Seit jeher stehen Antikriegsfilme in der Kritik, da sie letztlich das, was zu kritisieren sie vorgeben, mit viel Verve und großem Aufwand reproduzieren. Selten gelingt es einem sogenannten Antikriegsfilm, das Grauen des Krieges auch nur ansatzweise realistisch zu zeigen – und wahrscheinlich ist das eben auch gar nicht möglich. Deshalb sind die besten „Antikriegsfilme“ zumeist die, die den Krieg gar nicht oder nur momentweise zeigen und sich stattdessen auf die Auswirkungen des Krieges auf den Menschen konzentrieren. Hal Ashbys COMING HOME (1978) oder auch Michael Ciminos THE DEER HUNTER (1978) sind Paradebeispiele dafür. Gelegentlich gelingt es, den Krieg zwar zu zeigen, dabei aber die Perspektive derer einzunehmen, die die eigentlichen Opfer aller Kriege sind – der Zivilisten. Roland Joffés THE KILLING FIELDS (1984) machte das exemplarisch vor und konnte grandios überzeugen.
Predrag Antonijević versucht es in seinem Film SAVIOR (1998) mit kompromißloser Härte. Die ersten 30 Minuten sind von solcher Brutalität und teils ekelerregendem Sadismus geprägt, daß dem Zuschauer Hören und Sehen vergeht. Daß hier noch irgendeiner heimlichen Schaulust am Geschehen gefrönt würde, kann man wirklich nicht behaupten. Scharfschützen töten Kinder und Jugendliche, die sich Tieren nähern, Folter wird gezeigt, der brutale Umgang mit Gefangenen. Das alles spielt sich mitten im Krieg auf dem Balkan ab, der seit den frühen 90ern zwischen Serbien, Kroatien, im Kosovo und an nie wirklich erkennbaren Fronten tobte. Es war ein Krieg, der sich in Europas Gedächtnis auch deshalb eingebrannt hat, weil er mit Mitteln geführt wurde, die kollektiv Erinnerungen an die Gräuel des 2. Weltkriegs und der deutschen Wehrmacht evozierten. Es hab Konzentrationslager, Erschießungen von Zivilisten und „strategische“ Massenvergewaltigungen, um dem Gegner auch größtmögliches kulturelles Unheil zuzufügen. Frauen wurden in diesem Krieg sozusagen als Waffe eingesetzt, trugen sie doch oftmals die vom Feind gezeugten Kinder im Leib.
Genau darauf rekurriert SAVIOR. Der von Dennis Quaid routiniert überzeugend gespielte Amerikaner Joshua Rose, der nach einem Anschlag in Paris Frau und Kind verloren und mit einem Massaker in einer Moschee blutig Rache genommen hatte, dient als Söldner auf dem Balkan. Er verdingt sich bei serbischen Truppen und nimmt schließlich eine junge Serbin unter seine Fittiche, die schwanger aus einem Gefangenenlager des Feindes ausgetauscht wird. Wie dieses ungleiche Paar sich gegen die Widrigkeiten im Feindesland durchschlagen müssen, verfolgt und bedroht von Freund und Feind, von der Familie der Frau, nirgends sicher und nie in Sicherheit, davon erzählt Antonijević´ Film. Er mutet wütend, gar verzweifelt an, als renne hier ein Künstler gegen die Wirklichkeit an, die zu begreifen und vor allem zu akzeptieren so unendlich schmerzhaft ist. Doch sollte man sich nicht wundern, denn dies ist eine amerikanische Produktion, keine serbische, und mit Dennis Quaid hat ein beliebter amerikanischer Schauspieler die Hauptrolle übernommen. Das mag u.a. der Vermarktungstechnik geschuldet sein, erfolgreich war er so oder so nicht. Zu aufwühlend ist das Thema und zu brutal, was Antonijević zu zeigen bereit ist. Doch bleibt leider ein fader Geschmack zurück, da nicht der Eindruck entsteht, daß sich hier ein Künstler wirklich mit der Geschichte seines Landes auseinandersetzen könnte. Eher hat man es mit der Heilsgeschichte eines an Leib und Seele verwundeten Amerikaners zu tun, der sich als Außenstehender in einem Konflikt engagiert, der ihn nichts angeht und dessen Schrecknisse ihm schließlich als Mittel gereichen, eigene Schuld zu begleichen.
