In den 50er und den frühen 60er Jahren war Stanley Kramer so etwas wie das gute Gewissen Hollywoods. Als die amerikanische Politik noch stark von reaktionären Tendenzen und vor allem von Antikommunismus geprägt war, bemühte er sich mit Filmen wie THE DEFIANT ONES (1958), ON THE BEACH (1959) oder INHERIT THE WIND (1960), liberal-progressive Perspektiven auf Themen wie Rassismus, die atomare Bewaffnung und Aufrüstung oder auch Meinungsvielfalt und -freiheit zu öffnen. 1961 verwendete Kramer als integraler Bestandteil seines Gerichtsdramas JUDGMENT AT NUREMBERG (1961) erstmals Aufnahmen aus befreiten Konzentrationslagern in einem Spielfilm, womit noch einmal eindrücklich an das Menschheitsverbrechen der Shoah erinnert wurde. Einige seiner Filme – wie der Letztgenannte – haben die Zeit gut überstanden und gelten heute als Klassiker, andere sind schlecht gealtert, teils, weil die Zeit thematisch über sie hinweggegangen ist, teils, weil sie schlicht zu sentimental waren. Zu letzteren gehört ON THE BEACH.
Basierend auf dem gleichnamigen, 1957 erschienenen Roman, erzählt Kramer von den letzten Tagen der Menschheit. Der Film beginnt, nachdem die nördliche Hemisphäre durch einen Atomkrieg radioaktiv verseucht wurde und nun unbewohnbar ist. Ein atombetriebenes amerikanisches Unterseeboot der Marine läuft in Melbourne ein. Australien ist der letzte Zufluchtsort, doch auch hierhin wird die Radioaktivität aufgrund der globalen Windverhältnisse in den kommenden Monaten vordringen. Die Gesellschaft weiß also, dass sie dem Untergang geweiht ist. Vor diesem Hintergrund erzählt Kramers Film von letzten Lieben und anderen dringenden Dingen, die getan werden müssen, wenn man das sichere Ende vor Augen hat.
Doch beginnen die Schwierigkeiten des Films praktisch schon mit dem Auftauchen des U-Boots. Denn bereits in der zweiten Einstellung, direkt nachdem der Vorspann abgelaufen ist, erfahren wir zwar, dass es einen Atomkrieg gegeben hat und wie die Dinge so stehen weltweit, doch passt das dann gezeigte Verhalten der Menschen kaum zu dieser Meldung. Wohl gibt es in dem Melbourne, das der Film uns zeigt, nur noch Kutschen, aufgrund des Benzinmangels kaum noch Autos, doch scheint dies zunächst das einzige wirkliche Merkmal grundlegender Veränderungen. Ansonsten gehen die Menschen zum Strand, feiern Partys, unterhalten sich gediegen – durchaus auch über ihr bevorstehendes Ende, doch dies in einem Smalltalk-Ton, der entweder davon kündet, dass diese Menschen alle grundlegend traumatisiert sind und nicht wirklich begreifen, was da auf sie zukommt, oder aber das Drehbuch selbst hat das Grauen, welches hier geboten wird, nicht wirklich durchdrungen.
Sicher war es Kramer und Drehbuchautor John Paxton darum zu tun, eine traumatisierte, ihr drohendes Schicksal verdrängende Gesellschaft zu portraitieren, doch leider kann der Film, kann weder das Buch noch die Inszenierung dieses Trauma wirklich vermitteln. Es wird bestenfalls angedeutet, bis auf wenige Ausnahmen aber zumeist nur behauptet. Dass die Menschen, die der Film uns vorstellt – neben dem von Gregory Peck mit der ganzen ihm zur Verfügung stehenden Stoik gespielten amerikanischen Kapitän des U-Boots sind da die ihm emotional schnell verfallene Moira Davidson, eine Trinkerin, die Ava Gardner gewohnt überzeugend gibt, der Atomwissenschaftler Julian Osborne, von Fred Astaire in einer seiner späten Rollen schon fast ergreifend dargestellt, und das Ehepaar Mary und Peter Holmes, letzterer gespielt von Anthony Perkins in einer seiner letzten Prä-Norman-Bates-Rollen, sowie etliche Nebendarsteller in etlichen Nebenrollen zu nennen – sich durchweg selbst belügen, wird nie wirklich glaubwürdig vermittelt, sieht man einmal von den letzten zwanzig Minuten des Films ab. Zu natürlich und authentisch, zu fröhlich und unbeschwert wirken sie in ihrer Unbefangenheit.
