Z – ANATOMIE EINES POLITISCHEN MORDES/Z

Einer der großen Klassiker des politischen Kinos der 60er Jahre

Ein offenbar südeuropäischer Staat wird nominell von einer Königsfamilie regiert, tatsächlich aber hat längst das Militär die Macht übernommen. Bei einer Besprechung über Schädlingsbekämpfung kommt schnell auch auf die Opposition zur Sprache. Die – Langhaarige, Linke, Hippies, Gottlose – müsse entfernt, ja vernichtet werden wie genau jene Schädlinge, die die Ernte bedrohen. Das Problem der Demokratie seien die Parteien, die Relativismus, Unruhe und Unstimmigkeit in den Volkskörper trügen.

Ein Politiker, genannt der „Doktor“ (Yves Montand), ist bereit, sich als Oppositioneller der Regierung entgegenzustellen. Er ist Pazifist, als solcher auch Kritiker der NATO, tritt zudem für Sozialreformen zugunsten der Armen in der Gesellschaft ein.

Es soll eine öffentliche Kundgebung abgehalten werden, doch erweist sich schon die Suche nach einem geeigneten Veranstaltungsort als schwierig bis unmöglich. Schließlich wird ein altes Theater genutzt, doch soll die Rede, die der Doktor halten will, auch auf den Platz vor dem Theater übertragen werden.

Den ganzen Tag über sind die Stimmung und Atmosphäre in der Stadt angespannt, die Opposition hat Angst vor den bezahlten Schlägern, die Jagd auf jene machen, die sich die Rede anhören wollen. Viele dieser Schläger gehören einer regierungsnahen rechtsextremen Organisation an. Die massiv vor dem Theater aufgezogene Polizei wirkt jedoch passiv bis desinteressiert.

Nach dem Vortrag will der Politiker zurück in sein Hotel, das direkt gegenüber dem Theater liegt. Doch wird er von einem Motorrad angefahren, auf dem Vago (Marcel Bozzuffi) und Yago (Renato Salvatori) sitzen, gedungene Mörder, die auf den Doktor angesetzt wurden.

Schwer verletzt geht der Politiker zu Boden, während es zwischen seinen Anhängern und den Gegnern zu Ausschreitungen kommt, bei denen die Polizei nicht eingreift.

Der Staatsanwalt (François Périer) weiß, dass eine genaue Aufklärung des Falles nicht erwünscht ist. Das Ganze soll als Unfall deklariert und schnell vergessen werden. Erst recht, als der Doktor im Krankenhaus stirbt.

So wird ein junger, unerfahrener Untersuchungsrichter (Jean-Louis Trintignant) eingesetzt. Dieser wird für leicht manipulierbar und damit führbar gehalten. Doch nicht nur gehen Yago und Vago in ihren jeweiligen Freundeskreisen sehr offensiv mit ihrer Tat um, ein Fotojournalist (Jacques Perrin) hat vor Ort auch etliche Bilder gemacht, die den gewollten Tathergang widerlegen. Auch die im Krankenhaus durchgeführte Autopsie beweist, dass es sich nicht um einen Unfalltod handelte, sondern vielmehr ein gezielter Schlag auf den Hinterkopf des Politikers zu dessen schweren, letztlich tödlichen Verletzungen führte.

Die Frau des Politikers (Irene Papas) kommt in die Stadt und allein ihre Trauer übt moralischen Druck auf den Untersuchungsrichter aus.

Der ermittelt penibel. Allerdings steht er unter enormen Druck seitens der Polizei in Gestalt des Obersts (Julien Guiomar), des Generals (Pierre Dux), aber auch der Politik, da auch die Vertrauten des Toten, vor allem der Abgeordnete Manuel (Charles Denner), auf ihn einwirken. Die einen wollen, dass er sich zurückhält, die anderen, dass er genauer hinschaut. Der Untersuchungsrichter hört sich alles an, ignoriert es allerdings weitestgehend.

Schließlich findet sich mit dem wortgewaltigen Nick (Georges Géret) ein Zeuge, der sich nicht einschüchtern lässt, nicht einmal durch seine Schwester (Magali Noël), die gemeinsam mit ihrem Mann jener rechtsextremen Organisation angehört, die die Schläger vor dem Theater gestellt haben und aus deren Reihen die Mörder Vago und Yago kamen.

