GEGEN ALLE FLAGGEN/AGAINST ALL FLAGS

Ein Technicolorspektakel voller verschenkter Möglichkeiten

1700 – die englische Seehandelsmarine wird immer häufiger Opfer von Piraten, die in den Gewässern um Madagaskar ihr Unwesen treiben und damit die britischen Ostindienrouten bedrohen. Der Offizier Brian Hawke (Errol Flynn) läßt sich mit zwei Soldaten in die Gemeinschaft der Küstenpiraten einschleusen, wo er unter Kapitän Roc Brasiliano (Anthony Quinn) erste Meriten verdienen soll, bevor er für die schöne Prudence „Spitfire“ Stevens (Maureen O’Hara) ein eigenes Schiff lenken soll. Hawke und seine Männer verdingen sich also als Piraten, sind aber in Wirklichkeit daran interessiert, sich Überblick über die Wehranlagen des malerischen Inselortes zu verschaffen, wo die Piraten ihr Hauptquartier haben. Diese wurden von Stevens‘ Vater gebaut, der ebenfalls schon Pirat war. Als Brasiliano ein Schiff aufbringt, daß neben einem ganzen Harem auch die indische Prinzessin Patma (Alice Kelley) und deren schottische Gouvernante (Mildred Natwick) transportiert, rettet Hawke sie davor, von einem der Piraten gekauft zu werden. Allerdings erweckt er damit Stevens Eifersucht, denn natürlich hat sie sich längst in ihn verliebt. Sie beschließt, das Eiland Richtung Brasilien zu verlassen und dann von dort aus legal nach England zu reisen. Doch werden ihre Pläne durchkreuzt, als ein britisches Kriegsschiff vor der Insel auftaucht und sämtliche Kanonen der Wehranlage beim Feuern explodieren, da Hawke und seine Männer sie untauglich gemacht haben. Es kommt zu einem erbitterten Kampf, bei dem sich Hawke schließlich gegen Brasiliano durchsetzt. Er erbittet sich beim Admiral der britischen Flotte als Lohn seiner Mühen Amnestie für Stevens. Natürlich wird diese gewährt – und natürlich können die beiden endlich zueinander finden…

Auf den ersten Blick will man nichts aussetzen an diesem farbenfrohen Spektakel, das in allergrellstem Technicolor und reinen Primärfarben daherzukommen scheint. Goerge Sherman, sonst vor allem auf B-Western abonniert, inszeniert das alles routiniert, hat mir Errol Flynn, Anthony Quinn und der einmal mehr wunderschön anzusehenden Maureen O’Hara natürlich eine erstklassige Besetzung und das Drehbuch erlaubt sich allerhand Frechheiten zwischen Hawke, dem „Rotschopf“ Stevens und der Prinzessin Patma – was seit Michael Curtiz Klassiker CAPTAIN BLOOD (1935) zum Standardrepertoire jedes Piratenfilms gehört, der auf sich hält. Doch bei diesem letzten Punkt fangen dann auch die Schwierigkeiten des Films an, denn das Getue zwischen der Prinzessin und Flynn nervt schnell und gewaltig. Wenn Patma bei jeder Gelegenheit wie ein konditioniertes Hündchen auf Hawke zugleitet und „Noch einen!“ fordert – womit die scheinbar unwiderstehlichen Küsse des Mannes gemeint sind – nimmt das dem Film die nötige Ernsthaftigkeit. Der Film droht schlichtweg zur Farce zu verkommen. Dabei ist man zunächst durchaus angetan, in einem Film von 1952 nicht nur eine „Piratenbraut“ gleichberechtigt neben ihren männlichen Kameraden zu sehen, sondern unter den Küstenkapitänen auch einen prächtig ausgestatteten Schwarzen zu entdecken. Das gibt dem Film ein durchaus modernes und fortschrittliches Flair. Doch nach und nach werden diese Ansätze fast in ihr Gegenteil verdreht, was schließlich darin kulminiert, daß die zuvor so selbstbestimmte „Spitfire“ Stevens schließlich selber klingt wie die abgerichtete Prinzessin.

Doch sind dies eher Nebensächlichkeiten. Das eigentliche Problem ist, daß man in den gerade mal 83 Minuten Filmzeit keinen Augenblick Angst um Hawke oder dessen Kameraden hat. Allzu glatt läuft dieses Spionagekommando, zu eindeutig sind diese Briten ihren räuberischen Widersachern an Intelligenz, Mut und Witz überlegen. Nie steht in Frage, daß Hawkes Mission gelingen wird. Und so kann man sich zwar an den durchaus aufregenden Seeschlachten, den dynamischen Kampfszenen und dem Schlachtengetümmel erfreuen, doch betrachtet man das alles eher wie ein Kinderprogramm, dem die letztlich für Erwachsene so dringende Spannung fehlt. Zu einem Film wie dem erwähnten CAPTAIN BLOOD oder aber THE SEA HAWK von 1940, ebenfalls von Michael Curtiz inszeniert, verhält sich AGAINST ALL FLAGS (Originaltitel des vorliegenden Films) wie ein schnell runter gedrehter B-Western zu einer Großproduktion à la RED RIVER (1948) o.ä. Womit Sherman seinem Sujet natürlich treu geblieben wäre.

