DIE VALACHI PAPIERE/CARTEGGIO VALACHI
Ein heute (zu unrecht) eher vergessener Mafia-Reißer der frühen 79er Jahre
Joe Valachi (Charles Bronson) wird in genau jenem Gefängnis inhaftiert, in dem auch sein Boss, Vito Genovese (Lino Ventura), einsitzt. Dieser glaubt, Valachi sei der Verräter innerhalb seiner Familie, einem Zweig der New Yorker Cosa Nostra, und als solcher dafür verantwortlich, dass man ihn verhaftet und verurteilt habe. Deshalb setzt er einen Preis dafür aus, Valachi zu töten. Der bittet mehrfach darum, mit seinem ehemaligen Boss reden zu dürfen. Genovese gewährt Valachi schließlich eine Audienz, nutzt diese allerdings lediglich, ihm den berüchtigten „Todeskuss“ zu geben, womit das Todesurteil besiegelt wird. Erstaunlicherweise gibt nun Valachi Genovese ebenfalls einen „Todeskuss“ und zeigt damit, dass er die Herausforderung annimmt.
Valachi weiß, dass sein Leben im Gefängnis nichts mehr wert ist. Dennoch ist er nach wie vor nicht bereit, mit den Behörden zu kooperieren und damit zu einem wirklichen Verräter zu werden. Doch nachdem er im Gefängnishof einen tatsächlich unbeteiligten Mithäftling tötet, den er für einen Attentäter hält, bleibt ihm nicht mehr viel anderes übrig. Er wird von einem Agenten der Regierung Kennedy kontaktiert, der ihm nicht nur die Verlegung in ein sicheres Gefängnis verspricht, sondern auch die Sicherheit von Valachis Frau und Kind verspricht.
So ist Joe Valachi also bereit, auszusagen und sein Wissen über das Innenleben dessen, was gemeinhin Mafia genannt wird, aber auch zu einzelnen Morden und Todesfällen mit den Behörden zu teilen. In langen Sitzungen erzählt er Agent Ryan (Gerald S. O´Loughlin) von seinen Anfängen und seinem Werdegang in der Cosa Nostra.
Um 1930 kommt Valachi im Gefängnis mit Männern der „ehrenwerten Gesellschaft“ in Berührung. Bisher war er mit einigen Kumpeln für eher kleine Diebstähle und Gaunereien verantwortlich, erst durch seine Zellengenossen Tony Bender (Guido Leontini) und Dominick „Gap“ Petrilli (Walter Chiari) erfährt er davon, dass es viel größere Organisationen gibt, die sich untereinander Kriege im Untergrund liefern.
Nachdem Valachi wieder draußen ist und sein altes Leben wieder aufnimmt, gerät er in eine ausweglose Situation aus der ihm schließlich per Zufall Gap heraushilft. So lernt Valachi schließlich Salvatore Maranzano (Robert Wiseman) kennen, Boss einer der großen Familien der New Yorker Unterwelt. Dieser findet Gefallen an dem offenbar unerschrockenen Mann und nimmt ihn – zunächst als Fahrer – unter seine Fittiche. Valachi wird sogar offiziell per Ritual in die Cosa Nostra aufgenommen. Nach und nach arbeitet er sich innerhalb der Familie immer weiter nach oben.
Nachdem jedoch sein direkter Vorgesetzter, Gaetano Reina (Amedeo Nazzari), ermordet wird, muss Valachi zunächst um sein Leben fürchten. Er weiß, dass es Vito Genovese, mehr noch aber Lucky Luciano (Angelo Infanti) – einer der großen Bosse in New York – gewesen sind, die für den Mord verantwortlich waren.
Maranzano gelingt eine Neuordnung der Unterwelt, er verteilt die Machtbereiche, gibt dabei vor allem Luciano einen wesentlichen Bereich, bleibt aber selbst Capo di Capi, Boss der Bosse. Doch schließlich wird auch er, der selbst nicht mit lauteren Mitteln arbeitet und die Ermordung Lucianos plant, zum Opfer seiner vermeintlichen Freunde. Für Valachi und seinen Kumpel Gap bedeutet dies, dass sie in die Organisation von Genovese aufgenommen werden und zukünftig unter Tony Benders Kommando stehen, der dabei geholfen hatte, Maranzano auszuschalten.
