DAS ERBE DES BLUTES/HOME FROM THE HILL

Eins von Minnellis besseren Melos

Wade Hunnicutt (Robert Mitchum), texanischer Großgrundbesitzer und soeben dem Mordanschlag eines gehörnten Ehemannes entgangen, beschließt mit seinem Vorarbeiter Rafe Copley (George Peppard), seinen Sohn Theron (George Hamilton) zu einem Kerl nach texanischen Vorstellungen zu erziehen. Der gerade 17jährige, Objekt des Spottes der Männer der nahegelegenen Kleinstadt, wurde in Wades Augen von seiner Mutter Hannah (Eleanor Parker) verzogen. Nachdem sich Theron auf der Jagd bewährt hat, fasst er sich erstmals ein Herz und spricht die Nachbarstochter Libby (Luana Patten) an, ob sie mit ihm zum Tanz gehen wolle. Die Ablehnung von Libbys Vater verrät Theron erstmals, daß sein Vater in einem äußerst üblen Ruf steht. Nun begreift er, wie sehr seine Mutter seit seiner Geburt leidet – sie blieb einst bei Wade, weil der ihr versprochen hatte, daß sie das gemeinsame Kind allein erziehen dürfe. Sie ist unglücklich und verweigert seit Jahren ihrem Mann den Zutritt zu ihren Gemächern. Theron verlässt nicht nur die Schule, sondern auch das elterliche Haus, um zu beweisen, daß er auf eigenen Füßen stehen kann. Als Libbys Vater Wade aufsucht, um seine Tochter doch als Therons Frau anzubieten, riecht Wade den Braten: Libby ist schwanger. Theron erfährt das nicht, Libby, todunglücklich, dem Gespött der Stadt ausgeliefert zu werden, ist verzweifelt. Rafe bietet ihr an, sie zu heiraten. Doch anstatt daß sich die Dinge nun zum Guten wenden würden, beginnt das Gerede in der Stadt erst recht und setzt eine tragische Kette von Mißverständnissen in Gang.

Zwei Jahre nach Erscheinen der literarischen Vorlage, verfilmte Vincente Minnelli William Humphreys HOME FROM THE HILL unter dem gleichen (Original)Titel. Robert Mitchum und Eleanor Parker spielen ein texanisches Ehepaar, das sich seit Jahren ob des Gatten´ Schürzenjägerei einen Kleinkrieg liefert, George Hamilton gibt den von der Mutter verweichlichten, vom Vater zunächst verachteten Sohn, George Peppard, in seinem erst zweiten Film, den Vorarbeiter auf Mitchums Ranch, der zugleich dessen verstoßener, unehelicher Sohn ist. Alle Zutaten für ein großes, episches Melodram sind gegeben.

Der deutsche Titel der Romanvorlage – DIE SCHULD DER VÄTER – bringt den Inhalt des Films im Grunde exakt auf den Punkt. Der eine – ein zynischer, selbstgerechter Egozentriker – überlebt den Mordanschlag eines von ihm wirklich Gehörnten, wird aber das unschuldige Opfer eines anderen Vaters, der meint, die Ehre seiner Tochter verteidigen zu müssen. Auslöser dieser Tragödie ist einerseits das Getratsche in der Stadt, das ursprünglich schon dafür sorgte, daß Wade Hunnicutt überhaupt meint, seinem Sohn „texanische“ Erziehung angedeihen lassen zu müssen, andererseits die verzweifelte Angst vor genau diesem Gerede, die ein an sich vollkommen naives und unschuldiges Mädchen wie Libby schweigen und blindlings in ihr vermeintliches Unglück rennen läßt. Schicksalhaft, einer antiken Tragödie gleich, greifen die einzelnen Entwicklungen ineinander; manche, die zunächst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, entwickeln erst im Zusammenspiel ihre ganze tragische und destruktive Energie.

Wer anders als Vincente Minnelli, Großmeister des gehobenen (Melo-)Dramas und des dramatischen Musicals, wäre geeignet gewesen, diesen Stoff, der in seiner psychologischen Anlage und in seinem Südstaatensetting wie eine Mischung aus Tennessee Williams und James Michener anmutet, kongenial zu verfilmen. So gelingt es Buch und Regie, bei nahezu zweieinhalb Stunden Laufzeit, dieses Drama zwar auszubreiten, jedoch an den richtigen Stellen Engführung herzustellen: Die Spannung wird mit den geschickt eingeführten Konflikten früh auf ein hohes Niveau gehoben und dann gehalten. Momentweise wird das atemberaubend, beispielweise wenn Theron sich, von Rafe begleitet, aufmacht, einen wilden Keiler zu stellen und zu töten. Hier ist Action garantiert, doch auch ein wesentliches Merkmal dieser Familie wird verdeutlicht und damit ein wesentliches Thema des Films herausgehoben: Blut muß doch ähnliches Blut hervorbringen. Mut gebiert Mut. Ein Kerl wie Wade Hunnicutt kann keine Schwächlinge zeugen. Denkt er. Einer biologistischen Erklärung aber erteilen Buch und Film eine deutliche Absage. Auch ein uneheliches Kind kann sich bewähren und der anerkannte Sohn sich als Schwächling oder Sonderling erweisen, wobei wir natürlich ahnen, daß auch Rafe ein Sprößling dieses Vaters ist. Theron „bewährt“ sich letztgültig erst, als es gilt, den Vater zu rächen – doch stellt sich schnell heraus, daß die Art von Vergeltung, die Wade wie selbstverständlich einfordern würde und die Theron, anders als der vermeintlich härtere Rafe, bereit ist, zu leisten, den Rächer zum Paria erklärt. Was hart macht, kann auch einsam machen, daran läßt dieser Film keinen Augenblick einen Zweifel aufkommen.