Je weiter seine Recherchen voranschreiten, desto deutlicher wird dem Untersuchungsrichter, dass er es mit einer weitreichenden Verschwörung zu tun hat. Entgegen all des Drucks und auch der Drohungen, denen er ausgesetzt ist, bringt er seine Ermittlung schließlich zur Anklage. Der Oberst, der General, die Mörder selbst – sie alle werden angeklagt und vor Gericht gestellt.

Der Fotojournalist berichtet in einer Fernsehsendung von den Anklagen und dem Verfahren – bis eine Stimme aus dem Off übernimmt und berichtet, dass das Militär geputscht und die Macht im Lande übernommen habe. Die Anklagen seien fallen gelassen worden, die Angeklagten auf freiem Fuß. Stattdessen seien die Oppositionellen und auch Journalisten verhaftet und inhaftiert worden, teils bei Unfällen ums Leben gekommen.

Im so widersprüchlichen, ein Jahrzehnt voller Hoffnungen, aber auch voller Ängste beschließenden Jahr 1969 erschien Constantin Costa-Gavras dritter Spielfilm Z (1969). Schnell avancierte er zu einem Klassiker des politisch engagierten Kinos, aber auch zu einem Klassiker im Sub-Genre des Politthrillers, welches er zu definieren half, welches es in dieser Form zuvor tatsächlich noch nicht gegeben hatte, sieht man von einzelnen Werken wie Alfred Hitchcocks Propagandafilm FOREIGN CORRESPONDENT (1940), John Frankenheimers THE MANCHURIAN CANDIDATE (1962) oder Francesco Rosis LE MANI SULLA CITTÀ (1963) ab. Vor allem letzterer dürfte als direkter Vorläufer zu Costa-Gavras Film gesehen werden, bediente er sich doch ähnlicher filmischer Mittel, vor allem einer Kameraführung und eines erzählerischen Stils, die an Dokumentationen denken ließen. Allerdings behandelte er ein gänzlich anderes Thema. Ging es bei Rosi um Korruption und die Vermischung lokaler Politik mit dem organisierten Verbrechen, zielte Costa-Gavras direkt ins Herz der politischen Verschwörung und faschistischer Umtriebe.

Costa-Gavras, griechischer Herkunft, jedoch seit den 50er Jahren in Frankreich ansässig, verarbeitete für seinen Film den bereits 1966 erschienenen Roman gleichen Namens von Vasilis Vasilikos, der vom Mord an dem linken Oppositionsführer Grigoris Lambrakis im Jahr 1963 handelte. Anders als Vasilikos konnten Costa-Gavras und sein Drehbuchautor Jorge Semprún auch den Militärputsch in ihren Film einbauen, der 1967 in Griechenland stattgefunden und die sogenannten Obristen an die Macht gebracht hatte. So wurde Z einerseits eine klar verständliche und direkte Anklage dessen, was in Costa-Gavras Heimatland aktuell geschah, zugleich gestalteten er und Semprún ihr Buch so, dass die Geschichte, die es erzählt, allgemeingültigen Charakter bekam. Es entstand eine Parabel über die Gefährdung der Demokratie, der Freiheit und der Grundrechte. Den Film derart zu gestalten hatte verschiedene Gründe, inhaltlicher wie formaler, aber auch produktionstechnischer Natur.

Sicherlich wollten beide die Allgemeingültigkeit ihrer Anklage gegen autoritäre Systeme, gegen Faschismus und staatliche Willkür nicht zu stark verengen, indem sie inhaltlich exakt auf die Vorgänge in Griechenland eingingen. Das mag vor allem für Jorge Semprún gegolten haben, der auf eine bewegte Vergangenheit als Kommunist, Résistance-Kämpfer während der deutschen Okkupation Frankreichs im 2. Weltkrieg und auch auf eine Lagerhaft im KZ Buchenwald zurückblickte und seine Erfahrungen 1963 in dem autobiografischen Roman DIE GROSSE REISE (LE GRANDE VOYAGE) verarbeitet hatte, wodurch er zu einem bekannten Autor und einer wesentlichen Stimme gegen Unterdrückung, Totalitarismus und für Humanismus und Freiheit in Europa geworden war. Doch stecken im Film genügend Hinweise, um die Verbindung zu den Vorgängen in Griechenland herzustellen, zumal diese damals vor allem in der europäischen Linken Empörung hervorriefen und weithin beachtet wurden. Also dürfte auch ein breiteres Publikum hinlänglich mit den Fakten vertraut gewesen sein.

