BRENNPUNKT BROOKLYN/THE FRENCH CONNECTION

William Friedkins Polizei-Thriller - ein Juwel des 'New Hollywood Cinema'

In Marseille bereitet der Geschäftsmann und Drogendealer Alain Charnier (Fernando Rey) einen Heroin-Transfer nach New York vor. Er nutzt dafür den Schauspieler Henri Devereaux (Frédéric de Pasquale), der für Dreharbeiten in Amerika seinen Wagen überführen lässt. Charnier lässt den Stoff von seinen Mechanikern im Auto einbauen. Gemeinsam mit seinem Adlatus Pierre Nicoli (Marcel Bozzuffi), einem Killer, der schon in Frankreich beweist, wie kaltblütig er agiert, begibt sich auch Charnier in die Staaten.

Die Detectives Jimmy „Popeye“ Doyle (Gene Hackman) und Buddy “Cloudy” Russo (Roy Scheider) arbeiten beim Drogendezernat der Stadt New York. Eingesetzt sind sie vorwiegend im Bezirk Brooklyn. Hier verrichten sie ihre tägliche Arbeit aus Observation und Verhaftungen meist von Straßendealern.

Als sie eines Abends nach ihrem Dienst noch etwas trinken gehen, werden sie in einem Nachtclub Zeugen eines Treffs berüchtigter Gangster der italienischen Mafia. Unter anderem sitzt da Salvatore „Sal“ Boca (Tony Lo Bianco), dessen Spur die beiden Cops verfolgen. Da Boca im Nachtclub zwar mit Geld um sich schmeißt, im bürgerlichen Leben jedoch den eher bescheidenen Beruf eines Bäckers ausübt, reicht dies den beiden, um eine weitere Observierung zu veranlassen.

Allerdings ist weder ihr Chef überzeugt, noch ist Doyle sonderlich gut beleumundet unter den Kollegen, da er in der Vergangenheit angeblich für einen zweifelhaften Erfolg einen Partner über die Klinge springen ließ. Vor allem die hinzugezogenen FBI-Agenten, namentlich der Agent Mulderig (Bill Hickman), lassen Doyle immer wieder wissen, was sie von ihm und seinen Methoden halten.

Bei einer Razzia in einer Bar, bei der er aufdreht und seine ganze Verachtung für die Kleindealer zum Vorschein kommt, während Russo ihm den Rücken freihält, erfährt Doyle von einem angeblich bevorstehenden Drogendeal, der über den Hafen von New York abgewickelt werden soll.

Da sie Boca mittlerweile auch abhören, erfahren die Detectives, daß er extrem hochwertiges Heroin kaufen will, wofür er allerdings das OK der ihm übergeordneten Bosse braucht. Die Information passt zu der von Doyles Informanten aus der Bar.

Mittlerweile sind auch Charnier und Nicoli in New York eingetroffen. Sie setzen Boca unter Druck, da sie den Deal möglichst schnell abwickeln wollen. Zudem wird Devereaux immer panischer, was seine Reputation betrifft. Er will um keinen Preis mit Charniers Geschäften oder gar der amerikanischen Mafia in Verbindung gebracht werden. Charnier weist Devereaux allerdings sehr explizit darauf hin, daß er ihn in der Hand habe und der Schauspieler gefälligst tun solle, was man von ihm verlangt.

Auch Doyle und Russo sind inzwischen auf Charnier aufmerksam geworden. Doyle beschattet ihn, wird dabei allerdings vom Franzosen entdeckt. Dieser beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel mit seinem Verfolger.

Doch Charnier ist sich der Gefahr, die von einem solch bissigen Polizisten wie Doyle ausgeht, voll bewußt. So gibt er Nicolis Drängen nach und gibt diesem den Auftrag, Doyle auszuschalten. Vor dem Haus, in dem er wohnt, wird Doyle angegriffen, kann sich allerdings in Deckung bringen. Nicoli flieht, Doyle verfolgt ihn. Der Killer entführt eine Hochbahn und zwingt den Fahrer, in rasendem Tempo durch die Bahnhöfe zu fahren. Doyle folgt der Bahn mit einem Auto, das er rekrutiert hat. Ebenso atem- wie rücksichtslos rast auch er ohne Stopp durch den Verkehr, bis er den Killer an der Endstation stellen kann. Er tötet Nicoli.

