DER WEITE HIMMEL/THE BIG SKY
Ein schöner, entspannter Abenteuerfilm von Howard Hawks
Jim Deakins (Kirk Douglas) und der Indianerhasser Boone Caudell (Dewey Martin), die sich auf unkonventionelle Weise mitten in der Wildnis kennen gelernt haben, heuern nach anfänglichen Abenteuern in St. Louis, auf der ‚Mandan‘ an, die den Missouri bis nach Montana hoch befahren will. Dort will man Geschäfte mit den Schwarzfußindianern machen, vor allem Felle sind gefragt.
Das Schiff steht unter dem Kommando von Kapitän Jourdonnais, die Besatzung setzt sich größtenteils aus Männern der Cajunbevölkerung zusammen. Sie alle sind freie Händler, die von der ‚Missouri River Co.‘ bedrängt werden. Die Schiffergesellschaft will ihr Monopol auf dem Fluß verteidigen, wie der Fellhändler McMasters (Paul Frees) seins in der Wildnis. Mit an Bord ist Boones Onkel Zeb (Arthut Hunnicutt), der angeblich bei dem Besitzer der ‚Missouri River Co.‘, Sam Eggleston (Fred Graham), in der Schuld steht.
Das Schiff hat auf seinem Weg den Fluß hinauf alle möglichen Schwierigkeiten und Gefahren zu überstehen: Stromschnellen, Unwetter, feindliche Indianer, deren Angriff Jim und Boone, sowie die als Geisel mitgeführte Schwarzfußprinzessin Teal Eye (Elizabeth Threatt) vorübergehend vom Boot entfernen, schließlich die finalen Auseinandersetzungen mit McMasters und seinen Leuten.
Schließlich erreicht das Schiff das Lager von Teal Eyes Stamm. Die angestrebten Geschäfte werden abgeschlossen und die Schiffsbesatzung schließt Verträge, daß sie im nächsten Jahr wiederkommen und erneut Felle kaufen/tauschen werden.
Die Prinzessin schenkt Jim, der sich längst in sie verliebt hat, ihre ‚Schwester’liebe, Boone ihr Herz als Frau. Der hat nichts andere zu tun, als sich beim Häuptling von der Ehe freizukaufen. Sowohl Jim, als auch Zeb sind erstaunt und stellen ihren Freund in Frage. Vor allem Jim ist verletzt, hängt sein Herz doch wirklich an Teal Eye. Als sie nachts Halt machen, sieht Boone seinen Fehler ein und kehrt um. Er wird mit seiner Frau bei deren Stamm leben.
Obwohl zeitlich früher angesiedelt als sein selbst gedrehten Vorläufer RED RIVER (1948), erzählt Howard Hawks´ THE BIG SKY (1952) im Grunde von dem, was NACH den Landnahmen folgte – nach dem Geschäft, das im Meisterwerk durch die waghalsige Leistung, eine Rinderherde über 1000 Meilen zu treiben, erst angekurbelt wird. Allerdings weiß Hawks hier beides – Landnahme und Business – geschickt zu kombinieren. So entsteht eine Art Nachklapp zu seinem Großwerk über die Rindertrails. Hier ist es nicht das Tempo einer Herde, sondern der Missouri, der inhaltlich und formal – erzählerisch – den Rhythmus vorgibt. Erzählt wird eine Art Trappergeschichte aus den frühen Jahren der Westexpansion – weshalb die Geschichte auch östlich des Missouri beginnt, unüblich für einen „West“ern.
Ähnlich wie bei seinem doch ungemein besseren Vorgänger, besteht die Handlung in einer Aneinanderreihung verschiedener Abenteuerepisoden, denen die Freundschaft zwischen Jim und Boone als roter Faden zugrunde liegt. Hawks selbst betrachtete sein zentrales Thema, die Entwicklung einer Freundschaft zweier Männer, wohl als gescheitert dargestellt, was er an dem Verhältnis zwischen Douglas und seinen Kollegen festmachte. Man mag dazu stehen, wie man will, in der Dauer des Films scheint das Verhältnis zwischen Douglas‘ Jim Deakins und Hunnicutts „Uncle Zeb“ eigentlich die innigere Freundschaft zu werden. Boone wirkt in seiner Voreingenommenheit und seinem draufgängerischen Überschwang doch recht pubertär, so daß man in gewisser Weise einem Drei-Generationen-Portrait beiwohnt, einem Entwicklungsroman, der sich mit der Flußfahrt entwickelt. Klassisches Road-Movie-Terrain, gewandet in eine coming-of-age-story. Oder umgekehrt.
