MR. SMITH GEHT NACH WASHINGTON/MR. SMITH GOES TO WASHINGTON
Ein Hurra! für den Meister des 'New Deal' Frank Capra!
Der Senator eines ungennanten, offenbar im Westen liegenden Staates stirbt. Der Gouverneur dieses Staates (Guy Kibbee) hat nun das Recht, einen Ersatzmann bis zur nächsten Wahl zu bestimmen. Der zweite Senator des Staates Joseph Paine (Claude Rains)und der Medienmogul Jim Taylor (Edward Arnold) wünschen einen unbedarften Mann, der ihren Projekten nicht in die Quere kommt, namentlich einem Staudamm, dessen Bau zwar unnötig ist, aber eine Menge Geld in die Taschen dieser und anderer Herren spülen soll. Man einiget sich auf Jefferson Smith (James Stewart), eine Lokalberühmtheit, ein Mann, der als „Führer“ der Boy Scouts vor allem unter den Jugendlichen des Staates viel Anerkennung besitzt, so auch bei den Kindern des Gouverneurs. Mr. Smith erreicht Washington und geht erst einmal auf eigenen Faust los, die Stadt zu erkunden, die mit dem Kapitol, dem Obelisken und natürlich dem Lincoln-Denkmal so viele der Ideale symbolisiert, die für ihn wesentlich sind. Im Büro angekommen, trifft er auf die zynische Miss Saunders (Jean Arthur), die ihm erst einmal erklärt, wie der Hase läuft in Washington. Die Presse macht sich über ihn lustig, vor allem Saunders Freund Diz Moore (Thomas Mitchell) macht Mr. Smith verächtlich. Der will daraufhin den Posten wieder abgeben, wird von Senator Paine jedoch überredet, weiterzumachen, er müsse eben ein eigenes Projekt angehen, sich etwas vornehmen und das auch durchsetzen. Also beschließt Mr. Smith, für ein Jugendlager in seinem Staat, und zwar am Willets Creek, einzutreten. Natürlich ist dies genau der Standort, den Paine, Taylor und ihre Kompagnons für den Staudamm vorgesehen haben. Also ergreifen diese nun jede Möglichkeit, Mr. Smith zu diskreditieren. Er wird als ein Mann dargestellt, der, da er eigens Land am Ort besitze, sich selbst an seinem eigenen Projekt bereichern wolle. Mr. Smith will nun endgültig Washington den Rücken kehren, aber Saunders – zum einen durch Mr. Smith wieder an den Menschen und seine Güte glaubend, zum andern etwas verliebt in ihn – beschwört ihn, zu bleiben. Und so geht er in den Senat und startet einen Filibuster, eine Dauerrede, bei der er nicht abgewürgt oder unterbrochen werden darf und während der es eine Anwesenheitspflicht für die anderen Senatoren gibt. Mr. Smith redet und redet: Von den Idealen Amerikas, von dem Unrecht, daß geschieht, von seinen Gründen, überhaupt politisch tätig zu sein und daß sie alle den Kidnernd es Landes Vorbilder zu sien hätten. Währendessen wirft Taylor seine Medienmaschine an, um zu verhindern, daß Smith‘ Rede in dessen Heimatstaat gehört werden kann. Die Boy Scouts greifen ein und verteilen selbst gemachte Flugblätter, doch Taylors Macht ist zu groß und er geht auch mit Gewalt gegen jeden vor, der sich ihm in den Weg stellt. Nach nahezu 24 Stunden Rede läßt Senator Paine körbeweise Post in den Senat bringen, die bewesien sollen, daß Smith niemanden überzeugen kann, alle seien gegen ihn. Mr. Smith bricht zusammen, der Filibuster ist beendet, nichts gewonnen. Da bricht es aus Paine, der der beste Freund von Mr. Smith‘ Vater und einst wie jener ein Kämpfer für die Ideale und für Gerechtigkeit gewesen ist, hervor: Alles, was Smith sagte, sei richtig, er habe Recht und er, Paine, und Taylor und alle anderen Unrecht. Mr. Smith ist rehabilitiert.
