Für Europäer, vor allem Deutsche mit ihrer spezifischen Vergangenheit, ist es nur schwer zu verstehen, daß es in Fragen wie jener nach der Todesstrafe überhaupt zwei Meinungen geben kann. Wir halten sie für barbarisch, sind fest davon überzeugt, daß sie keine abschreckende Wirkung hat und man Unrecht niemals mit Unrecht vergelten kann. Und einem Menschen willentlich und vorsätzlich das Leben zu nehmen, ist Unrecht. Hinzu kommen eine ganze Reihe von Folgefragen, allen voran die nach der Hinrichtungsmethode und – vielleicht noch wesentlicher – jene danach, wie man mit Fehlurteilen umgehen soll? Im amerikanischen Kino wurde die Todesstrafe immer wieder einmal thematisiert, selten so eindeutig und wütend wie in Robert Wise´ I WANT TO LIVE (1958), der schon damals unterschiedliche Aspekte des Themas wie z.B. die soziale Frage, die daran hängende der Verteidigung und auch die eines möglichen Fehlurteils behandelte.
Generell ist das Thema allerdings auch für Filmschaffende ein heikles. Zu divergent sind die Meinungen in der breiten Masse, will ein Film also kommerziell erfolgreich sein, muß er lavieren. Oder er nimmt sein Thema – aus amerikanischer Perspektive – so ernst, wie es Tim Robbins tat, als er mit seiner damaligen Frau Susan Sarandon und Sean Penn in den Hauptrollen die Geschichte der Ordensschwester Helen Prejean verfilmte. DEAD MAN WALKING (1995) dürfte der mit Abstand ehrlichste, bitterste und deutlichste Film zum Thema sein.
Einmal mehr beruht die Geschichte auf einer „wahren Begebenheit“. Allerdings weist Robbins im Abspann dezidiert darauf hin, daß die Geschehnisse, Figuren und Begebenheiten dramatisiert und für die Leinwand entsprechend bearbeitet wurden. Vielleicht kommt das dem Film und der Problematik, die er ausstellt, sogar zugute. Robbins macht es weder sich als Regisseur, noch seinen Protagonisten und erst recht seinem Publikum alles andere als einfach. Unter Verzicht auf jegliche Klischees bietet er dem Zuschauer für etwas mehr als zwei Stunden ein Drama, aus dem es schlicht kein Entkommen, keinen Ausweg gibt. Selten, daß ein Film dem Zuschauer so lange, nachdem er das Kino verlassen hat, noch nachhängt.
Zwei Jugendliche am Beginn ihres Lebens, voller Freude auf das, was da kommen mag, werden auf bestialische Art und Weise umgebracht, die Täter sind ein junger Kerl und sein brutaler Freund, der wie ein älterer Bruder als Vorbild fungiert. Doch während der Ältere es schafft, mit einer lebenslangen Haftstrafe davon zu kommen, wird der Jüngere zum Tode verurteilt. Das bedeutet in einem Staat wie Louisiana, daß man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch hingerichtet wird. Als der Gouverneur um seine Wiederwahl bangen muß, beginnt auf Death Row, wie der Trakt mit den Todeskandidaten genannt wird, ein Wechselspiel. In kurzen Abständen werden schwarze und weiße Häftlinge hingerichtet. Das verschafft dem Gouverneur ein gewisses Image als harter Hund, als Mann mit Prinzipien und Durchschlagskraft. Der Todeskandidat Matthew Poncelet wendet sich an die Nonne Helen Prejean, weil er sich von ihr und ihrer Funktion Unterstützung bei seinen letzten Versuchen erhofft, eine Revision oder wenigstens einen Aufschub des Urteils zu erreichen. Prejean setzt sich für ihn ein und lernt einen zutiefst von Ressentiments und rassistischen Vorurteilen geprägten Mann kennen, der ihr wenig Respekt zollt, wie er generell anderen Menschen wenig Respekt oder Achtung entgegenbringt.
