BLOOD DIAMOND
Edward Zwick führt sein Publikum ins westliche Afrika und mitten hinein in einen der blutigsten Konflikte der 90er Jahre
Während des Bürgerkriegs in Sierra Leone (1991-2002) wird das Dorf, in welchem der Fischer Solomon Vandy (Djimoun Hounsou) mit seiner Familie lebt, von Rebellen der RUF (Revolutionary United Front) überfallen. Etliche Bewohner werden getötet oder verstümmelt, viele der Jungen des Dorfes – darunter auch Solomons Sohn Dia (Kagiso Kuypers) – werden verschleppt und als Kindersoldaten eingesetzt. Dazu werden sie mit Drogen gefügig gemacht und einer Gehirnwäsche unterzogen.
Solomon wird gefangen genommen und zur Sklavenarbeit in die Diamantenminen des Landes gezwungen. Hier herrscht die RUF mit eiserner Hand und einem äußerst brutalen Regime. Eines Tages findet Solomon einen außergewöhnlich großen Diamanten, den er versteckt. Kurz darauf wird das Lager von Soldaten der Regierungstruppen überfallen, sowohl die Rebellen als auch die Arbeiter werden gefangen genommen. Allerdings ist es einem von Solomons Bewachern aufgefallen, dass sein Gefangener offensichtlich ein Geheimnis hatte – von nun an versucht dieser Mann, von Solomon dessen Geheimnis zu erpressen.
Ebenfalls in dem Gefängnis in Freetown, wohin die Rebellen und deren Gefangene aus den Minen gebracht wurden, sitzt Danny Archer (Leonardo DiCaprio). Archer ist ein ehemaliger Kämpfer des Bataljon-32, einer südafrikanischen Sondereinheit, die vor allem in Angola für fürchterliche Massaker verantwortlich gewesen ist. Mittlerweile verdingt er sich als Söldner und Schmuggler von Waffen und sogenannter „Blutdiamanten“, die von Sierra Leone nach Liberia und von dort in die Hauptstädte Europas, Asiens und der USA gebracht und „legalisiert“ werden. Es sind oftmals besonders große und schöne Steine, die extrem hohen Wert besitzen. Archer arbeitet für seinen ehemaligen Vorgesetzten Colonel Coetzee (Arnold Vosloo).
Archer wird Zeuge, wie Solomon von seinem ehemaligen Bewacher angegangen wird und begreift, dass er möglicherweise auf einen besonderen Diamanten gestoßen ist. Er hilft Solomon mit seinen Verbindungen, aus dem Gefängnis entlassen zu werden, folgt ihm und erklärt ihm dessen Lage: Er wolle den Stein und einen Anteil an dem Erlös. Solomon, so sein Argument, könne einen solchen Stein niemals auf eigene Faust verkaufen, er brauche jemanden wie ihn, Archer, als Mittelsmann. Zunächst will Solomon nicht auf diesen Deal eingehen, aber als Archer ihm verspricht, sich nach seiner Familie zu erkundigen und ihm zu helfen, diese zu finden, erklärt er sich zur Zusammenarbeit bereit.
Doch dann greifen die Truppen der RUF die Hauptstadt an und es gilt, vor ihnen zu fliehen. Der kampferprobte Archer hilft Solomon zu entkommen.
Archer wendet sich an die amerikanische Journalistin Maddy Bowen (Jennifer Connelly), die zuvor schon Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, weil sie ein Interview mit ihm wollte. Sie recherchiert zum Handel mit Waffen und den Blutdiamanten und dazu, wie letztere erstere finanzieren. Archer hatte das Gespräch mit ihr allerdings brüsk abgelehnt, da er sich moralisch verurteilt fühlte, seinerseits jedoch der Meinung ist, dass die internationale Journaille selbst eine Art Söldnertruppe sei, die an den Kriegen in Afrika partizipiere. Nun bittet er sie, über ihre Kontakte zu diversen NGOs und den internationalen Hilfskomitees Solomons Familie ausfindig zu machen, sollte diese noch leben.
Tatsächlich gelingt es ihr, Solomons Frau und die beiden Töchter in einem Flüchtlingscamp aufzutreiben. Sie kann Solomon mit seiner Familie zusammenführen. So erst erfährt Solomon vom Schicksal seines Sohnes. Archer gibt Maddy die von ihr gewünschten Informationen, erinnert Solomon aber auch an die Abmachung, die die beiden getroffen hatten.
