AUS MANGEL AN BEWEISEN/PRESUMED INNOCENT

Einer jener für die frühen 90er Jahre typischen Thriller - ein Hochglanzprodukt, überkonstruiert und reaktionär

Rusty Sabich (Harrison Ford) ist stellvertretender Staatsanwalt in Kindle County. Sein Chef, Raymond Horgan (Brian Dennehy) steckt mitten im Wahlkampf und muss um seine Wiederwahl fürchten, da sein Gegner Nico Della Guardia (Tom Mardirosian) Punkte gut macht und Chancen hat, ihn abzulösen.

Umso schlimmer, dass eines Tages die Leiche von Carolyn Polhemus (Greta Scacchi) aufgefunden wird. Sie war Staatsanwältin in Horgans Team. Sie wurde gefesselt, vergewaltigt und erschlagen. Für Della Guardia ein gefundenes Fressen, wirkt Horgan doch, sollte der Fall nicht schnell geklärt werden, wie ein schwacher Staatsanwalt.

Horgan fleht Rusty geradezu an, den Fall zu übernehmen. Rusty sei sein bester Mann, er habe Polhemus, die einst Rustys Assistentin war, gekannt, er könne schnelle Ergebnisse liefern.

Obwohl Rusty wenig begeistert ist, nimmt er die Ermittlungen auf. Ihm zur Seite steht der Polizist Dan Lipranzer (John Spencer), mit dem Rusty schon häufiger zusammengearbeitet hat. Schnell finden die beiden heraus, dass es unter Polhemus´ Fällen Ungereimtheiten geben muss, da eine ihrer Akten fehlt.

Was weder Horgan noch Lipranzer wissen: Rusty hatte eine längere Affäre mit Carolyn Polhemus. Nachdem sie sich anfänglich schwer miteinander getan hatten, wuchs Rustys Respekt vor Polhemus, als er ihren Einsatz gegen häusliche Gewalt mitbekam. Beide verliebten sich ineinander. Doch wurde die Affäre vor einiger Zeit von Polhemus beendet, da Rusty sich weigerte, ihr beim Aufstieg auf der Karriereleiter zu helfen. Rusty trauert nicht nur der Affäre nach, sondern trauert er auch wirklich um Polhemus.

Das merkt Rustys Frau Barbara (Bonnie Bedelia). Sie wusste um die Affäre, weshalb die Ehe der Sabichs momentan eher auf Bewährung läuft. Es verletzt Barbara, zu sehen, wie sehr der Tod ihrer Rivalin ihren Mann bedrückt. Es kommt zu einer Aussprache, bei der er beteuert, dass er Polhemus nicht mehr geliebt habe, vielleicht nie wirklich geliebt habe.

Rusty hat Lipranzer allerdings darauf hingewiesen, dass es wahrscheinlich eine Reihe von Anrufen auf Polhemus´ Listen geben könnte, die von ihm stammen. Er habe Carolyn auch in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder mal angerufen. Deshalb hatte sie ihm bereits mit einer Anklage wegen Stalkings gedroht. Rusty bittet seinen alten Kumpel nun, diese Anrufe möglicherweise unter den Tisch fallen zu lassen.

Es werden Fingerabdrücke von Rusty auf einem Glas gefunden, dass in Polhemus´ Wohnung sichergestellt wurde. Das Glas stand offen auf dem Tisch, direkt neben der Leiche. Rusty ahnt, dass sich etwas zusammenbrauen könnte.

Rusty gibt Horgan gegenüber zu verstehen, dass er wegen seiner Affäre mit Polhemus als belastet betrachtet werden kann. Er fragt Horgan nach der Akte, die fehlt, und danach, ob auch er eine Affäre mit Polhemus hatte. Horgan gibt zu, dass er ebenfalls mit dem Mordopfer geschlafen hat und dass er ihr die Akte zugeschustert hatte, um ihr einen möglichen Trumpf in einem ihrer Fälle in die Hand zu geben. Am Morgen nach dem Mord hatte Horgan höchstselbst die Akte dann aus Polhemus Büro geholt.

Rusty erinnert sich, wie er mit Polhemus einst in dem Fall eines Jungen, dem häusliche Gewalt angetan wurde, ermittelt hatte und das auch dabei schon Ungereimtheiten aufgetreten waren. Möglicherweise ist es genau diese Akte, um die es geht.