In der Folge arbeitet Valachi sich aber auch in diesem Zweig der Mafia immer weiter nach oben. Genovese steigt selbst zum Boss auf, nachdem Luciano verhaftet und verurteilt wird. Valachi wird selber zum Auftragskiller, vor allem aber zum Fahrer und Leibwächter für Genoveses Frau Donna (María Baxa).
Genovese seinerseits hilft Valachi, um die Hand der Tochter seines früheren Vorgesetzten in Maranzanos Familie anzuhalten. (Jill Ireland) ist bereit, den eher ungehobelten und einfachen Valachi zu heiraten, doch muss zunächst ihre Mutter Letizia Reina (Pupella Maggio) überzeugt werden.
Als der Krieg ausbricht, geht Genovese nach Europa, die Geschäfte übergibt er seinem Getreuen Albert Anastasia (Fausto Tozzi). In dieser Zeit beginnen die Regeln in der Organisation aufzuweichen, Valachi stellt auch bei Gap eine zunehmende Verlotterung fest, die er missbilligt. Er und Gap haben die Aufgabe, aufzupassen, doch beginnt Gap eine Affäre mit Genoveses Frau, was Valachi für einen Fehler hält.
Als der Krieg aus ist – Valachi hat sich mit Hilfe von Genovese und der Familie mittlerweile eine kleine Textilfabrik und ein gut gehendes Restaurant aufgebaut, das es ihm ermöglicht, ein ehrliches und ehrenhaftes Leben zu führen – kehrt Genovese nach New York zurück. Schnell wird klar, dass er die Zügel wieder straff anziehen wird. Und schnell wird klar, dass er unter seinen Leuten aufräumt. Offenbar weiß er sehr genau, was in seiner Abwesenheit vor sich ging.
Eines Abends taucht Gap bei Valachi im Restaurant auf, verfolgt von Genoveses Männern, darunter Tony Bender. Sie kastrieren Gap als Strafe für seine Affäre mit Donna. Valachi erschießt seinen verblutenden Freund, der ihn mehrmals darum bittet, Schluss mit ihm zu machen.
Da offenbar alle Regeln der ehrenwerten Gesellschaft gebrochen werden – nicht nur das harte Vorgehen gegen Untergeben, sondern auch der zunehmende Drogenhandel, den Genovese und andere Bosse ursprünglich untersagt hatten – weiß Valachi, dass seine Zeit in der Mafia abgelaufen ist.
Als er gefasst und zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt wird, sich aber nicht sicher sein kann, dass seine Frau und seine Kinder sicher sind, ist er bereit, mit dem FBI zusammen zu arbeiten und der Film kehrt an seinen Ausgangspunkt zurück.
Gegen die ursprüngliche Absprache muss Valachi vor einem Senatsausschuss aussagen, wo er sich eher lächerlich gemacht als ernst genommen fühlt. Zurück im Gefängnis unternimmt Valachi einen Selbstmordversuch, den Ryan im letzten Moment verhindern kann. Es bleibt bei ihrer Kooperation. Ryan erzählt Valachi, dass Genovese ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hat. Valachi erklärt, dass er aus reiner Bosheit länger leben wolle als Genovese. Eine Tafel am Ende des Films unterrichte die Zuschauer*innen, dass es Valachi schließlich gelungen sei, Genovese um ein halbes Jahr zu überleben, als er am 3. April 1971 in einem Bundesgefängnis in El Paso, Texas starb.
Terence Young, Regisseur der ersten drei James-Bond-Abenteuer, legte seinen Mafia-Film CARTEGGIO VALACHI (1972) im selben Jahr vor, in dem mit Francis Ford Coppolas THE GODFATHER (1972) das vielleicht größte Gangster-Epos erschien, das die Filmgeschichte bis heute kennt. Obwohl seinerzeit durchaus gelobt, ist Youngs Films mittlerweile fast in Vergessenheit geraten – wie hätte er auch gegen ein Jahrhundertwerk wie Coppolas bestehen sollen?