Hinzu kam allerdings die Tatsache, dass sich die Produktionsbedingungen des Films als ausgesprochen schwierig erweisen sollten. Man konnte aus naheliegenden Gründen nicht in Griechenland drehen, in Frankreich fand sich jedoch keine Produktionsgesellschaft, die bereit gewesen wäre, den Film zu finanzieren und vor Ort herzustellen. Nach langem und immer wieder vergeblichem Bitten bei verschiedenen Produzenten gingen Jacques Perrin und Emil Schlumberger schließlich ins Risiko und gründeten eigens für dieses Werks eine Filmfirma. Um die Finanzierung zu stemmen, suchten und fanden sie Unterstützung bei dem politisch linksstehenden und tatsächlich sehr engagierten Schauspieler Yves Montand, der für eine Symbolgage eine der führenden Rollen im Film übernahm.

Auch Jean-Louis Trintignant, der die andere wesentliche Rolle in einem Film bekleidete, der im eigentlichen Sinne keine Hauptrolle aufweist, war bereit, auf den Großteil seiner Gage zu verzichten. Gleiches galt für die Griechin Irene Papas, die die einzige weibliche Rolle von größerer Bedeutung übernahm. Sie war, wie der Regisseur, natürlich persönlich von den Vorgängen in Griechenland betroffen und dementsprechend auch bereit sich einzubringen. Für die Musik des Films konnten die Macher Mikis Theodorakis gewinnen, international längst eine Berühmtheit, unter anderem für die Musik zu Michael Cacoyannis Verfilmung des Bestsellers ALEXIS SORBAS (1964). Theodorakis war schon während des deutschen Besatzung Griechenlands im Widerstand gewesen, nach dem Putsch der Generäle in den Untergrund gegangen, hatte also tatsächlich mehrfach gegen die Faschisten gekämpft, war in Gefangenschaft geraten und wurde gefoltert und nur dank der Bemühungen international anerkannter Künstler, darunter eben auch Montand, aus dem Gefängnis entlassen worden. Er lebte in einer Enklave unter den Bedingungen des Arrests, konnte später aber aus Griechenland ausreisen. Die Mitwirkung eines Mannes wie Theodorakis gab einem Film wie Z natürlich eine enorme Glaubwürdigkeit und Reputation. Seine Beteiligung bürgten für die Wahrhaftigkeit eines solchen Werks. Gedreht wurde schließlich in Algier, der Hauptstadt Algeriens, da einzig dieses Land bereit war, eine Drehgenehmigung zu erteilen. Zudem sicherten die offiziellen Stellen Costa-Gavras sogar weitreichende Unterstützung zu.

An der Kamera stand mit Raoul Coutard einer der damals schon – und Zeit seines künstlerischen Schaffens – führenden Kameramänner Europas. Er war mitverantwortlich dafür, dass Jean-Luc Godard mit À BOUT DE SOUFFLE (1959) Kinogeschichte schreiben konnte, indem die beiden eine vollkommen neue, ungewöhnliche, ja, von vielen als „falsch“ empfundene Bild- und Montagetechnik entwickelten, die mit neuartigen Kadragen, mit ungewöhnlichen Kamerabewegungen und scheinbar unstimmigen Anschlüssen eine andere, bisher unbekannte Dynamik ins Kino brachten. Coutard nutzte, lange bevor dies Standard und zu einem beliebten Stilmittel wurde, die Handkamera und verlieh seinen Aufnahmen damit eine ungeheure Beweglichkeit, hohe Authentizität und dadurch oft den Eindruck des Dokumentarischen. Genau diese Eigenschaften und Fähigkeiten kamen Costa-Gavras für Z gelegen. Denn schnell hatten er und die Produzenten des Films entschieden, dass man vollends auf Studioaufnahmen und Nachdrehs verzichten, stattdessen alles vor Ort, on location, in natürlichem Licht drehen würde.

Dieses Licht, gleißend hell am Tage, nutzten die Macher für ihre Zwecke: Es ist ein hartes Licht, das gnadenlos die Machenschaften ausleuchtet, die da stattfinden. Die Nachtaufnahmen entstanden ebenfalls unter nahezu natürlichen Bedingungen, wodurch auch hier eine authentische, grobkörnige und dadurch reelle Atmosphäre entstand, die die allgemeine Nervosität einfängt und unterstreicht, die in den Straßen der Stadt angesichts der erwarteten Unruhen herrscht. Oft scheinbar schlecht ausgeleuchtet, entsteht der Eindruck, in jeder Ecke könnte etwas lauern, das Gefahr bedeutet. So sind es nicht zuletzt Coutards Kameraarbeit und die Lichtsetzung, die dem Film ein Gefühl dauernder unterschwelliger Gewalt und Bedrohung geben.

