DER BASTARD/I BASTARDI
Ein für die 60er Jahre typischer Euro-Gangsterfilm italienischer Provenience
Nach einem Juwelenraub in Phoenix, Arizona, werden die Verbrecher gnadenlos durch die Wüste des amerikanischen Südwestens gehetzt. Ein Autotausch ist vorgesehen, bei dem Jason (Giuliano Gemma) sich brutal seiner Gangsterfreunde entledigt, indem er sie erschießt.
Er trifft seine Freundin Karen (Margaret Lee) und gemeinsam fahren sie zu Jasons Mutter Martha (Rita Hayworth), wo auch Jasons Halbbruder Adam (Klaus Kinski) auf sie wartet. Jason hat den Überfall auf das Juweliergeschäft in Adams Auftrag begangen. Martha, eine schwere Alkoholikerin, erhofft sich, mit ihren beiden Söhnen gemeinsam ihren Geburtstag zu feiern. Sie vergöttert beide, doch liebt sie Jason mehr als den kaltschnäuzigen Adam.
Jason teilt Adam mit, daß er für die Juwelen zu behalten gedenkt, da der Überfall härter gewesen sei, als angenommen. Er betrachte sie als seinen Lohn. Adam nimmt das zunächst jovial hin.
Doch er und seine Leute stehlen Jasons Wagen. Weil sie die Juwelen dort vermuten, nehmen sie ihn auseinander, können die Beute jedoch nicht finden. Adam beschließt, zu anderen Mitteln zu greifen.
Jason und Karen sind ein paar Tage weggefahren. Irgendwo in der Wüste an einem Bach, wo Karen schwimmen will, tauchen Adam und seine Leute auf. Adam lässt seinen Halbbruder brutal zusammenschlagen, zerschlägt ihm die Schußhand, doch Jason weigert sich weiterhin, das Versteck der Juwelen zu verraten. Adam droht damit, Karen zu vergewaltigen. Nun gibt Jason nach und gibt das Versteck preis. Doch dann muß er mit ansehen, wie Adam und Karen einander liebevoll küssen. Karen war die ganze Zeit von Adam auf dessen Bruder angesetzt. In Wirklichkeit ist sie mit Adam liiert.
Adam erklärt in einer zynischen Ansprache, daß es ihrer Mutter sicherlich leid täte, daß der Lieblingssohn nie mehr auftauche, aber damit müsse er dann wohl leben. Dann lassen er, Karen und die Männer Jason schwer geschunden in der Wüste zurück.
Nach zwei Tagen wird Jason von Barbara (Claudine Auger) gefunden. Sie ist eine Farmerin, die in der Nähe ihre Ranch betreibt. Sie nimmt den Verletzten mit und pflegt ihn in ihrem Haus gesund. Jason bringt sich bei, mit der Linken zu schießen. Barbara bittet ihn, den Bruder nicht zu verfolgen, spürt aber, daß Jason nicht von seinen Racheplänen ablassen kann und will. Dennoch verliebt sie sich in ihn.
Nach einer Weile, in der Jason regeneriert, suchen die beiden gemeinsam Martha auf. Die Mutter freut sich, ihren Lieblingssohn endlich wieder zu sehen. Sie ahnt, daß es zwischen den Brüdern Zwist gegeben hat,, was sie allerdings nicht wahrhaben will. Sie beschwört die innerfamiliäre Liebe und daß sie beide Väter der Jungen gleich geliebt habe. Sie sei doppelte Witwe und wolle nun nicht ihre Kinder auch noch überleben wollen.
Jason zeigt sich unversöhnlich und erzwingt von Martha, den Aufenthaltsort von Adam und Karen preiszugeben. Barbara spürt, daß Jason auch durch den Verrat durch Karen immer noch aufgewühlt ist. Offenbar waren seine Gefühle für sie echt.
Jason beschließt, seinem Bruder und Karen nach zu reisen und es auf eine Auseinandersetzung ankommen zu lassen. Adam hat sich nach Mexiko abgesetzt. Jason bittet Barbara, bei seiner Mutter zu bleiben und dort auf ihn zu warten. Er käme zurück.