Nach einer weiteren Nacht, die die Cops damit verbringen, ihre Gegner zu beobachten, gelingt es ihnen, an den Wagen von Devereaux heran zu kommen. Sie beschlagnahmen ihn und lassen ihn komplett auseinandernehmen. Doch zunächst können sie nichts Verdächtiges entdecken, erst recht kein Heroin. Dann fällt dem Mechaniker ein, daß er – der Wagen liegt mittlerweile in seinen Einzelteilen vor den Polizisten – die Fußabtrittleisten vergessen hat. Und nun beweist sich, daß Doyle, den seine Kollegen schon mit einem weiteren Fehlschlag aufziehen wollten, doch recht hatte: Hier finden sie schließlich den Stoff.

Die Polizei übergibt den Wagen schließlich wieder an Devereaux, verfolgt ihn dann aber. So können sie das Treffen der New Yorker Gangster mit Charnier beobachten und zugreifen. Es kommt zu einer Schießerei, bei der sowohl Polizisten, als auch einige der Gangster, darunter „Sal“ Boca, getötet werden.

Da Charnier zu entkommen droht, folgen Doyle und Russo ihm. In einer alten Fabrikhalle schießt Doyle auf eine Gestalt, die sich in eine Ecke drückt. Es ist aber nicht der Franzose, sondern der FBI-Agent Mulderig. Doyle verschwindet durch einen Ausgang der Halle, Russo hört einen Schuß.

Auf Texttafeln wird der Zuschauer darüber informiert, daß Doyle und Russo das Drogendezernat verließen, Charnier wahrscheinlich unbehelligt in Frankreich lebt.

Ein dialektischer Versuch zum Kino des ‚New Hollywood‘: Eigentlich angetreten, um mit neuem Stil gegenwärtige Themen zu bearbeiten, damit dem Genre-Kino herkömmlicher Hollywood-Provenienz entkommend, wollten die jungen Regisseure, die man mit dem Begriff verbindet – Arthur Penn, Mike Nickols, Hal Ashby et al. – ihren französischen und italienischen Vorbildern der Nouvelle Vague und des Neorealismus nacheifern und die volle Kontrolle über ihre Produkte haben. Sie waren also Autoren, Regisseure, wenn möglich auch die Produzenten der Filme, die sie realisierten. Und doch ist schon eine der ersten Produktionen, die heute mit dem Label ‚New Hollywood‘ getagged werden, ein Genrefilm gewesen. Arthur Penn hatte mit BONNIE AND CLYDE (1967) einen Gangsterfilm vorgelegt, der nicht nur das Genre bediente, sondern nicht einmal das ungeschriebene Gesetz einhielt, zumindest zeitgenössisch zu erzählen. Vielmehr erzählt sein Film eine in die amerikanische Vergangenheit zurückreichende Geschichte aus der Großen Depression der 30er Jahre. Neu war vor allem der Erzählstil, der aus dem Gangsterpärchen mit allerlei Neurosen behaftete Popstars machte und mit Faye Dunaway und Warren Beatty zwei Hauptdarsteller präsentierte, die selbst Teil der entstehenden Sub- und Gegenkultur waren. Das Zeitgenössische war also die stilistische Aufbereitung und die Art der Darstellung der Helden, besser: Der Anti-Helden. Im Übrigen begründete jener Film, der gemeinhin als Initiator für die Akzeptanz dessen, was die junge Garde an Filmemachern vorhatte, angesehen wird, gleich ein eigenes, ganz neues Genre: EASY RIDER (1969) kann getrost als Beginn dessen gesehen werden, was heute unter dem Sammelbegriff ‚Road Movie‘ subsumiert wird.