Mögen diese fundamentalen stilistischen und formalen Entscheidungen teils den Produktionsbedingungen geschuldet gewesen sein – dem Film und seiner Aussage, seiner Message, konnten sie nur zugutekommen. Gerade jene Szenen des Films, die die Proteste für und wider den von Montand gespielten, pazifistischen, links-liberalen „Doktor“ zeigen, Szenen in denen es zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern des Oppositionspolitikers kommt, wirken echt durch die enorme Nähe, die Coutard mit seiner Handkamera herstellt. Er geht mitten hinein ins Geschehen, fast unangenehm nah an die Handelnden heran, man meint, den Schweiß unter den Hemden der Protestierenden riechen zu können, den Schweiß der Angst bei den einen und den des Hasses bei den anderen.

Zu diesem Eindruck trägt natürlich auch Costa-Gavras Inszenierung bei. Denn dies alles erscheint auch dadurch so echt, weil es gerade in den Massenszenen teils so unbedarft wirkt. Wenn die – wie sich später herausstellen soll bestellten – Schläger auf die Anhänger des Doktors losgehen, dann tun sie dies keineswegs, wie bspw. in amerikanischen Produktionen, wie Profis, so, als wäre das ihr täglich Brot, sondern eben wie Amateure. Ihre Schläge sind wild, sie treffen oft nicht, das alles sieht eher wie unkoordiniertes Gefuchtel aus, als dass es an professionelle Prügel erinnern würde. Sofort denken auch der spätere Betrachter*innen des Films an jene bezahlten Schläger, die als „Jubel-Perser“ – bezahlte Iraner, die im Juni 1967 dafür sorgen sollten, dass der Besuch des Schahs und seiner Frau in Berlin nicht gestört werden sollte – in die Geschichte der Proteste der 60er Jahre eingingen. Es sind genau diese Eindrücke, die den Film so stark, so authentisch und real wirken lassen. Und die ihn in einer politischen Wirklichkeit verankerten, ja, zu einem Teil dieser Wirklichkeit machten, die zum Zeitpunkt seines Entstehens und seines Erscheinens noch andauerte.

Natürlich trägt die Struktur, die Costa-Gavras und Semprún dem Buch und damit der Inszenierung des Werks gaben, genau zu diesem Eindruck bei. Und es ist genau dieser Eindruck, den sie bezwecken. Das Dokumentarische, das Authentische, die gewollten Brüche – zunächst liegt der Schwerpunkt auf dem Politiker, nach seiner Ermordung wandert der Fokus dann immer stärker auf den Ermittlungsrichter – lassen den Film episodisch, fast uneinheitlich wirken. Dies aber entspricht einer Wirklichkeit, die sich eben nicht kohärent, dramaturgisch einwandfrei, sondern Stück für Stück entfaltet und entwickelt, ohne einem festen Script zu folgen. Doch werden immer wieder Bildfetzen (anders kann man sie nicht nennen) in die Handlung hineingeschnitten, die teils Erinnerungen einzelner Protagonisten wiedergeben, teils aber auch reine Einbildungen oder Vorstellungen. Dies trifft vor allem auf die von Irene Papas gespielte Frau des ermordeten Politikers zu. Mehrfach sehen wir Bilder, in denen er ihr zulächelt oder ihr etwas zuzurufen scheint, Bilder, die sich aber nicht mit dem Filmnarrativ decken. So unterläuft der Film einen Teil der eigenen Message, indem er die Authentizität von Bildern generell in Frage stellt und die Brüchigkeit, das Prekäre auch des scheinbar dokumentarischen, journalistischen Bildes hervorhebt. Es ist, so scheint Costa-Gavras sagen zu wollen, überhaupt keiner Information ungeprüft zu trauen, auch nicht der, die scheinbar im Zeichen der „guten“, der „richtigen“ Sache steht.