Die italienisch-französische Produktion unter internationaler finanzieller Beteiligung, in den Händen eines britischen Regisseurs und unter Mitwirkung eines amerikanischen Stars in einer der Hauptrollen, ist ein gutes Beispiel für die damals beliebten Euro-Thriller, die ein Zeitalter internationaler Produktionen einläuteten. Die Amerikaner hatten in den späten 50er und vor allem die 60er Jahre hindurch gern in Italien, vor allem in Cinecittà, einem gewaltigen Studio-Komplex vor den Toren Roms, gedreht, da dies die Produktionskosten eines Films deutlich senkte. Und die Stars genossen das südeuropäische Dolce Vita, das damals noch in seiner klassischen Ausprägung herrschte. Charles Bronson, der in CARTEGGIO VALACHI das dritte Mal mit Regisseur Terence Young zusammenarbeitete, näherte sich dem Zenit seiner Laufbahn, der schließlich mit DEATH WISH (1974) erreicht werden und den Schauspieler auch in den USA als Superstar etablieren sollte. In den Jahren zuvor, befeuert durch Sergio Leones Western C´ERA UNA VOLTA IL WEST (1968), der vor allem in Europa ein immenser Erfolg war, weniger in den USA, hatte Bronson vor allem im europäischen Kino reüssiert.
Hier also spielt er die historisch verbürgte Figur des Joe Valachi. Der war zu Beginn der 60er Jahre, genauer im Jahr 1963, Kronzeuge vor einem US-Senatsausschuss, der sich mit den Machenschaften der Cosa Nostra beschäftigte, wie die New Yorker Mafia damals bezeichnet wurde. Damit wurde Valachi zum ersten sogenannten „Pentito“, also einem Mitglied der Organisation, das sich nicht an die Omertá hält, das Schweigegesetz. Er stand dem Ausschuss gegen Zusicherungen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich seiner und der Sicherheit seiner Familie Rede und Antwort und gab somit erstmalig Einblicke in die Rituale und Traditionen der „ehrenwerten Gesellschaft“. Vor allem aber konnten aufgrund seiner Aussagen etliche Morde aufgeklärt und Hunderte von Anhängern der Organisation identifiziert und viele davon auch verhaftet werden. Es war ein entscheidender Schlag gegen die Mafia und ein großer Erfolg für den damaligen Justizminister Robert F. Kennedy, der vor seiner Ernennung angekündigt hatte, es mit dem organisierten Verbrechen aufzunehmen, dessen Existenz FBI-Chef J. Edgar Hoover bis dahin so gern bestritten hatte.
Valachi hatte seine Erinnerungen während der Haft mit Hilfe des Journalisten Peter Maas zu Papier gebracht. Diese wurden die Grundlage des Films, nachdem Produzent Dino De Laurentiis sich die Rechte gesichert hatte. Stephan Geller, Arduino Maiuri und Massimo De Rita verarbeiteten die Valachi Papers zu einem Drehbuch, das schließlich Regisseur Terence Young angeboten wurde. De Laurentiis wollte einen großen Film, er wollte Stars und so brachte man nicht nur Bronson in die Produktion, sondern engagierte auch den in Europa ausgesprochen beliebten Lino Ventura für die Rolle des Vito Genovese, eines jener Mafiabosse, deren Schicksale der Film u.a. behandelte. Jill Ireland, damals bereits die Ehefrau von Charles Bronson, trat in der Rolle von Valachis Gattin auf; der Kanadier Joseph Wiseman – seinerzeit unter Youngs Regie im ersten Bond-Film als dessen Antagonist Dr. No einem größeren Publikum bekannt geworden – spielte den Capo di Capi (zumindest war er das bis zu seiner blutigen Ermordung, die der Film genüsslich – und im wahrsten Sinne des Wortes – ausschlachtet), den Boss der Bosse, Salvatore Maranzano. Abgerundet wurde das Ensemble durch etliche vor allem in Italien und Frankreich beliebte und bekannte Schauspieler und Schauspielerinnen, die in größeren und kleineren Nebenrollen auftraten.
Man hatte also ein actiongeladenes, zugleich aber auf Tatsachen beruhendes Drehbuch, eine hervorragende Cast und eine erfahrene Crew hinter der Kamera. Dementsprechend kann sich das Ergebnis sehen lassen. Zwar wurden dem fertigen Film seine historischen Ungenauigkeiten vorgeworfen, allerdings sind das die handelsüblichen Kritteleien, wenn irgendetwas, das auf der Leinwand erscheint, auf „wahren Begebenheiten“ beruht. Hier stimmten zumindest die Rahmenbedingungen und auch die Figuren waren relativ genau angelegt. Manche historischen Zusammenhänge erklärt der Film, wenn überhaupt, dann nur schematisch. Der Film rekurriert zwar auf tatsächliche Ereignisse, lässt einige wesentliche Ereignisse – so u.a. die Verhaftung und Verurteilung von Lucky Luciano – außen vor. So bleibt für Betrachter*innen auch unklar, weshalb Vito Genovese während des Kriegs aus New York flüchten wollte und nach Sizilien übersiedelte, obwohl dies unmittelbar mit Lucianos Geschichte verbunden war, der Haftverschonung erhielt, um den Amerikanern bei einer Landung auf der Insel zu helfen. In solchen Momenten bleibt der Film ungenau, auch unklar, weshalb ihm trotz allen Bemühens gelegentlich die Verankerung im Historischen fehlt.
