DIE BRANDSTIFTER. WIE EXTREMISTEN DIE REPUBLIKANISCHE PARTEI ÜBERNAHMEN

Annika Brockschmidt bietet bei aller Kritik einen guten Einblick in die Entwicklung der Konservativen Partei der USA

Wie konnte es nur so weit kommen? Das dürfte die meist gestellte Frage sein hinsichtlich der (politischen) Entwicklung der USA im Allgemeinen und der Republikanischen Partei, der GOP (Grand Old Party), im Besonderen. Wie konnte diese Partei – einst auch gegründet, um dem Menschheitsverbrechen der Sklaverei ein Ende zu bereiten – die Partei, deren vielleicht berühmtester und historisch gesehen bedeutendster Vertreter Abraham Lincoln gewesen ist, derart weit nach rechts driften, dass es mittlerweile schwierig ist, sie von der ultrarechten bis rechtsextremen Szene zu unterscheiden? Wie konnte sie zu einem Verein werden, der sektenhaft einem Anführer folgt, dem es, nüchtern betrachtet, ausschließlich um die höchst eigenen Belange geht? Wie konnte es soweit kommen, dass eine Partei das politische System der Vereinigten Staaten von Amerika aufzukündigen scheint, seine politischen Gegner als Feinde betrachtet und um jeden Preis – auch den, demokratische Prinzipien generell aufzugeben – um die Macht kämpft?

Annika Brockschmidt gibt sich in ihrem aktuellen Buch DIE BRANDSTIFTER. WIE EXTREMISTEN DIE REPUBLIKANISCHE PARTEI ÜBERNAHMEN (2024) alle Mühe, diese Entwicklung nachzuvollziehen. Und obwohl ihre Befunde und vor allem ihr Erklärungsansatz durchaus kritikwürdig sind, gelingt es ihr doch, ein wenig Licht in das Dunkel dieses Rätsels zu bringen.

Methodisch – und das kann man durchaus kritisieren – bewegt sich Brockschmidt anhand einzelner Figuren durch die Jahrzehnte. Sie richtet sich an Politikern aus, die in ihrer Zeit das Gesicht oder zumindest eine Seite der Republikanischen Partei repräsentiert haben. Und Brockschmidt geht dabei sehr weit zurück, was dem Buch allerdings gut tut, denn so kann sie nachweisen, dass die Entwicklung, die wir heute beobachten, keineswegs so neu oder unerwartet ist, wie es mancher Beobachter gern hätte. Donald Trump und der Trumpismus kamen keinesfalls wie eine Plage über die Partei. Vielmehr wurden die Grundlagen für diese Übernahme bereits vor Jahrzehnten gelegt.

So erklärt Brockschmidt den Hintergrund der Partei nach dem 2. Weltkrieg, als eingefleischte Konservative begannen, Roosevelts New Deal-Politik anzugreifen und dem ehemaligen Präsidenten vorzuwerfen, sozialistische Elemente in die amerikanische Politik getragen zu haben. Früh konnten sich in der Folge des McCarthyismus wirklich rechte Elemente in der Partei ausbreiten, die keinesfalls mit herkömmlichem Konservatismus vereinbar gewesen sind, sondern vielmehr durchaus faschistoides Gedankengut einbrachten. Flankiert wurden sie einerseits von wirklich Konservativen wie William F. Buckley, der mit seinem 1955 gegründeten Magazin National Review maßgeblich Einfluss auf die amerikanische Politik, besonders aber auf die Entwicklung der Republikanischen Partei nahm, andererseits aber von Vereinigungen wie der John Birch Society, die offen Rassismus und White Supremacy – also die Überlegenheit der „weißen Rasse“ gegenüber allen andern (und damit waren interessanterweise auch Juden gemeint) – propagierte.