Das Geplänkel zwischen Flynn und O’Hara macht Spaß, die übertriebenen Farben verweisen das alles ins Reich der Märchen, die Bauten gerade der Pirateninsel sind herrlich anzuschauen, die Actionszenen durchaus mitreißend – das alles spricht für den Film, doch die mangelnde Ernsthaftigkeit, daraus resultierend die mangelnde Spannung und eine letztendlich reaktionäre Message lassen den reinen Spaß, den der Film machen könnte, doch etwas abgestanden wirken. Man kann, gerade wenn man sich Curtiz Filme anschaut, nur allzu gut den Unterschied erkennen, der eben auch in Hollywoods Studiosystem zwischen einem echten Könner (Curtiz) und einem Regisseur von Dutzendware wie Sherman besteht. Curtiz wusste, daß er, wenn er Männer in Rüschenhemden über Planken springen und teils affektiert mit den Degen gegeneinander antreten läßt, dies niemals als todernste Angelegenheit beim Publikum ankommen lassen darf. Die Gefahr, daß das alles als lächerlich abgetan würde, war zu groß. So ließ er in seinen Filmen Flynn geschickt dessen australisch-britisches Understatement ausspielen, ließ ihn die Rolle – auch in der Variation als Titelheld im Klassiker THE ADVENTURES OF ROBIN HOOD (1938) – ironisch brechen, gerade und vor allem in seinen Geplänkeln mit der Damenwelt. Filme von Michael Curtiz – ob Western (DODGE CITY/1939), Actionspektakel wie seine Piratenfilme oder aber Dramen wie der Jahrhundertfilm CASABLANCA (1942) – sind auch immer verkappte Komödien.

AGAINST ALL FLAGS scheint diese Nebensächlichkeiten jedoch zum eigentlichen Thema zu machen und verschenkt damit zu viele Möglichkeiten. O’Haras „Spitfire“ Stevens gäbe als Figur genug her, einen echten Konflikt auf Augenhöhe zu kreieren, dazu wäre der Umweg über die indische Prinzessin Patma und ihre verstockte schottische Gouvernante nicht nötig gewesen, zudem wird O’Haras Figur zum Schluß einfach verraten, wenn sie als Frau darauf reduziert wird, eigentlich ebenfalls nur vom „richtigen“ Kerl geliebt worden zu sein. Immerhin – in der abschließenden Schlacht zwischen den Piraten und Hawke und seinen Mannen schlägt sich Stevens auf deren Seite und der Film gibt ihr die Gelegenheit, ihre Fechtkünste darzustellen. Immerhin.

Es gibt in AGAINST ALL FLAGS einige solche Momente, die gewisse Begebenheiten oberflächlich nutzen, die unter Curtiz Regie zwar keine Schwerpunktthemen waren, aber dennoch Erwähnung fanden und deutlich abgehandelt wurden. Die Sklaverei zum Beispiel. Für Captain Blood ist es eine Schmach, gekauft worden zu sein, egal ob von einem Mann oder einer Frau. Diese Tatsache verhandelt der Film bei verschiedener Gelegenheit. Sherman nutzt den Sklavenmarkt vollkommen kritiklos als Bühne für ein humoristisches Zwischenspiel. Da zanken sich Hawke und Stevens um den Kauf der Prinzessin – er, weil er verhindern will, daß sie in die Hände der rauen Piraten fällt (ein Schicksal, welches für die anderen Damen des Harems scheinbar gerechtfertigt ist), sie, damit ihr Angebeteter nicht in die Gunst der indischen Dame kommt. Ein Paradebeispiel, wie etwas, das in einem ambitionierten Film wie Curtiz‘ zwar nebenbei, aber dennoch ernsthaft verhandelt wird, in den Händen eines reinen Handwerkers zu einem reaktionären Moment verkommt.

Es sind diese Differenzen, die einem Film wie AGAINST ALL FLAGS eben nur 3 Sterne eintragen, wovon 2 definitiv auf Ausstattung und Dekor des Films verweisen. Man kann vielleicht festhalten, daß die früheren Piratenfilme Hollywoods weitaus mehr Klasse aufwiesen, als die Starvehikel der 50er Jahre.

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