MIMIC – ANGRIFF DER KILLERINSEKTEN/MIMIC

Ein leider nIcht sehr gelungener Creature-Horror von Guillermo del Toro

Als eine Seuche New York City heimsucht, die sich offenbar über Kakerlaken überträgt und vor allem die Leben von Kindern fordert, setzt die Forscherin Dr. Susan Tyler (Mia Sorvino) im Auftrag der Stadtverwaltung und gegen den erklärten Willen ihres Kollegen Dr. Gates (F. Murray Abraham) eine von ihr herangezüchtete Spezies aus, die sich mit den Schaben kreuzen und bei diesen zu verminderter bis komplett herabgesetzter Vermehrungsfähigkeit führen soll. Offenbar gehen die Berechnungen von Dr. Tyler und ihren Kollegen auf, die Seuche verschwindet sukzessive.

Zwei Jahre vergehen. Dr. Tyler und ihr Freund Dr. Peter Mann (Jeremy Northam) versuchen selbst ein Kind zu bekommen, was immer wieder scheitert und gerade bei Susan zu großer Verstimmung führt.

Eines Tages bringen ihr zwei Jungs aus der Nachbarschaft, die sich mit ihren Streifzügen durch die abseitigeren Gegenden New Yorks ein paar Dollar dazu verdienen, eine übergroße Schabe. Susan Tyler untersucht das Wesen, ahnend, dass es sich dabei um eine Mutation der von ihr geschaffenen Spezies handeln könnte. Ihre schlimmste Befürchtung – dass die Insekten ihre Fortpflanzungsfähigkeit eben doch nicht eingebüßt haben – scheint wahr geworden zu sein.

In einer Kläranlage der Stadt wird der Kadaver einer Larve gefunden, den die Arbeiter zunächst für eine Babyleiche halten. Auch dieses Objekt landet auf Susans Seziertisch und belegt ihre These: Die mutierte Spezies konnte sich über zwei Jahre unbeobachtet und unbemerkt Generation für Generation vermehren und dabei vor allem wachsen. Susan befürchtet, dass die Insekten bald menschliche Größe erreicht haben könnte. Zudem stellt sie fest, dass die Insekten eine ausgesprochen nützliche Form der Mimikry entwickelt haben: Je größer sie werden, desto mehr ähneln sie in ihrer Erscheinungsform, zumindest auf den ersten Blick, Menschen.

Genau das beobachtet der junge Chuy (Alexander Goodwin), autistisch veranlagter Sohn des in der U-Bahn arbeitenden Schuhputzers Manny (Giancarlo Giannini). Vom Fenster seines Zimmers aus kann er den Gemeinderaum einer Endzeitsekte sehen, wo mehrfach Menschen, scheinbar Obdachlose, verschwunden sind. Chuy hat auch mehrere dieser Vorfälle wahrgenommen, jedoch nicht als das begriffen, was sie waren.

Mit zwei Löffeln, die er auf seinem Oberschenkel aneinanderschlägt, kann Chuy das Geräusch imitieren, welches die Wesen, die er beobachtet und die mittlerweile tatsächlich mannsgroß sind, erzeugen, wenn sie kommunizieren. Er selbst empfindet aufgrund seiner Behinderung keine Angst, was ihn vor einem Angriff der Schaben schützt, als er in den Gemeinderaum eindringt und dort zwei der Wesen begegnet. Die ähneln aufgerichtet Männern in Mänteln und mit Hüten. Die Wesen verschleppen den Jungen in den an den Gemeindesaal angrenzenden, stillgelegten U-Bahn-Tunnel.

Susan Tyler, ihr Freund und dessen Freund und Kollege Josh (Josh Brolin) untersuchen die Stelle, an der die beiden Jungs die außergewöhnlich große Schabe gefunden haben wollen. Sie entdecken dort einen Zugang zu den U-Bahn-Tunneln, der so nicht vorgesehen ist. Das bestätigt ihnen der Polizist Leonard (Charles S. Dutton), der in der angrenzenden U-Bahn-Station Dienst tut.