Während die Ermittlungen laufen, aber nicht recht vom Fleck kommen, verliert Horgan tatsächlich die Wahl gegen Della Guardia. Der neue Staatsanwalt und der Chef der Mordkommission Tommy Molto (Joe Grifasi) legen einen anderen Schwerpunkt bei den Ermittlungen fest, wodurch nun Rusty selbst immer stärker unter Verdacht gerät.

Das Glas und die Anrufe, die mittlerweile entdeckt wurden, Spermaspuren, die zumindest auf Rusty hindeuten könnten, sowie Fasern des Teppichs aus Polhemus´ Wohnung an seinen Kleidern reichen schließlich für eine Anklage.

Rusty lässt sich von dem angesehenen Verteidiger Alejandro „Sandy“ Stern (Raúl Juliá) vertreten, mit dem er sich schon manches Duell vor Gericht geliefert hatte. Er weiß, wie gut der Anwalt ist.

Der Richter Larren Lyttle (Paul Winfield) führt den Vorsitz bei der Verhandlung. Alle Beteiligten des Verfahrens kennen sich also aus beruflichen Zusammenhängen. Lyttle macht schnell klar, dass er die Verhandlung streng führen wird.

Stern wird seinem Ruf gerecht: Schnell werden Ungereimtheiten und Unklarheiten offenbar. Obwohl Horgan, der Rusty ja eindringlich gebeten hatte, den Fall zu übernehmen, gegen ihn aussagt und sogar lügt, als er behauptet, Rusty habe sich ihm geradezu aufgedrängt den Fall zu übernehmen, kann Stern nachweisen, dass Horgan selbst von den Vorgängen betroffen war. Schließlich hatte er die fehlende Akte aus Polhemus´ Schrank entfernt. Und wie Lipranzer herausgefunden hat, ging es in dem Schriftstück auch noch um Richter Lyttle, der einst eine kleine Gewährleistung gegenüber einem Angeklagten „übersehen“ hatte. Stern lässt den Richter wissen, dass er um dessen frühere Fehlleistung weiß.

Später im Verfahren tritt ein Sachverständiger auf, der in seinem Bericht auf die Entfernung eines Diaphragmas aus Polhemus´ Körper nach der Tötung hingewiesen hatte. Doch war Polhemus sterilisiert, wodurch die ganze Annahme einer „gestellten Vergewaltigung“ hinfällig wird, welche Rusty vorgeworfen worden war. Er habe damit von dem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen ihm und Polhemus ablenken wollen.

Wirklich schlimm für die Staatsanwaltschaft wiegt jedoch der Verlust des Glases mit Rustys Fingerabdrücken, das nicht mehr auffindbar ist. Aufgrund all dieser Fehler und falschen Indizien, lässt Richter Lyttle die Anklage fallen und spricht Rusty von allen Vorwürfen frei.

Rusty trifft sich mit Lipranzer, der ihm das Glas überreicht. Er hatte es zu einer Überprüfung aus der Asservatenkammer mitgenommen, aber nie zurückgebracht. Da Molto es bereits quittiert hatte, fiel der Verlust niemandem auf. Rusty ist einerseits gerührt, dass sein Freund ihm helfen wollte, zugleich aber auch schockiert, dass er – ein Polizist – bereit gewesen ist, Beweismittel zu unterschlagen.

Das Leben im Hause Sabich beruhigt sich wieder. Barbara, die lange schon unter Minderwertigkeitskomplexen litt, da sie nie ihre Dissertation fertig gestellt hatte und keinen angemessenen Job fand, tritt eine Stelle an der Universität an. Rusty, wieder in seinem Job, lässt es nun ruhiger angehen und genießt es, mehr daheim zu sein. Eines Tages findet er bei Gartenarbeiten einen Hammer. An dem Werkzeug sind Blutspuren und Haare zu erkennen und unschwer ist zu erraten, dass dies die Tatwaffe aus dem Fall Polhemus ist, die nie gefunden wurde. Instinktiv wäscht Rusty das Blut und die Haare ab.

