DIE STUNDE DES JÄGERS/THE HUNTED
Ein etwas eindimensionaler Thriller des späten William Friedkin
In den Wäldern Oregons werden zwei Jäger auf bestialische Art und Weise umgebracht. Das FBI in personam Abby Durrell (Connie Nielsen) zieht den Fährtenleser und Jäger L.T. Bonham (Tommy Lee Jones) hinzu, der in einem früheren Leben Ausbilder bei den Special Forces der Armee war. Er hat in den vergangenen Jahren immer mal wieder Briefe seines ehemaligen Schützlings Aaron Hallam (Benicio del Toro) erhalten.
In diesen Briefen legte Hallam dar, dass er zunehmend unter dem, was er in Einsätzen getan hat, leide. Er war einst mit einem Silver Star ausgezeichnet worden, da er bei einem Einsatz im Kosovo einen serbischen Milizenführer tötete, auf dessen Konto etliche Morde an Zivilisten ging. Doch wurde er von der Regierung immer wieder eigesetzt, um ihnen unliebsame Gegner auszuschalten, sprich: zu töten.
Bonham ahnt, dass es Hallam sein könnte, den er jagt. Die Briefe hatte er allesamt unbeantwortet gelassen, da sie teilweise Geheiminformationen enthielten, mit denen Bonham nicht in Verbindung gebracht werden wollte.
Durrell erklärt dem Jäger die Lage und Bonham macht sich auf, die Spuren zu suchen, die Hallam im Wald, am Tatort und auf seiner Flucht, hinterlassen hat.
Schließlich kann Bonham Hallam im Wald stellen und es kommt zu einem harten Kampf zwischen den beiden. Bonham spürt, dass er nicht mehr der jüngste ist und Hallam möglicherweise unterliegen wird. Plötzlich taucht Durrells Team auf, obwohl die junge Beamtin Bonham versprochen hatte, ihn allein auf die Pirsch gehen zu lassen.
Hallam kann mit einem Pfeil betäubt und verhaftet werden.
In Gewahrsam möchte Hallam nur mit Bonham sprechen, doch das lehnt dieser erneut ab, so wie er eben auch die Briefe nie beantworten wollte.
Es tauchen Regierungsbeamte auf, die Hallam nun in ihre Obhut nehmen, ohne den Polizisten oder den FBI-Beamten mitzuteilen, weshalb sie ihn mitnehmen. Bonham erklärt Durrell, dass Hallam in solch geheimen Missionen unterwegs gewesen sei, dass es die Regierung niemals zulassen könne, dass etwas davon an die Öffentlichkeit gelangt.
Bonham ist allerdings auch klar, dass Hallam unter solch starker Paranoia leidet, dass man ihn nur schwer wird einsperren können. Er wird immer wieder versuchen, auszubrechen und Bonham ist sich ziemlich sicher, dass es Hallam auch gelingen wird. Deshalb geht er davon aus, dass Hallam ohne Gerichtverfahren liquidiert wird.
Auf der Fahrt in einem Gefangenentransporter zu einem geheimen Ort, lässt Hallam es auf einen Kampf mit seinen Bewachern ankommen und verursacht so einen schweren Unfall. Er kann aus dem verunglückten Fahrzeug entkommen.
Bonham, mittlerweile wieder auf dem Weg in sein abgelegenes Zuhause, sieht die Bilder von der Unfallstelle im Fernsehen in einem Diner, wo er etwas isst. Er kehrt sofort um und beginnt erneut, Hallam zu jagen.
Diesmal findet die Jagd jedoch in der Stadt statt. Durrell unterstützt Bonham entgegen der Anweisungen ihrer Vorgesetzten. Die beiden suchen Hallams frühere Lebensgefährtin Irene Kravitz (Leslie Stefanson) auf, wohin Hallam tatsächlich geflohen ist. Sie versucht, ihm Rückendeckung zu geben, was insofern gelingt, als dass Hallam erneut entkommen kann.
