THE DRY – LÜGEN DER VERGANGENHEIT/THE DRY
Die gelungene Verfilmung eines spannenden Krimis und eines packenden Dramas
Federal Agent Aaron Falk (Eric Bana) kehrt nach über zwanzig Jahren in seine Heimatstadt Kiewarra zurück. Einst hatten er und sein Vater den Ort fluchtartig verlassen, da Mal Deacon (William Zappa), Vater von Aarons Freundin Ellie (BeBe Bettencourt), den jungen Aaron (Joe Klocek) verdächtigte, Schuld an Ellies Selbstmord, wenn nicht gar ihr Mörder zu sein.
Nun soll Aarons einstmals bester Freund Luke Hadler (Martin Dingle Wall/Sam Corlett in jungen Jahren) beerdigt werden. Er hat Selbstmord verübt, nachdem er seine Frau Karen und den gemeinsamen Sohn Billy getötet hatte.
Gerry Hadler (Bruce Spence) und seine Frau Barb (Julia Blake) können nicht glauben, dass ihr Sohn wirklich der Mörder seiner Familie gewesen sein soll. Sie bitten Aaron, der landesweit in den Medien war, da er in Melbourne einen Finanzbetrug großen Stils aufgedeckt hat, sich der Sache anzunehmen. Wenigstens soll er die Bücher von Lukes Farm prüfen, ob in diesen ein Motiv für die Wahnsinnstat zu finden sei. Denn der gesamte Landstrich leidet seit nahezu zehn Jahren unter einer enormen Dürre, die viele Farmer in den Ruin und schon so manchen in den Selbstmord getrieben hat.
Aaron sieht sich in der Schuld der Hadlers, da er und Luke einst darüber gelogen haben, was an jenem Nachmittag, an dem Ellie starb, wirklich passiert ist. Entgegen ihrer Aussage, gemeinsam auf Kaninchenjagd gewesen zu sein, war Aaron allein, Luke wahrscheinlich mit seiner Freundin Gretchen (Claude Scott-Mitchell) zusammen. Gerry Hadler lässt Aaron wissen, dass er immer im über die Lüge der Jungs im Bilde war.
Aaron ist, wenn auch nur widerwillig, bereit, Lukes Eltern zu helfen. Er nimmt Quartier im lokalen Hotel, zu dem auch eine Bar gehört. In dieser Bar kommt es in den Tagen, die er in Kiewarra weilt, mehrfach zu Begegnungen mit Mal Deacon, der mittlerweile ein alter, gebrochener und scheinbar auch demenzkranker Mann ist, und dessen Neffen Grant Dow (Matt Nable). Dabei wird Aaron immer wieder verbal, schließlich auch körperlich bedroht. Nach wie vor wollen die beiden Männer nicht von der Idee lassen, Aaron der sei Ellies Mörder.
Während seines Aufenthalts in Kiewarra trifft Aaron auch auf die nunmehr erwachsene und ihr Kind allein erziehenden Gretchen (Genevieve O´Reilly), die eine der wenigen in der Stadt ist, die sich ehrlich zu freuen scheint, ihn wiederzusehen. Die beiden verabreden sich mehrmals zu einem Drink und zum Essen.
Aaron arbeitet mit dem lokalen Polizeichef Greg Raco (Keir O´Donnell), dem die Selbstmordthese ebenfalls nicht gefällt. Verschiedene Indizien weisen darauf hin, dass Luke eher nicht der Mörder der Familie sei, nicht zuletzt, weil Baby Charlotte, die nun bei ihren Großeltern untergekommen ist, nicht getötet wurde. Auch stimmt die für die Tat genutzte Munition nicht mit der auf der Farm und in Lukes Gewehr gefundenen überein.
Aaron vermutet, dass der Tod der Familie Hadler mit dem von Ellie vor zwanzig Jahren zusammenhängen könnte, ohne dass er einen direkten Zusammenhang erkennen kann.
Während der Tage in der Stadt geht er schließlich verschiedenen Hinweisen nach, lernt auf diese Weise einige der Menschen in der Stadt kennen und hat sogar eine romantische Verabredung mit Gretchen.
Bei dieser Gelegenheit stellt er durch Zufall anhand eines Schnappschussfotos fest, Luke könnte durchaus der Vater von Gretchens Kind gewesen sein. Ihm kommt der schreckliche Verdacht, es könne sich bei dem Mord an der Familie Hadler um ein Verbrechen aus Leidenschaft handeln. Denn Lukes Zuneigung war oft flüchtig, er könnte sich auch für Ellie interessiert haben und hat schließlich mit Karen jemand völlig anderes geheiratet. Möglicherweise fühlte Gretchen sich zurückgewiesen? Als sie merkt, dass sich Aarons Verdacht gegen sie richtet, schmeißt sie ihn raus.