Barbara kommt hinzu und erklärt, sie habe nach Rustys Affäre unter schweren Depressionen gelitten und gefürchtet, nichts wert zu sein. Sie habe sich umbringen wollen. Doch dann habe sie beschlossen, nicht selber zu sterben, sondern die zu zerstören, die ihre Familie zu zerstören drohe. Sie, Barbara, habe Carolyn Polhemus getötet. Obwohl er schockiert ist, beschließt Rusty, seine Frau nicht anzuzeigen. Der gemeinsame Sohn brauche seine Mutter.

Alan J. Pakulas PRESUMED INNOCENT (1990) kann getrost als einer jener Thriller betrachtet werden, die so typisch für die späten 80er und frühen 90er Jahre gewesen sind. Filme, die, oberflächlich betrachtet, sowohl inhaltlich als auch in ihrer Machart extrem intelligent daherkamen, hintergründig und komplex, allerdings meist auch überkonstruiert – gern wurde, wie hier, auf eines der auch damals schon so beliebten Gerichtsdramen aus der Feder solcher Könner wie John Grisham oder eben Scott Turow zurückgegriffen – und zumeist mit einem höchst unerwarteten Twist ausgestattet, was sie nur bedingt glaubwürdig wirken ließ. Und in den allermeisten Fällen verkauften sie unter den glatten, den eleganten Oberflächen zutiefst reaktionäre Weltbilder.

Pakula zeichnete in seiner frühen Karriere für Klassiker des ‚New Hollywood Cinema‘ wie KLUTE (1971), THE PARALLAX VIEW (1974) oder ALL THE PRESIDENT´S MEN (1976) verantwortlich und schuf mit SOPHIE´S CHOICE (1982) eines der großen Dramen der Filmgeschichte, das ganz nebenbei Meryl Streep endgültig zum Weltstar machte. Doch danach verließ ihn ein wenig das Glück. Erst mit PRESUMED INNOCENT konnte der Meisterregisseur wieder an alte Erfolge anknüpfen – zumindest kommerziell.

Mit Harrison Ford stand Pakula einer der zu Beginn der 90er Jahre höchstgehandelten Hollywood-Stars zur Verfügung. Ford selber suchte damals nach Möglichkeiten, aus der Falle der ewigen Indiana-Jones– und der STAR WARS-Filme zu entkommen, die sein Rollenimage stark geprägt hatten. Es war ihm mit WITNESS (1985), MOSQUITO COAST (1986) und FRANTIC (1988) gelungen, das Spektrum seiner Rollen ins ernste, dramatische, seriöse Fach zu erweitern, in WORKING GIRL (1988) konnte er sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen, ohne allzu viel dafür tun zu müssen. Im Grunde blieb er sich hier treu, lediglich das Setting änderte sich und damit auch die Wirkung, die er als Schauspieler hatte. All diese Filme hatten Ford die Zusammenarbeit mit außergewöhnlichen und vor allem äußerst intelligenten Regisseuren ermöglicht. Pakula bot ihm nun erstmals die Möglichkeit, einen zumindest vorübergehend zwielichtigen Charakter zu spielen (wobei angemerkt sei, dass Allie Fox, der Charakter den Ford in Peter Weirs MOSQUITO COAST verkörperte, ebenfalls ein ambivalenter und sehr widersprüchlicher gewesen ist).

PRESUMED INNOCENT erzählt von dem Staatsanwalt Rusty Sabich, dessen ehemalige Assistentin Carolyn Polhemus – mit der ihn, bis sie ihn abservierte, auch eine intensive Affäre verband – ermordet wird. Sein Vorgesetzter, der Bezirksstaatsanwalt Raymond Horgan, drängt Sabich, den Fall zu übernehmen. Ein ausgesprochen prekäres Unterfangen, denn Horgan kämpft um seine Wiederwahl. Nach und nach deckt Sabich Ungereimtheiten um die Fälle auf, die Polhemus zugeteilt waren. Doch ändert sich all das, als plötzlich sämtliche Indizien auf ihn als Täter hinweisen. Dummerweise hat er sich gegenüber dem für ihn arbeitenden Ermittler, der auch ein enger Freund ist, recht nachteilig geäußert, so dass Sabich umso besser zu belasten ist.

