WAG THE DOG – WENN DER SCHWANZ MIT DEM HUND WEDELT/WAG THE DOG
Barry Levinson bietet eine beißende Polit- und Mediensatire, die nahezu dreißig Jahre später kaum mehr denkbar wäre
Während eine Schülergruppe das Weiße Haus besucht, kommt es zu einem sexuellen Übergriff des Präsidenten der Vereinigten Staaten auf eine dreizehnjährige Teilnehmerin. Schlimm genug, kommt noch erschwerend hinzu, dass der Vorfall zwei Wochen vor der Wahl stattfindet. Der erneute Einzug ins Amt ist also stark gefährdet.
Um das Problem zu lösen, schaltet das Wahlkampfteam unter der Leitung von Winifred Ames (Anne Heche) den Troubleshooter Conrad „Conny“ Brean (Robert De Niro) ein. Wer der Mann eigentlich ist und womit genau er sein Geld verdient, scheint niemand zu wissen.
Brean erklärt, dass es eines Krieges bedürfe – als Ablenkungsmanöver. Er und das Team beschließen, dass Albanien der Gegner sein sollte, da kein Mensch in den USA je davon gehört habe. So oder so muss der ganze Fake-Krieg lediglich die kommenden zwei Wochen bis zur Wahl überbrücken. Danach könne man die Kampfhandlungen umgehend wieder einstellen.
Um die entsprechenden Bilder herzustellen, fliegen Brean und Ames nach Los Angeles. In Hollywood treffen sie den berühmten Produzenten Stanley Motss (Dustin Hoffman). Der zeigt sich nach anfänglichen Zweifeln begeistert von der Idee, einen Krieg mit Allem Drum und Dran zu „produzieren“.
Er stellt sich ein Team von Kreativen zusammen, das ihn unterstützen soll. Der „Knüllerkönig“ (Denis Leary) ist nicht nur Ideengeber, sondern auch für das Image des Kriegs und das Marketing verantwortlich, Johnny Dean (Willie Nelson), ein abgehalfterter Nashville-Star, soll den Song zum Krieg schreiben und mit einer All-Star-Cast einspielen.
Es werden Augenzeugenberichte aus dem Kriegsgebiet produziert, einzelne Aufnahmen von Flüchtenden, es werden Live-Berichte erstellt und schließlich wird durch die Pressestelle des Weißen Hauses die Meldung lanciert, dass albanische Terroristen eine dreckige Atombombe an der kanadischen Grenze deponiert hätten und die USA erpressen wollten. Deshalb habe der Präsident den Einsatz eines (inexistenten) Bombers freigegeben und Truppen gen Albanien in Marsch gesetzt.
Während die Kampagne Schwung aufnimmt und tatsächlich die Aufmerksamkeit von den präsidialen Fehltritten abzieht, überlegen die Gegner des Präsidenten, allen voran Senator Neal (Craig T. Nelson), der als Herausforderer zur Wahl antritt, wie sie den Schwindel auffliegen lassen sollen.
Die CIA in Gestalt des Agenten Charles Young (William H. Macy) setzt Brean und Ames fest und verdeutlicht, dass die Agency kein Wort von dem ganzen Albanien-Narrativ glaubt. Ames, die ihre Karriere den Bach runtergehen sieht, beschwört Young, sie laufen zu lassen. Brean hingegen, der sehr viel abgebrühter ist als sämtliche Kollegen in seiner Nähe, hält eine patriotische Rede, die zwar keinen Sinn ergibt, Young und die anderen CIAler aber überzeugt, sich besser bedeckt zu halten.
Senator Neal erklärt den Krieg anderntags für beendet. Offenbar haben sich seine Spin-Doktoren ein eigenes Narrativ einfallen lassen. Ames und sogar Brean sehen die Sache als gescheitert an. Nicht jedoch Motss. Für ihn ist die Sache mittlerweile persönlich, was Brean zusehends Sorgen bereitet. Mehrfach weist er den Produzenten darauf hin, dass dieser, gleich wie stolz er auf seine Arbeit sei, niemals irgendwem gegenüber erwähnen dürfe, was sie hier machten.