Bei anderer Gelegenheit ist Aaron zu Gast bei Raco und dessen Frau, die in Kiewarra nicht wirklich glücklich zu sein scheint und zudem große Angst um ihren Mann hat, sich aber auch Sorge macht, dieser könne dem Fall nicht gewachsen sein.
Aaron lernt auch den Lehrer und Schuldirektor Scott Whitlam (John Polson) kennen, der mit seiner Frau nach Kiewarra gezogen ist, weil er in Melbourne Opfer eines tätlichen Angriffs wurde. Auch er lädt Aaron zum Essen zu sich nachhause ein. Auch seine Frau ist hier sichtlich nicht glücklich.
Schließlich findet Aaron eher durch Zufall heraus, dass Whitlam gelogen hat. Nicht ein Übefall hat ihn aus der Stadt getrieben, sondern die Bedrohung durch Gangster, die ihm Geld geliehen hatten und nun ihn und seine Familie bedrohten.
Bei einer Schlägerei in der Bar des Hotels wird der Lehrer verletzt und Aaron wundert sich, dass er überhaupt nachts hier herumgehangen hat. Der Barkeeper erklärt, dass Whitlam gern spiele und seiner Meinung nach ein echtes Problem damit habe.
Erneut prüft Aaron Karens Bücher und erinnert sich, dass er nicht zuletzt durch Whitlam erfahren hatte, diese sei in den letzten Wochen vor ihrem Tod etwas fahrig gewesen. Sie habe die Buchhaltung der Schule erledigt und hier seien mehrfach Fehler aufgetreten. Bei genauerer Untersuchung wird deutlich, dass es nicht Karen war, die Fehler begangen, sondern dass Whitlam Gelder unterschlagen hatte, die eigentlich der Schule zugestanden hätten, um damit seine Spielschulden zu bezahlen. Karen hatte ihren Vorgesetzten mit ihrem Verdacht konfrontiert, wodurch dessen ganzes Lügenkonstrukt einzustürzen drohte.
Aaron und Raco wollen Whitlam stellen, doch der flüchtet mit einem Benzinkanister und einem Feuerzeug in ein Buschfeld und droht damit, sich anzuzünden. Das daraus entstehenden Feuer würde bei der herrschenden Trockenheit wahrscheinlich die ganze Stadt vernichten. Im letzten Moment gelingt es den beiden Polizisten, Whitlam zu überwältigen. Dabei erleidet Raco schwere, Aaron weniger schwerwiegende Verletzungen. Whitlam brennt lichterloh und ist für den Rest seines Lebens gezeichnet.
In einer Rückblende sieht man, wie Whitlam erst Luke und dann die Familie Hadler umgebracht hat. Sein Ziel war aber eben gar nicht Luke, sondern dessen Frau. Aaron wird klar, dass die ganze Ermittlung immer falsch fokussiert gewesen ist, nicht Luke im Mittelpunkt stand, sondern vielmehr Karen, weil sie Whitlams Geheimnissen auf die Schliche gekommen war.
In den Wochen, in denen Aaron noch bleiben muss und am Bett von Raco wacht, kann er – durch Zufall – auch Licht in das Geheimnis um Ellies Tod bringen. Denn er und Ellie hatten einst ein heimliches Versteck, in welchem er nun ihren Rucksack entdeckt. Darin findet er ihr Tagebuch und erfährt so, dass sie mehrfach von ihrem Vater missbraucht wurde. Sie hatte nicht vor sich umzubringen, vielmehr wollte sie an jenem Nachmittag, an dem sie formal mit Aaron zum Schwimmen verabredet gewesen ist, abhauen. Fliehen. Aaron erinnert sich, wie er Zeuge wurde als die Polizei Ellies Leiche fand und Mal Deacon zusammenbrach. Aaron vermutet, dass dieser Ellie gefolgt war und sie in seiner Wut getötet hat.
Bevor Aaron Kiewarra verlässt, trifft er noch einmal Gretchen. Die beiden söhnen sich aus. Bei dieser Gelegenheit gesteht Gretchen aber auch, dass sie immer wusste, dass Luke und Aaron an dem betreffenden Nachmittag nicht Kaninchen jagen waren. Denn sie und Luke seien, wie Aaron immer schon vermutet hatte, zusammen gewesen. Und sie hätten Ellie sogar gesehen, hätten sich aber vor ihr versteckt und seien dann verschwunden. Sie, Gretchen, mache sich seither Vorwürfe, denn wäre sie geblieben, hätte sie vielleicht eingreifen können und Ellie wäre noch am Leben. Aaron bittet sie, sich keine Vorwürfe mehr zu machen. Dann verlässt er seine Heimatstadt.