So ambivalent Robbins und Penn diesen Matthew Poncelet zeichnen – Penn liefert hier eine der besten Leistungen seiner Karriere, die man vor allem im Original erst wirklich zu würdigen versteht, wenn man hört, wie perfekt er den Südstaatenakzent der weißen Unterschicht zu imitieren in der Lage ist – so genau blicken Regie und das Drehbuch, ebenfalls von Robbins verfasst, auf die übrigen Beteiligten.
Da sind die Eltern der Toten, zutiefst verletzte und dementsprechend unversöhnliche, vielleicht sogar unbarmherzige Menschen, die die Hinrichtung wollen, um jeden Preis, da sie sie mit Gerechtigkeit gleichsetzen. Die Momente, in denen Prejean ihnen begegnet, zunächst durch Zufall, später sucht sie die Nähe vor allem zu Earl Delacroix, dem Vater des toten Jungen, gehören mit zum Eindringlichsten, was je auf die Leinwand gebracht wurde. Hier sieht man keinen rachsüchtigen Mann, der nach Gerechtigkeit schreit, keine Abziehfigur oder Stereotype, sondern einen Vernichteten, jemanden, der in seiner schieren Verzweiflung nicht mehr Willens ist, sich mit den Belangen des Mannes auseinander zu setzen, der ihm den Sohn genommen hat. Ebenfalls Katholik, entspinnt sich zwischen ihm und der Ordensschwester ein feiner und auch für weniger religiöse Menschen nachvollziehbarer Dialog über Recht und Vergeltung, Liebe und Hass und die Frage nach Vergebung. Ob man es will oder nicht – man versteht automatisch, weshalb dieser Mann einem Kerl wie Poncelet niemals wird vergeben können. Hinzu kommt, daß Robbins anhand dieser Figur auch Folgeerscheinungen thematisiert. Prejean begleitet Delacroix zum Treffen einer Selbsthilfegruppe für Eltern, die Kinder verloren haben. Hier lernt sie, die Kinderlose, nicht nur den Schmerz verstehen, den das bedeutet, sondern sie erfährt auch, daß Delacroix´ Frau sich scheiden lässt. Der Mord an den Kindern hat also auch Kollateralschäden, selbst Jahre nachdem er stattgefunden hat. Zerstörte Familien, zerstörte Leben.
Auch die Auseinandersetzung mit den Eltern des toten Mädchens, den Percys, die weitaus weniger nachgiebig sind, als es Delacroix ist, bringt Schmerz, nicht vergehende Trauer und Verlust zum Ausdruck. Und auch wenn Clyde Percy ein wenig zugänglicher Mann ist, der gern harte Worte im Mund führt, spielt R. Lee Ermey ihn mit so viel Emphase, daß man auch ihn versteht. Da Robbins darauf verzichtet, diese Menschen anderes als ganz normale Bürger darzustellen, die nie im Leben damit gerechnet hätten, je in eine solche Lage zu kommen, da er darauf verzichtet, sie eindeutig zu zeigen – indem er Percy bspw. emotionale Ausbrüche gestattete oder ihn als Kraftmenschen darstellen ließe – wird es dem Zuschauer umso schwerer gemacht, sich gegen diese Menschen zu stellen. Ihre Sicht der Dinge hat in dem Diskurs, den der Film anstrengt, seine Berechtigung und steht gleichberechtigt neben der Sicht auf Poncelet und dessen Familie, in der es ebenfalls eine Mutter gibt, die, allein mit vier Jungs, kaum weiß, wie sie sich über Wasser halten soll und unter schrecklichen Selbstvorwürfen leidet. Auch diese Familie wurde durch den Mord zerstört.