In Mexiko gelingt es Jason, seinen Bruder ausfindig zu machen. Er will ihn stellen. Ein Erdbeben durchkreuzt seine Pläne. Als Jason schließlich das Haus erreicht, in dem Adam und Karen untergekommen sind, wurde dies vollkommen zerstört. Karen ist tot, unter den Trümmern begraben. Adam hingegen lebt noch. Jason befreit ihn und Adam fängt erneut mit seinen zynischen Reden an, erklärt, wie sehr er seinen Bruder liebe. Doch Jason lässt sich inchts vormachen. Er erschießt Adam.
Die 60er Jahre kannten einige dieser Euro-Actionfilme, meist französischer, italienischer und deutscher Produktion, häufig auch länderübergreifend finanziert, die mit älteren amerikanischen Stars, oft auch rein europäischen Besetzungen, mit Filmen aus Hollywood mitzuhalten versuchten, sich oftmals auch bemühten, die Vorbilder an Härte, Zynismus, Brutalität zu überbieten. In Italien hatte dieses Sub-Genre sogar eine eigene Bezeichnung, den Poliziottesco. Es brachte seine eigenen Stars hervor – darunter Tomás Milián, Franco Nero oder Fabio Testi. Auch Giuliano Gemma zählt zu dieser Riege.
Sie alle reüssierten in verschiedenen Genres, die amerikanischen Vorbildern nacheiferten, darunter auch und vor allem der Italo-Western. Die italienische Filmwirtschaft war anderen europäischen Ländern immer voraus, was das Genre-Kino betraf. Früher als die Franzosen oder gar die Deutschen, versuchten italienische Regisseure, eigene Standards im Western, Gangster- oder Abenteuerfilm zu setzen, worunter auch Monumentalfilme zu subsumieren wären, die in ihrer italienischen Variante den despektierlichen Beinamen „Sandalenfilme“ erhielten. Gerne verhandelten sie antike Stoffe und boten die billigere Variante zu amerikanischen Großproduktionen wie QUO VADIS? (1951) oder BEN HUR (1959), die ihrerseits aus Kostengründen gern in Rom, genauer: in Cinecittà, den berühmten römischen Studios, hergestellt wurden.
Betrachtet man heute Produktionen aus dieser Zeit, fällt auf, wie sehr sie darauf setzten, durch die bereits erwähnte Härte zu überzeugen. Aber es fällt ebenso auf, daß sie voller Staunen und Lust am Schauen sind. Gerade I BASTARDI (1968) ist ein gutes Beispiel dafür. Anders als seine Kollegen, konnte Regisseur Duccio Tessari in Amerika drehen. Eine ganze Reihe von Außenaufnahmen wurde in Arizona, New Mexico und Nevada gedreht und sie zeigen ein regelrechtes Staunen über die Weite, die Ödnis, die Überwältigung dieses Landes. Immer wieder zeigt Carlo Carlinis Kamera den Wagen der Gangster in den Weiten der Steppen und Wüsten des Südwestens der USA. Winzig wirkt er unter dem gewaltigen Himmel und wieder und wieder verschwindet er und verliert sich in der Offenheit des Landes. 1968 waren die USA bei Weitem noch kein leicht zu erreichendes Reiseland, man kannte es vor allem aus Filmen.
Ein Film wie I BASTARDI zeugt davon, wie europäische Filmemacher selbst begannen, diese Bilder zu suchen und letztlich genau die fanden, die sie schon kannten. Die sie aber auch neu erfinden konnten, denen sie andere Qualitäten abgewinnen konnten und damit ihrerseits den amerikanischen Regisseuren des ‚New Hollywood Cinema‘ vorgriffen, die ab Mitte der 60er Jahre selbst raus aus den Studios, hinaus ins Land gingen und die Highways und Kleinstädte, die Tankstellen und Diner am Wegesrand zeigten und damit begannen, eine andere amerikanische Wirklichkeit zu erkunden, als jene, die Hollywood bisher geboten hatte. Carlinis Kamera ergötzt sich geradezu an den Sonnenuntergängen, dem Widerspruch des natürlichen und des künstlichen Lichts der Neon-Schilder der Strips, wo die Motels und Burger Joints liegen. Die Hitze der Tage ist in diesen Bildern spürbar und das Verlorenheitsgefühl, das einen überkommen kann, wenn man stundenlang durch die Weiten der Prärien fährt.