In Zeiten, in denen die amerikanische Gesellschaft zu zerreißen droht, tut es vielleicht sogar Not, sich auf jene Werke zu besinnen, die einmal für ein anderes, ein besseres Amerika standen, das der Welt wirklich und wahrhaftig eine Art „Leuchtfeuer“ sein konnte und nicht nur wollte. Ein Amerika, das für die Rechte aller einstand, das für die sozial Schwachen einstand und Gerechtigkeit einforderte, nicht unbedingt Gleichheit, aber Gerechtigkeit. Hollywood trug in den 30er und 40er Jahren durchaus dazu bei, eine Gesellschaft mitzubauen, in der diesen Werten Rechnung getragen wurde. Ob Warner Bros. mit ihren frühen Sozialdramen, ob John Ford, der mit „The Grapes of Wrath“ einen fast sozialistisch anmutenden Film zur „Großen Depression“ drehte, nach einer Vorlage des damals erklärten Sozialisten Steinbeck oder eben die Filme Frank Capras, die zwar immer auch wie Märchen wirken und ihre Geschichte manchmal mit zu viel Süße erzählen, aber immer einstehen für einen liberalen, freiheitlichen Geist, dem die Urwerte der amerikansichen Verfassung alles sind. So entstanden Filme wie IT HAPPENED ONE NIGHT (1934) oder MR. DEEDS GOES TO TOWN (1936), der ein immenser Erfolg wurde. Und den Harry Cohn, Chef der Columbia Pictures, unbedingt wiederholen wollte, weshalb 1939, drei Jahre nach dem Erfolg mit Gary Cooper in der Hauptrolle MR. SMITH GOES TO WASHINGTON (1939) entstand. Erneut ein Hohelied des „kleinen Mannes“, der es mir Ehrlichkeit und gesundem Menschenverstand weit bringt und sich gegen alle Unbilden eines verkommenen Apparats durchsetzt.
Wenn man die Beschwerden kennt, die es in Amerika, vor allem in der Ultrarechten, über Washington gibt – die Angst vor einem übermächtigen Staat, vor einer Bürokratie, die anonym das Leben des Einzelnen bestimmt, vor einer Zentralregierung, die das Individuum in seinen verfassungsmäßig zugesicherten Rechten beschneidet usw. – und dann diesen Film sieht, staunt man darüber, daß sich wohl nichts verändert zu haben scheint. Das ganze Mißtrauen gegenüber dem „Raumschiff“ Washington wird in diesem Film schon transportiert. James Stewarts Mr. Jefferson Smith ist ein ehrlicher, etwas naiver aber ungebrochen an die Ideale der amerikanischen Verfassung glaubender Mann aus der Provinz, ein „einfacher Tor“, der aber gerade durch seine provinzielle Art nicht nur das Herz am rechten Fleck, sondern auch einen unbesstechlichen Blick für die Ungerechtigkeiten und Widrigkeiten des politischen Alltags hat. Eine der Paraderollen für den großen Schauspieler. So entsteht ein Hohelied auf die Fähigkeiten dieses „einfachen Tors“ aber ebenso entsteht ein Hohelied auf die Demokratie, die es eben auch diesem möglich macht, zu sprechen und dabei gehört zu werden. Der Filibuster als Mittel, das Gehörtwerden zu erzwingen, ist hier als Teil der amerikanischen Verfassung Gewähr für demokratisches Recht. Und der Senatspräsident, gespielt von Harry Carey, wird immer wieder schmunzelnd gezeigt, als ein Mann, der im Grunde auf der Seite Mr. Smith‘ steht und dessen Courage wohl bewundert. Und auch das dient Capra als Propagandamittel der Demokratie. Denn diese Senatoren werden zwar als fette und selbstgerechte Männer inszeniert, das Gros unter ihnen jedoch als zumindest ihrer Aufgabe bewußt und gewachsen. Wachsamkeit!, scheint Capra seinen Zuschauern sagen zu wollen, Wachsamkeit ist wichtig, um die faulen Äpfel – in diesem Fall Männer wie Senator Paine – auszusortieren und auch, um zu viel Macht in den Händen weniger zu verhindern. Für dieses Beispiel steht der Medienmogul Taylor, der nicht von ungefähr in Leibesumfang und Ungehörigkeit im Auftreten Ähnlichkeiten mit William Randolph Hearst hat, jenem realen Medientycoon, der Orson Welles dann als Vorbild für seinen „Citizen Kane“ diente.
Frank Capra, selbst ein strammer Antikommunist und Republikaner, war dennoch liberal und ein Vorkämpfer für den „New Deal“ des Demokraten Roosevelt. Ähnlich wie der Republikaner John Ford und andere in Hollywood, war er sich dessen, was draußen im Lande geschah in jenen schrecklichen 30er Jahren, sehr bewußt. Seine Filme sind oft überzuckert und in ihrer Happy-End-Seeligkeit manchem vielleicht zu optimistisch und darin so naiv wie ihre Hauptfiguren. Doch wurden viele seiner Filme wahre Feiern der amerikansichen Demokratie und zeugen so heute noch von einem Konservatismus, der wirklich mitfühlend war, der wirklich verstand, wovon er sprach und der sich vollkommen sicher war in seiner Verfassungstreue. Es war aber auch ein mutiger Konservatismus, den es heute scheinbar nicht mehr gibt. Da hatte Michael Moore ausnahmsweise mal Recht, als er konstatierte, daß in Amerika, also den USA, vor allem eines grassiere und herrsche: die Angst. Und genau diese Angst ist es, die heute die Zerrissenheit des Landes ausmacht, scheint es.
Vielleicht sollte man in amerikanischen Schulen mehr Filme von Frank Capra schauen und weniger die Hymne singen?