Bonham nimmt die Verfolgung auf und stellt Hallam schließlich in den Wäldern um Portland herum. Hier kommt es vor einer dramatischen Kulisse zu einem letzten und entscheidenden Kampf zwischen Lehrer und Schüler. Letzten Endes gelingt es Bonham, Hallam zu töten.
Zurück in seinem Haus, verbrennt Bonham die Briefe von Hallam, die er aufbewahrt hatte.
FIRST BLOOD (1982) von Ted Kotcheff ist wahrlich kein sonderlich subtiler Film, doch anders, als in seinen Nachfolgern, bedient dieser erste Teil der Saga um den Vietnam-Veteranen John Rambo noch keine allzu reaktionären Weltbilder. Sicher, auch hier wurden schon die Verschwörungsmythen aufgegriffen, dass, hätte man die amerikanischen Soldaten so kämpfen lassen, wie sie das können, der Krieg niemals verloren worden wäre. Man kennt das. Rambo in der Gestalt von Sylvester Stallone durfte dann auch gleich den Beweis dafür erbringen, indem er es mit der gesamten Polizei einer Kleinstadt irgendwo im Nordwesten der Vereinigten Staaten aufnahm. Paradoxerweise ist seine Taktik dabei die eines Guerilla-Kämpfers, wie der Vietcong sie ausbildete. Die interessanteste Figur in dem Film ist jedoch ein kleiner, ausgezehrt wirkender Mann namens Trautman, ein Colonel, dargestellt von Richard Crenna, der plötzlich am Ort des Geschehens auftaucht und dem Sheriff erklärt, er und seine Männer hätten keine Chance gegen Rambo. Der nämlich sei sein ureigenes Geschöpf. Er selbst habe ihn zu einer Tötungsmaschine ausgebildet. Trautman wird im Laufe des Films natürlich bestätigt und ist schlussendlich der einzige, dem es gelingt, Rambo zu beruhigen und schließlich dazu zu bringen, aufzugeben. Für den Veteranen ein neuerliches Trauma. Aber immerhin durfte er am leben bleiben und konnte die Leinwand so noch in vier weiteren Teilen der Reihe heimsuchen.
Je länger man William Friedkins THE HUNTED (2003) zuschaut, je länger sich die Handlung entfaltet – wenn man denn von einer solchen im engeren Sinne sprechen mag – , die interessanterweise ebenfalls in den Wäldern im Nordwesten der USA angesiedelt ist, desto mehr beschleicht zumindest den älteren Betrachter, der sich an Kotcheffs Film noch gut erinnern kann, das Gefühl, es hier mit einer Variante des Stoffs aus der Perspektive dieses Colonel Trautman, also des Ausbilders, zu tun zu haben. Doch weil der Filmemacher hier eben nicht ein Handwerker wie Kotcheff ist, der sich vielleicht damit zufrieden gibt, einen mitreißenden Actionfilm abzuliefern – und dem es vielleicht genau aus diesem Grunde gelang, in jenem ersten Film um John Rambo einen klugen, wenn auch späten Kommentar zum Vietnam-Krieg abzuliefern – sondern mit William Friedkin einer der ambitionierteren Genre-Regisseure des New Hollywood Cinema der 70er Jahre inszeniert, wird der Film aufgeladen mit allerlei psycho-religiösem Brimborium und zu einem metaphorischen Vater-Sohn-Drama aufgeblasen. Beides bekommt ihm nicht und wahrscheinlich sind es diese beiden Aspekte, die die Kritik nicht sonderlich freundlich mit THE HUNTED umgehen ließ.
Nach einem Drehbuch von David und Peter Griffiths sowie Art Monterastelli, macht Friedkin sich also daran, den Zweikampf zweier ungleicher Männer zu inszenieren. Auf der einen Seite ein durch seine Tötungseinsätze in den Balkankriegen traumatisierter Veteran, den Benicio del Toro mit ziemlich genau einer mimischen Einstellung spielt – dem Dackelblick, den er so gut draufhat und der oft eher komisch denn mitleiderregend wirkt – und, auf der anderen Seite, dessen früherer Ausbilder, der mittlerweile für eine Naturschutzorganisation arbeitet und zurückgezogen in den Wäldern Oregons lebt. Für diesen Part konnte die Produktion tatsächlich Tommy Lee Jones verpflichten, der viel durch Wald und später die Stadt eilen darf und dabei immer wieder an jenen Marshal erinnert, der Dr. Kimble in THE FUGITIVE (1993) jagte und den ebenfalls Jones spielen durfte.