Dies ist die eigentliche Qualität des Films. Inhaltlich bietet er harten Gangsterstoff, der sowohl Bezüge zum ‚Film Noir‘ aufweist, als auch zum Western. Die Geschichte des Films ist im Grunde eine klassische Westernstory um Rache und Bruderzwist, wie sie so auch von einem Regisseur wie Anthony Mann in einer seiner Kollaborationen mit James Stewart hätte geboten werden können. Das Drehbuch, an dem der Regisseur selbst beteiligt war, wendet sich allerdings von der moralischen Parabel ab und bietet kalten Zynismus. Gemma und Klaus Kinski – der Deutsche war in den 60ern ein häufig gesehener Gast in italienischen Produktionen, egal welcher Gattung – stellen ein ungleiches Brüderpaar dar. Der Ältere, von Kinski gespielt,, bindet den von Gemma dargestellten Jüngeren in seine Raubzüge ein, haut ihn übers Ohr, hintergeht ihn und überlässt ihn schließlich verletzt in der Wüste liegend seinem Schicksal. Dank der Liebe einer Frau, die ihn rettet, kann Gemma schließlich sein Rachewerk in Gang setzen und schließlich läuft alles darauf hinaus, daß der Jüngere den Älteren tötet. Klassischer Westernstoff, nur bar aller moralischen Integrität, da auch der von Gemma Dargestellte ein brutaler Räuber ist, der im Film dadurch eingeführt wird, wie er sich kaltblütig seiner Kumpane eines Juwelenraubs entledigt. Die Welt, die Tessan darstellt – darin dem Italowestern verwandt – ist eine, in der es keine Ehre, keinen Anstand oder gar unbedingte Liebe mehr gibt. Alle hier sind korrumpiert, alle sind verdammt.
Konterkariert wird die Geschichte durch eine ständig betrunkene Mutter des gar nicht so ungleichen Brüderpaars, die dauernd die Liebe ihrer Kinder zueinander beschwört, ohne je zu merken, wie die beiden umeinander herum streifen und sich belauern. Das gibt dem Ganzen einen gewissen ödipalen Unterton, der aber nirgends wirkliche Folgen zeitigt und letztlich vollkommen überflüssig ist. Gespielt wird diese Mutter von einer nie ganz trittsicheren Rita Hayworth, die hier einen ihrer letzten Auftritte auf der Leinwand hatte. Ein amerikanischer Star – ursprünglich war wohl Joan Crawford für die Rolle vorgesehen – half natürlich bei der internationalen Vermarktung und Hayworths Rolle und Auftritt sollten wohl am ehesten auch so gewertet werden.
I BASTARDI bietet schnelle und vergleichsweise billige Unterhaltung. Den Titelsong Love and Money sollte man womöglich ganz konkret verstehen: Hier trifft wirkliche Liebe zum Genrekino, die den Filmemachern definitiv nicht abzusprechen ist, auf knallharte kommerzielle Interessen. Der Song definiert aber auch inhaltlich, womit der Zuschauer es zu tun hat: Mit der zynischen Betrachtung einer Welt, der alles zur Ware geworden ist, in der niemandem zu trauen und jeder jederzeit austauchbar ist.
Nur eine kurze Ergänzung: der Regisseur heißt Duccio Tessari. Der hat einige interessante Filme gedreht, z. B. den noch sehr frühen Italowestern „Eine Pistole für Ringo“ (1965).
Ein „r“ neben einem „i“ sieht einem „n“ durchaus ähnlich, vielleicht haben Sie eine DVD mit einem etwas unsauberen Druckbild erwischt. 😉
Ansonsten sehr feiner und kenntnisreicher Blog.
Die arme Rita Hayworth wurde ja zu Lebzeiten als Alkoholikerin diffamiert, weil die Diagnose Alzheimer in den 70ern noch nicht geläufig war.
Hallo und vielen Dank für den Hinweis! Ich fürchte, es war ein Vergucker meinerseits, auch wenn ich mich gern auf „Tippfehler“ rausreden würde 😉
Danke für das Lob, es tut gut, zu hören, daß der Blog gefällt.
Ja, Hayworth wurde gern als Alkoholikerin abgetan, daß sie wohl an einer Demenz litt, las ich allerdings auch erst kürzlich. Zumindest spielt sie hier ja eine Alkoholikerin, allerdings, wie ich schrieb, nicht unbedingt „trittsicher“…