Maddy, die sich in Archer verliebt hat, bittet ihn, von seinem Vorhaben, die Mine zu suchen und den Stein dort zu finden, abzusehen. Sie könnten gemeinsam das Land verlassen und woanders ein friedlicheres Leben beginnen. Doch muss sie einsehen, dass Archer, der ihr erklärt, dass er niemanden und nichts auf der Welt habe, nicht einmal eine Heimat, da seine Leute von Präsident Mugabe einst von ihrem Land vertrieben und teils ermordet wurden, an seinem Traum vom Reichtum durch diesen einen Diamanten, der seiner Meinung nach, die auf Solomons Beschreibungen beruht, an die 100 Karat haben müsse, festhält.
Archer und Solomon gehen also in den Dschungel und suchen die Mine, die sie schließlich nach Tagen der Wanderungen durch unwegsames Gelände auch finden. Doch wird sie von Rebellentruppen verteidigt, unter denen sich auch Solomons Sohn befindet.
Archer hatte, bevor er und Solomon sich aufgemacht haben, Colonel Coetzee ins Vertrauen gezogen, damit dieser die beiden im Fall der Fälle raushauen könne. Nun ordert Archer einen Luftangriff auf die Mine, der auch stattfindet. Archer tötet den Soldaten, der einst Dia Vandy unter seine Fittiche genommen hatte und zudem Solomon nach dem Leben trachtet, da er weiß, dass dieser den Diamanten hat.
Coetzee taucht mit einigen seiner Männer auf und fordert von Archer als Lohn den Diamanten. Doch Archer fackelt nicht lange und tötet sowohl den Colonel als auch dessen Begleiter, da er weiß, dass die ihn, Solomon und auch dessen Sohn getötet hätten, da sie keine Zeugen gebrauchen können. Doch wird Archer bei dieser Aktion selbst angeschossen und schwer verwundet.
Solomon führt den stark blutenden Archer zu dem Versteck des Diamanten. Dort werden sie auch von Dia gestellt, der so unter dem Einfluss der Rebellen steht, dass er droht, den eigenen Vater zu erschießen. Solomon fleht ihn an, sich an sein Zuhause, die Mutter, seine Schwestern zu erinnern, daran, wie sie einst gemeinsam fischen gegangen sind. Schließlich gelingt es ihm, Dia zu erreichen. Der legt die Waffe nieder.
Solomon, Dia und Archer, den Solomon auf seinem Rücken trägt, da der nicht mehr in der Lage ist selbst zu laufen, fliehen vor den sie verfolgenden Rebellen der RUF zu einem Hochplateau, wohin Archer einen Freund mit dessen Kleinflugzeug geordert hat. Doch spürt Archer, dass er es nicht mehr schaffen kann, zu stark die Schmerzen, zu groß sein Blutverlust. Er gibt Solomon den Diamanten und schickt ihn und Dia zum Flugzeug.
Selbst bleibt er zurück, genießt die atemberaubende Aussicht auf das Land, das er liebt, bereitet sich auf ein letztes Gefecht mit seinen Feinden vor und ruft über sein Satellitentelefon Maddy an. Er erklärt ihr, dass er genau da sei, wo er sein wolle und täte, was er tun wolle. Er bittet sie, Solomon und seiner Familie zu helfen. Dann stirbt er.
In London verkauft Solomon den Stein nicht nur für mehrere Millionen Pfund, sondern auch für die Zusage, dass seine Familie nachkommen könne. Die Übergabe findet auf einem kleinen privaten Flugplatz statt. Maddy, die in der Nähe ist, fotografiert den Vorgang und kann somit dokumentieren, dass ihre Anschuldigungen gegen die internationalen Juwelenhändler berechtigt sind.
Salomon wird zu einem politischen Aktivisten gegen den Handel mit den Blutdiamanten. Begleitet von Maddy fliegt er nach Südafrika, wo er einen Vortrag vor Delegierten der sogenannten Kimberley-Verhandlungen hält. Als Zeuge kann er so maßgeblich dazu beitragen, dass erstmals internationale Standards festgelegt werden, die den Handel mit Juwelen und Diamanten festlegen, ordnen und damit den illegalen Handel mit Blutdiamanten unterbinden.