THE FRENCH CONNECTION (1971) kann man in vielerlei Hinsicht als einen Höhepunkt, als Apotheose und zugleich als Widerlegung dessen lesen, was das ‚New Hollywood Cinema‘ angeblich ausmachte. Regisseur William Friedkin, der das Kunststück mit seinem nächsten Film THE EXORCIST (1973) im Bereich des Horrorfilms glatt wiederholte, legte einen eindeutigen Cop-Thriller vor, ein Genrestück, das zunächst klassischem Hollywood-Kriminalfilmen zu folgen scheint. Natürlich ist es zeitgenössisch, wie auch ein Film wie THE FBI STORY (1959) von Mervyn LeRoy seine Zeit widerzuspiegeln schien. Es werden mit den Protagonisten Jimmy „Popeye“ Doyle und Buddy „Cloudy“ Russo zwei mit allen Wassern gewaschene Detectives eingeführt. Es gibt Action, es gibt Schießereien und allerlei Szenen, die einem herkömmlichen Kriminalfilm entsprechen. Doch dauert es nicht lang, bis der Zuschauer merkt, daß hier doch alles anders ist. Realistischer, aufreibender, aber auch frei von falscher Empathie wie Sympathie. Die Action ist dreckig, die Hauptfiguren sind nicht sonderlich freundlich – im Gegenteil, Doyle entpuppt sich mehr und mehr als waschechter Rassist, dem man am ehesten noch zugutehalten könnte, daß auf ihn eben jenes Verdikt zutrifft, das auch der anderen großen Cop-Gestalt des Jahres 1971, DIRTY HARRY (1971), anhaftet, nämlich im Grunde überhaupt niemanden zu mögen, wodurch er zwar nicht weniger rassistisch, dafür umso misanthropischer wirkt – und die Arbeit, die sie verrichten, ist langweilig, routiniert und vor allem nahezu nutzlos. Beide Polizisten sind brutal und bereit, jederzeit Gewalt anzuwenden, sie wirken wie Kombattanten in einem nie erklärten, immerwährenden Krieg, der auf den Straßen New Yorks ausgetragen wird. Ihre Gegenspieler – vor allem der von Fernando Rey gespielte Franzose Charnier – wirken im Vergleich zu den Cops weltläufig, gewandt und kultiviert. Eine der markantesten Szenen zeigt eine Beschattung des Mannes durch Doyle, bei der dieser in einem Hauseingang billigen Kaffee trinkt und ein Sandwich im Stehen verspeist, während Charnier und einer seiner Bekannten in einem Restaurant ein offenbar vorzügliches, nicht ganz billiges und aus mehreren Gängen bestehendes Mahl zu sich nehmen.

THE FRENCH CONNECTION spielt ununterbrochen mit Gegensätzen wie diesen. Wie im ‚Film Noir‘ spielt die Stadt als Raum eine ganz eigene Rolle im Film, durchaus auch eine Hauptrolle; anders als im ‚Film Noir‘ wird sie allerdings hier nicht stilisiert und in einen Nicht-Raum umdefiniert, der letztlich ein Abbild des seelischen Zustands der Protagonisten ist, sondern in nahezu hyperrealistischen Bildern gezeigt. Owen Roizman, der zuvor nur einmal als Kameramann bei einer Spielfilmproduktion gearbeitet hatte, fängt für Friedkin nahezu dokumentarisch wirkende Bilder von Brooklyn ein, wo der Großteil der Story spielt. Hier ist nichts von dem Glamour jener Stadt zu sehen, die einst Frank Sinatra besang, hier ist alles grau und dreckig, das Leben spielt sich teils auf der Straße ab, teils in kleinen, nichtssagenden Delis und Diners, in Bars unter Hochbahnen, wo sich Kleinkriminelle und Straßendealer treffen und von Doyle und Russo aufgetrieben und aufgerieben werden. All das ist – ganz den Regeln des ‚New Hollywood‘ entsprechend – vor Ort gedreht, in den Straßen, in den Bars und den Cafés, on location. Das grobkörnige Filmmaterial unterstreicht das Dokumentarische, die Bilder wirken oft wie ausgewaschen, vergilbt. Zugleich pulsieren sie aber von all dem realen Leben, das sie einfangen und zeigen. Daß der zur Zeit des Drehs ca. vierunddreißigjährige Roizman selbst aus Brooklyn stammt und die Straßen dieses so eigenen New Yorker Bezirks gut kannte, mag einiges dazu beigetragen haben, daß diese Bilder so authentisch, der Blick, den sie wiedergeben, so genau und so eindringlich wirken.