Möglicherweise entsteht hier ein halbwegs realistisches Bild dieses Krieges. Produziert u.a. von Oliver Stone, dessen PLATOON (1986) gewiß kein Anti-Kriegsfilm gewesen ist, sondern den Krieg zumindest als eine, wenn auch grausame, Initiationsmaschine für junge Männer abbildet, wenn nicht gar feiert, sucht SAVIOR sein Heil, um den Zuschauer nicht mit vollkommener Hoffnungslosigkeit zurück zu lassen, in der Widerherstellung der Familie. Ein uramerikanisches Sujet. Der „Retter“ im Film ist Joshua Rose und es bleibt dem Zuschauer überlassen, ob er den Titel profan deuten, oder aber in dessen Zweitbedeutung auch als „Erlöser“ verstehen will. Dann bliebe die Frage, was oder wer hier erlöst wird? Die Kombattanten im Film sind durchweg monströs dargestellte Serben und Muslime. Einige wenige Zivilisten erscheinen menschlich. Rose, der selbst ein unglaubliches Verbrechen begangen hat, das zu Beginn des Films in aller Ausführlichkeit gezeigt wird, und doch nicht wirklich berührt, mag ein kaltblütiger Killer geworden sein, im Angesicht des neu geborenen Lebens erwachen in ihm aber menschliche Instinkte. Er rettet Mutter und Kind – aber möglicherweise erlöst dieses Kind ihn auch von seiner Schuld. Stone liebt religiöse Einschreibungen, PLATOON strotzt nur so davon, und man kommt nicht umhin, ihm einen gut Teil der Verantwortung für die Wendungen zuzuschreiben, die SAVIOR im Laufe seiner Handlung nimmt.
Will man SAVIOR also derart lesen, daß hier Schuld durch die gute Tat abgetragen werden kann, müsste man ihm attestieren, zutiefst reaktionär zu sein. Dem widerspricht die Art und Weise, wie diese Rettung sich vollzieht. Vor allem jene Szene, in der die Mutter des Kindes Rose und das Baby rettet, indem sie ihm mit Zeichen zu verstehen gibt, er solle nicht bei einer Massenexekution eingreifen, der auch sie zum Opfer zu fallen droht, und dann anschließend wirklich eines wahrlich grausigen Todes stirbt, konterkariert die „Rettung“ erneut. Rose bringt das Kind zu einer sicheren Rotkreuzstation und will dann, schwer verletzt, allein weiter, doch folgt ihm eine junge Frau, nimmt das Kind an sich und sucht ihn, um ihm zu sagen, daß er sein Kind nicht allein lassen dürfe. So verbleibt der Film schließlich im Ungefähren und lässt ein aufgewühltes, emotional zutiefst verunsichertes Publikum zurück. Vielleicht ist es die Stärke des Films, daß er diese Widersprüchlichkeiten, die Ambivalenzen, spürbar und es dem Zuschauer nicht einfach macht, sie zu ertragen. Vielleicht ist das die beste Aussage, die ein Film über den Krieg treffen kann – daß er alle Beteiligten zu Schuldigen macht, daß am Ende alle mit fürchterlichen Beschädigungen und Verletzungen zurückbleiben und ein Heilungsprozeß nur sehr, sehr langsam in Gang kommen kann.
Doch es bleibt ein bitteres Gefühl auch in Bezug auf die Darstellung all der Menschen, die in ihrem Land diesen Krieg führen und ertragen müssen. Daß der Amerikaner Joshua Rose an dem Töten partizipiert und sich vor der gerechten Strafe für seine Taten verstecken kann, mag einer umso zynischeren Realität entsprechen, der Film selbst bleibt diesen Taten gegenüber, begangen an Unschuldigen in einer Pariser Moschee, indifferent. Man soll Rose´ Schmerz und Zorn ob der Tötung von Frau und Kindern verstehen, doch der eben noch so liebevolle Vater mutiert derart plötzlich zum todbringenden Racheengel, daß weder der Film, noch der Zuschauer eine Haltung dazu einnehmen können. So bleibt das Motiv für Rose` Verhärtung und seine Brutalisierung pure Behauptung, psychologisch nachvollziehbar ist sie nicht. SAVIOR weist leider einige solcher Schwächen auf und so sehr der Film eben emotional packt, so ärgerlich ist er auf einer intellektuellen Ebene, auf der man als Betrachter ernst genommen werden will. Und genau das scheinen weder Antonijević, noch sein Film zu tun. Der Regisseur auf die pure Emotion und erfüllt damit letztlich den Zweck der Propaganda, wofür diese Propaganda in diesem Falle auch immer gut sein soll. Es bleibt der Eindruck, es mit einem unentschiedenen Film zu tun zu haben, der sich irgendwann in seinen eigenen Fallstricken verheddert.