Es ist ein ebenso riskanter wie brillanter Schachzug des Drehbuchs, genau diese Effekte zu wagen und die beschriebenen Aspekte zu fördern. In den Bildern und in der Geschichte kann und soll sich jeder wiederfinden, dem die Geschehnisse und Ereignisse nicht nur in Griechenland nah gehen. Jeder, der Angst hat um die Demokratie und die Freiheit, wird hier eindringlich gewarnt. Doch wäre eine reine Warnung, wäre ein erhobener Zeigefinger eben doch nur ein didaktisches Unterfangen gewesen. Ein Unterfangen, das seinerseits als Propaganda hätte wahrgenommen werden können. Costa-Gavras und Semprún gehen jedoch weiter, sie wollen mehr. Sie bieten eine Analyse im Gewand eines Spannungsfilms, der emotional durchaus berühren, der sein Publikum mitnehmen und dennoch – oder gerade – über diesen Umweg zum Nachdenken animieren soll. Es ist die minutiöse Analyse dessen, wie ein herrschaftswilliger Machtapparat sich anschickt, nahezu ohne Vertuschung gegen jene vorzugehen, die das System der Machtausbreitung stören oder gar anzugreifen wagen.

So wundert man sich zunächst auch, dass einige derer, die hier in die Verschwörung miteingebunden sind, so offen mit ihren Taten prahlen, anderen, Unbeteiligten, davon erzählen, wie sie sich zeigen, wenn sie sich – zumindest nach den Konventionen des herkömmlichen Thrillers – doch eigentlich verbergen sollten. Doch schließlich begreift man, dass auch dies eine sehr genauen Beobachtung dessen entspricht, was nur als Struktur der Macht im Sinne eines Theoretikers wie Michel Foucault bezeichnet werden kann, der sich immer wieder mit genau dieser Problematik nicht nur im politischen Sinne auseinandergesetzt hat, das Politische aber nie aus den Augen ließ – und früh verstanden hatte, dass letztlich alles politisch ist. Macht existiert um ihrer selbst willen, sie korrumpiert (nahezu immer) und sucht sich ihre strukturelle Ausbreitung, nahezu unabhängig von denen, die sie (vorübergehend) ausüben. Mag die Demokratie versuchen, Macht und ihre Ausübung einzuschränken und den Missbrauch zumindest zu erschweren – auch sie ist natürlich nicht gefeit davor, dass die strukturelle Macht sich auch hier ausbreitet und entwickelt. Aber in autoritären Systemen wird die Kontrolle, werden die berühmten Gleichgewichte, die checks and balances, wie es in den USA heißt, noch viel schneller ausgehebelt und unterminiert. Spätestens im Faschismus wird Macht zum Selbstzweck.

Die Studie führt anschaulich vor Augen, dass, wer sich der Macht sicher weiß, nichts mehr verbergen muss. Im Gegenteil: Die offen ausgebreitete Lüge, die Leugnung objektiver Tatsachen, das Übergehen jeglicher rechtlichen Ordnung ist gerade Ausdruck der eigenen Machtfülle. Der Beleg der These des Nazi-Juristen Carl Schmitt, das souverän (oder der Souverän) ist, wer über den Ausnahmezustand bestimmen kann[1]. Das Drehbuch entwirft eine ausgesprochen genaue, teils ausgefeilte Psychologie der Macht und Machtausübung der handelnden Figuren, die jedoch nie belehrend hervorgehoben wird, vielmehr ist sie den Figuren eingeschrieben, äußert sich oft nur durch Körperhaltung, durch Gesten, Blicke, in kleinen Momenten, die eher nebensächlich eingestreut werden, und lässt sie gerade dadurch glaubwürdig – und beängstigend – wirken. Denn diese Figuren, wenn sie auch eher funktional denn vielschichtig sind, die meisten namenlos, reine Funktionsträger, diese Figuren entsprechen genau jenen, die man aus einschlägigen Studien zu autoritären Gesellschaften und/oder Organisationen kennt.

