DIE HAUSHÄLTERIN/THE HOUSEKEEPER

Ein leider etwas unterkomplexer Thriller von Joy Fielding

Ein Elternpaar oder ein naher Verwandter brauchen Hilfe. Auftritt die freundliche Kinderfrau oder die kompetente Haushaltshilfe. Und bald ist nichts mehr, wie es war. Es ist im Thriller-Genre mittlerweile ein eigenes Sub-Genre entstanden, welches genau in dieser Situation seinen Ausgang gefunden hat. Man könnte es das The Hand That Rocks The Cradle-Genre nennen. Es war ein gleichnamiger Film aus dem Jahr 1992, der von einem übergriffigen Kindermädchen erzählte und damit eine ganze Welle lostrat.

In Joy Fieldings Thriller DIE HAUSHÄLTERIN (THE HOUSEKEEPER, 2022, Dt. 2022/23) ist die Ich-Erzählerin Jodi Bishop allmählich überfordert: Sich ununterbrochen schuldig fühlend, da sie, eine erfolgreiche Immobilienmaklerin, weder ihrem Mann Harrison, noch ihren Kindern und erst recht nicht ihren Eltern gerecht werden kann, sucht sie nach einer Hilfe, die sich um den Haushalt der Eltern kümmern kann. Jodis Mutter leidet zunehmend an der Parkinson-Krankheit und ihr Vater, obwohl er sich dies nicht eingestehen will, wird der Pflege seiner Frau nicht mehr gerecht. So kommt Elyse ins Spiel: Schnell gewinnt sie das Vertrauen von Jodi, die sich erstmals seit vielen, vielen Jahren gesehen fühlt. Denn sowohl ihr Vater als auch ihr Gatte spiegeln ihr dauernd ihre vermeintlichen Unzulänglichkeiten. Elyse hingegen scheint Jodis wahre Qualitäten zu erblicken. Und in Nullkommanichts hat sie auch Jodis Vater im Griff. Und selbst Tracy, Jodis Schwester, Lieblingskind ihrer Eltern, ist einverstanden, dass sich Elyse zukünftig um die Eltern kümmert. Hauptsache, Daddy zahlt weiterhin ihren etwas ausschweifenden Lebensstil. So will auch niemand sehen, dass sich einiges zu ändern scheint im elterlichen Haushalt. Bis es zu spät ist und Elyse das Kommando übernommen hat.

Fielding macht es sichtlich Spaß, dem Leser all die Gemeinheiten und Beleidigungen vorzuführen und darzureichen, derer sich Jodi im Angesicht ihrer Familie erfreuen darf. Niemand scheint diese Frau ernst zu nehmen, es scheint sie auch niemand wirklich zu lieben. Und sie selbst, so beteuert sie uns auf den nahezu 450 Seiten des Romans immer wieder, sucht die Schuld für all das ausschließlich bei sich. Und ist geradezu dankbar, in Elyse zunächst eine Art Verbündete gefunden zu haben. Dass diese Frau offenbar über ein hervorragendes psychologisches Gespür verfügt und zielsicher die entscheidenden Punkte bei ihrem jeweiligen Gegenüber findet, an denen sie ansetzen muss, um deren Vertrauen zu gewinnen, das merkt Jodi viel zu spät. Und will es dann, wenn es immer offensichtlicher wird, nicht wahrhaben.

Das wäre eine sehr gute Ausgangssituation für einen gelungenen Psychothriller – wenn es denn nicht alles so dick aufgetragen wäre, dass es eindimensional und damit schnell unglaubwürdig wirkt. Eine solche Geschichte müsste mit Raffinesse und vor allem subtil erzählt werden. Doch hier ist alles von der ersten Seite an so klar und eindeutig, dass die Leser*innen sich eigentlich nur fragen, wie die Geschichte zu ihrem erwartbaren Ende kommen wird. Sie tut es, indem die Autorin immer dicker aufträgt und bald jedwede Zurückhaltung fahren lässt. Dabei fühlt sich die Leser*in allerdings nicht recht ernst genommen. Denn es ist unglaubwürdig, dass eine gestandene Frau wie Jodi Bishop, die – entgegen der Annahme ihres Vaters – einen hervorragenden Job in der einst von ihm gegründeten Immobilienagentur leistet, nicht merken sollte, was vor sich geht. Und noch unwahrscheinlicher ist es, dass wir, die Lesenden, nicht merken sollten, dass bspw. jener Mann, der sich Jodi unverhofft für eine Affäre anbietet, nie und nimmer rein zufällig in ihr Leben tritt. Das widerspräche jeder Logik eines Thrillers. Oder dass wir daran zweifelten in Elyse tatsächlich die fürsorgliche Dame zu sehen, als die sie erscheint. Oder dass Jodis Mutter rein zufällig die Treppe hinunterfällt usw.

So muss Fielding die Protagonisten in ihrem Roman immer alle sehr dumm erscheinen lassen, ihr Niveau absenken, damit nachvollziehbar bleiben kann, weshalb niemand merken oder auch nur den leisesten Verdacht schöpfen sollte, dass diese Haushälterin Arges im Schilde führt. Nur wird der Roman dadurch platt und beleidigt ein wenig die Intelligenz seines Publikums. Und entbehrt vor allem jedweder Spannung. Jodi Bishop erklärt uns quasi auf der ersten Seite ihres Berichts, dass sie alles hätte früher merken müssen und nur und ausschließlich sich selbst die Schuld für das geben könne, was dann folgte.

Auch dieser ewige Gestus der Selbstanklage nervt schnell, da man einerseits vermutet, dass diese Frau doch schon früher im Leben begriffen haben muss, dass ihr Umfeld sie bewusst und gewollt kleinhält und andererseits erwartet, dass sie sich gegen Widerlinge wie ihren Vater und letztlich auch ihren selbstgefälligen Gatten, ein Schriftsteller, der seit einer Dekade an Schreibhemmung leidet, zur Wehr setzen müsste. Doch für einen Thriller ist es vor allem tödlich, wenn man schon nach einem Absatz weiß, wohin die Reise geht. Denn was will ein solcher Roman denn eigentlich bezwecken, wenn er definitiv nicht an ausgeklügelter Psychologie interessiert ist, zugleich aber auch keine Spannung erzeugt?

Fieldings Romane sind spätestens seit ihrem Megaseller LAUF JANE, LAUF (SEE JANE RUN, 1991) durchweg Erfolge, beliebt beim Publikum und meist auch bei der Kritik. So hat auch DIE HAUSHÄLTERIN bereits sämtliche internationalen Bestseller-Listen erklommen und ist ein immenser Erfolg. Das sei der Autorin gegönnt. Doch fragt sich ein erfahrener Krimi-Liebhaber, weshalb ausgerechnet dieser etwas unterkomplexe und wenig subtile Thriller solch einen Erfolg hat? Weil sich in dieser etwas weinerlichen, selbstanklägerischen Dame namens Jodi Bishop eine Menge Menschen, gerade Frauen, angeblich selber entdecken können? Wäre es so, wäre es schlimm. Auf dem Thriller-Markt jedenfalls gibt es wahrlich besseres. In jeder Hinsicht.

 

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