Interessanterweise könnte man den Bildern gar attestieren, „europäisch“ zu sein. Nicht nur in den Eingangsszenen in Marseille, wo Charnier sich bemüht, Geschäftsfreunde zu dem Deal mit einem in die USA eingeführten Auto zu überreden, in dem das zu schmuggelnde Heroin versteckt ist, kommt das zum Ausdruck. Roizman scheint europäische Filmemacher wie den Franzosen Jean-Pierre Melville oder auch Italiener wie Damiano Damiani sehr genau studiert zu haben und greift auf Vieles zurück, was deren Kameraverantwortlichen einst einführten: Totalen auch in Bildern, die solche kaum forderten, Halbtotalen, wenige amerikanische Einstellungen und vor allem der Gebrauch des Zooms, was in Hollywood als verpönt galt. Dadurch entsteht ein selbst schon wieder dialektisches Spiel aus Distanz und Nähe. Denn wirklich nah an die Protagonisten kommen wir selten, der Film selbst scheint sein Publikum in eine Halbdistanz zu drängen, welche die Identifikation mit egal wem nahezu unmöglich macht. Man verfolgt das Geschehen auf der Leinwand eher mit solchem Interesse, mit dem man eine spannende Reportage über den Alltag von Drogen-Cops in den USA verfolgen würde. Das arbeitet der für Hollywood typischen Identifikation mit und Nähe zu den Hauptfiguren entgegen – und arbeitet für die inhaltliche Dialektik, die der Film als Strategie verfolgt.

Denn auf der inhaltlichen Ebene wird der zunächst herrschende Gegensatz zwischen Polizei und Verbrechern, zwischen dem Gesetz und denen, die es in Gestalt der Polizisten verfolgt, immer geringer, immer mehr nähern sich Polizei und Verbrecher einander an. Scheint der Gegensatz schon in jener Szene aufgehoben, wenn nicht gar aufgehoben, die oben beschrieben wurde – Charnier vornehm speisend, Doyle ihn beobachtend mit einem offensichtlich unbekömmlichen Automatenkaffee – wird er nahezu aufgehoben, wenn man sich die Methoden betrachtet, die die jeweiligen Seiten nutzen, um ihre Anliegen durchzusetzen. Beide – sowohl die Polizisten, wie auch die Gangster – sind jederzeit bereit, andere übers Ohr zu hauen, beide spielen ihre Karten strategisch und nach genauer Überlegung und beide sind bereit, Gewalt anzuwenden. Und nicht nur hinsichtlich der Gewalt wirken die Gangster oft überlegter und effektiver. Während Charniers Mann fürs Grobe, der von Marcel Bozuffi mit Eiseskälte gespielte Pierre Nicoli, zwar gnadenlos vorgeht (und, nach Maßstäben heutiger Logik, auch unüberlegt), seine Morde jedoch immer Mittel zum Zweck sind, kann man sich da vor allem bei „Popeye“ Doyle nicht ganz so sicher sein.