THE DRY (2020) ist die durchaus gelungene Verfilmung des gleichnamigen Debut-Romans der australischen Schriftstellerin Jane Harper, der 2016 unter demselben Namen erschien und schnell zum Bestseller avancierte. Harper erzählt darin die Geschichte des Federal Agent Aaron Falk, der nach zwanzig Jahren in seine provinzielle Heimatstadt im Hinterland von Melbourne zurückkehrt, wo sein einstiger Freund Luke beerdigt wird. Der soll seine Familie umgebracht haben, nur Baby Charlotte wurde verschont. Allgemein wird angenommen, dass Luke wie so viele Farmer unter der Dürre litt, nicht mehr wusste, wie er Farm und Familie durchbringen sollte und zum Äußersten, einem erweiterten Selbstmord, griff. Allerdings haben nicht nur Lukes Eltern, die auch Aaron einst wie einen Sohn bei sich aufgenommen hatten, ihre Zweifel an der offiziellen Version, sondern auch der örtliche Ermittler ist nicht sicher, ob er die Selbstmordthese wirklich glauben kann. Falk selbst ist in doppelter Hinsicht betroffen, da er einst nach dem Selbstmord seiner Freundin Ellie, deren Vater allerdings ihn dafür verantwortlich machte, ihn gar verdächtigte, selbst der Mörder zu sein, mit seinem Vater aus der Stadt geradezu geflohen war. Nun kommen also alte Erinnerungen hoch und vermischen sich mit den aktuellen Vorwürfen gegen Luke – der auch damals schon eine dubiose Rolle im Zusammenhang mit Ellies Tod gespielt hatte.
Das Drehbuch, das Regisseur Robert Connolly gemeinsam mit Harry Cripps verfasst hat, hält sich eng an Harpers Vorlage, glättet und strafft hier und da und kann dennoch als eine gut gelungene Verarbeitung eines literarischen Stoffes betrachtet werden. Vor allem werden die beiden Autoren jenen Aspekten in Harpers Buch gerecht, die nicht unmittelbar mit dem Kriminalfall zu tun haben: Da ist zum einen dieses ewig weite Land, das schier unermesslich unter einem ebenso unermesslichen Himmel sich dahinzieht, die Menschen, die hier leben, aber zu erdrücken scheint; da sind die Bewohner dieser Einöde, die ihr eigenes Ding machen und wenig mit den Vorgängen in der großen weiten Welt zu tun haben, die von hier aus betrachtet sehr weit entfernt ist; da sind die Einsamkeit und die Armut, die aus dem langsamen Niedergang des Landes durch den ausbleibenden Regen erwachsen. Letztere – die Armut – hebt der Film allerdings weniger hervor als der Roman es tut, obwohl die Auflösung des Falles auch damit zusammenhängt, dass bspw. die Schule darunter leidet, dass die Gemeinde wenig Geld hat und dringend auf Spenden und Zuweisungen verschiedener Wohltätigkeitsorganisationen und privater Spender angewiesen ist. Auch die unerträgliche Hitze, die der Roman – Ausweis des literarischen Könnens der Autorin – seine Leser*innen geradezu spüren lässt, vernachlässigt der Film, betrachtet man die immer trockenen, immer gestärkten Hemden der Protagonisten. Doch sind dies zu vernachlässigende Kleinigkeiten. Die Weite und Einsamkeit der Landschaft hingegen fängt Stefan Duscios Kamera kongenial ein und liefert immer wieder atemberaubende Bilder, die das Publikum spüren lassen, wie klein, wie allein man sich unter diesem Himmel und in diesen Gegenden fühlen kann.