Nun würde man ja bei solcher geballten kreativen Power – Friedkin, Jones und del Toro sind allesamt Oscar-Preisträger – erwarten, dass das Ergebnis zumindest ansprechend wird, doch weit gefehlt. So eindimensional das Drehbuch, so eindimensional inszeniert der Regisseur. Spannung kommt kaum auf, da der Zuschauer im Grunde immer weiß, was als nächstes passieren wird, welcher Tricks dieser Veteran sich bedienen wird und auch, dass Tommy Lee Jones vielleicht mal kurzzeitig verwirrt ist, dann aber schnell wieder Witterung aufnimmt und die Fährte findet, die zu seinem Wild führt, um im Bilde zu bleiben. Die fehlende Spannung wird durch exzessive Gewaltdarstellungen wettgemacht. Leider ein gängiges Mittel im modernen Hollywood-Film und dort ganz besonders im B-Movie, meist im Horrorfilm. Gewalt kaschiert immer, dass die Macher keine Einfälle mehr hatten, die zündende Idee bspw. für ein packendes Ende zu einer Story fehlte. Friedkin ist nun aber ein Meisterregisseur und weiß, wie man zum Beispiel eine Verfolgungsjagd in Szene setzt – man erinnere sich an jene endlose Verfolgung in THE FRENCH CONNECTION (1971), in der „Popeye“ Doyle in der Gestalt von Gene Hackman die Hochbahn in New York verfolgt und dabei keine Rücksicht auf Freund oder Feind nimmt. Und die tatsächlich ohne Drehgenehmigung on location realisiert wurde. Sicherlich neben jener in Peter Yates´ BULLITT (1968) die bemerkenswerteste Verfolgungsjagd der Kinogeschichte. Und so zitiert Friedkin sich hier selbst, wenn er diese beiden Männer zweimal aufeinander loslässt: Einmal im Wald und einmal im „Großstadt-Dschungel“, wie es immer so schön heißt. Allerdings nicht zum ersten Mal, denn schon in TO LIVE AND DIE IN L.A. (1985) baute er ebenfalls eine Verfolgungsjagd auf den Freeways von Los Angeles ein, die allerdings ebenfalls atemberaubend war, was man von den entsprechenden Szenen in THE HUNTED eben nicht behaupten kann.
Wirklich beeindruckend sind lediglich die Kampfszenen zwischen Tommy Lee Jones und Benicio del Toro, vor allem am Ende des Films, wenn sie an Wasserfällen und zwischen Stromschnellen miteinander ringen und Friedkin diesem Zweikampf zu einem nahezu biblischen Vater-Sohn-Konflikt stilisiert, bei dem der Vater schließlich die Oberhand behält. Und damit symbolisch auch die staatliche (gesellschaftliche) Ordnung. Denn die Figur, die del Toro hier gibt, verfügt über allerhand geheimes Wissen zu allerhand geheimen Operationen der Vereinigten Staaten, an denen er als Killer beteiligt war. Kämen die – auch dies ein gängiger Topos in vergleichbaren Erzählungen, die immer auch etwas von Verschwörungsnarrativen in sich tragen – ans Licht, stünden viele Menschen nicht gut da und die Bürger verlören möglicherweise das Vertrauen in die Staatsorgane. Ach ja. Jedenfalls sehen wir am Ende des Films, wie Tommy Lee Jones Briefe verbrennt, in denen sein ehemaliger Schützling sich an ihn wendete und von eben jenen Geheimoperationen und den Traumata, die er durch die Teilnahme daran erlitten hat, berichtet. So wird THE HAUNTED eben auch zu einem institutionellen Propagandafilm, der dem Zuschauer erklärt, dass es Dinge gibt, die besser unter der Decke bleiben.