Gene Hackman, der die Rolle erst bekam, nachdem u.a. Steve McQueen abgelehnt hatte, zeigt hier schon eine der Fähigkeiten, die sein Spiel auch in Werken wie dem schon genannten BONNIE AND CLYDE, in einem Meisterwerk wie Coppolas THE CONVERSATION (1974) oder, später, in MISSISSIPPI BURNING (1988), aber auch in rein der Unterhaltung dienenden Kassenschlagern wie THE POSEIDON ADVENTURE (1972) so eindringlich, so intensiv wirken lässt. Er ist ein Meister darin, mit nur einer einzigen, oft fast unmerklichen Nuance in seiner Mimik die ganze Stimmung einer Figur und – da seine Figuren sehr oft starke, die Szenerie bestimmende Charaktere sind – die Atmosphäre eines Moments auf der Leinwand komplett zu verändern. Er kann aus einem freundlichen ohne Vorwarnung in einen extrem brutalen Modus verfallen, wobei physische Gewalt oft gar nicht nötig ist, um sein Anliegen zu verdeutlichen, da sein Gesichtsausdruck als Drohung schon ausreicht, um seine jeweiligen Gegenspieler einzuschüchtern. Doch ebenso kann Hackman in einem Lächeln, einem Zwinkern seiner oft kaum mehr zu erkennenden Augen die Tragik eines nicht gelebten Lebens, den Schmerz über Verpasstes und zugleich eine Lebensklugheit ausdrücken, die es einem Mann wie ihm erlaubt, daran nicht zu verzweifeln.

Wenn nun Doyle in der Gestalt von Gene Hackman eine ranzige Bar betritt, im Schlepptau Russo, dann blüht den dort ihre Geschäfte abwickelnden Dealern nichts Gutes. Und die nun folgenden Aktionen – die Anwesenden sich aufreihen lassen, den Stoff aus den Verstecken unter der Theke hervorkramen, das Vermischen etlicher Pillen, Tütchen und Pülverchen in einem Bar-Mixer, die Brüllerei und Schubserei der Verdächtigen – sind alles andere als subtil. Nun ist das Töten von Menschen sicherlich niemals subtil und Nicoli scheut sich nicht, seinen Gegnern ins Gesicht zu schießen und ein deutlich sichtbares Blutbad anzurichten, doch sind seine Tötungen wie bereits erwähnt immer zielgerichtet. Und das kann man von Doyles Aktionen leider nicht behaupten. Letztlich folgt der ganze Auftritt in der Bar nur der Logik, einen Informanten in Ruhe befragen zu können; daß es Doyle aber sichtlich Spaß macht, die Anwesenden in einem fort zu demütigen und zu beleidigen – und da es sich hauptsächlich um Schwarze und Hispanics handelt, tritt sein immanenter Rassismus hier auch am deutlichsten zu Tage – ist nicht zu übersehen. Und auch jener Moment, in dem er Nicoli schließlich nach einer atemberaubenden Verfolgungsjagd entlang der Hochbahngleise stellt, weist Doyle als Triebtäter aus: Er erschießt sein Gegenüber, obwohl das in diesem Moment nicht mehr nötig ist. Doyle wird die gesamte Spieldauer des Films auch immer wieder damit konfrontiert, daß er angeblich bei einem Einsatz einen Kollegen, wenn nicht selbst erschossen, so doch geopfert habe. Ein Vorurteil (?), das zu entkräften ihm nicht gelingt und umso ironischer natürlich das Ende des Films, wenn er ausgerechnet jenen FBI-Agenten erschießt, der aufgrund der alten Geschichten nicht mit ihm zusammenarbeiten wollte. Doyle gilt als obsessiv. Und auch wenn die, die diesen Vorwurf erheben, keinen Deut´ sympathischer sind als Doyle selbst, wird das Urteil doch im Lauf der Handlung mehrfach bestätigt. Doyle ist obsessiv.