Motss erfindet William Schumann, einen hinter den feindlichen Linien zurückgelassenen US-Soldaten, der von albanischen Terroristen festgesetzt worden sei. Mit den entsprechenden Mitteln – einer erneuten Kampagne, einem passenden Song, der zufällig aus der US-Library of Congress ausgegraben wird (und selbstredend ebenfalls von Johnny Dean komponiert und eingespielt, dann technisch auf „alt“ getrimmt wurde, so dass es wirkt, als sei es eine Aufnahme aus den 30er Jahren, die schlicht hervorragend passt), einem Spitznamen („Old Shoe“) und den Bildern, die es braucht, wenn ein Held heimkehrt – gelingt es Motss und seinem Team erneut, das Narrativ zu bestimmen.
Es braucht allerdings jemanden, der Schumann darstellen kann, ohne dass es auffällt. Die Wahl fällt auf einen Militärgefangenen (Woody Harrelson), der für die Vergewaltigung einer Nonne einsitzt und nur durch den Einsatz starker Neuroleptika unter Kontrolle gehalten wird.
Brean, Ames und Motss fliegen ins amerikanische Herzland, wo sie den Mann aus dem Gefängnis abholen und zu seiner triumphalen Rückkehr aus der albanischen Gefangenschaft begleiten wollen. Es wird jedoch schnell klar, dass die Sache sich schwieriger gestaltet, als angenommen, denn die Wächter haben nicht genug Medikamente mitgegeben. Schumann verhält sich zunehmend auffällig, was vor allem Ames beunruhigt.
Das Flugzeug gerät in ein Unwetter und stürzt irgendwo im Nirgendwo ab. Sowohl Brean, Ames und Motss überleben, aber auch Schumann. Dessen Verhalten wird erneut auffällig, als die Truppe an einer Tankstelle versucht, Kontakt zu ihrem Team aufzunehmen. Als der Soldat der Frau des Tankstellenbesitzers zu nahetritt, macht deren Mann kurzen Prozess und erschießt Schumann. Das allerdings gefällt Motss, denn nichts, so seine Meinung, ist besser als ein toter Held.
Auf der Air-Base, wo Schumann erwartet wurde, wird nun die Bestattung inszeniert. Der Plan geht auf, der Präsident gewinnt die Wahl. Motss ist begeistert von sich selbst und seiner Arbeit, gerät aber außer sich, als in einer TV-Diskussionsrunde die von ihm zuvor mehrfach als vollkommen minderwertig eingestuften Wahlkampfspots des Präsidenten-Teams als entscheidend für dessen Kampagne dargestellt werden.
Bereits als er Brean kennenlernte wies Motss mehrfach darauf hin, dass die Produzenten nie genügend für ihre Arbeit gewürdigt würden. Nun, so teilt er Brean mit, reiche es ihm, er werde nun öffentlich erklären, wer hier eigentlich für die Wiederwahl des Präsidenten verantwortlich sei. Brean erklärt Motss, dass er mit seinem Leben spiele. Motss, der Brean mehrfach gefragt hatte, was eigentlich genau sein Job sei, setzt sich über Breans Anweisung hinweg. Brean erklärt ihm, dass Männer kämen und ihn töten werden, wenn er sich nicht beruhige. Dafür zu sorgen – genau das sei sein Job.
Motss verlässt das Büro, wo sich die Szene abspielt, und steigt in seinen Wagen. Brean gibt mit einem Kopfnicken seinen Leuten zu verstehen, dass sie tätig werden müssen.
Die Nachrichten berichten von dem plötzlichen Ableben des berühmten Hollywoodproduzenten Stanley Motss, der tot in seinem Bett gefunden wurde. Die Bilder zeigen die Trauerfeier, auf der auch ein sichtlich mitgenommener Conrad Brean auftaucht.
Eine weitere Nachrichten-Meldung berichtet darüber, dass es erneut einen durch Albaner verübten Terroranschlag gegeben habe und die USA sicherlich weitere Truppen in das Land entsendeten.
Wag the dog bedeutet so viel wie „mit dem Hund wedeln“. Es geht dabei um Ablenkungsmanöver – vornehmlich in politischen Zusammenhängen. Beispielsweise, wenn der Präsident eine das Weiße Haus besichtigende Schülerin in ein Nebenbüro des Oval Office bittet und sie dort unsittlich berührt. Wie aber lenkt man 14 Tage vor der entscheidenden Wahl davon ab, dass der vermeintliche „Führer der freien Welt“ ein Lüstling und Päderast ist? Man könnte einen Krieg beginnen – und wenn schon keinen realen, dann zumindest einen fingierten, der ausschließlich in den Medien stattfindet.