Die einfachste und klarste Rolle im Film ist die der Ordensschwester Helen Prejean. Sie wirkt in der Darstellung durch Susan Sarandon wie ein Mensch, der sich seines Glaubens sicher und dadurch mit sich im Reinen ist. Sie hat eine sie liebende, unterstützende Familie, die es toleriert, daß sie sich um einen Mörder kümmert. Sie ist in ihre Gemeinde – eine ärmliche Gegend irgendwo in Louisiana, wo sie vor allem schwarze Kinder betreut – gut integriert, ihre Ordenskolleginnen und sie sind freundschaftlich miteinander verbunden, die Kinder mögen sie, auch wenn es zwischenzeitlich zu einer Entfremdung kommt, nachdem Poncelet in einem Fernsehinterview seinen Respekt vor einer Figur wie Hitler kundgetan und sich massiv rassistisch geäußert hat. Prejean bittet in ihren Gebeten um die Stärke, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Sie hat zuvor niemals einen Todeskandidaten begleitet, sie muß sich Poncelet und seinen Tiraden stellen und sie soll ihn – so ihre Aufgabe laut des Gefängnispfarrers – auf den rechten Weg führen, sprich: ihn dazu bewegen, sich zu bekennen und damit sein Seelenheil zu finden, damit er als Gläubiger vor seinen Herrn treten kann. In der Auseinandersetzung zwischen den beiden und durch Prejeans unerschütterlichen Glauben kann Poncelet schließlich seine Taten eingestehen und sich bekennen. Doch geht es dabei nur vordergründig um einen religiösen Akt. Prejean kann ihm vermitteln, daß es so oder so um sein Seelenheil gehe, gleich, ob er an einen Gott glaube oder nicht. Es geht eben auch um seine eigene Mutter und seine Brüder, die ein Recht haben, daß Matthew sich bekennt, mehr noch geht es um das Seelenheil der Eltern der toten Jugendlichen, die zum Zeitpunkt der Handlung seit sechs Jahren darauf warten, daß sie erfahren, was sich in jener Nacht im Wald wirklich zugetragen hat.
Schließlich ist da Matthew Poncelet selbst. Sean Penn spielt ihn als hochmütigen, oft sogar arroganten Proll, mit Hakenkreuzen tätowiert, voller einfacher und oft auch dummer Weisheiten, der sich selbst bescheinigt, kein „Opfer“ zu sein. Opfer verachtet er grundlegend. So kann er nicht nur Hitler einiges abgewinnen, sondern auch Martin Luther King, der sich wenigstens gewehrt habe. Poncelet leugnet die Tat und beschwert sich, daß er in der Todeszelle sitze, während sein Kompagnon nur eine lebenslange Haftstrafe abzusitzen habe. Er macht nahezu jeden für seine Situation verantwortlich, nur nicht sich selbst. Es ist für den Zuschauer extrem schwierig, diesen Typen zu ertragen. Er ist unsympathisch, voller Verachtung für seine Opfer, er ist ein Frauenfeind und ausgewiesener Misantroph. Und doch gelingt es sowohl Robbins´ Regie, als auch Penns Darstellung, diesem Typen eine Grundwürde zu verleihen, die eben auch ihn zu einem menschlichen Wesen macht.
Robbins inszeniert sein Drama mit möglichst wenig Dramatik. Durch eine gewisse Sachlichkeit, eine Nüchternheit, erhalten die Vorgänge – sowohl der konkrete Vorgang der institutionellen Tötung eines Menschen, als auch die emotionalen zwischenmenschlichen – aber eine Dringlichkeit und Intensität, die diese Distanz ununterbrochen unterläuft. Gerade daß wir uns dem Schmerz, den nahezu alle Beteiligten auf ihre je eigene Weise empfinden, so nüchtern stellen müssen, ihn schlicht zur Kenntnis nehmen müssen, macht ihn so unerträglich, weil er so wahrhaftig ist. Robbins zeigt uns Dialogpartner oft in Totalen und Halbtotalen, langsam gleitet die Kamera vom Geschehen weg, bis wir schweigende Menschen sehen, die sich manchmal nichts zu sagen haben, manchmal keine Worte mehr finden, weil das, was sie bewegt, in Bereiche der Seele geht, die sprachlich nicht mehr erreichbar oder auszudrücken sind. Es gibt Momente in diesem Film, die es zu ertragen gilt, in denen man am liebsten aufstehen und wegrennen würde. Und es sind oft eher undramatische Momente.