In der Figur des „Popeye“ Doyle wird das Verhältnis von Gangster und Polizist schon nahezu umgekehrt. Ist der Gangster die Antithese zum Gesetz und damit zur gesellschaftlichen Norm, die dann natürlich die These darstellt, wird Doyle mehr und mehr – oder ist es schon immer gewesen, was den Eindrücken seiner Kollegen entspräche – zur Antithese dieses Gangsterbildes und immer stärker zu einer Synthese aus beidem: Vertreter des Gesetzes und Gangster. Längst hat sich dieser Mann von den Seiten des Gesetzes gelöst, seine Motivation ist nicht mehr erkennbar, der Kampf wird um seiner selbst willen ausgetragen, er ist längst persönlich geworden und wird von Doyle auch genau so geführt. Ein sich selbst speisendes System aus Obsession und Hass. Die dargestellten Cops sind alle harte Hunde, Russo, etwas blass – in dieser Rolle und auch, wie Roy Scheider ihn anlegt, bleibt er immer nur Anhängsel von Doyle – ist loyal, aber weit von der Besessenheit seines Partners entfernt. Doyle, in einer Mischung aus offenbar charakterlich angelegter Wut und tiefer Frustration über einen Job, der nirgendwohin zu führen scheint, dessen Erträge eine Halbwertzeit haben, die sich wahrscheinlich nach Stunden bemessen ließe, ist im Vergleich zu einem Mann wie Charnier ein Barbar. Ungehobelt, zynisch (was Charnier natürlich auch ist – aber auf eine charmante, kultivierte Art und Weise) und zutiefst emotional verkörpert er wiederum die Antithese zum zivilisierten Europäer. Und weil Charnier im Grunde wie ein Geschäftsmann agiert, der Pro und Contra, die Vor- und Nachteile einer wie auch immer gearteten Transaktion genau berechnet, im Notfall auch warten kann, verkörpert Doyle auch Sand im Getriebe eines reibungslos funktionierenden Warenaustauschs. Wenn er also genretypisch mit seinen Vorgesetzten über Kreuz liegt, weil er dauernd auf eigene Rechnung handelt und sich jederzeit über geltendes Recht und das Gesetz hinwegsetzt, wenn es ihm opportun erscheint, ist dies über die genannten Gründe hinaus eben auch der Tatsache geschuldet, daß Doyle eine leibhaftige Störung des funktionierenden bürokratischen, also institutionellen, also letztlich staatlichen Ablaufs ist.

Das verbindet Doyle mit all den Individualisten, für die Hollywood immer schon ein großes Herz und eine heiße Leidenschaft hatte. Jene, die sich entweder über das Gesetz stellten, wie die Gangster der klassischen Genre-Filme der 30er Jahre, oder sich ihm wider besseren Wissens entzogen, wie die tragischen Männer des ‚Film Noir‘ der Nachkriegsjahre oder, am einfachsten zu verherrlichen, da immer schon im Mythos angesiedelt, die Westerner, die sich der Durchsetzung zivilisatorischer Standards zumindest widersetzen. Was Männer wie Sam Peckinpah im Western jener Jahre – dem sogenannten Spätwestern, der eine definitive Affinität zum ‚New Hollywood‘ aufweist – durchexerzierten, unternahm Friedkin auf der Basis des Drehbuchs von Ernest Tidyman also im Kriminalfilm. Er dekonstruiert den Charakter hinter jenen Figuren, mit denen Hollywood sein Publikum seit Jahrzehnten vertraut gemacht hatte und deren fragwürdige Persönlichkeiten hinter dem, was auf der Leinwand ersichtlich war, gern verloren gingen.