Genau davon erzählt Barry Levinsons gleichnamiger Film WAG THE DOG (1997), der auf dem Roman AMERICAN HERO (1993) des amerikanischen Autors Larry Beinhart basiert. Der behauptete anhand der Wiederwahl von George W. Bush, der Irakkrieg Desert Storm sei ein komplett medial erfundener Krieg gewesen, der die Popularität des kurz vor der Wahl recht unbeliebten Präsidenten steigern sollte. Beinhart arbeitete neben Hilary Henkin und dem Dramatiker und Autor David Mamet selbst am Drehbuch zum Film mit, welches das Gerüst des Romans beibehielt, sich aber ansonsten größere Freiheiten gegenüber der Handlung – und allerlei ausgesprochen lustige Geschmacklosigkeiten – erlaubte. Neben diesen Könnern, waren aber in jeder Hinsicht Spezialisten und Experten am Film beteiligt. Für die Bilder war mit Robert Richardson einer der führenden Kameraleute seiner Zeit verantwortlich. Die Musik wurde größtenteils von Mark Knopfler komponiert, die eingespielten Songs von Willie Nelson und anderen. Und Regisseur Barry Levinson standen mit Robert De Niro und Dustin Hoffman zwei wirkliche Superstars in sichtlich bester Spiellaune zur Verfügung, darüber hinaus mit Anne Heche, Denis Leary, Willie Nelson, Kirsten Dunst, William H. Macy oder Woody Harrelson aber auch ein bis in kleinste Nebenrollen hervorragend besetztes Ensemble.
Mit diesem Ensemble, dem wirklich klugen, sehr lustigen und hintersinnigen, manchmal tatsächlich böse sarkastischen Drehbuch und dem erwähnten Team hinter der Kamera und in der Produktion, welches hochprofessionell für perfekte Bilder, ein atmosphärisch völlig stimmiges Setting und den passenden Soundtrack sorgte, ist Levinson ein Politthriller par excellence gelungen. Doch mehr noch ist dies eine Polit-Satire, die es in sich hat, gelingt ihr doch nicht nur eine brutal ehrliche Analyse der amerikanischen Politik, sondern darüber hinaus auch ein ebenso ehrlicher und oft bitterböser Blick auf die amerikanischen Medien und die verbindende Wechselwirkung zwischen beiden. Hier wird auf eine oft schon schmerzhaft böse Art und Weise offengelegt, wie sehr das eine das andere bedingt. Dabei bedient sich der Plot skrupellos sämtlicher Verschwörungs-Narrative, die schon in den 90er Jahren gängig waren und dreht sie gnadenlos auf links. Schlicht, indem er sie vollkommen ernst nimmt. Aber entlarvt wird hier natürlich auch und gerade eine Gesellschaft, die sich nur allzu gern täuschen lässt. Deren vermeintliche Wahrheiten nahezu ausschließlich aus dem Fernsehen stammen (1997 spielte das Internet, spielten die sozialen Medien noch keine Rolle), die glaubt, was sie dort sieht und die jederzeit bereit ist, sich darob zu empören und mit Verve in einen nationalen Rausch hinein zu jazzen.
Dass nichts ist, wie es scheint – das muss die von Anne Heche gespielte Politberaterin Winifred Ames quasi in jeder Sekunde gewärtigen, die sie mit dem Troubleshooter Conrad Brean zusammenarbeitet. Der macht „irgendwas“ für den Präsidenten, wobei sehr, sehr lange unklar bleibt, worin dieses „Irgendwas“ eigentlich besteht. Und als es deutlich wird, ist es eigentlich nur noch die Destruktion allerletzter Hoffnungen und die Bestätigung der schlimmsten Befürchtungen, die man so hegte während des Films. In der Welt, die WAG THE DOG präsentiert – eine Welt, die den Betrachter*innen seltsam bekannt vorkommt, schauen doch auch sie alle regelmäßig Fernsehen – ist nichts und vor allem niemand sicher davor, in den Fleischwolf politischer Zwangsläufigkeit zu geraten. Im Zweifelsfall bezahlt man mit seinem Leben. Und Connie Brean ist der Mann, der darüber entscheidet, wen es wann und warum trifft. Er trifft seine Entscheidungen gewiss nicht leichtfertig, aber wenn es drauf ankommt, weiß er sehr genau, wann es soweit ist. Und dann kennt er weder Freund noch Feind. Ohne dass der Film dies je explizit erwähnt, wird hier lustvoll jedes Polit-Klischee bestätigt, u.a. jenes, dass in diesem Betrieb, der Politik, Skrupellosigkeit ein Gebot ist. Denn wer nicht bereit ist, im entscheidenden Moment zuzubeißen, wird selbst gefressen. Conny Brean steht definitiv sehr weit oben in dieser Nahrungskette.