Politisch griff dieser Flügel der Republikanischen Partei erstmals mit der Kandidatur Barry Goldwaters für die Präsidentschaftswahl 1964 nach der Macht. Schon damals vertraten Goldwater und seine Unterstützter Thesen und Theorien, die stark an jene erinnern, die heute bei Donald Trump unter „America First!“ zu subsumieren sind. Hier sieht Brockschmidt in gewisser Weise einen Ausgangspunkt, von dem eine relativ gerade Linie zu den jüngsten Entwicklungen reicht. Durch Richard Nixon und mit Ronald Reagan trat ein Konservatismus ins Rampenlicht, der zwar mit einem Lächeln und der weichen, freundlichen Stimme des ehemaligen Schauspielers daherkam, inhaltlich allerdings knallharte und teils ultrarechte Positionen vertrat. Diese Härte hatte Reagan auch schon als Gouverneur von Kalifornien bewiesen, als er unter anderem erwog, Teile San Franciscos – genauer: Haight Ashbury, wo sich die Hippie-Kommune breit gemacht hatte – mit Napalm zu bombardieren. Sicherlich kein ganz ernst gemeinter Vorschlag, allerdings doch ein Hinweis auf die Unerbittlichkeit, die dieser Art des Konservatismus innewohnt. Reagan vertrat aber vor allem eine extrem neoliberale Wirtschaftspolitik (die allerdings in Widerspruch zur heutigen, eher isolationistischen Position steht, die u.a. Trump vertritt) und eröffnete damit jene Epoche, die heute als (moderne) Globalisierung bezeichnet wird; zugleich öffnete er die Republikanische Partei für die Evangelikalen Christen, wodurch eine erneut ultrakonservative Haltung, u.a. auch extrem homophobe, anti-wissenschaftliche oder auch kreationistische Ideen in die Partei getragen wurden und dort Anklang fanden.

Brockschmidt gelingt es recht gut, die Stimmungen jener Jahre einzufangen, in denen die Republikaner – bspw. unter Richard Nixon – ihre Strategien änderten, sich bis dato ungeahnte Wählerschichten erschlossen und bereit waren, demokratische Prinzipien aufzugeben, um sich Macht zu sichern. Dabei erlangten, neben den Evangelikalen, auch andere Lobbygruppen enormen Einfluss. Sei es die auch heute noch virulente Heritage Foundation, sei es Pat Buchanan, ein Kommentator und Journalist, der schließlich selbst in die Politik einzusteigen versuchte, damit in den 90er Jahren aber noch scheiterte, zu radikal waren seine Ideen, oder sei es Rush Limbaugh. Auch er ein Radiomoderator, der es sich zunutze machte, dass unter Reagan die sogenannte Fairness Doctrine, die eine ausgeglichene politische Berichterstattung in Presse und Rundfunk sowie dem Fernsehen vorschrieb, abgeschafft wurde und der ab 1987 in seinen Radioformaten gegen alles Liberale oder gar Linke – was bei ihm keinen Unterschied mehr machte – zu wettern begann.

Als Newt Gingrich zu Beginn der 90er Jahre in den politischen Vordergrund trat und begann, Politik als „Bloodsport“ – also als eine Art Krieg – zu betreiben, fielen die moralischen Schranken und begann jene Unerbittlichkeit um sich zu greifen, die Kompromisse als Schwäche auslegte und darauf abzielte, den politischen Gegner, der nun als Feind betrachtet wurde, nicht einfach zu besiegen, sondern möglichst zu vernichten. Jedwede demokratische Fairness wurde aufgegeben, jedes Mittel war (und ist) recht, um die eigene Position zu stärken, die eigenen Ziele durchzusetzen.

Dass auch die Demokratische Partei sich durchaus unehrlicher Mittel bediente, erwähnt Brockschmidt zwar, allerdings eher am Rande. So ist das berüchtigte Gerrymandering – also das Zurechtschneiden von Wahlkreisen derart, dass gewünschte Ergebnisse herauskommen; gerade in einem System des Mehrheitswahlrechts ein beliebtes Mittel – keineswegs eine Erfindung der Republikanischen Partei; historisch betrachtet wurde es während der sogenannten Reconstruction, also den Jahren nach dem Bürgerkrieg, eingeführt, um den Demokraten, damals die Partei des Südens, Wahlsiege zu sichern.