Pakula inszeniert das spannend, der Zuschauer bleibt zwar immer an Rustys Seite, doch beschleichen auch ihn Zweifel, je mehr Indizien auf die Figur hinweisen. Pakula versteht es nahezu perfekt, eine ganze Reihe von Nebensträngen zu etablieren, die ebenfalls unsere Aufmerksamkeit einfordern und uns einerseits ablenken, andererseits die Dramatik erhöhen. Und die alle irgendwie für den Fall relevant sind. Rusty Sabich leidet sichtlich unter dem Verlust von Polhemus, auch wenn die Affäre längst beendet war und Polhemus sich am Ende nicht sonderlich freundlich ihm gegenüber verhalten hatte. Mehr noch – es entsteht der Eindruck, dass ihr Interesse an ihm eher strategischer Natur gewesen sein könnte, fordert sie ihn doch auf, Horgan zu beerben, dabei gegen seinen Vorgesetzten zu intrigieren und damit auch ihr auf der Karriereleiter voran zu helfen. Als Rusty ablehnt, lässt Polhemus ihn fallen. Rusty findet im Laufe seiner Ermittlungen heraus, dass auch Horgan ein Verhältnis mit ihr hatte. Und wir finden heraus, dass Rustys Frau um seine Affäre mit dem Mordopfer wusste und die Ehe der beiden deshalb schon länger gefährdet ist.

Auch diese Art von Querverbindungen und Verschränkungen in den Beziehungen der Protagonisten ist typisch für einen Thriller wie diesen. Viele Zufälle, viele geheime Überschneidungen, die immer, wenn sie ans Tageslicht kommen, eine weitere Interpretation ermöglichen. Es ist immer von Vorteil, wenn all diese Figuren von guten, weil überzeugenden Schauspielern und Charakterdarstellern verkörpert werden, damit sie Relevanz erlangen und wir sie bspw. als Verdächtige ernst nehmen und nicht nur als Füllmaterial der Handlung betrachten. Bei PRESUMED INNOCENT ist das ganz fraglos der Fall. Angefangen mit Brian Dennehy als Raymond Horgan, über Raúl Juliá als Rustys Verteidiger Sandy Stern, bis hin zu Bonnie Bedelia als Rustys Gattin Barbara, sind alle Nebenrollen hervorragend besetzt. Und die zu Beginn der 90er hoch gehandelte Greta Scacchi als Carolyn Polhemus bringt die nötige schwüle Erotik in den Film, damit dem Zuschauer glaubwürdig zu vermitteln ist, weshalb nahezu jeder auf diese Frau abfährt. Naturgemäß tritt sie nur in Rückblenden auf. Allerdings wird Rusty mehrfach von Erinnerungen an ihre Affäre heimgesucht, was seine Frau meist merkt und zu neuerlichen Verwerfungen zwischen den Eheleuten führt.

Man möchte diese Frau, Carolyn Polhemus, eigentlich mögen. Man möchte ihre Geradlinigkeit mögen, mit der sie sich scheinbar nimmt, was sie will und eine Karriere verfolgt. Doch wie bspw. in Adrian Lynes Neo-Noir-Thriller FATAL ATTRACTION (1987), ist es auch hier so, dass die Karrierefrau als ausgesprochen bedrohlich dargestellt wird. Ja, sogar als durchtrieben. Sie ist – anders als Alex Forrest in Lynes Film – eher nicht tödlich, aber ebenso toxisch. Sie droht nicht nur damit, den Männern ihre angestammten Plätze streitig zu machen, nein, sie zerstört eine glückliche, amerikanische Familie. Und das mochte selbst das liberale Hollywood am Ende der so reaktionär-konservativen 80er Jahre unter Ronald Reagan gar nicht. Auf diese Art der Aufmüpfigkeit stand die (symbolische) Todesstrafe. Um die zu rechtfertigen, mussten diese Frauen-Monster derart inszeniert werden, dass die Zuschauer – auch und gerade die weiblichen – die Bestrafung akzeptierten.