Doyle ist, wie viele Vorbilder im klassischen Hollywood, nahezu ohne Geschichte. Wir erfahren von seinem Geheimnis, wenn es denn eines ist, wir erleben ihn eines Morgens, als Russo ihn abholen will, im Bett mit einer Dame, er ist offenbar ein Junggeselle, der vor allem mit und für seinen Job lebt. Aber er ist ein durch und durch faschistoider Charakter, was sich eben nicht nur in seinem Rassismus und der Gewaltbereitschaft ausdrückt. Es ist sein Umgang mit Menschen, die Rücksichtslosigkeit bei der Durchsetzung des eigenen Willens. Das wird natürlich am deutlichsten in der Verfolgungsszene, die jener ungemein berühmteren in BULLITT (1968) in nichts nachsteht. Doyle rast durch den Verkehr, die Augen mehr auf der Hochbahn, in der der von ihm verfolgte Killer sitzt, als auf das Geschehen auf der Straße gerichtet. Er nimmt auf nichts und niemanden Rücksicht, kracht in andere Wagen, rammt sich im Zweifelsfall den Weg frei und fährt auch in den Gegenverkehr, wenn er dadurch schneller vorankommt. Und nachdem all das geschafft und überstanden ist und es ihm gelingt, Nicoli zu stellen, erschießt er ihn. Doyle nimmt das Gesetz in die eigene Hand und rechtfertigt dies im Film selbst gar nicht, auf der Kommunikationsebene mit dem Publikum dadurch, daß er zuvor von dem Franzosen beschossen wurde, der es also auf ihn abgesehen hatte. Doch Friedkins Inszenierung, die trotz der Nähe, die Roizmans Kamera in dieser ganzen Sequenz unbedingt herstellt, distanziert bleibt, mag Doyle in diesem Moment vielleicht in eine Reihe mit all jenen Helden Hollywoods stellen, die das Gesetz in die eigenen Hände genommen haben und jedes Mal gute moralische Gründe dafür ins Feld führen konnten, aber er denunziert eben auch den Typus an sich als grundlegend fragwürdige Figur.

Das macht aus „Popeye“ Doyle nahezu die Antithese zu dem schon erwähnten Dirty Harry Callahan aus dem gleichnamigen Film von Don Siegel. Der Vergleich, ja die Analogie, drängt sich nahezu auf. Darüber hinaus wird THE FRENCH CONNECTION selbst, als Film, zu einer Antithese des Westcoast-Reißers. Wo Siegel noch einmal den Mythos beschwört, den Einzelkämpfer, der sich seine eigenen Regeln gibt, wo Siegel ein actionlastiges Kriminaldrama inszeniert, das den Zuschauer permanent in Aufregung versetzt, Spektakel bietet und schließlich sogar Folter legitimiert und seine Hauptfigur dabei recht ungebrochen verherrlicht, inszeniert Friedkin einen Film, der seinen bereits angesprochenen dokumentarischen Charakter nicht zuletzt dadurch unterstreicht, indem er über weite Strecken – im Grunde ab dem Moment, da Charnier amerikanischen Boden betritt – Polizeiarbeit als etwas zeigt, das alles andere als aufregend ist. Man hat es letztlich mit einer ellenlangen, nicht endenden Beschattung und Verfolgung zu tun, die in der Hochbahnverfolgung zwar einen spannungsgeladenen Höhepunkt hat, sich aber danach einfach weiter erstreckt. Denn Doyles Aktion gegen Nicoli entpuppt sich – nicht zuletzt dadurch, daß er den Mann tötet – als nutzlos. Der Showdown, der dann bei der Übergabe des Geldes an Charnier durch die New Yorker Mafia erfolgt, wird wiederum so distanziert und aus Totalen und Halbtotalen gefilmt, daß er jeder Spannung entbehrt. Es ist eine recht realistische Darstellung eines polizeilichen Zugriffs. Und endet schließlich mit der unbeabsichtigten (?) Tötung des FBI-Agenten durch Doyle. Ein Unfall, vielleicht; Berufsrisiko, möglicherweise.