Mehrfach nutzen Robbins und Kameramann Roger Deakins Überblendungen und Tiefenschärfe, um das Stahlnetz, das Delinquent und Besucher im Gefängnis voneinander trennt, unsichtbar zu machen, ebenso spiegelt sich Helen Prejeans Gesicht mehrmals in Poncelets Gesicht, wenn sie nur noch durch eine Scheibe miteinander reden dürfen, wodurch die Distanz, die das Gefängnis automatisch herstellt, die aber auch zwischen der Nonne und dem Rassisten durch Tat, Haltung und Lebensform besteht, aufgehoben wird. Das impliziert eine Nähe, die Prejean zusehends herstellt, indem sie sich einerseits in Poncelets Situation – den Tod deutlich vor Augen – einfühlt, aber auch dadurch, daß es ihr gelingt, sein verschlossenes Herz, seine Seele zu öffnen, Zugang findet zu seiner dunklen, aber auch seiner verletzlichen Seite. Sie legt den Kern eines Menschen frei, der sich eine extrem harte Schale antrainiert hat, der mit Sprache abstößt und seine Umwelt auf Abstand hält, in dem aber letztlich ein Mensch steckt, der Angst hat. Der einst Angst hatte, keine Anerkennung zu finden bei seinen Kumpels, Angst vor einer Welt, die ihm fremd erscheint und der er mit den einfachen Wahrheiten des Rassismus, der Menschenverachtung und der Logik von Verschwörungstheorien begegnet. Und nun hat dieser Mensch schlicht Angst vor dem, was da kommt. Der eigene Tod als unmittelbar absehbare Zukunft. Die Angst vor Schmerzen und Qual. Das Gefühl, daß die Gesellschaft selbst Unrecht an ihm verübt.
Robbins zeigt die Vorbereitungen der Hinrichtung, er lässt Poncelets Anwalt bei einer Anhörung genau erklären, was dem Kandidaten bevorsteht. Statt der in Robert Wise´ einst vorgeführten Methode der Vergasung oder des elektrischen Suhls, wird Matthew Poncelet mit der damals, Mitte der 90er Jahre, noch relativ neuen Methode einer Giftinjektion hingerichtet. Damit die Zeugen nicht die Qualen des Sterbenden ertragen müssen, wird ihm zunächst ein Betäubungsmittel gespritzt, das seine Muskeln lähmt, so daß es nach außen erscheint, als litte er nicht, sondern gleite ruhig in den Tod hinüber. Und das, während, so der Anwalt, „in seinem Innern ein fürchterlicher Kampf wütet“. Die Lunge implodiert unter dem ersten tödlichen Mittel und schließlich hält das zweite Mittel das Herz an. Exitus. Diese Prozedur wird uns nahezu in Echtzeit vorgeführt und es sind fürchterliche Minuten, die der Zuschauer durch zu stehen hat. Er ist, wie die Eltern der Ermordeten, wie der Gefängnispfarrer, die Anwälte und auch Helen Prejean, Betrachter, ein Zeuge der Prozedur.
Robbins wendet allerdings eine nahezu perfide Strategie an, uns unserer Sicherheiten zu berauben, indem er in den „sauberen“ staatlichen Tötungsvorgang den Mord an den jungen Menschen im Wald hineinschneidet. Das ist dreckig, es ist schmerzhaft und unglaublich gewalttätig. Brutal werden die beiden Opfer gefesselt, in den Wald geschleppt, das Mädchen wird vergewaltigt und mit etlichen Messerstichen malträtiert, schließlich werden beide in den Hinterkopf geschossen. Auch diese Morde haben etwas von einer Hinrichtung. Und wir sehen – was er aber zuvor bereits gegenüber Schwester Prejean eingestanden hatte – wie es Matthew Poncelet ist, der sich an der Vergewaltigung beteiligt und wie er den Jungen in den Kopf schießt. Und fassungslos stehen wir vor dieser Brutalität, vor diesem Verbrechen, können – und wollen – nicht verstehen, was Menschen einander anzutun in der Lage sind. Und doch trifft uns der klinisch saubere Vorgang der Hinrichtung ebenso, macht uns gerade in seiner scheinbaren Gründlichkeit, in seinem vermeintlich sauberen Ablauf, doch ebenso fassungslos. Die Detailgenauigkeit des einen wie des anderen ist es, die das Betrachten dieser Schlußminuten des Films so unerträglich macht – und das Wissen darum, wie schwierig es ist, wirklich eine Haltung zu finden, wenn man weiß, oder zumindest ahnt, wie die letzten Minuten im Leben von Walter Delacroix und Hope Percy gewesen sein müssen.
