UNTER PIRATENFLAGGE/CAPTAIN BLOOD

Einer der großen Klassiker des Abenteuer- und Seeräuber-Genres

Der Arzt und frühere Kapitän Peter Blood (Errol Flynn) wird während der englischen Revolution 1688/89 wegen medizinischer Versorgung eines Rebellen zum Tode verurteilt, dann jedoch „begnadigt“, um mit seinen Mitstreitern in der Karibik als Sklave verkauft zu werden. In der jamaikanischen Hauptstadt Port Royal wird er von der gegen ihren Onkel opponierenden Arabella Bishop (Olivia de Havilland) gekauft. So landet er auf der Plantage von Col. Bishop (Lionell Atwill). Da der Gouverneur (George Hassel) schwer an Gicht leidet, kann Blood in der Hierarchie der Sklaven aufsteigen, erlangt Privilegien und erfährt so, was auf der Insel vor sich geht. Er plant mit seinen Getreuen die Flucht. Just während ihres Ausbruchsversuchs wird die Stadt von spanischen Kriegsschiffen angegriffen und teils schwer zerstört. Während die Spanier ihren Sieg feiern, gelingt es Blood und seinen Männer, ein spanisches Schiff zu entern und zu übernehmen. Nun hilft Blood zwar seinen britischen Landsleuten, doch dann entkommt er mit dem spanischen Schiff und seinen Männern und führt ein Leben als Pirat in der Karibik. Er tut sich mit dem französischen Kapitän Levasseur (Basil Rathbone) zusammen, doch als dieser ein britisches Schiff aufbringt und dabei Arabella als Geisel nimmt, stellt sich Blood gegen seinen Kumpan. Es kommt zu einem für Levasseur tödlichen Duell. Nun nimmt Blood Arabella, die natürlich vorgibt, ihn zu verachten, und den königlichen Gesandten Lord Willoughby (Henry Stephenson) an Bord. Sie kreuzen weiter die Gewässer in der Nähe von Port Royal und es kommt zu Geplänkel zwischen dem Kapitän und seiner Schutzbefohlenen. Deren Onkel, der mittlerweile zum neuen Gouverneur der Insel aufgestiegen ist, vernachlässigt seine Aufgaben, da er unbedingt Blood aufbringen will. So konnten zwei französische Kriegsschiffe sich dem schlecht bewaffneten Port Royal nähern und erneut droht die Stadt ein Opfer feindlichen Beschusses zu werden. Endlich erringt Lord Willoughby Bloods Aufmerksamkeit: Der neue König, Wilhelm von Oranien, hat die Piraten begnadigt und bittet Blood, wieder in den Dienst der königlichen Marine einzutreten, Männer mit seinen Talenten würden gebraucht. So segeln Blood und seine Männer nun also im Auftrag des Königs gen Port Royal, um die britische Kolonie vor dem Untergang zu bewahren…

1935 drehte Michael Curtiz mir CAPTAIN BLOOD den ultimativen Piratenfilm. Es war nicht der erste, bereits Douglas Fairbanks hatte in goldenen Stummfilmtagen zumindest den sogenannten Mantel- und Degenfilm bedient und mit THE BLACK PIRATE (1926) sogar einen astreinen Piratenfilm vorgelegt. Doch Curtiz Werk schuf jene Ikonographie und die dramaturgischen Rahmenbedingungen, die bis in die 50er Jahre hinein (und wenn man will, als postmodernes Pastiche, bis in die Zeiten von Jack Sparrow und den PIRATES OF THE CARIBBEAN-Filmen/2003ff. mit Johnny Depp) Gültigkeit hatten. Zudem ebnete Curtiz zwei der frühen Superstars Hollywoods – Errol Flynn und Olivia de Havilland – den Weg an die Spitze. Nach diesem Werk sollten noch etliche gemeinsame Filme der drei folgen, darunter Klassiker wie THE ADVENTURES OF ROBIN HOOD (1938), DODGE CITY (1939) oder SANTA FE TRAIL (1940).