Auf jeden Fall ist das Ende des Films ebenso trist, trostlos und unspektakulär, wie THE FRENCH CONNECTION insgesamt rüberkommt. Umso spannender, daß Friedkins Film dennoch nie langweilt, der Zuschauer die Aufmerksamkeit nicht verliert. Es ist – darin ganz typisch für das ‚New Hollywood Cinema‘ – ein erwachsener Film für denkende Zuschauer. Ein Film, der seine Figuren auf geschickte, wenig didaktische Art und Weise durchleuchtet, indem er sie schlicht zeigt. Sie agieren vor der Kamera, wie sie vielleicht auch im echten Leben agieren würden. Hackman und Scheider begleiteten zur Vorbereitung auf ihre Rollen jene beiden Detectives bei deren Arbeit, denen ihre Rollen nachempfunden sind – und die ihrerseits kleine Rollen im Film bekamen. Friedkin spielt ein gekonntes Spiel mit Wirklichkeit und Fiktion, lässt beides sich dauernd durchkreuzen und ergänzen und versteht es dabei, sehr grundlegende, recht pessimistische Aussagen zur Zeit zu treffen. So kann man hier – bedenkt man das Selbstverständnis und die Verteilung der Rollen bei den Protagonisten selbst – durchaus auch zeitgenössische Kapitalismuskritik entdecken; oder doch zumindest eine Zustandsbeschreibung, die wenig Gutes für die Zukunft bereithält. Denn THE FRENCH CONNECTION zeigt eben auch, wie Verbrechen, zumindest eine bestimmte Art von Verbrechen, längst zu einem Teil des Warenkreislaufs geworden sind. Damit antizipiert der Film eine Entwicklung zu Beginn der 70er Jahre, die gerade hinsichtlich des Drogenhandels immer virulenter werden sollte. Mit der Figur des Henri Devereaux, eines Schauspielers, dessen Ruhm Charnier sich zunutze macht, antizipiert der Film aber auch eine andere Entwicklung, die ebenfalls in den 70er Jahren immer bedeutsamer werden sollte: Die Vermischung des Drogengewerbes mit dem Entertainment. Dort wurden Drogen gern und viel konsumiert – und nicht zuletzt dadurch auch legitimiert. Und Drogendealer – sicherlich in anderen Inkarnationen als Charnier sie darstellt – konnten ihrerseits zu Entertainern und sogar Popstars werden. Ein Mann wie Charnier ist hingegen schlicht ein Geschäftsmann, mit allen Wassern gewaschen, ein Kenner der Regeln, was er auch sein muß, um sie brechen zu können. Er ist aber auch ein Mann, der sich selbst niemals die Hände schmutzig machen würde. Folgerichtig ist er derjenige, der am Ende entkommt.

THE FRENCH CONNECTION war nicht nur kommerziell enorm erfolgreich, sondern auch bei den Kritikern.             Bei den Oscars 1972 erhielt Friedkins Film bei acht Nominierungen fünf der begehrten Auszeichnungen, unter anderem auch der Regisseur selbst für die Beste Regie. Daneben wurde er als Bester Film gekürt, Gene Hackman erhielt die Statuette als Bester Hauptdarsteller, desweiteren wurden das Beste adaptierte Drehbuch und der Beste Schnitt ausgezeichnet. Für Filmwissenschaftler und Filmhistoriker ist THE FRENCH CONNECTION seit seinem Erscheinen eine feste Referenz sowohl als Vertreter des ‚New Hollywood Cinema‘ wie auch als Genrebeitrag zum Kriminalfilm. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Werk die inhaltlichen wie stilistischen Kriterien einer bestimmten Richtung zugleich erfüllen und unterwandern kann. Und es ist schlichtweg ein Meisterwerk amerikanischer Filmkunst in der Spätphase dessen, was Hollywood einmal klassisch bedeutete.

John Frankenheimer übernahm dann vier Jahre später den Regiestuhl bei FRENCH CONNECTION II (1975) und konnte den Erfolg nicht nur kommerziell wiederholen, sondern bewies auch, daß er – obwohl eher auf Actionfilme mit Verstand abonniert – auch den Geist des Originals einzufangen und zu reproduzieren wusste. Auch Gene Hackman spielte wieder mit und konnte seine Meisterleistung in dieser Paraderolle für einen herausragenden Charakterschauspieler wie ihn wiederholen. Es war eines der raren Beispiele für Sequels, die an die Qualität des Originals anzuschließen verstanden. Eine Seltenheit.

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