Wenn dann aber bspw. aus U-Boot-Kapitän Dwight Lionel Towers der ganze Schmerz hervorbricht, den es bedeutet, Frau und Kinder atomar verpufft zu wissen, dann nimmt das Publikum Gregory Peck, der so oder so nie im Verdacht stand, zu den besten Schauspielern seiner Generation zu gehören (allerdings zu den bestaussehendsten), diesen Gefühlsausbruch schlicht nicht ab. Erst recht nicht, da er davor und danach die gleichbleibend genügsame und scheinbar so ruhige Haltung zur Schau stellt, wie schon den gesamten Film hindurch. Hier kommen also eine Drehbuchschwäche und schauspielerisches Unvermögen zusammen und haben verheerende Folgen. Denn dieser Mann, offenbar Dreh- und Angelpunkt der Handlung, müsste eigentlich unter fürchterlichem Verlustschmerz leiden, doch scheint er von all den Vorgängen relativ unberührt. Militärischer Eigensinn? Um das glaubhaft zu vermitteln müsste der Film uns aber an anderer Stelle diese seine stoische Haltung unterstützende Hinweise geben. Lediglich Towers Haltung am Ende des Films – mit seinen Männern gen Heimat zu fahren und die letzte Liebe seines Lebens (und, nebenbei, der Menschheitsgeschichte, wenn man so will) zu verlassen – weist noch einmal auf die militärisch geprägte Contenance des Mannes hin. Aber da ist so oder so schon alles egal.
Erst in den eben erwähnten letzten zwanzig Minuten dieses weit über zwei Stunden dauernden Melodramas im Gewande eines soften, dystopischen Science-Fiction-Films kommt ein wirkliches Gefühl für die dräuende Verdammnis auf, dafür, dass hier tatsächlich die Menschheit an ihren Schlusspunkt gelangt ist. Osborne, ein passionierter Autoliebhaber, fährt ein Autorennen, bei dem nach und nach – vielleicht eine der wenigen wirklich verstörenden Szenen des Films – alle seine Kontrahenten fürchterliche Unfälle bauen und einer nach dem andern in Feuerbällen aufgeht, offenbar schicksalsergeben. Und Osborne vergiftet sich folgerichtig mit den Abgasen seines Ferraris, auch er zieht den freiwilligen Tod im Kontext seines geliebten Hobbys dem langsamen Strahlentod vor. Die Holmes´ erklären sich – und damit uns – noch einmal, wie dumm die Menschheit ist, sich selbst jedwede Zukunft genommen zu haben, bevor sie dann die Todespillen nehmen, die an die Bevölkerung ausgegeben wurde, und die sie zuvor schon ihrem kleinen Kind verabreicht haben. Der Admiral nimmt einen letzten Schluck Brandy gemeinsam mit seiner Sekretärin; der er seine Liebe nie eingestehen konnte (zumindest deutet der Film das an). Und Moira steht im Gegenlicht auf der Klippe und schaut dem langsam entschwindenden U-Boot nach, mit dem ihr geliebter Captain Towers – dem Willen seiner Mannschaft gehorchend – gen heimatlicher Gefilde entschwindet. Alle diese Menschen scheinen letztendlich mit ihrem Schicksal einverstanden, keiner begehrt wirklich dagegen auf, vielleicht noch am ehesten Mary Holmes, die tief gläubig ist und für die Selbstmord eine Sünde darstellt. Doch im Kontext des Films ist es dann auch eher die Art des Sterbens, die sie trifft, als die Tatsache, überhaupt sterben zu müssen.
Bevor alle so feinsinnig ihrem Ende entgegen gehen, hatte Towers mit dem U-Boot noch einmal eine Aufklärungsfahrt gen Norden unternommen, da die Wissenschaftler erörterten, dass durch Regen und mögliche Abkühlung der Erdatmosphäre sich der radioaktive Fallout verringert haben könnte, möglicherweise gar nicht bis Australien vordringe. Zudem empfangen die Dienststellen in der Marinebasis von Melbourne beständig ein Morsesignal aus San Diego, das aber keinen Sinn ergibt. Da will man natürlich nachschauen, was es damit auf sich hat. Mit dieser Fahrt, die im gesamten Film lediglich eine recht kurze Zeitspanne, vielleicht eine halbe Stunde der Laufzeit, einnimmt, kommt Kramer dem Schrecken, den er wohl eigentlich vermitteln wollte, noch deutlich am nächsten.