Es ist dies nicht der einzige – und wahrlich nicht der wesentliche – Kritikpunkt an dem Buch von Annika Brockschmidt. Vieles bleibt unverständlich und im Vagen, weil sie die Unterschiede in den politischen Systemen zu Europa nicht genau genug erklärt. Dass bspw. die Demokratische Partei schlichtweg ein Sammelsurium von sehr unterschiedlichen politischen Standpunkten ist, die ein Spektrum abdecken, das bei uns durchaus vom linken Flügel der CDU bis in den Bereich der Linken reichen würde, muss immer wieder auf Neue verdeutlicht werden. Die Demokraten sind als Partei nicht vergleichbar mit den Parteien, wie wir sie in Europa, gerade in Deutschland kennen. Auch müsste in einem Buch wie dem vorliegenden sehr viel umfassender das politische System generell erklärt werden, das Mehrheitswahlrecht, das Zwei-Parteien-System, die Rolle der Religion (wahrscheinlich der massivste Unterschied zu den europäischen Ländern, vielleicht einmal vom erzkatholischen Polen abgesehen) und die der Einzelstaaten. Erstaulicherweise wird einiges davon dann im letzten Kapitel des Buchs zumindest angerissen oder erwähnt. Stellt sich die Frage, ob das Lektorat da nicht hätte beratend eingreifen und auf eine Umstellung der Kapitel beharren sollen?

Vielleicht sind 330 Seiten Fließtext schlicht zu wenig, um das eigentliche Problem, um das es der Autorin geht, darzulegen. Brockschmidt schreibt gut, man kann das sehr gut lesen und dem allen auch gut folgen, es ist spannend und befleißigt sich nicht der eher bemühten Sprache von Fachliteratur. Doch damit kommen auch Ungenauigkeiten auf, um sprachliche Wiederholung zu meiden. Anders ist der oft synonyme Gebrauch von Begriffen wie „rechts“, „rechtsextrem“ oder „rechtsradikal“ und eben auch „konservativ“ nicht zu erklären. Doch ist es wesentlich, genau diese Unterscheidungen – und auch Abgrenzungen – zu treffen. Man sollte keinesfalls alles in eins setzen, denn der Konservatismus herkömmlicher Spielart – ein Konservatismus solch wesentlicher Denker wie des erst kürzlich verstorbenen Alfred Grosser bspw. – ist nicht mit dem schon revolutionären Geist dessen zu vergleichen, was die Republikanische Partei heutzutage ausmacht. Und es sollte im Sinne der politischen Hygiene immer auch ein Abstand zwischen Konservatismus und wirklich rechtem Gedankengut markiert werden.

Donald Trump, um auf den Fluchtpunkt dieses Buchs zurückzukommen, ist in dem Sinne kein Konservativer, wie er eben auch kein Faschist ist. Er ist ein Geschäftsmann, bestenfalls – aber wirklich nur und ausschließlich mit äußerstem Wohlwollen betrachtet – ein Ökonom, der in Deals denkt und immer darauf bedacht ist, für sich – und damit ist er höchstpersönlich gemeint – das Beste herauszuschlagen. Er und seine Kamarilla, womit vor allem seine Familie gemeint ist, haben sich der Republikanischen Partei bemächtigt, wie auch immer sie das im Einzelnen geschafft haben, und sich zu untertan gemacht. Donald Trump Jr., ältester Sohn des Patriarchen, hat dies auf einer Veranstaltung vor einigen Jahren auch genau so gesagt: Dies sei nun „Donald Trumps Republikanische Partei“.

Vielleicht ist ein Buch wie dieses für jene geschrieben, die sich stark für das Sujet interessieren, dann allerdings bringt die Autorin nicht genügend Neues; ist es für eine breitere Masse geschrieben – wovon auszugehen ist – müsste es umfangreicher, genauer, auch detailgetreuer sein, gerade in den Begrifflichkeiten. Dennoch kann Brockschmidt trotz aller Schwächen herausarbeiten und darstellen, dass die Wege, die Trump beschritten hat, alle schon seit Jahrzehnten angelegt waren. Es brauchte nur jemanden, der ruchlos und zynisch genug ist, sie auch zu beschreiten. Bleibt also die Frage: Amerika, wohin? Wahrscheinlich ist dies die Frage, die, global betrachtet, in den kommenden Jahren die wesentliche werden wird.

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