DER INFORMANT!/THE INFORMANT!
Marc Whitacre (Matt Damon) ist Biochemiker und arbeitet bei einem großen Agrarkonzern im Mittelwesten der USA. Er und seine Frau Ginger (Melanie Lynskey) führen ein angenehmes Leben in gehobenem Mittelstand.
Eines Tages wird festgestellt, daß ein Virus die Lysin-Produktion befallen hat, wodurch es zu Ausfällen kommt. Seinen Vorgesetzten gegenüber behauptet Whitacre, in Kontakt mit einem asiatischen Wettbewerber auf dem Weltmarkt zu stehen, der das Virus eingeschleust habe, um die Firma zu erpressen.
Die Firmenleitung schaltet das FBI ein, was Whitacre zu verhindern sucht, sei es doch besser, solche Dinge intern zu regeln. Das FBI zapft sowohl seine Firmen- als auch die Privatleitungen seiner Telefone an, da Whitacre behauptet, nur auf seinem Privatapparat kontaktiert worden zu sein.
Er und Ginger überlegen, wie sie sich aus der Schußlinie bringen und ihren Wohlstand sichern können. So erklärt Whitacre gegenüber den FBI-Beamten Shepard (Scott Bakula) und Hemdon (Joel McHale), es gäbe geheime Preisabsprachen zwischen der Firma, für die er arbeitet, und den Asiaten.
Whitacre wird so zum Informanten des FBI gegenüber seinen Vorgesetzten. Er wird verkabelt und soll anhand heimlicher Mikrofon- und Videoaufnahmen kompromittierendes Material beibringen.
Whitacre benimmt sich zusehends unberechenbarer. Er ist redebedürftig, verrät Firmengeheimnisse ebenso, wie Ermittlungsergebnisse, bauscht das eigene Leben in der Öffentlichkeit auf – unter anderem erzählt er, seine Eltern seien bei einem Autounfall ums Leben gekommen und er selbst, der großes Glück gehabt habe, von einem reichen Mann adoptiert worden, der ihm alle Chancen im Leben gegeben habe.
Die FBI-Agenten kommen dahinter, daß Whitacres Eltern jedoch leben. Sie vermuten bei ihrem Kronzeugen einen psychischen Defekt. Möglicherweise ist er manisch-depressiv.
Gegenüber seinen Führungsagenten erklärt er mehrfach, in der Firma aufzusteigen, sobald die Firmenleitung festgenommen und entlassen wurde. Beide Agenten versuchen mehrfach, ihm klar zu machen, daß er natürlich aus der Firma ausscheide, sobald seine Rolle bei den Ermittlungen bekannt werde. Doch Whitacre ignoriert alle Hinweise.
Mehr noch: Als die Ermittlungen in ihre entscheidende Phase kommen und schließlich öffentlich bekannt werden, lässt Whitacre es sich nicht nehmen, seine Rolle als Informant des FBI herauszustellen und auch diese aufzubauschen. Er genießt seine öffentliche Rolle, gibt Interviews und gibt auch dabei mächtig an. Wiederholte Warnungen der FBI-Agenten schlägt er weiterhin in den Wind.
Die Firma schlägt derweil zurück und untersucht Whitacres Geschäftsgebaren in den vergangenen Jahren. Dabei kommen immer mehr Unregelmäßigkeiten zu Tage. Offenbar hat er nicht nur Aufträge gefälscht und dabei Provisionen kassiert, sondern auch reine Schmiergeldzahlungen eingestrichen.
Nun ermittelt das FBI gegen ihn. Whitacre versteht die Welt nicht mehr. Doch es reizt ihn auch, den Agenten von seinen, wie er findet, ausgesprochen genialen Plänen und Methoden zu erzählen.
So stellen die FBI-Agenten fest, daß er mindestens anderthalb Millionen Dollar unterschlagen hat. Mit zunehmender Recherche erhöht sich der Betrag auf 5,5 Millionen, dann auf 7 usw. Die Firma wiederum gibt einen Betrag von 9,5 Millionen Dollar an, die ihr Mitarbeiter, der die ursprüngliche Erpressung schlicht erfunden hatte, um von sich abzulenken, eingestrichen hat.
Ein Verfahren wird gegen Whitacre eingeleitet. Die FBI-Agenten, die den biederen aber durchaus charmanten und selbstbewußten Mann eigentlich mögen, selbst allerdings ebenfalls als Gelackmeierte dastehen, sind sie ihm doch wie alle andern recht lange auf den Leim gegangen, besuchen ihn in der Untersuchungshaft. Hier erklärt Whitacre lachend, immerhin habe er 11,5 Millionen Dollar auf die Seite geschafft. Die Agenten sind verzweifelt.
Marc Whitacre wird zu neun Jahren Haft verurteilt. Die Geschäftsführung seiner Firma wegen Preisabsprachen zu drei Jahren und hohen Bußgeldzahlungen.