Connolly inszeniert das sich entfaltende Drama dem Roman entsprechend langsam, manchmal schon lethargisch. Eric Bana in der Hauptrolle des zurückhaltenden, freundlich-distanzierten Aaron Falk entspricht dieser Inszenierung, indem er sich mimisch wie gestisch so zurückhält, dass der Eindruck entstehen könnte, da ginge ein Somnambuler um. Und doch passt dieses Spiel zur Rolle und der Rolle, die dieser Mann in dieser Kleinstadt namens Kiewarra spielt. Denn Falk wird nach wie vor verdächtigt, an Ellies Tod schuld zu sein, auf die eine oder andere Weise. Die Zurückhaltung, die dieser Mann übt, ist also nachvollziehbar. Sie ist auch Schutz – vor den Anwürfen anderer ebenso, wie vor der Bitternis in seinem Innern, verlor er doch immerhin eine Freundin, die gerade anfing mehr als nur eine Freundin zu sein. Und um die er kaum angemessen trauern durfte. Ein Schmerz, der nun seit zwanzig Jahren in ihm schlummert, der aber wohl nie wirklich vergangen ist. Und genau das versteht Bana zum Ausdruck zu bringen.
Einem Roman stehen natürlich andere Mittel zur Verfügung, um Gegenwart und Vergangenheit einander gegenüberzustellen und auch ineinanderfließen zu lassen. Connolly bedient sich herkömmlich-konventioneller filmischer Mitteln, um die Betrachter*innen immer wieder gemeinsam mit Falk in die Vergangenheit zu entführen. So wird dem Publikum nach und nach die nicht immer einfache Geschichte der Freundesgruppe um Luke und Aaron entblättert. Zu der gehörte natürlich die verstorbene Ellie Deacon, zudem aber auch noch Gretchen, die noch immer in Kiewarra lebt und dort ihren Sohn allein aufzieht. Sie ist eine der wenigen in der Stadt, die Aaron willkommen heißen, die meisten hingegen stehen ihm bestenfalls neutral und distanziert gegenüber; Ellies Vater, mittlerweile dement und dadurch immer wieder im Glauben, Aaron wäre sein eigener Vater, und dessen Neffe Grant Dow hingegen greifen Falk aggressiv an. Es entsteht eine immerwährende Grundspannung, die hervorragend mit der Hitze korrespondiert, die hier herrscht. Alle in diesem Kaff stehen unter Spannung, scheinen zu warten, dass etwas passiert, ohne zu wissen oder auch nur zu ahnen, was das sein könnte. So könnte die Heimkehr von Aaron Falk auch ein willkommener Katalysator sein, um eben diese Spannung zu lösen, ihr ein Ventil zu verschaffen.
Diese Möglichkeit wird im Buch allerdings stärker ausgespielt, stärker in die Handlung und die Handlungen der mehr oder weniger Beteiligten einbezogen. Dafür legt Connolly in einigen Momenten des Films hingegen stärker als es Harper im Roman tut Fährten, die den Eindruck erwecken, Luke könne nicht nur am Tod seiner Familie, sondern eben auch an dem von Ellie Deacon Schuld tragen. Dies auch ist der Verdacht, den Lukes Vater Gerry hegt und der ihm natürlich keine Ruhe lässt. Deshalb hat dieser Mann Aaron gebeten, ein wenig zu ermitteln, zumindest herauszufinden, ob es in Lukes Buchhaltung stimmte oder ob dort ein Motiv zu finden sei, weshalb dieser seinen und den Tod der Familie als letzte Ausflucht aus seiner Misere betrachtet haben könnte. Gerry will aber auch wissen, was sich zwanzig Jahre zuvor wirklich abgespielt hat, denn er weiß, dass sowohl sein Sohn als auch Aaron damals gelogen haben über jene Stunden, in denen Ellie zu Tode kam. Sie waren nicht gemeinsam auf Kaninchenjagd, wie beide behaupteten.
Literatur kann weitere Bögen spannen, kann Zwischenräume und Grauzonen anders verdichten und das Ambivalente, Ambigue, das Widersprüchliche besser ausleuchten und zugleich auch für sich stehen und wirken lassen, als ein Film dies kann, da der immer das klare, konkrete Bild anbietet, anbieten muss. Will der Film mehrdeutig werden, wird er oft experimentell – oder es sind Meister wie David Lynch am Werk, ein Vergleich, dem ein Mann wir Robert Connolly dann doch nicht standhalten kann. Dies ist im Kern ein Kriminalfilm, der sich zu einem Drama ausweitet. Aber eben ein Kriminalfilm, und damit gewissen Konventionen und Regeln unterworfen. Diese Regeln und Konventionen sind natürlich dehnbar, man kann mit ihnen spielen und man kann dabei auch etwas wagen. Doch haben sich Jane Harper für ihren Roman und dementsprechend Robert Connolly für seinen Film entschlossen, die Geschichte eher direkt, geradeheraus und eben nur punktuell (Harper im Roman stärker als Connolly im Film) durchmischt mit Erinnerungen und Flashbacks der Hauptfigur zu erzählen. Was sowohl dem Roman als auch dem Film dabei wirklich gut gelingt, ist die Darstellung, wie die Vergangenheit immer die Gegenwart bedingt, wie letztere sich durch sie erklärt – und damit immer auch auf die Zukunft zu- und ausgreift. All diese Menschen, die hier geschildert und portraitiert werden, sind deutlich durch die Spuren der Vergangenheit gezeichnet, gleich ob als Täter, Opfer oder passiv Betroffene.