Gemeinsam dringen die vier in die stillgelegten U-Bahn-Schächte vor und stoßen auf Larven, wie sie auch in der Kläranlage gefunden wurden. Susan begreift, dass sie es mit einer regelrechten Kolonie zu tun haben, die sich unter der Stadt ausgebreitet hat. Sie müssen, so ihre Schlussfolgerung, unbedingt verhindern, dass die Schaben an die Erdoberfläche gelangen, weil sie dort die Menschen gnadenlos angreifen würden.

Susan wird von den anderen getrennt und trifft auf Chuy, der mittlerweile begriffen hat, dass die Schabenwesen keine Freunde sind, musste er doch mitansehen, wie sie seinen Vater gnadenlos zerfetzt haben, als dieser seinen Sohn suchte und befreien wollte.

Schließlich werden auch die drei Männer voneinander getrennt, wobei es Peter und Leonard in eine alte Station verschlägt. Josh soll Hilfe holen, wird aber von den Insekten gestellt und getötet. Peter und Leonard ziehen sich in einen U-Bahn-Wagen zurück, den sie kurzschließen zu können glauben, doch gelingt dies nur bedingt.

Während Leonard, bereits schwer verletzt und stark blutend, was die Insekten anlockt, sich opfert und die Insekten von den andern weglocken kann, können Susan und Chuy sich mit Peters Hilfe an die Erdoberfläche retten. Doch muss sich Susan unterwegs mit dem einzigen männlichen Tier der Kolonie auseinandersetzen. Sie kann es vernichten, indem sie es vor eine heranrasende U-Bahn lockt, die es zerfetzt.

Peter selbst wird von den Wesen umzingelt. Er hat keine Chance mehr, zu entkommen, also beschädigt er die Erdgasleitungen, in deren Nähe die Kolonie brütet, derart, dass es zu einer Kettenreaktion von Explosionen kommt, die die Nester, die Insekten und ihre Brut vernichten.

Susan muss davon ausgehen, dass ihr Mann in der Explosion gestorben ist, doch dann taucht er aus einem Schacht auf. Es ist ihm in letzter Sekunde gelungen, sich in die Abwasserkanäle zu stürzen, die unter den Gasleitungen verlaufen. So konnte er überleben. Er, Susan und Chuy umarmen einander im Chaos der zerstörten Straßenzüge.

Lange, bevor er mit HELLBOY (2004) Kultstatus und dann mit PAN´S LABYRINTH (2006) auch Anerkennung bei den Kritikern fand, die schließlich in den Oscars für THE SHAPE OF WATER (2017) gipfelte, drehte der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro seinen ersten Major-Film. MIMIC (1997) war ein astreiner Creature-Horrorfilm, der bei all seinen Schwächen, die er zweifellos aufwies, auf einen neuen Stern am Genrehimmel hoffen ließ. Allerdings hätte man schon damals bemerken können, dass dies vielleicht eher die Ausnahme in seinem Oeuvre sein könnte, hatte er doch bereits mit seinem ersten Langfilm CRONOS (1993) bewiesen, dass er auch im reinen Genre zu höchst eigenen Interpretationen neigt. Denn für einen Vampirfilm, als den man CRONOS durchaus einstufen kann, war del Toros Interpretation doch sehr eigenwillig und vor allem seltsam poetisch und psychologisch genau angelegt. Weniger an Schocks orientiert und interessiert als das Genre es erwarten ließe.

MIMIC drehte del Toro dann für eines der größeren Hollywood-Studios, was automatisch bedeutete, Zugeständnisse machen zu müssen; seine eigene Vision der Geschichte durchzusetzen war ihm nicht möglich. Er war ein Newcomer, dem eine Chance gewährt wurde. Das merkt man dem Film an und es verwundert nicht, dass der Regisseur Jahre später einen Director´s Cut vorlegte, der das Projekt qualitativ allerdings auch nicht auf ein sehr viel höheres Niveau hob. Del Toro und sein Co-Autor Matthew Robbins hatten ihre Hausaufgaben allerdings gemacht: Sie wissen um all die Monster- und vor allem Insektenhorrorfilme der 50er, 60er und der 70er Jahre, denen sie dezent huldigen, bei denen sie sich aber auch bedienen und hier und da auch einmal eine entscheidende Wendung abkupfern. Etwas wirklich Eigenes können sie, den recht engen Grenzen des Genres geschuldet, jedoch nicht vorlegen.