Am Ende dieses Films bleibt so schiere Ratlosigkeit. Wir verstehen den Schmerz und die Wut der Eltern, wir wollen nicht das staatliche Diktum des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ verstehen oder akzeptieren und der Film lässt an der Grausigkeit der Hinrichtung keinerlei Zweifel. Eine sich zivilisiert gebende Gesellschaft, die nach alttestamentarischen Regeln urteilt, steht hier zwar nicht unter Anklage, doch zumindest in Frage. Und doch steht da eben auch die Grausamkeit der Tat, die zwei betrunkene Kerle unter Drogeneinfluß, die wenig mit sich anzufangen wissen, an zwei jungen Menschen begangen haben.
Robbins Film klagt die Todesstrafe an, das steht außer Frage, aber er zeigt vor allem, wie kompliziert dieser Diskurs in der amerikanischen Gesellschaft ist. Er zeigt deutlich die Pros und Contras auf, die zumindest in den USA die Debatte begleiten, und macht verständlich, weshalb die amerikanische Gesellschaft sich so schwer tut, von dieser Form der Bestrafung abzulassen, obwohl immer mehr Staaten die Todesstrafe nicht zuletzt deshalb aussetzen, weil die Menge an Fehlurteilen bedrückend ist. Es sind vor allem Arme und mehr noch arme Schwarze, die in den Todestrakten einsitzen. Sie haben oft schlechte Pflichtverteidiger – dies alles kommt auch im Film während der bereits erwähnten Anhörung zur Sprache – , können sich weder Gutachter, noch Sachverständige leisten, sind oftmals schon vorverurteilt von Jurys – man bedenke das amerikanische System des Geschworenengerichts – die nominell unvoreingenommen sein sollen, unbeeinflusst von Medien und öffentlicher Meinung, dies aber in den seltensten Fällen auch wirklich sind. Poncelet ist ein Weißer, kein schwarzer Mann, was seine Ausgangssituation vielleicht etwas verbessert. Doch in seinem Auftritt, auch seinem Look als Südstaatenrebell, die Haare zurückgekämmt und mit Gel in Form gebracht, mit seinem Ziegenbärtchen, seinen Tattoos, und vor allem seiner Sprache, ist er Mitte der 90er Jahr deutlich als jemand gekennzeichnet, der jener Schicht entstammt, die oft verächtlich als „White Trash“ bezeichnet wird. Und auch diese Menschen haben meist wenig Chancen vor Gericht.
DEAD MAN WALKING bringt auf relativ einfache und kühle Art viele Aspekte auf die Leinwand, die mit dem Gesamtkomplex „Todesstrafe“ zusammenhängen. Doch er gibt dem Publikum letztlich keine Antworten. Er stellt dar. Und wir müssen uns unser eigenes Bild machen. Wir müssen in uns eine Haltung dazu finden und diese rechtfertigen. Damit ist dies einer der wenigen Filme aus Amerika, die mit einem recht großen Budget ausgestattet, die Starpower und die Unterstützung von Künstlern wie Eddie Vedder, Nusrat Fateh Ali Khan hatten, die gemeinsam einen Teil des Soundtracks geschrieben und eingespielt haben, aber auch von Bruce Springsteen, dessen Song DEAD MAN WALKING sicher zu den besten gehört, die er in den 90ern geschrieben hat, und die dennoch komplex sind, die keine einfache und klare Haltung anbieten und das Publikum in eine Richtung stoßen. DEAD MAN WALKING ist, und das ist eine seiner ganz großen Stärken, kaum manipulativ. Es ist ein Diskursbeitrag, ein schmerzhafter Debattenbeitrag, der sein Publikum dahingehend ernst nimmt, es seine eigenen Schlüsse ziehen zu lassen. Und genau damit – gepaart mit seiner extrem hohen filmischen, darstellerischen und emotionalen Qualität – wird er zu einem wirklich großen Film.