Carolyn Polhemus ist also von Beginn ihres Auftritts ein Vamp, spielt mit den Männern in ihrer Umgebung, die natürlich alle sofort auf ihr auffallendes Äußeres anspringen. Etwas weicher – und sympathischer – wird sie dadurch, dass sie sich offenbar für vernachlässigte Kinder und gegen häusliche Gewalt einsetzt, wozu sie Rusty braucht, nutzt und wovon sie ihn auch überzeugen kann. Pakula baut ein paar Nacktszenen ein, so dass das männliche Publikum die Möglichkeit hat, sich Greta Scacchi genauer anzugucken, eine hoch manipulative Art, einen Teil des Publikums auf die Seite der (männlichen) Hauptperson zu ziehen. Spätestens aber, wenn Polhemus offen versucht, Rusty zu manipulieren, um ihre eigene Karriere voranzutreiben, begreifen wir den vermeintlich schlechten Charakter dieser Frau und verstehen, wie sie tickt. Es fällt dem Publikum also recht leicht, sie spätestens ab diesem Zeitpunkt zu verabscheuen.

Sicherlich ist Carolyn Polhemus nicht derart brutal, wie es Alex Forrest einst gewesen sein mag, weshalb sie den symbolischen Tod eher nicht verdient hat. Doch zumindest bringt der Film uns dazu, es nicht allzu schlimm zu finden, dass sie eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Denn in ihrer Durchtriebenheit und mit ihren Manipulationen hat sie Rusty offensichtlich seelisch sehr verletzt. Und der wird nun einmal von Harrison Ford gespielt und diesen Mann mochte zu Beginn der 90er Jahre nun einmal jeder. Auch, weil er als Indiana Jones so nett wurschtig daherkam und trotz aller Abenteuer wirkte, als sei er ein netter Nachbar aus der Vorstadt.

Allerdings – und an diesem Punkt wird auch PRESUMED INNOCENT zu einem Neo-Noir-Thriller – gelingt es Buch und Regie eben auch, uns schließlich glauben zu lassen, dass jemand wie Rusty Sabich nach der Abfuhr, die Polhemus ihm erteilt hat, dazu in der Lage ist, sie im Affekt zu töten. Nur deuten die Indizien vom Tatort eben nicht auf eine Affekttat hin, wurde die Frau doch offenbar nach ihrem Tod noch missbraucht. Irgendwie – auch das gelingt der Inszenierung sehr gut – passen all diese Hinweise und Indizien eben nicht zueinander.

Diese Verwirrung lässt uns früh ahnen, dass die Auflösung uns überraschen wird. Erst recht, nachdem Rusty vor Gericht – der Film entwickelt sich in seinem letzten Drittel zu einem astreinen Gerichtsthriller – vergleichsweise leicht freigesprochen wird. Was unter anderem damit zu tun hat, dass die Anklage ihr wesentliches Beweisstück nicht mehr auffinden kann und der Richter, was aber niemand außer Rusty und seinem Verteidiger weiß, befangen ist. Und als dann Dan Lipranzer, Rustys Ermittler, ihm das Glas präsentiert, das er entwendet und nie zurückgegeben hatte, scheint die Sache klar: Rusty war eben doch der Täter. Aus Eifersucht und verletzter Eitelkeit hat er seine Ex-Geliebte getötet. Nur verhält er sich nicht so. Und die Auflösung ist dann zumindest ein wenig überraschend. Denn es war Rustys Gattin Barbara, die tatsächlich meint, mit einem Hammer Gerechtigkeit walten gelassen zu haben. Dass sie alles dafür getan hat, dass ihr Mann verdächtigt wird versteht der Zuschauer nicht zwangsläufig, interessanter allerdings ist Rustys Reaktion. Der nämlich erklärt uns, dass er, weil er seinem Sohn die Mutter nicht nehmen wollte, die Familie also nicht zerstören wollte, auf eine Anzeige verzichtet hat. Barbara Sabich kommt also mit ihrer Tat davon. Und wird – auch wenn der Film andeutet, dass dies keine unbedingt guten Auswirkungen auf das Familienleben haben wird – exklusiv damit verteidigt, dass die Familie zu erhalten sei. Deutlicher kann ein Hollywood-Film (gerade jener Tage) seine reaktionäre Ideologie nicht ausstellen.

Es erstaunt, dass ein ehemals doch liberaler Regisseur wie Alan J. Pakula sich eines solchen Twists bedient, man mag das allerdings als den Ansprüchen der Studios geschuldet betrachten. Spannend ist PRESUMED INNOCENT allemal, wenn auch nur beim ersten Betrachten. Weiß man um die Auflösung, verliert der Film schnell an Reiz. Eben ein typisches Produkt der frühen 90er Jahre.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.