Im Grunde interpretiert man damit schon zu viel in einen Film wie diesen hinein, bzw. gibt ihm viel zu viel Kredit. Denn was in FIRST BLOOD funktionierte – als Subtext einer wirklich spannenden und geradeheraus erzählten Geschichte um einen Veteranen, der daheim schlechter behandelt wird, als im Krieg in einem fernen Land – wird hier zur reinen Kolportage um eine brutale Geschichte ein wenig aufzupeppen und ihre Schwachstellen zu kaschieren. In einem billigeren Film wäre dieser Mann, den del Toro da gibt, einfach ein Psychopath oder bestenfalls jemand, der aus irgendwelchen sentimentalen Gründen Jagd auf Jäger macht. So nämlich fängt hier alles an: In dem Gebiet in dem Jones seiner Tätigkeit als Naturschützer nachgeht – wir sehen ihn anfangs, wie er einen Wolf von einer Fallschlinge befreit; er hasst die Jäger also mindestens so, wie sein ehemaliger Schützling – werden zwei Jäger bestialisch umgebracht. Doch da dies mehr sein will, muss er eben ein traumatisierter Veteran der jüngeren Kriege der USA sein und dementsprechend mit einer Vita ausgestattet werden. Und unter Staatsgeheimnissen tut man´s einfach nicht. Ist doch klar. Allerdings ist sein Motiv, Jäger zu töten, an den Haaren herbeigezogen und wirkt vollkommen unglaubwürdig und aufgesetzt. Es scheint wirklich lediglich dazu zu dienen, die beiden Männer gleich zu setzen und dem Film damit unnötig viel Metaphorik einzuimpfen.
Bleibt also das Verhältnis der beiden Männer zueinander. Und auf der Ebene muss man Friedkins Film attestieren, dass er vielleicht etwas unterschätzt wurde. Zu Beginn lauschen wir der Erzählung, wie Gott Abraham aufforderte, ihm einen Sohn zu opfern – allerdings in der Narration nach Bob Dylan, der davon in der ersten und letzten Strophe von Highway 61 Revisited berichtet. Das ist natürlich cool, aber es setzt dennoch einen quasi-religiösen Ton, der dem Film dann zugrunde liegt. Und immer wieder aufgegriffen wird, bspw. wenn Friedkin seinen Kameramann Caleb Deschanel die Wälder wir sakrale Stätten filmen lässt und diese Bilder dann mit entsprechender Musik unterlegt. In dieser Kirche der Natur, dort, wo Männer eben noch Männer sein können – und damit meint der Film den Jäger Tommy Lee Jones und sein Wild Benicio del Toro, nicht die Hobby-Jäger, die letzterer tötet; das sind, in der Diktion des Films, Weicheier, Möchtergerns – tragen sich dann die wirklichen, essenziellen Dramen zu. Hier tötet schließlich der symbolische Vater (Jones) in einem ikonographisch anmutenden Bild den symbolischen Sohn (del Toro) und verharrt an dessen Leiche. Und weint. Und vernichtet anschließend – mit den bereits erwähnten Briefen – die Beweise seiner Existenz. Womit er in gewisser Weise, was man als eine selbstauferlegte Strafe lesen könnte, sich selbst und sein Tun vernichtet.
Wollte William Friedkin einen Kommentar auf Amerika als ein Land abgeben, das seine eigenen Kinder in den Tod schickt, wieder und wieder, für nichts und wieder nichts? Gut möglich. Aber nicht jede Geschichte gibt etwas Allegorisches her. Es mag vielleicht in jeder Geschichte eine Art Metaphorik stecken, aber dann müsste man diese versteckte Metaphorik doch mit mehr Verve und besserem Verständnis ausarbeiten, als es hier der Fall ist. THE HAUNTED scheint letztlich nur ein aufgepepptes Vehikel für exzessive Gewalt zu sein. Und ist in seiner Eindimensionalität dann – Höchststrafe – schlicht langweilig.