Edward Zwick hat im Laufe seiner Karriere einige sogenannte „heiße Eisen“ angefasst, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. So schuf er mit GLORY (1989) ein Epos über die 54th Massachusetts Volunteer Infantry, ein Regiment, das ausschließlich aus Schwarzen bestand, darunter etliche entlaufene Sklaven, und im Amerikanischen Bürgerkrieg unter dem Kommando des weißen Hauptmanns Robert Gould Shaw eingesetzt – und verheizt wurde. In THE SIEGE (1998) nahm er – nahezu hellseherisch – einige der Entwicklungen vorweg, die nach dem 11. September bittere Realität wurden, darunter Folter und gezielte Tötungen durch das US-Militär. In LAST SAMURAI (2003) erzählte er im Gewand einer historisch verbürgten Begebenheit aus dem 19. Jahrhundert davon, wie sich eine kleine Guerilla-Truppe in den japanischen Bergen verschanzt und der Staatsmacht mit Hilfe eines amerikanischen Soldaten Widerstand leistet. Der Film kam in die Kinos, kurz nachdem das amerikanische Militär sich unter enormen Verlusten und wiederholten Vergehen gegen die Zivilbevölkerung darum bemüht hatte, die afghanische Felsenfestung Tora Bora einzunehmen, wo sie Osama Bin Ladin, den Strippenzieher hinter den Anschlägen auf das Word Trade Center, vermutete.
Zwick berichtet also immer wieder kritisch von amerikanischen Verhältnissen und den Lügen, die die amerikanische Gesellschaft sich oftmals selbst erzählt. In BLOOD DIAMOND (2006) sieht die Sache etwas anders, aber nicht viel besser aus. Diesmal bekommen nicht nur die Amerikaner ihr Fett weg, sondern viel mehr die westliche Welt in toto mit ihrem scheinbar nie zu stillenden Bedürfnis nach Luxus und Wohlstand. Wie der Titel schon andeutet, geht es um Diamanten, genauer: um Blutdiamanten. So werden jene Steine genannt, die, meist illegal gefördert, dazu genutzt werden, um, meist in Afrika, Konflikte – Kriege, Bürgerkriege, Bandenwesen – zu finanzieren. Im Falle von Zwicks Film, dessen Drehbuch von Charles Leavitt stammt, handelt es sich dabei um den äußerst brutalen und blutigen Bürgerkrieg in Sierra Leone, der zwischen 1991 und ca. 2002 in dem kleinen westafrikanischen Land wütete.
Der Krieg forderte mindestens 50.000, wahrscheinlich aber sehr viel mehr Menschenleben, manche Statistiken sprechen von bis zu 300.000 Toten. Über zwei Millionen Menschen mussten aus ihren Dörfern fliehen, es blieben Tausende verstümmelte Opfer zurück, da die Rebellenarmee RUF (Revolutionary United Front) es zu ihrem Markenzeichen machte, Gefangene und – vermeintliche – Anhänger des von ihnen gehassten Präsidenten Hände oder Füße abzuhacken. Etliche Jugendliche, zumeist Jungen, wurden verschleppt, unter Drogen gesetzt, einer Gehirnwäsche unterzogen und zu Kindersoldaten ausgebildet. Hilfsprogramme der UNO und etlicher NGOs sind noch heute damit beschäftigt, diese Gräuel aufzuarbeiten und die zerstörten Menschen, die zurückblieben, psychologisch zu betreuen und, wenn möglich, wieder in ein Zivilleben einzugliedern.
Leavitt und Zwick wollen all diese Themen und Aspekte in ihrem Film behandeln, sie wollen offensichtlich aufrütteln, ein spannendes, emotional aufwühlendes Drama erzählen, darüber hinaus aber auch einen actiongeladenen Thriller bieten. Das gelingt ihnen sogar weitgehend, allerdings weist der Film genau jene Probleme auf, die immer dann auftreten, wenn Hollywood meint, der Welt „echte“ Probleme vermitteln zu müssen und sich dabei zwischen kommerziellen Zwängen, dem zugrundeliegenden guten Willen und dem Anspruch der Filmemacher verheddert. Meist ist es dann entweder zu wenig, bleiben zu viele Aspekte auf der Strecke und das Ganze gerät zu oberflächlich oder es ist von allem zu viel, alles wird zu dick aufgetragen und die Konzessionen, die man letztlich an den Geschmack eines Massenpublikums machen muss, erfordern dramaturgische Wendungen, die der Story nicht guttun.