Leider trauen sich weder das Buch noch der Film, ihr Publikum mit offenen, losen Enden zurückzulassen. Connolly folgt dem Roman auch darin fast sklavisch: Als wäre es eine Verpflichtung, werden alle offenen Geheimnisse, die seit zwanzig Jahren langsam im trockenen Wüstenstaub vergilben, ans Tageslicht gezerrt und schließlich gelöst. Mit mal mehr, mal weniger Logik (stattdessen durch viel, viel Zufall) wird aufgedeckt, was sich damals rund um Ellies Tod wirklich zugetragen hat, wer wofür verantwortlich gewesen ist und wer vollkommen unschuldig war. Doch wären dem Publikum so viel „Experiment“, so viel Ambivalenz durchaus zumutbar gewesen, Roman und Film ohne letzte Kenntnisse und vollkommene Auflösung zu verlassen. Vielleicht hätte es sogar damit leben können, Aaron Falk nicht als den lupenreinen Saubermann zu betrachten, als welcher er am Ende schließlich dasteht. Auch diese Figur – gerade diese Figur, die sowohl im Roman als auch im Film etwas blässlich bleibt – hätte ein wenig Geheimnis und Doppelbödigkeit gut vertragen.
Was Drehbuch und Regie tatsächlich sehr gut gelingt, ist die Darstellung der Spannungen, die zwischen den Menschen bestehen, die rund um den Tod von Luke miteinander in Aktion treten. Dass diese Spannungen und unterschwelligen Vorwürfe und Missachtungen – sieht man einmal von jenen ab, die Falk offen vorwerfen, der Mörder von Ellie zu sein – glaubwürdig und authentisch vermittelt werden, liegt vor allem an den Schauspielern, die nie überdramatisieren und denen es durchweg gelingt, das, was die Figuren umtreibt, glaubwürdig zu vermitteln. Der eine ist heimlich schwul, was in einem Kaff wie Kiewarra sicher nicht an die große Glocke gehängt werden sollte; die andere hat ein uneheliches Kind, dessen Herkunft und Abstammung auch für Aaron Falk interessant werden, brächten diese Details doch ganz neue Aspekte in die Frage, wer für den Tod von Lukes Familie verantwortlich ist; ein anderer wiederum hat Spielschulden; eine Zugezogene fühlt sich unwohl in der Abgeschiedenheit der Provinz usw. Lauter banale, alltägliche und normale Probleme ganz normaler Menschen – und doch sind sie für diese Menschen existentiell und dadurch auch wesentlich für die Frage, wer wofür verantwortlich ist.
Letztlich bleibt THE DRY eine gelungene Literaturverfilmung und ein starkes kriminalistisches Drama, das sein Publikum in einen wahrlich abgelegenen Teil der Welt entführt. Gute bis sehr gute Schauspieler runden das Werk, man nimmt hier allen ihre Rollen ab, es gelingen sogar Zwischentöne da, wo die Rollenverteilung an sich recht eindeutig ist. So hängt über dem Film – trotz der gleißenden Sonne, die zumindest die Tagszenen erhellt, ja, geradezu grell ausleuchtet – ein fast schwermütiger, dunkler Schatten, der sehr genau dem entspricht, was diese Gemeinde mit sich trägt, was ihre Bewohner wie einen Klotz mit sich schleppen seit vielen Jahren. Dass die Dreharbeiten nahezu ausschließlich in Victoria stattfanden und somit in jener Landschaft, in der die Geschichte auch spielt, trägt natürlich zur Authentizität und dazu bei, dass spürbar ist, was Hitze und Dürre tatsächlich bedeuten.
Vier Jahre später kehrte Eric Bana für FORCE OF NATURE: THE DRY 2 (2024) in der Rolle des Aaron Falk auf die Leinwand zurück. Erneut unter der Regie von Robert Connolly trat er in der Verfilmung des zweiten Romans von Jane Harper um den Ermittler der australischen Finanzbehörden auf. Bisher gibt es keine Verfilmung des dritten Teils der Serie. Man darf also gespannt sein.