Es ist geschickt von Costa-Gavras und Semprún, die Story, dem Roman entsprechend, nicht in der bereits bestehenden Diktatur anzulegen, sondern in einem seltsamen, unbestimmten Zwischenstadium. So ist es ihnen möglich, anhand einiger Hinweise, die aber ebenfalls nie gesondert hervorgehoben werden, darzustellen, wie und wo sich Macht ballt, wie und mit welchen Mitteln sie sich verschiebt, mit welcher Wucht sie zumeist wirkt, wie sie oft im Hintergrund, geheim ausgeübt wird, aber auch, wie die, die sie ausüben, sich ihrer Sache oftmals allzu sicher sind. Es wäre nicht möglich gewesen, die Story dramaturgisch so aufzubauen, wie sie schließlich im Film erscheint, wenn sie in einem bereits diktatorisch geführten Staat angelegt wäre. Denn dort wäre eine Untersuchung, wie sie der Ermittlungsrichter durchführt, sicherlich nicht mehr möglich. So aber kann dieser Mann noch am Rande der Unabhängigkeit wirken, auch wenn der Druck, der auf ihn ausgeübt wird, tatsächlich enorm ist. Christos Sartzetakis war das reelle Vorbild für die Figur des Ermittlungsrichters, er wurde später tatsächlich Staatspräsident Griechenlands. Ein überzeugter und kämpferischer Demokrat.

Wie das zeitgenössische Griechenland vor der Diktatur ist auch das im Film nie näher benannte Land eine repräsentative Monarchie, in der Wahlen abgehalten werden, in der aber de facto das Militär bereits die Macht in Händen hält. In einer Szene des Films sieht man das Portrait der königlichen Familie, allerdings sind durch eine Lichtspiegelung die Gesichter der Königlichen ausgelöscht. Sie sind also nur noch Staffage. Austauschbare Aushängeschilder. Zu Beginn des Films werden uns anhand ihrer Orden verschiedene Militärs in ihren unterschiedlichen Rängen vorgestellt, während sie einem Vortrag lauschen. Es beginnt als Vortrag über die Schäden, die Mehltau der Ernte zufügt und wandelt sich dann zu einem Vortrag darüber, wie gesellschaftliche Schädlinge auszusondern und zu vernichten seien. Einer der Militärs erklärt, dass das Land zwar eine Demokratie sei, dass aber die Parteien abgeschafft gehörten, da sie Kommunisten, Liberale, Schwule, Langhaarige und alles in allem Gottlose ins Land holten, bzw. das Land diesen auslieferten. Im Laufe der Handlung wird immer wieder auf die Gottlosigkeit aller Oppositionellen verwiesen – dies allerdings ein besonderes Merkmal der faschistischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts, sei es in Spanien, sei es später in Griechenland, sei es in den lateinamerikanischen Ländern. Weniger in Italien, erstaunlicherweise. Interessanterweise gelingt den Autoren des Films hier auch eine erstaunlich genaue Analyse vor allem rechter (aber, bedenkt man das stalinistische Neusprech, auch linker), generell totalitärer Sprachfiguren: Man nutzt Begriffe – Demokratie, Christentum, Wahlen -, um sie sogleich auszuhöhlen, zu entkernen und so umzuformen, dass sie in das eigene Narrativ passen. Diese Männer jedoch gehen insofern weiter, als dass sie ihren alleinigen Machtanspruch überdeutlich und ganz unverhohlen formulieren.

Diese Ausformulierung des Machtanspruchs setzt sich durch den Film hindurch fort. Zwar will man, dass der Mord am Oppositionsführer als Unfall deklariert wird, doch gibt man sich wenig bis keine Mühe, das eigentliche Komplott wirklich zu vertuschen. Offen gibt es Absprachen zwischen Vertretern des Militärs, der Polizei und der Justiz, wie die Untersuchung zu handhaben sei. Mit dem von Trintignant gespielten Untersuchungsrichter wird ein vergleichsweise unerfahrener Mann eingesetzt, den man führen zu können glaubt, allein schon, weil er eine Karriere vor sich hat und es sich nicht erlauben kann, entgegen der Anweisungen von oben zu agieren. Trintignant spielt den Part zunächst auch so, wie dieser Mann von seinen Vorgesetzten gewünscht ist: Er hält sich zurück, kaum einmal zeigt sein Gesicht eine Regung, schon gar keine emotionale. Er wirkt leicht manipulierbar, scheint keine Schwierigkeiten zu machen. Im Laufe der Handlung wird sich das allerdings ändern. Je mehr Ungereimtheiten auftreten, je dreister sich die Attentäter gebaren, je mehr Zeugen sich trauen, auszusagen, desto genauer schaut der Mann hin. Und bringt seine Vorgesetzten und deren Verbündete gehörig ins Schwitzen – und gegen sich auf.