Angefangen bei den atemberaubenden Seeschlachten, dem Pulverdampf der Kanonen, all der fallenden und brennenden Takelage, die eine enorm fesselnde Kulisse für die Actionszenen bieten, über die Detailversessenheit des Set Designs mit all den Eimern, Fässern, Seilen, dem Gewusel an Deck, was dem Betrachter die Enge dieser an sich doch gewaltigen Schiffe spüren lässt, bis hin zu der fast expressionistisch inszenierten Ausstattung des Gerichtssaals, in dem Peter Blood gegen das Unrecht der eigenen Verurteilung anzureden versucht, ist in diesem Werk nahezu alles stimmig. Es sind eben diese Detailverliebtheit, die Lust am Betrachten der eigenen Kulissen, die Begeisterung an den eigenen Schauwerten, die den Charme des Films ausmachen. Dies wird dann ergänzt durch Flynns ironische Art, die Rolle des Piraten Peter Blood da zu distanzieren und zu brechen, wo es nötig ist, damit das Gezeigte nicht ins Alberne abrutscht. So hält der Film immer eine wunderbare Balance zwischen ernsthaftem Drama und sich selbst augenzwinkernd zunickendem Melo. Doch weiß Flynn eben auch, wann keinerlei Ironie angebracht ist. Und so werden Szenen wie jene Gerichtsverhandlung zu wirklich aufwühlenden Momenten und wir spüren die Wut und den Hass dieser Männer gegen das verhasste Regime und seine ebenso zynischen wie desinteressierten Repräsentanten. Die Ungerechtigkeit, die einem Mann wie Blood dann widerfährt, trifft uns doppelt hart, hat er uns in dieser um gut neun Minuten ergänzten, restaurierten Fassung doch zuvor wissen lassen, daß er das Kapitänspatent ganz bewußt gegen das des Arztes eingetauscht habe, um zukünftig Menschen nicht mehr zum Tode zu befördern, sondern ihnen das Leben zu verlängern. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Umso schlimmer, Typen wie Col. Bishop ausgeliefert zu sein…

Die Besetzung des Films – inklusive Flynn und de Havilland, die im Produktionsjahr mit mehreren Filmen debütierte – ist schlichtweg großartig. Vom Richter bis zum gichtigen Gouverneur, von den schrulligen Ärzten desselben bis zu Bloods Mannschaft, in der sich natürlich jeder denkbare Finsterling finden läßt, sind die Rollen hervorragend besetzt. So entsteht ein gemischtes Panoptikum aus Authentizität und Karikatur, aus seine Rolle Treffendem wie bewußt fast lächerlich Übertriebenem, so daß der Film neben seinen Schauwerten und den teils wirklich atemberaubenden Actionszenen eben auch ein sehr unterhaltsames Gerüst im Personal bietet. Es kommt kein Moment Langeweile oder Verdruß auf. Es sitzen die Dialoge, es sitzen die Einzeiler und es sitzen die Pointen. Das Drehbuch weiß sie so zu verteilen, daß wir immer aufmerksam folgen, keinen Satz will man verpassen, gleich gar nicht in jenen Momenten, in denen Blood und Arabella Frechheiten austauschen. Diesen Momenten entspricht die Eleganz und Dynamik der Actionsequenzen. Bedenkt man das frühe Produktionsjahr, ist gerade diese Dynamik beindruckend. Die Kamera ist für damalige Verhältnisse erstaunlich beweglich und mehr noch sind es die Winkel und Perspektiven, die eingenommen werden und den Zuschauer teils schwindeln lassen, die diese Dynamik bedingen. Curtiz definiert hier ganze Bewegungs- und Sequenzabläufe, die künftig Fecht- oder Schlachtszenen bestimmen sollten. Und es erstaunt den unvoreingenommenen Betrachter eben auch das – heute, 80 Jahre nach Ersterscheinen des Films. Wie sehr das immer noch einnehmen kann, wie packend das ist, auf welche erfrischende Art und Weise das immer noch unterhält. Sicher, die heute über Vierzigjährigen werden auch eine Menge Erinnerungen an die eigene Kindheit und die ersten Filmerfahrungen – am Samstagnachmittag? – mit einem Film wie CAPTAIN BLOOD verbinden. Doch man kann durchaus auch sehen, wie modern der Film auf seine Art ist, wie er bei aller Liebe zur Bewegung, zur Aktion auch den Wert des Wortes und vor allem des Vortrags zu schätzen weiß und momentweise die Schärfe einer Screwball-Comedy erreicht.

So beeindruckend moderne Seefahrerfilme wie Peter Weirs MASTER & COMMANDER (2003) mit moderner Technik und den Möglichkeiten vollkommenen anderer Kameratechnologie zu überzeugen wissen – betrachtet man Curtiz Film, kann man gut sehen, was dem allen zugrunde liegt. Es lohnt sich, das immer mal wieder zu studieren.

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