Robert De Niro spielt diesen Conrad Brean mit sichtlichem Spaß an der kleinen Geste, die dann aber mit äußerster Präzision gesetzt wird und meist massive Auswirkungen hat. Man kennt De Niro, man weiß, was er kann, man weiß aber auch – gerade in seinen späteren Rollen – wie wenig er zeigt, wenn er keine Lust hat. In WAG THE DOG, den er mit anderen gemeinsam auch produziert hat, hatte er offensichtlich große Lust auf die Rolle und Spaß daran, diese Rolle mit Leben zu füllen. So stimmt bei Brean jeder Blick, jede Bewegung, jeder kleine Hinweis auf die Stimmung, die Zweifel, das Denken des Mannes, der somit extrem authentisch und glaubwürdig wirkt. Und sehr bedrohlich.
Brean wird gerufen, um dem Präsidenten die aus den oben angeführten Gründen gefährdete Wiederwahl zu retten. Zur Ablenkung von den präsidialen Verfehlungen inszeniert Brean einen Krieg gegen Albanien, das angeblich in den Besitz der Atombombe gelangt ist und diese nun an der kanadischen Grenze zu den USA deponiert hat und damit droht, sie jeden Moment zu zünden. Um diesen „Krieg“, der selbstredend nur medial stattfinden soll – und Brean hat gleich eine ganze Reihe von Beispielen, an denen er sich orientiert und die die arme Winifred Ames und ebenso den Zuschauer in helle Aufregung versetzen -, dieser Krieg braucht natürlich einen Produzenten, einen Mann, der sein Handwerk versteht und die Mittel an der Hand hat, all das zu liefern, was es für einen ordentlichen Krieg braucht: Erschütternde Bilder, ergreifende Einzelschicksale, ein Image, den passenden Song, das Merchandising, an dem sich das Volk ausrichten kann.
Dieser Produzent heißt Stanley Motss und wird von Dustin Hoffman verkörpert. Und auch Hoffman sieht man in jedem Moment, der ihm auf der Leinwand zur Verfügung steht, an, mit welcher Lust er Seitenhiebe auf jene verteilt, die in Hollywood hinter den Kulissen das Sagen haben. Allerdings ist Motss ein sehr kleiner Mann mit einem sehr großen Ego und einem zutiefst gekränkten Selbstbewusstsein, bekommt er doch nie einen Oscar. Überhaupt, so erklärt er Brean in einem frühen Moment während ihrer Zusammenarbeit am „Albanien-Krieg“, gibt es keinen Oscar für den Produzenten, der ginge immer leer aus, nie würde seine Arbeit gewürdigt. Dabei lässt er kurzerhand außen vor, dass der Oscar für den „Besten Film“ immer an den Produzenten geht, nicht an den Regisseur etc. Aber das nur nebenbei; eine narzisstische Kränkung bleibt eine narzisstische Kränkung.
Der „Albanien-Krieg“ wird zweifelsohne Motss Meisterwerk, das spürt er einfach, das sieht er, das sehen auch die Menschen in seiner Umgebung, darunter der von der deutschen Synchro als „Knüllerkönig“ titulierte Berater, den der Produzent hinzuzieht. Es sind Typen wie dieser – aber auch der versoffene Country-Sänger Johnny Dean, den Willie Nelson spielt, die schon erwähnte Winifred Ames, der alles über ihre Karriere geht, die sich im entscheidenden Moment aber als skrupellose Opportunistin erweist, oder der hinter den feindlichen Linien vergessene „Held“ William Schumann, der sich in der Darstellung von Woody Harrelson dann aber als durchgehend medikamentös sedierter Vergewaltiger entpuppt – die der Film geschickt einführt, perfekt inszeniert und damit umso mehr Authentizität gewinnt. Die Macher des Films kennen natürlich gerade die Leute, die in Hollywood arbeiten und das Sagen haben. Sie wissen um deren Arbeit, ihre Expertise, aber auch um die Persönlichkeiten, die Egos, die dahinterstehen. So lässt das Drehbuch keinen Moment einen Zweifel an der Egozentrik, der Egomanie und der Selbstgerechtigkeit aufkommen, die Hollywood beherrschen und von all den Speichelleckern, die diese Typen umschmeicheln, ununterbrochen befeuert werden. Es sind kleine Nebenbemerkungen, Halbsätze, die das Drehbuch u.a. einem Mann wie Motss in den Mund legt, die ebenso entlarvend wie hinreißend komisch sind.