Unter den unzähligen Verbrechen, die es gibt, scheint der Mord – zurecht – am äußersten Rand dessen zu stehen, was die Gesellschaft medial verkraften kann – und wonach sie giert. Deshalb kommt kein deutscher Fernsehkrimi ohne Mord aus. Und wenn es doch einmal so ist, fällt das gleich auf. Folgt man zumindest filmischen Darstellungen, scheint der Betrug am anderen Ende der Skala zu stehen. Gewitzt dargestellt, wird er goutiert. Irgendwo dazwischen liegt der Raub, der es sogar zu einem eigenen Sub-Genre gebracht hat, das sogenannte Heist-Movie. Der ausgeklügelte Raub von Geld, Gold oder Diamanten wird solange akzeptiert, solange keine Menschen dabei zu Schaden kommen und die Planung und Ausführung als derart intelligent dargestellt werden, daß das Publikum sich entweder identifizieren oder zumindest das Genie der Täter bewundern kann. Das war nicht immer so. Denkt man an Stanley Kubricks frühes Meisterwerk THE KILLING (1956), so hat man es mit einem klassischen Heist-Movie zu tun, dessen Moral noch deutlich den Standpunkt vertritt, Verbrechen zahle sich nie aus. Doch entwickelte sich gerade dieses Sub-Genre zusehends in Richtung Komödie.
Der Betrüger wird im Film meist anders behandelt. Nicht immer, aber sehr häufig ist er eine tragische Figur. Seine Tat mag uns in ihrer Ungeheuerlichkeit unterhalten, sein System uns überwältigen, am Betrüger selbst – egal, ob er mit seinem Tun davonkommt oder nicht – bleibt aber immer etwas hängen. Mindestens sein Einzelgängertum und die damit einhergehende Undurchschaubarkeit machen ihn suspekt. Er ist ein Neurotiker, wenn nicht gar ein Psychopath. So hielt es Richard Kwietniowski in OWNING MAHOWNY (2003), ähnlich verhält es sich in Steven Soderberghs Film THE INFORMANT! (2009).
Soderbergh selbst hat mit seiner Reihe um den Meisterdieb Danny Ocean gleich eine ganze Serie von Heist-Movies gedreht, die alle den komödiantischen Aspekt betonen. Auch THE INFORMANT! scheint zunächst in eine ähnliche Richtung zu tendieren. Das ist vor allem der Musik von Martin Hamlisch geschuldet. Mit seinen swingenden Rhythmen unterlegt er die Geschichte von Mark Whitacre, der in der Lebensmittelindustrie arbeitet, ein recht gutes Gehalt einstreicht und dennoch ein unglaubliches Betrugssystem in Gang setzt, bei dem aber weder er, noch die, die ihn benutzen und verfolgen, je verstehen, weshalb er es überhaupt initiiert hat. Sicher, es geht um Geld, am Ende werden es wohl an die 11 Millionen Dollar gewesen sein, die Whitacre auf die Seite schaffte – doch so, wie Soderbergh die Geschichte darstellt, ist es dem Betrüger sehr darum zu tun, seine Umwelt von seinen Taten wissen zu lassen. Er will sich im Glanze seines Genies sonnen.
Die Geschichte beruht – wie so häufig – auf „wahren Begebenheiten“. Der Betrug ereignete sich zu Beginn der 90er Jahre. Der reale Whitacre ging dafür neun Jahre ins Gefängnis. Er hat den Film gesehen, er fand ihn großartig. Und war offensichtlich auch mit der Darstellung seiner Person durch Matt Damon zufrieden. Damon nahm an die zehn Kilo zu, um einen aalglatten, zugleich sehr biederen Angestellten zu präsentieren, der in seiner Bräsigkeit kaum so wirkt, als sei er zu betrügerischen Großtaten fähig. Auch scheint in Soderberghs Interpretation das Lügengebäude, das Whitacre um sich herum aufbaut, ein System, in welchem eine ungeheuerliche Behauptung die vorherige Ungeheuerlichkeit ablöst, ein sich selbst befeuerndes zu sein. Der Delinquent peppt auch die eigene Biographie um vollkommen unnötige, dramatische Ereignisse auf, um sie interessanter zu machen. Zugleich sind seine Geschichten aber oft auch schnell und leicht durchschaubar.
Whitacre scheint das Spiel, das er mit seinem Arbeitgeber, aber auch dem FBI treibt, zu genießen. Fragt sich allerdings, wer wirklich mit wem spielt – oder ob alle hier nicht einfach nur Figuren eines Spiels sind, das sie sowieso nicht begreifen? Auch Whitacre nicht. Es wird hier ein notorischer Lügner präsentiert, der ursprünglich aus Selbstschutz mit seinen Behauptungen begonnen haben mag, woraus sich eine Eigendynamik entwickelte, die er kaum mehr beherrschen kann, weil er sie nicht mehr durchschaut. Bald weiß niemand mehr, worum es eigentlich geht, was Wahrheit, was Lüge ist. Das Leben erscheint als reine Fiktion, als Masse, die man beliebig bearbeiten kann.