Vor allem gelingt es ihnen, einen Großstadtthriller zu kreieren, in dem die urbane Metropole selbst zu einem Protagonisten wird. Sie spielen nahezu perfekt mit unseren Ängsten und Befürchtungen hinsichtlich der dunklen Ecken, der Furchen und Spalten im Beton, in denen sich immer etwas Düsteres, etwas Glitschiges, manchmal Kleines, manchmal Größeres, auf jeden Fall Grauenerregendes zu verbergen scheint. Und es gelingt den Autoren auch, recht unkompliziert die genretypische Warnung vor der Hybris der Wissenschaft, die glaubt, sich alles erlauben zu können, in Bilder zu übersetzen. Abgerundet wird das Ganze durch wahrlich überzeugende Kreaturen, seltsame Hybride aus Gottesanbeterinnen und Schaben, die im Labor gezüchtet, ausgesetzt und zur Bekämpfung einer Kakerlaken-Seuche genutzt wurden, sich entgegen aller Erwartungen vermehrten und nun mutiert den New Yorker Untergrund, die Kanalisation und die U-Bahnschächte unsicher machen.

So sehr die rein technische Umsetzung des Stoffes gelingen mag, so sehr mangelt es dem Drehbuch und damit leider auch den Figuren an Tiefe und Charakteristik. Die nämlich bleiben oberflächlich, verharren teils im Klischee. Und leider geht den Autoren im zweiten Teil ihrer Story dann vollends die Luft aus. Das führt dazu, dass sie auf ganz einfache und bekannte Muster zurückgreifen – eine kleine Gruppe von Menschen, die es mit dem Ungeziefer aufnimmt, sitzt in einem Raum eingeschlossen fest und wird von etlichen der mutierten Kakerlaken bedroht (mindestens Ekelfaktor acht garantiert) – die schon sehr gut umgesetzt sein müssen, damit sie noch funktionieren. Also die Muster. Das sind sie leider nicht, wodurch der Film schließlich doch gewaltig verflacht und sein Spannungspotential nur noch schwer aufrecht zu erhalten weiß. Bis er es dann gänzlich verliert und die Regie sich nur noch mit gewaltigen Explosionen und jeder Menge Wumms und Rumms zu helfen weiß.

Del Toro und seine Mitstreiter verstehen es also nicht, eine kohärente, aufregende Story umzusetzen; was ihnen allerdings umso besser gelingt, ist eine Erzählung aus dem Kosmos der Urban Legends, jener Großstadtlegenden, die uns immer das Gruseln lehren. Eben jene Spalten und Ecken, von denen weiter oben bereits die Rede war, verstehen Buch und Regie sehr genau. Hier wird der New Yorker Untergrund exemplarisch zu einem riesigen Insektenbau, einer Kolonie voller Nester, in denen die Larven in glitschigen Umhüllungen vor sich hin pulsieren. Und die Wesen, die diesen Bau eingerichtet und sich darin eingerichtet haben, werden durch jene mythisiert, die ihrer ansichtig werden. Das sind zum einen die Mitglieder einer seltsamen, nie näher erklärten Sekte, die aber auch zu den ersten Opfern ihrer Fetische werden. In der Figur des autistischen Jungen Chuy haben wir es dann mit einem weiteren Gläubigen zu tun. Der Junge fürchtet sich nicht, auch, weil er die Wesen, die er beobachtet, nicht versteht, weshalb er vor dem Angriff der Killerinsekten sicher ist, da diese ihn nicht „riechen“ können. Für ihn sind die Wesen fremdartig, gottgleich und die Regie inszeniert sie in den Szenen, in denen der Junge auf sie trifft, genau so: Riesenhaft erscheinen sie ihm, wenn sie sich aufrichten, menschengleich.

