beobachten und genau aufzuzeigen, wo sie verlaufen und was ihren Verlauf bestimmt.

Deshalb setzt sich dieser Blog aus einigen Sektoren zusammen, die sich mit Büchern und Filmen, dabei noch einmal unterteilt in Literatur – Krimi/Thriller – Sachbücher, bzw. Unterhaltungs(Hollywood)kino – Autorenkino/Kunstfilme – Dokumentationen beschäftigen. Wo dies erforderlich ist, werden auch weitere Titel eingefügt werden, so z.B. in der Auseinandersetzung mit Literatur zur jüngeren deutschen Geschichte oder aber mit Kriegsfilmen oder dem Western.

Ein dritter Sektor soll tagesaktuelle oder aber auch grundsätzliche gesellschaftliche Entwicklungen und Tendenzen aufgreifen und spiegeln.
Daß sich die sogenannte Wirklichkeit mit Sprengseln fiktionaler Werke auflädt, gilt diesen Seiten schlicht als Voraussetzung. Die Grauzone, wo dies passiert, wo der Einzelne anfängt, den Überblick zu verlieren, somit nach und nach sich zu verlieren, das soll das Gebiet sein, in dem wir uns hier tummeln –

Lost in Facts & Fiction

Daß all das eben NICHT voneinander getrennt, sondern immer wieder zusammengeführt werden soll, liegt in der Natur dessen, was oben beschrieben wird. Deshalb werde ich mich bemühen, reine Rezension von Essay oder rein Deskriptivem getrennt kenntlich zu machen. Ob das alles so gelingen wird? Wir werden sehen!

Wichtig ist an dieser Stelle, zu veranschaulichen, daß das alles nicht hermetisch ist! Das Konzept ist ‚work in progress‘, nichts davon soll statisch sein, alles ist im Fluß und dadurch jederzeit wieder änderbar. Sollten maßgebliche Änderungen am Konzept vorgenommen werden, wird sich dies sicherlich in einem geänderten Editorial niederschlagen. Übersichtlichkeit ist Trumpf im Moment, sonst verliert der Betreiber selbst den Überblick…

Ich heiße also jeden willkommen, der sich mit den hier eingestellten Texten beschäftigen mag, hoffe auf Zuspruch, ebenso – und erst recht! – natürlich auf Kritik. Selbige kann im Forum geäußert werden.

Und nun wünsche ich viel Spaß beim Schauen, Suchen, Lesen!

Gavin Armour