Aus dieser Perspektive betrachtet, gelingt Zwick und Leavitt allerdings das Kunststück, doch eine kohärente Story zu konstruieren, in die all jene Aspekte, die wesentlich sind, um den Kern der Konflikte zu verstehen, untergebracht wurden. Sie erzählen das Drama von Solomon Vandy, dessen Familie Opfer eines Überfalls der RUF wird. Sein Sohn wird verschleppt und landet in einem der Lager, in denen Jungen zu Soldaten ausgebildet, geradezu herangezogen werden. Solomon selbst wird als Sklave in den Minen von Kono im Osten des Landes gehalten, wo er nach Diamanten graben muss. Durch die Wirrnisse des Krieges, die zu erklären sich die Filmemacher wenig bis keine Mühe geben und damit das Chaos, das in Westafrika oft herrscht, vergleichsweise adäquat wiedergeben lernt Solomon Danny Archer kennen. Die Figur des Danny Archer ist relativ komplex angelegt und Leonardo DiCaprio spielt diesen Mann, einen Söldner, der einst in den südafrikanischen Spezialeinheiten gedient und dort nach eigener Aussage ebenfalls einige Gräueltaten begangen hat, nicht unbedingt als einen Sympathen. Vielmehr legt er ihn als einen zynischen, sich abgebrüht gebenden Krieger an, der die Augen fest verschließt vor dem Elend, welches er mit seinem Diamanten- und Waffenschmuggel unterstützt.
Mit der ebenfalls etwas klischeehaft an vergleichbare Rollen in Filmen wie UNDER FIRE (1982) oder THE KILLING FIELDS (1984) angelegten Journalistin Maddy Bowen baut das Drehbuch allerdings auch eine, wenn auch oberflächliche, reflexive Ebene ein. Sie will eine Reportage über den Handel mit Edelsteinen und Waffen schreiben und nimmt Kontakt zu Archer auf, von dem sie sich Hintergrundinformationen erhofft. Doch der lässt sie auflaufen und erklärt ihr, dass die Medien ihrerseits Nutznießer der afrikanischen Kriege seien, die immer atemberaubende und aufsehenerregende Bilder böten und den Hunger nach einerseits exotischen, andererseits blutrünstigen Geschichten bedienten. In gewissem Sinne reflektiert der Film mit diesem Handlungsstrang sich selbst und die Problematik der eigenen Haltung, des eigenen Standpunkts. Denn der ist nun mal der eines Unterhaltungsfilms, der die Wünsche und Anforderungen seines Publikums bedienen muss. Und dazu gehört eben auch die entsprechende Action, Gewalt und vor allem einen Star.
So machen es sich die Filmemacher dann an einigen Stellen auch etwas zu einfach. DiCaprio darf natürlich nicht ein reiner Bösewicht, ein reiner Unsympath sein. Er ist der eben erwähnte Star des Films, er trägt den Film, seine Starpower lockt die Menschen am Samstagabend ins Kino. Also muss er im Laufe der Handlung eine Wandlung durchlaufen, er muss eine – zumindest angedeutete – Liebesgeschichte mit der Journalistin haben, sonst hätte man für deren Rolle schließlich nicht Jennifer Connelly und damit nicht nur mittelmäßige Starpower, sondern auch eine gewisse Attraktivität engagieren müssen. Und DiCaprio muss schließlich und endlich Heldenpotential entwickeln. Also lassen ihn Buch und Regie schließlich ein heldenhaftes Opfer bringen, indem er, als er den Diamanten, den er mit Solomons Hilfe sucht, endlich gefunden hat, all seine Pläne über den Haufen wirft und seinem neuen Freund und dessen ebenfalls wiedergefundenen Sohn zur Flucht verhilft. Was ihn das eigene Leben kostet.