Die Bilder, die Kramer und sein Kameramann Giuseppe Rotunno – der später mit Visconti, Fellini und anderen Größen des italienischen und europäischen Kinos arbeitete – von den menschenleeren Straßen San Franciscos einfangen, sind tatsächlich bedrückend. Durch starke Blenden wirken die Bilder aus den verseuchten Staaten von Amerika – trotz des schwarz-weißen Looks des Films – grell, giftig, toxisch, schmutzig. Zuschauer*innen glauben sofort, dass diese Umwelt zutiefst verseucht ist. Als sich einer der Matrosen vom U-Boot absetzt, weil er in seiner Heimatstadt sterben will und anderntags in der San Francisco Bay angelt, wohl wissend, dass nicht nur die Luft, die er atmet, sondern auch sein Fang massiv verstrahlt sind, wirkt es fast schon komisch, als das U-Boot neben ihm auftaucht und der Kapitän durch Außenlautsprecher mit dem Mann kommuniziert. Doch bei aller (ungewollten?) Komik hat die Szene auch etwas zutiefst Verstörendes.
Kramer ist in ON THE BEACH nicht wirklich viel gelungen, außer vielleicht ein recht konventionelles Melodrama, aber dies ist dann doch ein Moment, der bleibt: Wie da Mensch und Maschine kommunizieren und damit immanent auch ein Dialog über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Spezies stattfindet, das hat schon etwas für sich. Denn hier hat ein Angriff mit einer jener Bomben/Waffen stattgefunden, deren Wirkung so perfide ist: Lediglich alles Lebende, Mensch und Tier, ist verschwunden, die Stadt selbst – und eben auch alles Technische, Un-Organische – ist unberührt[1]. In diesen Momenten gelingt es Kramer und seinem Film dann doch zu verdeutlichen, welch ein Wahnsinn im atomaren Wettstreit der damaligen Blöcke lauert. Welch ein Zynismus gerade eine Waffe wie bspw. die Wasserstoffbombe (im Film ist von Kobald-Bomben die Rede) darstellt, die damals, 1959, seit einigen Jahren erprobt wurde. Diesen Wahnsinn und den ihm innewohnenden Zynismus zu ergründen gelingt in diesen Szenen weitaus besser als in jenen, in denen das Drehbuch wahlweise die Besucher einer Party bei den Holmes´ über ihr Ende spekulieren oder später Osborne an Bord des U-Boots über die Dummheit der Menschen sinnieren lässt. Diese Momente sind schlichtweg Ausschnitte aus Traktaten, Verkündigungen allgemeingültiger Weisheiten, banal. Dazu zählt auch das Schlussbild des Films, das uns den Versammlungsort der Heilsarmee zeigt, die in den letzten Stunden der Menschheit für eben diese gebetet und gesungen hatte. Nun hängt nur noch deren Transparent über dem leeren Platz und verkündet: There is still time…brother! Eine dann doch didaktisch allzu deutliche Mahnung an das Publikum.
ON THE BEACH mag zu seiner Zeit insofern ein wichtiger Film gewesen sein, als dass es im Jahr 1959 nicht allzu viele Stimmen gab, die sich offen gegen den Wahnwitz des atomaren Wettrüstens auszusprechen wagten, ja generell einer mehr oder weniger pazifistischen Sichtweise Raum gaben. Ob letzteres auf den Film tatsächlich zutrifft, sei einmal dahingestellt, denn das Militär als solches stellt der Film nie in Frage. Doch nimmt er eine klare Haltung gegenüber dem sich damals immer deutlicher abzeichnenden Wettrüsten der kommenden 30 Jahre ein. Leider nutzt er dafür eine Form, die zumindest aus heutiger Sicht kaum bis gar nicht taugt. Denn wie schon zuvor beschrieben, ist dies im Kern ein Melodrama.
Peck, der in den 50er Jahren neben einigen Western, Abenteuer- und Kriegsfilmen vor allem viele romantische Rollen gespielt hatte und dadurch seine Reputation als romantischer Held festigen konnte, musste mit Moira Davidson eine letzte Liebe auf den Leib geschneidert werden, da das Publikum dies scheinbar erwartete. Zur Dringlichkeit dessen, was der Film erzählen und damit erreichen will, passt dies nicht nur nicht, es lässt die Handlung auch zerfasern[2]. Entweder hat dieser Mann seine Verluste durch innere Versteinerung kompensiert und sich in sich selbst verschlossen, dann wäre er einer neuen Liebe – oder, wie es Moira mehrmals sagt, einem Flirt – gegenüber nicht offen; wäre dieser Mann jedoch innerlich frei, weil er keine nahen Angehörigen verloren hat, würde die letzte Liebe vielleicht besser passen, doch im Angesicht der drohenden Katastrophe würde diese letzte Liebe doch auch etwas banal wirken. Tragik und Leichtigkeit vor dem Untergang in einer Figur zu vereinen, ist nur schwerlich glaubwürdig zu vermitteln.