Dummerweise – und das erklärt Brean Motss seinerseits schon früh in ihrer Zusammenarbeit – darf der Produzent mit niemandem über das sprechen, was er da treibt. Denn es darf ja niemand erfahren, dass der Krieg lediglich eine Erfindung, ein perfektes Ablenkungsmanöver gewesen ist. Und diese Klausel kostet Motss schlussendlich sein Leben, weil er seine Eitelkeit, seinen Geltungsdrang nicht mehr zügeln, nicht kontrollieren kann. Und bevor er auspackt, an die Öffentlichkeit tritt, das ganze Unterfangen gefährdet, weiß Conrad Brean, was er zu tun hat. Und da genügt dann ein Kopfnicken und bald trifft sich ganz Hollywood in Motss´ Villa, um dem allseits beliebten Produzenten die letzte Ehre zu erweisen. Der Mann ist unerwartet und sehr plötzlich an einem Herzstillstand dahingeschieden. Selbstredend kommt auch Brean zum Kondolieren.
So lustig WAG THE DOG ist – und es sind etliche kleine Momente voller Komik, manchmal eben nur die bereits erwähnten Bemerkungen in Nebensätzen, die zum Schreien komisch sind – so gelingt es Levinson vor allem in Gemeinschaft mit seinen Hauptdarstellern, doch auch eine gewisse grundlegende Bedrohlichkeit aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Gerade in der Figur des Conrad Brean kommt dies zum Ausdruck. Wenn er Motss eindringlich darum bittet, gar nicht erst daran zu denken, irgendwem von seinen Anteilen an der Wiederwahl des Präsidenten zu erzählen, dann glaubt das Publikum sofort, dass und wie gefährlich dieser Mann werden kann. Hinter seiner jovialen, immer freundlichen Fassade verbirgt sich all das, was man den US-Geheimdiensten und den noch geheimeren Geheimdiensten dahinter immer schon zugetraut hat. Sie sind brutal, eiskalt und skrupellos. WAG THE DOG ist nicht einfach eine Komödie, gar eine Blödelei. Keinesfalls! Es ist eine wirklich bitterböse Satire auf eine Politik, die sich – spätestens zwanzig Jahre nach erscheinen des Films mit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA – als genau das entpuppt hat, was der Film scheinbar überspitzt darstellt. Und somit ist die ganze Situation, die der Film kreiert bedrohlich und einerseits zwar lustig, andererseits allerdings auch abgrundtief erschreckend.
Dass Levinson dabei etliche Seitenhiebe auf die Entertainment-Branche verteilt, zum wahren Nestbeschmutzer mutiert und so ziemlich jede gutgemeinte (und immer pathetische) Aktion der letzten vierzig Jahre – angefangen von USA for Africa, jenes Projekts, das in den 80ern Afrika vor dem Hungertod bewahren sollte, über Spendenaktionen für Veteranen bis hin zu vor Tränen triefenden Wiedervereinigungen gramgebeugter Geiseln vor laufenden Kameras etc. – desavouiert und diskreditiert, ist ein gewollter Effekt des Drehbuchs, der es in sich hat. So gibt Willie Nelson als versoffener Country-Star, der bei den großen Jungs sitzen und dabei freundlich-patriotische Liedchen komponieren darf, eine recht traurige Figur ab. Und der Zynismus, der der amerikanischen Politik innewohnt, entblößt sich erst so richtig in jener Szene, in der die CIA Brean und Ames zur Rede stellt, da sie sich fragen, was die beiden da eigentlich inszenieren.