Archer mutiert im Laufe der Handlung also zu einem Helden und erfüllt damit die Aufgabe des sogenannten White Savior. Der ist eine häufig wiederkehrende Figur in Hollywood-Filmen, ein Stereotyp. Es ist ein Weißer, der einem Schwarzen – oder auch einem Indianer oder anderen Angehörigen einer Minderheit – zur Hilfe kommt. Im äußersten Fall, so auch hier, in BLOOD DIAMOND, opfert er sich schließlich für den zu Unterstützenden. Die Figur suggeriert allerdings, dass der, dem sie hilft, sich nicht selbst zu helfen wisse, wodurch sie letztlich rassistische Ressentiments und Klischees und ein durch und durch weißes Überlegenheitsgefühl zu reproduzieren hilft.
Archer tötet in dieser Rolle schließlich seinen einst väterlichen Freund und Vorgesetzten, in dessen Trupp er nach wie vor dient, und liegt anschließend schwer verletzt durch eine Kugel, die ihn im entscheidenden Moment erwischt hat, an einem Berghang. Den Blick in die Weite des wunderschönen Landes gerichtet, telefoniert er per Satellitentelefon mit Maddy Bowen, der er zwar seine Liebe nicht offen gesteht, aber natürlich durchscheinen lässt, dass das was hätte werden können mit ihnen. In einem anderen Leben, zu einer anderen Zeit. So aber, versichert er ihr, sei er genau dort, wo er sein wolle und täte genau das, was er immer habe tun wollen. Dann stirbt er. Besser wäre es Gregory Peck am Kilimandscharo auch nicht gelungen. Reines Melodrama.
Genau darin, in solchen Wendungen des Drehbuchs, liegt das Problem eines Films wie BLOOD DIAMOND. In diesen Momenten wird er unehrlich, um nicht zu sagen: verlogen. Denn betrachtet und rekapituliert man all die Gräuel und Gewalt, die Bluttaten und Widerlichkeiten, mit denen der Film sein Publikum zuvor weit über zwei Stunden malträtiert, wirkt dieses persönliche Drama dann doch etwas aufgesetzt und in den Mittelpunkt gestellt, wo es vor der Tragödie Afrikas (oder dem Drama, ja, wahrscheinlich eher dem Drama dieses Kontinents) eher verblassen sollte.
Wobei man an dieser Stelle, bei aller Drastik, die der Film seinem Publikum zumutet, auch über Zwicks Darstellung der Gewalt streiten könnte. Es ist viel Gewalt, die hier gezeigt wird, und sie ist oft explizit und graphisch, doch geht Zwick in dem, was er zeigt, nie zu weit, nie geht er über eine Schmerzgrenze hinaus, nie ins Unerträgliche, nie verprellt er sein Publikum. Das haben andere Regisseure dann doch anders gelöst, haben sich mehr getraut oder eindringlichere Mittel gefunden, um das Leid, das Gewalt hervorruft, zu bebildern. Und dabei muss man gar nicht soweit gehen und Filmemacher wie Pier Paolo Pasolini oder die Hohepriester des Splatter-Kinos aufrufen. Man denke an die Bilder in Roland Joffes bereits erwähntem Film THE KILLING FIELDS oder an die Stille der vereisten ehemaligen Schlachtfelder in Bertrand Taverniers LA VIE ET RIEN D´AUTRE (1989). Zwick will durchaus schocken, aber nie so sehr, dass sein Publikum nachhaltig verstört wird. Dadurch wird die gezeigte Gewalt eben doch wieder zu einem Element des Actionkinos und folglich zu einem Teil des Entertainments. Sie ist unterhaltend, sie jagt uns Schauer über den Rücken, aber zum Glück kann sie überwunden werden.
Die Familie des armen Sklaven wird wieder zusammengeführt und Danny Archer versteht es, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun. Das ist das Versprechen dieses Films: Es wird wieder gut, das Schlimme kann besiegt werden, die Liebe und die Familie – letzteres immer das große Versprechen des kommerziellen amerikanischen Kinos, sein ureigener Topos – werden heilen, werden Trost spenden, werden die Gewalt vergessen lassen. Ein leeres, ein hohles Versprechen, denn die Realität, über die dann die realen Entsprechungen zu einer Frau wie Maddy Bowen berichten, lehrt uns, dass es Jahre, Jahrzehnte dauern kann, bis die Gewalt aus den Köpfen derer, die sie erleben mussten – passiv, aber auch aktiv – gebannt werden kann. Und manchmal, häufiger als wir es wahrhaben wollen, gelingt es gar nicht sie zu besiegen.