Einzig die Figur der Mary Holmes ist in dieser Hinsicht im Drehbuch tatsächlich glaubwürdig angelegt und wird von Donna Anderson auch ebenso glaubwürdig gespielt. Ihr nimmt man das Verdrängen ab, denn als auf der von ihr und Peter in ihrem Haus zu Ehren des amerikanischen Kapitäns gegebenen Party Osborne und ein anderer Gast lautstark über die bevorstehende Katastrophe streiten, verliert Mary die Contenance und zeigt ihre Angst und Verzweiflung ganz offen. Nur um anderntags wieder die liebende Mutter und Ehefrau zu geben, die sorglos am Strand spielt. In dieser Figur kommt nicht nur das Trauma deutlich zum Ausdruck, stellvertretend für eine ganze Gesellschaft, sondern auch der Wunsch, die letzten Momente, die einem noch bleiben, unbeschwert zu verleben. Aber es kommt eben auch zum Ausdruck, dass diese Unbeschwertheit immer nur eine Lüge sein kann. Das Unausweichliche zu verdrängen gelingt nur momentweise und selbst in diesen Momenten schimmert das Unheil immer durch die vermeintliche Leichtigkeit hindurch.
Es sind aber dies die Momente, die dem Film die ihm gern von der positiv gesinnten Kritik, derer es nicht allzu viel gab, unterstellte Botschaft, dass der Mensch ein im Grunde gutes Wesen und das Leben lebenswert und zu erhalten sei, mitgibt. In der Familie Holmes, die eigentlich für die Zukunft steht, die sich an ihrem Kind erfreut – und Perkins spielt die Szenen, in denen er sich um das Baby kümmert, herrlich frei und unbekümmert und somit absolut glaubwürdig – kommt also die ganze Tragik der Situation zum Ausdruck. Letztlich unverschuldet werden sie die Konsequenzen einer Politik tragen müssen, auf die sie keinen Einfluss hatten und haben. Hier, in den Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten und in ihrem Bemühen, sich darüber nicht zu entzweien, kommt ON THE BEACH zu sich selbst, wird er glaubwürdig und momentweise sogar ergreifend.
Doch torpediert er diese gut gemeinten und gut gemachten Momente dann mit solchen wie jenem, wenn Towers und Moira zum Angeln fahren, an ein vermeintlich sehr ruhiges und romantisches Plätzchen, und dort dann umgeben sind von Horden Betrunkener, die laut Volkslieder grölen und sich die Regie nicht entblödet, Towers dann auch noch im Bach ausrutschen und sich auf den Hosenboden setzen zu lassen. Unfreiwillig komisch? Vielleicht, vielleicht aber auch genau so gewollt. Auf jedem Fall der vom Film behaupteten Situation – diese Szene ist nach Towers´ Rückkehr von seiner Erkundungsfahrt und damit im sicheren Wissen um das baldige Ende angesiedelt – völlig unangemessen. Es sind Momente wie dieser, die das ganze Unterfangen, das dieser in vielerlei Hinsicht sehr schwerfällige Film darstellt, untergraben und in Frage stellen.
Stanley Kramer ist in seiner langen Karriere definitiv Besseres gelungen.
[1] Es ist eine der vielen Abweichungen von der literarischen Vorlage, dass es keine Zerstörungen zu sehen gibt. Ein Fakt, den der Autor Nevil Shute beanstandete, liegt die Stadt im Roman doch in Schutt und Asche. Vielleicht wollte Kramer genau diesen entfremdenden Effekt einer von Menschen verlassenen Stadt, vielleicht war diese Änderung auch einfach dem Budget und der Darstellbarkeit geschuldet – so, wie es er Film dann schließlich zeigt, ist es zumindest zutiefst verstörend.
[2] Auch die Liebe zwischen Kapitän Towers und Moira Davidson kommt so im Buch nicht vor und auch diese Änderung beanstandete Nevil Shute; nicht zuletzt, weil er es für wesentlich erachtete, dass Towers seiner toten Frau und den Kindern – letztlich also der amerikanischen Familie – treu blieb und damit ein zu erhaltendes Idyll, einen Wert verteidige.