Hawks übernimmt von RED RIVER die Over-voice und läßt sie ähnliches erzählen, wie Walter Brennans Narration in dem früheren Film. Hier erfahren wir nicht wirklich, wer erzählt, doch das Episodenhafte des Films wird dadurch noch unterstrichen. Das erlaubt dem Film aber eine Menge „establishing shots“, Panoramaaufnahmen und Schwenks, in denen er die Arbeit der Männer zeigt, die das Schiff durch oft vollkommen unwegsames Ufergebüsch vorwärtsziehen müssen, die gesamte Reise ist flußaufwärts. Doch anders als in seinem Viehtreiberepos, in dem die Arbeit als Handlungselement bestimmend war, ist es hier, in einem Film der deutlich 40 Jahre früher spielt, das Geschäft, der Tausch, die ökonomische Frage, der Hawks sein Augenmerk widmet. Daraus entwickelt der Film ein ganzes System von Verbindungen und Verbindlichkeiten: Obwohl er weiß, daß Eggleston ihn belügt und sogar für den Mord an einem Freund und Kompagnon verantwortlich ist, sieht Zeb die Schuld – eine Ladung Whiskey – als abgegolten an; Tausch und dabei Vorteile erhoffen sich die Händler, die den Indianern vor allem Decken als Tauschobjekte für die begehrten Felle bieten; das Recht des individuellen Fallenstellers und Händlers gegen die Macht der Kartelle und Konzerne setzt der Film nahezu als gegeben voraus; selbst die emotionale Ebene ist verhandelbar, wenn Boone ganz selbstverständlich mit dem Häuptling darüber berät, was er zu zahlen hat, um aus der Ehe mit Teal Eye herauszukommen, ohne daß irgendwer dabei sein Gesicht verliert.
Hawks gelingt dabei ein herrlich anzuschauender Abenteuerfilm, bei dem die Bilder die Geschichte tragen, der Weite der Konflikte gerecht werden. Russell Harlans Kamera fängt intensive, mächtige Tableaus der Flußlandschaften und der die Hintergründe bestimmenden Berge und Wolkenformationen ein. Gedreht wurde in Wyoming. Das Schwarz-weiß unterstreicht – auch da wieder eine Ähnlichkeit zu RED RIVER – das Organische, die Verwobenheit dieser Geschichte mit der narrativen Form, letztlich mit dem Land, dem sie gestattet, den Rhythmus zu diktieren. Es gibt Einstellungen, in denen die in Halbtotale eingefangenen Schauspieler mit den Bildhintergründen zu verschmelzen scheinen. Und wie meist in seinen Filmen, weiß Hawks auf vielen Ebenen Vieles abzuhandeln, ohne dabei didaktisch aufdringlich zu werden: Der Film bietet viel (derben) Humor (und sicherlich eine der lustigsten Amputationen in der Filmgeschichte); in Kirk Douglas einen gut aufgelegten Star, der sowohl der Figur, als auch der Action und dem Humor gerecht wird; klare und Spannung erzeugende Konflikte und eine auffallend entspannte Haltung zu Fragen der Ethnie und gegenüber den Indianern. Daß er nicht die Klasse des vier Jahre älteren RED RIVER erreicht, liegt vielleicht an dem Sujet der Flußfahrt, die an Schauwerten dann doch nicht so viel zuläßt, wie die gewaltige Rinderherde es kann, sicherlich ist auch das Konfliktpotential in RED RIVER klassischer. Was dort ein (fast) tödlicher Vater-Sohn-Konflikt an destruktivem Potential freisetzt, ist hier ein eher profaner Abnabelungsprozeß. THE BIG SKY hängt alles ein wenig tiefer und macht daher vor allem gute Laune, weil er sich mehr leisten kann, als es eine Tragödie könnte.
Zu den verschiedenen Schnittfassungen gibt es eine Menge Information. Die Originalversion lag wohl bei 140 Minuten, es gibt eine in den 70er Jahren rekonstruierte Fassung mit 122 Minuten. Auch in dieser Schnittfassung gibt es leider Logiksprünge, am deutlichsten, wenn Jim, Boone und Teal während ihres Landgangs plötzlich über ein Pony verfügen. Doch man sollte sich darob nicht die Freude an diesem Film kaputt machen lassen – es ist ein wundervolles Stück klassisches amerikanisches Action- und Abenteuerkino. Fesselnd.