Das könnte nun – und so klingt es auch – zur Farce, schrill bis hysterisch, aufgebauscht werden. Ein kleiner Betrüger, ein Spießer, der sich in eine Spirale begibt, aus der er nicht mehr herauskommt und so in immer schwindelerregendere Höhen des Betrugs aufsteigt. In Opposition dazu zwei FBI-Agenten, die nicht sonderlich intelligent wirken und sich bereitwillig und nahezu naiv in das Spiel des Mannes einwickeln lassen. Und Soderbergh bietet eine solche Sichtweise auf seinen Film auch an. Aber wirklich überzeugend ist das als solche eben nicht. Denn Regie und auch das zugrunde liegende Drehbuch bleiben doch zu nah an der Realität, geben sich viel Mühe, nachvollziehbar zu machen, was da eigentlich geschieht, legen wert auf technische Genauigkeit. Whitacre wird zum Informanten des FBI im Kampf gegen internationale Preisabsprachen, die es zwar wirklich gegeben hat, die Whitacre aber enorm übertreibt, zur Verschwörung internationalen Ausmaßes aufbläht, um sich selbst und seinen ursprünglichen Betrug aus dem Fokus zu nehmen.
Die Idee trägt aber kaum für einen abendfüllenden Spielfilm. So entsteht viel Leerlauf in der Handlung. Anstatt komplett zu überdrehen, zwingt Soderbergh sein Publikum immer wieder, endlosen Dialogen beizuwohnen, die weder lustig sind, noch wirklichen Informationswert haben, außer daß wir Whitacres Entgrenzung und Enthemmung zuschauen. Und das wiederum ist spätestens nach einer Stunde uninteressant. Man staunt über die Einfalt aller Beteiligten hier – Vorgesetzte, Kollegen, die Ehefrau und die Männer vom FBI – ebenso, wie über Whitacres gnadenlose Naivität, die zugleich wie ein Schutzschild wirkt. Er zeigt die geheimen Abhörfunktionen vor, gibt unumwunden eigenes Fehlverhalten zu, sobald er sich daraus davon einen Ausweg verspricht, setzt dann aber erneut eine neue Lüge drauf, als wolle er seinen Kreditrahmen überprüfen, sehen, wie weit er mit all dem kommen kann. Er ist fest davon überzeugt, nach einem anstehenden Prozeß, der die Führungsriege seiner Firma abservieren wird, selbst in leitende Position aufzusteigen. Es kommt der Zeitpunkt, da man sich fragt, ob dieser Mann es wirklich nur darauf abgesehen hat, für eigene Verantwortung, bspw. der Verunreinigungen in der Produktion, später auch für Veruntreuung, nicht belangt zu werden – oder ob es ihm eine tiefe Lust verschafft, sich allen anderen immer einen Schritt voraus zu wähnen, die Fäden in der Hand zu halten, die Macht zu haben, die Regeln des Spiels fortwährend bestimmen und verändern zu können.
In letzterem Fall hätte Mark Whitacre wahrlich psychopathische Züge. So, wie Matt Damon ihn dann aber spielt, bleibt er zu enigmatisch, auch zu erratisch, als daß eine solche Interpretation wirklich zuträfe. Womöglich ist er, wie Dan Mahowny in Kwietniowskis Film, ein Spieler. Ein Mann, der das spielen um seiner selbst betreibt, eben um zu sehen, wie weit er es treiben kann. Doch da er für den Zuschauer unergründlich bleibt, eher der Eindruck entsteht, daß der Mann selbst nicht wirklich weiß, was er tut, verliert man irgendwann das Interesse an ihm und an seinem Schicksal. Und das ist tödlich für den Film. Denn mangelndes Interesse führt recht schnell zu Langeweile. Und Langeweile ist der Moment, in dem ein Film – oder auch ein Buch, eine Serie, ein Fernsehspiel – komplett verloren hat.
Der Zuschauer schaltet ab oder aber er beginnt damit, den Film zu beurteilen, während er ihn betrachtet. Und dann fallen einem plötzlich lauter Schwachstellen auf. Das Tempo stimmt nicht, ebenso scheint der Rhythmus nicht wirklich einheitlich. Soderbergh war hier zwar, wie meist bei seinen Filmen, für die Kameraarbeit selber verantwortlich, überließ den Schnitt aber diesmal mit Stephen Mirrione einem anderen. Der hatte zuvor schon mit dem Regisseur gearbeitet und tat es danach ebenfalls noch mindestens einmal, doch hier scheint auch er nicht wirklich gewusst zu haben, wie der Film letztlich erscheinen soll. Nimmt man den Soundtrack von Hamlisch, würde man eigentlich einen recht rasanten Film erwarten, eine Gaunerkomödie wie Spielbergs CATCH ME IF YOU CAN (2002). Dann aber wundert man sich, einen eher behäbigen Film vorzufinden, der im Tempo zu der Behäbigkeit seiner Hauptfigur passt.
Vielleicht wäre ein wirkliches Drama angemessener gewesen, vielleicht hätte man dies viel, viel schriller inszenieren müssen. Vielleicht bietet das Material aber auch einfach nicht genug Stoff für einen gelungenen Film, gleich ob Thriller, Drama oder Farce.