Da Chuy in der Lage ist, mit zwei Löffeln ein Geräusch zu erzeugen, das jenem ähnelt, mit dem die mutierten Insekten miteinander kommunizieren, scheint er zumindest ansatzweise von ihnen als etwas Artverwandtes anerkannt zu werden. Doch wie an vielen Ecken und Enden dieses Plots lassen die Autoren auch hier einen sehr guten, sehr interessanten Ansatz schließlich zugunsten recht billiger Effekte fallen. Chuys Vater ist in der Kanalisation unterwegs, um seinen Sohn zu finden und zu retten und wird schließlich vor dessen Augen von den Killerinsekten zerfleischt. Diese Splatterszenen wiederum spielt del Toro nicht aus, was sicherlich der Altersfreigabe des Films im Mainstream geschuldet gewesen sein dürfte. Doch hätte man gerade hier eine schöne Doppelung einbauen können, denn die Mutationen sind in der Lage durch Mimikry ihre Gegner zu imitieren – in gewisser Weise sehen sie aus wie Menschen. Chuys Löffelgeklapper stellt also eine Art akustische Mimikry dar und man wartet regelrecht darauf, dass auf diese Weise ein Mittel gefunden wird, mit den Viechern fertig zu werden.

Denkt man an Monster- und Creature-Filme vor allem der 90er Jahre – allen voran ARACHNOPHOBIA (1990), den artverwandten TREMORS (1990), wo es nicht um Insekten, sondern riesige Würmer geht, oder auch den späteren ARAC ATTACK (2002) u.a. – fällt vor allem ein wesentlicher Aspekt auf, woran es MIMIC eklatant mangelt: Humor. Da ist keine Ironie, nichts, was die Handlung auflockerte. Der Film, seine Figuren, die Geschehnisse – alles nimmt sich furchtbar ernst und fordert dadurch natürlich ungewollte Lacher heraus. Hinzu kommt, dass del Toro diese Ernsthaftigkeit dann aber nicht so unterstützen und glaubhaft machen kann, wie es einem Film seiner Machart gut zu Gesicht stünde – indem er zumindest hier und da zeigen würde, was denen geschieht, die den Schabenwesen in die Hände…äh…Scheren fallen. Sowohl Chuys Vater Manny als auch die beiden Jungs, die der Heldin ursprünglich die erste übergroße Kakerlake präsentieren, werden in Stücke gerissen, was der Zuschauer allerdings eher ahnt, denn sieht. Nun soll dies kein Plädoyer für mehr Splatter, Blut und Gewalt auf der Leinwand sein, doch wenn man den Zuschauer schon überzeugen will, es mit etwas wirklich, wirklich Schrecklichem zu tun zu haben, sollte man dies´ Schreckliche gelegentlich auch belegen, unterstreichen, betonen.

MIMIC verspricht viel, hat gute Anlagen, behauptet einiges und kann doch nur wenig halten. Leider. Man merkt dem Film an, dass seine Macher anderes im Sinn gehabt haben mögen aber letztlich den Ansprüchen und Maßgaben des produzierenden Studios unterlegen waren. Doch liegt die Schwäche des Films nicht nur darin. Den Drehbuchautoren ist letztlich auch nicht wirklich Neues, Originelles, Eigenes eingefallen. Sie zitieren, manchmal klauen sie auch einfach nur, was sie brauchen, um ihre Story voran zu bringen. Einiges ist nahezu sinnfrei – die ganze Nebenhandlung um Chuy und seine Löffelkommunikation mit den Schaben ist dramaturgisch völlig unnötig, führt zu nichts und trägt auch nicht zu einem klareren Verständnis dessen bei, was da geschieht – anderes unlogisch, was Horrorfilmen allerdings zu eigen zu sein scheint, wie dem Melo das tränenreiche Ende. So bleibt schließlich nur ein mediokrer Beitrag zum Genre, der zur Filmographie seines Schöpfers gehört und vor dessen Mittelmäßigkeit die späteren Werke del Toros umso besser glänzen können.

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