Während Ames einen traurigen Sermon über ihr trauriges Dasein und das ihrer ungeborenen Kinder ablässt und zu der oben bereits erwähnten Opportunistin wird, hält Brean eine patriotische Rede über die Frage, ob nicht sogar nicht gekämpfte Kriege letztlich patriotisch begleitet werden müssen, weil die amerikanische Lebensart schließlich immer im Fadenkreuz ihrer allzeit bereiten Feinde steht – ganz gleich, ob diese in Russland, im Nahen Osten oder direkt vor der eigenen Haustür, ja sogar im eigenen Heim, anzutreffen sind. Und vollkommen egal, ob es das Fadenkreuz real gibt, oder ob es lediglich eine Phantasie ist, es ist Amerika, es ist die amerikanische Lebensart, die verteidigt werden müsse und für die auch jeder Agent der CIA jederzeit einzustehen habe. Das ist schon ein Meisterstück der rhetorischen Kunst und der Drehbuchkunst Hollywoods. Und es ist reines Dada. William H. Macy, der den Agenten spielt, überzeugt Brean jedenfalls und so stehen er und Ames einige Minuten später wieder auf der Straße und können weitermachen.
Hollywood bringt hier den Mut auf, sich auch über sich selbst lustig zu machen. Und es macht sich – im Grunde härter, gemeiner, lustiger und auch zynischer denn je – über all den amerikanischen Patriotismus, über das Sentiment, welches immer damit einhergeht, den Kitsch, das Pathos, die Menschenfängerei und alle jene lustig, die all das als große Geldmaschine, als Merchandise begreifen. Das ist gewagt, weil es auf brutale Art entlarvend ist, da es all jene Gewissheiten in Frage stellt, die für die USA so lange scheinbar so wichtig waren: Zusammenhalt, das Sich-hinter-der-Flagge-Vereinen, wenn es (vermeintlich) drauf ankommt, der Glaube, auf der richtigen, weil moralisch guten Seite zu stehen etc. In Wirklichkeit ist all das ein Fake, eine einzige große Erzählung, angerührt von Troubleshootern, Fix-It-Typen wie Conny Brean, die einspringen, wenn einer der Mächtigen (mal wieder) Mist gebaut hat. Dann greift man auf Jahrhunderte eines Narrativs zurück, das sorgfältig angelegt wurde und immer trägt, wenn es darum geht, einige wenige zu schützen und dafür viele, viele andere über die Klinge springen zu lassen.
So muss auch hier, stellvertretend, ein armer Schlucker sein Leben lassen, ein Kerl, den man in irgendeinem Gefängnis aufgetrieben hat und der als „Held“ herhalten soll, als die ganze Kampagne den Bach runterzugehen droht. Leider ist er auch der ganz normale amerikanische Irre, der sich gern mal an Frauen vergreift und den man mangels der passenden Medikamente leider nicht mehr unter Kontrolle halten kann. Das bezahlt dieser Durchschnittsamerikaner dann mit seinem Leben. Spätestens an dieser Stelle bietet das Drehbuch auch Slapstick und übertreibt, doch braucht es diesen Dreh, um auf die Zielgerade des Films einzubiegen und auch noch die letzten amerikanischen Selbstverständlichkeiten zu schreddern: Den Militarismus, der hier als etwas durch und durch Gebräuchliches gezeigt und ebenfalls desavouiert wird, aber auch die Tatsache, dass es in diesem Land niemals eine moralische Grenze gibt. Solange es dem ökonomischen Erfolg oder dem Machterhalt dient, geht man über Leichen. Bildlich und wortwörtlich. Und niemand – das muss Stanley Motss, der immer unterschätzte Produzent umso schmerzlicher gegenwärtigen – sollte Dankbarkeit erwarten. Take the money and run, bestenfalls.
Betrachtet man den Film heutzutage, vor allem nach 9/11 und den Folgen, die dieser schicksalsträchtige Tag zeitigte, dann fragt man sich, ob diese Art von bitterbösem, ja zynischem Humor heute in Hollywood überhaupt noch möglich wäre. Und auch in einer woken Welt, in der gern einmal verboten wird, was anstößig ist, wäre ein Film wie dieser wahrscheinlich nicht mehr zu realisieren. Dabei hat sich nicht nur Beinharts Roman, sondern auch Levinsons Film als nahezu prophetisch erwiesen. Zwanzig Jahre später trat mit Donald Trump ein Mann zur Präsidentschaftswahl an, dessen oberster Berater die Losung ausgab: Flood the zone with shit, was übersetzt so viel bedeutet wie: Überhäufe die Leute mit so viel Mist, bis keiner mehr Wahrheit und Lüge unterscheiden kann. Dann wird irgendwann alles wahr. WAG THE DOG zeigt exakt, wie das gemacht wird und wohin es führt. 1997 war dieses Thema Gegenstand einer wenn auch ausgesprochen düsteren Mediensatire, heute ist es die bittere Realität.