Es wird ein Fotojournalist eingeführt – gespielt von Produzent Jacques Perrin -, dessen Haltung in dem Ganzen zunächst unklar bleibt, der zunächst sensationslüstern wirkt und erst – vielleicht, möglicherweise – im Laufe seiner Recherchen ein tatsächliches Interesse entwickelt an der Wahrheit hinter dem, was geschieht. Damit findet auch die Presse, die sogenannte „vierte Gewalt“ in der Demokratie, Eingang in die Handlung. Ihr wird nach und nach eine immer positivere, immer wichtigere Rolle zugesprochen, denn einige der Ermittlungen sind nur aufgrund der Recherchen des jungen Mannes möglich. Anhand dieser Figur – aber auch anhand des Untersuchungsrichters, der immer stärkere Konturen herausbildet, bis Trintignant ihn schließlich hier und da fast zynisch lächeln lässt, der sogar so weit geht, das Verhalten der Militärs, der Polizei und seiner Vorgesetzten in der Justiz kritisch zu kommentieren – lässt sich trefflich aufzeigen, dass die Macher hinter dem Film zu diesem historischen Zeitpunkt – am Ende einer so bürgerbewegten Dekade, die gerade in den Jahren 1967/68/69 mit den Studentenrevolten in Kalifornien, Paris, Berlin erlebt hatte, dass sich etwas ändern konnte – noch nicht die Hoffnung verloren hatten, auch mit und durch die Kunst wirken zu können.

Jene Szenen zum Ende des Films, in denen der Untersuchungsrichter den Generälen, dem Polizeichef, dem Oberstaatsanwalt eröffnet, dass er sie anzuzeigen gedenkt, schlicht deshalb, weil die Beweise für eine Verschwörung so erdrückend seien, und dann einer nach dem andern von ihnen aus dem Vernehmungszimmer stürmt und ein jeder an der falschen Tür zerrt bei der Suche nach dem Ausgang, diese Szenen muten dann sogar komisch an. Buch und Regie machen sich über diese Männer lustig, die stark sind hinter ihren Orden und im Schutz der sie verhüllenden Uniformen, die ihnen jegliche Individualität rauben, die aber nichts sind in dem Moment, in dem ihre Autorität mit der Autorität des Rechts in Frage gestellt wird und sie sich als Individuen, als Subjekte gar verantworten müssen. Unmittelbar nach dieser Szene tritt der vormalige Fotojournalist im Fernsehen auf, wo er in einer eigenen Sendung von den Ermittlungen und deren Ergebnissen berichtet. Wer angeklagt und wer verurteilt wurde und zu welchen Strafen. Das betrifft die tatsächlichen Attentäter – gedungene Mörder aus den Reihen einer mit dem Militär in Verbindung stehenden faschistischen Organisation – ebenso, wie die zuvor im Vernehmungszimmer so aufgebrachten Honoratioren.

Auch diese Wendung mutet tatsächlich komisch an und gibt dem Film einen positiven Schlussakkord. Wollte man zunächst meinen. Denn mitten in der Berichterstattung übernimmt eine bis dahin unbekannte weibliche Stimme aus dem Off die Erzählung und berichtet davon, dass das Militär geputscht habe, die Verurteilten allesamt begnadigt wurden, dafür aber die, die mit dem Oppositionspolitiker verbunden oder befreundet gewesen waren entweder angeklagt und verurteilt wurden – oder aber durch dubiose Umstände, darunter ein Fluchtversuch mittels eines Sprungs aus dem 7. Stockwerk, zu Tode gekommen seien. Spätestens in diesem Moment wird klar, dass mit der Diktatur, dass mit Faschisten niemals zu spaßen ist. Während der Schlusstitel werden alle Dinge und Personen und Handlungen aufgezählt, die unter der neuen Regierung verboten sind – darunter lange Haare zu tragen oder Tanzmusik zu hören.

Z ist also ein tatsächlicher Beitrag zu einem politischen Kampf, der zum Zeitpunkt, da er erschien, noch lange nicht entscheiden war. So ist dem Drehbuch eben auch eine Hoffnung eingeschrieben, wenn es Zeugen zeigt, die keine Angst haben, zu sagen, was ist – auch entgegen den Bitten, teils Drohungen der eigenen Familie. Und es ist ihm Hoffnung eingeschrieben, wenn es unerschrockene Menschen zeigt, die bereit sind, für ihre Ideale zu kämpfen, wie es der Untersuchungsrichter tut. Und es ist ihm Hoffnung eingeschrieben, wenn es die, die Macht haben und unter Anwendung härtester Gewalt bereit sind, die Macht auszuüben und zu verteidigen, der Lächerlichkeit preisgibt, wie es die eben beschriebenen Szenen im Büro der Staatsanwaltschaft eben tun.