Bedenkt man dann noch, dass der Film Danny Archer die Gelegenheit einräumt, sich lang und breit über die von ihm und seinesgleichen sicherlich als tragisch wahrgenommenen Zustände in Mugabes Simbabwe auszulassen, dann spätestens wird es nahezu abstrus. Denn niemand hat die Weißen je gebeten, sich dort niederzulassen. Sicher, nach 200 Jahren der – unzulässigen und gewaltvollen – Herrschaft über ein ihnen im Grunde vollkommen fremdes Land mögen sie dieses als „Heimat“ wahrgenommen haben. Und sicherlich ist Mugabe bei seinen Vertreibungen nicht zimperlich gewesen und äußerst brutal vorgegangen. Doch macht es sich ein Film wie dieser dann doch zu einfach, wenn er unreflektiert das Leid einer weißen Farmersfamilie neben das der schwarzen Bevölkerung eines Landes wie Sierra Leone stellt.
Nun hört man natürlich schon die Stimmen jener, die einer Kritik wie dieser Krittelei und Genörgel vorwerfen, die das alles als Haarspalterei betrachten und der Meinung sind, dass Unterhaltungskino – was Hollywood-Kino eben immer (auch) ist – so nun einmal funktioniert und man doch froh sein sollte, wenn überhaupt mal der Finger in die Wunde gelegt, wenn überhaupt auf Missstände aufmerksam gemacht wird. Und sicher ist da auch was dran. Als BLOOD DIAMOND 2006 erschien, war sein Thema sicher keines, das auf den Frontseiten der Zeitungen besprochen wurde und die afrikanischen Kriege waren nach all den Feldzügen vor allem der Amerikaner in Folge von 9/11 eher in den Hintergrund gerückt, wenn nicht gar in Vergessenheit geraten.
Aber so ganz stimmt der Einwand dann eben doch nicht. Denn sehr wohl war auch Hollywood schon kompromissloser – man denke nur an das ‚New Hollywood Cinema‘ der späten 60er und der 70er Jahre, man denke an Filmemacher wie Hal Ashby, natürlich Francis Ford Coppola, an Martin Scorsese und viele, viele andere. Man denke an Quentin Tarantino, wenn man einen Regisseur jüngeren Datums benennen will. Man könnte aber auch Edward Zwick selbst in diese Aufzählung einreihen. Denn THE SIEGE war deutlich härter und weitaus kompromissloser, THE LAST SAMURAI – immerhin mit Tom Cruise in der Hauptrolle – war sehr viel subtiler als BLOOD DIAMOND. Dennoch gebührt auch diesem Werk des Regisseurs Anerkennung, denn bei aller Kritik – es ist ein, wie bereits weiter oben erwähnt, kohärenter Film, dem es gelingt, seine Themen und Schwerpunkte in einer in sich geschlossenen Story zu verweben. Und der dabei dann eben auch die Erwartungen erfüllt, die das Samstagsabend-Publikum an einen Film wie diesen stellt.
BLOOD DIAMOND ist gut gespielt und gut gefilmt, auch wenn die Bilder des Elends, die Kameramann Eduardo Serra einfängt, oft arg plakativ und dabei dann doch auch wieder wie Hochglanzabbildungen wirken; Bilder, die von einem hochdramatischen Score aus der Feder von James Newton Howard unterstützt werden und dadurch oftmals noch eindringlicher wirken; der Film ist rasant und nimmt sein Publikum von Beginn an mit. Bei einer Gesamtlaufzeit von weit über zwei Stunden – immerhin 143 Minuten werden veranschlagt – ist er keinen Moment langweilig, es gibt keine Hänger, das Tempo wird hochgehalten. Er ist spannend und emotional packend und weiß eben auch in den Nebenhandlungen zu überzeugen. Und ja, gelegentlich gelingt es ihm, sein Publikum bei allen Explosionen und Schießereien und Gewalttätigkeiten doch auch zum Nachdenken anzuregen. Und das, zumindest das, muss man Zwicks Film dann doch hoch anrechnen.