Ähnlich wie der bereits erwähnte Tennessee Williams an Freud und der Analyse geschult, arbeitet sich Humphrey und so auch der Film an einem fast klassisch anmutenden Vater-Sohn-Konflikt ab, streift das Ödipus-Thema und bietet ein zwar melodramatisches, aber in der inneren Logik der Geschichte sogar realistisches, halbversöhnliches Ende. Der Themenkomplex, vor allem in der dargebotenen Form, ist uns Heutigen natürlich längst überholt, in zu vielen Varianten wurde uns der „Vaterkonflikt“ bereits geboten, der Vatermythos destruiert, der Vater als leibliche Figur dekonstruiert und zum reinen Symbol erklärt. Umso schöner, sich bei einem Film wie diesem einfach zurücklehnen und zuschauend genießen zu können, was da vor einem abläuft. Die Leistungen der Schauspieler zum Beispiel, die man durchweg loben kann. Beide Jungspunde – Hamilton und Peppard – machen ihre Sache ausgesprochen gut, füllen die Rollen nicht nur aus, sondern sind in der Lage, ihnen auch eigene, durchaus überraschende Seiten abzugewinnen; Eleanor Parker hat sicherlich die undankbarste Rolle, macht daraus allerdings nicht das Beste, sondern das Allerbeste, indem sie einer zutiefst verletzten Frau Würde verleiht, darüber hinaus aber auch eine reife Attraktivität. Man versteht, wieso Wade Hunnicutt bei dieser Frau, diesem Menschen zur Ruhe kommen will. Und Mitchum, dem so oft nachgesagt wird, sein Spiel sei statisch, uninspiriert, der selber so gern erklärte, die Schauspielerei sei lediglich ein Job für ihn – Mitchum gelingt hier eine ganz wunderbare Variation eines Patriarchen.

Variationen eines Mannes, der ebenfalls verzweifelt – an seinem Versuch, etwas wiederherzustellen, das in der Zeit verloren ging und sich wohl nicht mehr herstellen läßt. Wenn er das begreift und Hannah seine Liebe erklärt und sie anfleht, ihn wieder einzulassen, „die Ehe zu vollziehen“ – und Minnelli ist natürlich ein Meister darin, eine solche Szene in voller Dramatik, aber eben auch mit aller zurückhaltender Finesse zu inszenieren – , dann verstehen wir Heutigen, wie überholt und gestrig dieser Mann schon damals anmutete. Es ist auch Mitleid, das er erfährt und das ihn kränkt, sein Selbstbild ankratzt. Mitchum baut all diese Facetten ein in sein Spiel. Es ist eine großartige Leistung. Und ebenso macht es Spaß, dem Film dabei zu folgen, wie er in diese inneren und äußeren Konflikte die passende Symbolik einfügt: Die allgegenwärtigen Waffen, die in einer Welt der Autos und Telefone schon anachronistisch wirken, die Gesellschafts-, darin besonders die Männlichkeitscodes, die Konventionen, die Etikette, das Gerücht, die Macht der sozialen Sanktion – so überholt einem ein Film wie dieser heute vorkommen mag, beobachtet man ihn einfach dabei, wie er funktioniert, ist man einmal mehr ebenso erstaunt wie begeistert, einem Meister, wie Minnelli einer war, bei der Arbeit zuzuschauen.

Obwohl auch in Minnellis Ouvre nicht die Crème de la Crème, bietet HOME FROM THE HILL gute und spannende Unterhaltung und teils wirklich hervorragende Schauspielleistungen. In seiner Thematik erinnert dies ein wenig an den deutlich als Western gekennzeichneten BROKEN LANCE (1954) von Edward Dmytryck, dem Minnelli allerdings eine etwas differenziertere Vater-Sohn-Problematik vorzuziehen weiß. Doch gereicht HOME FROM THE HILL nicht an Minnellis eigenen, ein Jahr älteren SOME CAME RUNNING (1958) heran, der ein wahres Meistersstück des Verliererdramas mit Shirley MacLane, Frank Sinatra und Dean Martin in den tragenden Rollen bot. Möglicherweise lag es an den Schauspielern, die dort bis auf Mitchum sicher noch eine Klasse besser waren als hier, möglicherweise lag es auch am Sujet und der auch damals aktuelleren Thematik, der ältere Film funktioniert da noch einen Tick besser. Dennoch kann man auch den vorliegenden Film getrost als einen von Minnellis besseren betrachten, bietet er doch alles, was ein großes, ergreifendes und auch bestürzendes Melo braucht.

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