Um diese Wirkung zu erzielen, musste ein Film wie Z aber auch ein breites Publikum erreichen. Dazu musste es ein Film sein, der dieses Publikum zumindest dadurch unterhält, dass er Spannung erzeugt, also mit den Mitteln des populären Kinos arbeitet. Costa-Gavras wurde dafür angegriffen, genau diese Mittel genutzt zu haben. Seine Herangehensweise sei nicht adäquat vereinbar mit dem Kampf der Linken, die die reine Lehre des antifaschistischen Kampfs in seiner ganzen Wucht einforderten. Und damit sicher auch nicht ganz unrecht hatten. Nur hätte ein didaktischer Film vor dem Hintergrund der marxistischen Analyse des Faschismus als Zwilling eines kapitalistischen Systems – was er sicher auch aus Sicht von Costa-Gavras und auch Jorge Semprúns durchaus gewesen sein mag, eine These, die heute jedoch als überholt, zumindest nicht mehr uneingeschränkt gilt – kaum ein breites Publikum gefunden. Costa-Gavras hat in diversen Interviews erklärt, weshalb er sich während seiner gesamten Karriere als immer politischer Regisseur dafür entschieden hat, auf eben die Mittel zurückzugreifen, die ein Massenpublikum anziehen kann. Wie man es anders macht, haben Regisseure wie Jean-Luc Godard oder auch Pier Paolo Pasolini gezeigt. Sicher waren ihre Ergebnisse oft „ehrlicher“ im Sinne eines rein künstlerischen Ausdrucks. Doch erreichten sie ab eines bestimmten Zeitpunkts in ihrer Karriere eben auch nur noch ihre ganz spezifische Gemeinde. Beide Herangehensweisen sind legitim, beide kann man begründen und beide sind jeweils in ihrem eigenen Recht. Z ist ein nahezu perfektes Beispiel für die künstlerische Herangehensweise, für die sich Constantin Costa-Gavras entschieden hat.

 

[1] Eine Tatsache übrigens, die realisiert, wer die aktuellen Ereignisse der Trump-Präsidentschaft in den USA des Jahres 2025 beobachtet und analysiert.

 

Literatur

Ruppert, René: Z in: THRILLER. RECLAM FILMGENRES. Stuttgart, 2013. S.139-143.

Schäfer, Horst; Schwarzer, Wolfgang: VON ‚CHE‘ BIS ‚Z‘. POLIT-THRILLER IM KINO. Frankfurt a.M., 1991. S.74-82.

Taylor, Henry M.: CONSPIRACY. THEORIE UND GESCHICHTE DES PARANOIAFILMS. Marburg, 2017. S.404ff.

3 thoughts on “Z – ANATOMIE EINES POLITISCHEN MORDES/Z

  1. Dietrich Feldhausen sagt:

    Ja, „Z“ war ein Film, der in die frühen Siebziger noch mächtig hineinwirkte, als wir „Der Tod des Flohzirkusdirektors“ drehten und mit unseren sehr viel kleineren Mitteln ein Aufbegehren gegen Machtmissbrauch zu formulieren versuchten. Immerhin hatten wir in Francois Simon einen bewärten linbksengagierten Hauptdarsteller und in Renato Berta einen erfahrenen Kameramann – in mir allerdings einen in der Technik des unterhaltsamen Spannungsfilms völlig unerfahrenen Drehbuchautor! 🙁

  2. Dietrich Feldhausen sagt:

    Ansehen kann man ihn sich indem man eingibt:
    vimeo spielfilm der Tod des Flohzirkusfirektors
    und dann diesen Link erhält:
    https://vimeo.com/239445737?msockid=21e6bfd9aed26a010653ab09afcf6b68

    1. Gavin Armour sagt:

      Hallo Dieter,
      danke für Deinen Kommentar und vor allem Dank Dir für den Link!
      Ich glaube auch, dass „Z“ einer der Filme war, die lange nachgewirkt haben und nun, da die Zeiten rauer werden und die Reaktion sich wieder durchzusetzen beginnt, erneut relevant werden. Wehret den Anfängen! kann man nur sagen, auch wenn das abgeschmackt klingen mag…

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.