Der gesamte Film wird in der Rückschau von Valachi erzählt, der im Gefängnis keinen guten Stand hat, da Genovese ihn und den mit ihm verbandelten Tony Bender – ebenfalls eine reale Figur im Mafiareigen New Yorks – verdächtigt, die Organisation verraten zu haben. Der Boss setzt ein Kopfgeld auf Valachi aus. Der tötet einen Mitgefangenen, den er für einen gedungenen Mörder hält, und wird so von dem Agenten Ryan abgegriffen, der ihm seine Optionen erklärt: Entweder, er ist bereit mit den staatlichen Institutionen zu kooperieren, oder seine Überlebenschancen in den amerikanischen Gefängnissen tendieren gen Null. Die seiner Familie wahrscheinlich auch. So wird Valachi zum Pentito.
Durch die Konstruktion einer Rückschau kann der Film in seiner Erzählung gleich drei Jahrzehnte umspannen, von den 30er bis in die 60er Jahre hinein. So werden Aufstieg und Fall verschiedener Mafiabosse und einzelner „Familien“ beschrieben, immer aus Valachis Perspektive betrachtet. Der nämlich beginnt bei Maranzano, wechselt aber nach dessen Ableben zur Familie von Lucky Luciano und wird schließlich von Genovese unter dessen Fittiche genommen. So hat Valachi ein weitgespanntes Netz aus Verbindungen in der Unterwelt und kennt die meisten Zusammenhänge. Er begann einst als Fahrer und steig im Laufe der Jahre zu einem Killer auf, bis er selbst zu denen gehörte, die Aufträge erteilen durften, diese auch noch überwachten, sich aber nicht mehr selbst die Hände schmutzig machen mussten.
CARTEGGIO VALACHI ist rau und brutal, direkt und ohne Umwege, leider auch zumeist ohne Subtext inszeniert. Anders als Coppola, der mit THE GODFATHER eine große amerikanische Erzählung aus der Vorlage von Mario Puzo zu entwickeln wusste, eine andere Geschichte dieses gewaltigen und gewalttätigen Landes, erzählt Terence Young recht unverblümt und ohne die Grandezza, die Coppola seinem Film verschreibt, von einer Parallelgesellschaft, die sich ihre Macht mit aller Gewalt sichert – und zwar im engsten Sinne des Wortes. Dementsprechend wird den Zuschauer*innen für einen Film von 1972 einiges an blutigen Details bei den Morden und in den Actionsequenzen zugemutet. Doch spätestens seit Sam Peckinpahs Revolutionswestern THE WILD BUNCH (1969) war Gewalt auf der Leinwand en vogue, wer auf sich hielt, der mochte es blutig. Zudem wurde diese Darstellung dem Sujet gerecht. Wenn der Agent Ryan Valachi Fotos von den Morden im sogenannten Krieg von Castellammare vorlegt, dann verwendeten die Szenenbildner dafür die originalen Aufnahmen der Tatorte. Und die lassen wenig zu wünschen übrig, was bspw. die Folgen eines Anschlags mit einer Thompson-Maschinenpistole anbelangt.
Letztlich drehte Terence Young aber, daran gibt es wenig zu zweifeln, einen auf das damalige Publikum zugeschnittenen Reißer, der die Gewalt teils genüsslich auswalzt, sich durchaus daran zu ergötzen versteht, der gelegentlich aber auch nachdenklichere Töne anschlägt, sich leider nicht durchgehend an die Fakten hält, diese hier und da zugunsten der Dramaturgie zurechtbiegt, im Großen und Ganzen aber entlang der historischen Tatsachen erzählt. Ärgerlicher als diese inhaltlichen Unschärfen sind da schon die filmischen. Die Außenaufnahmen wurden offenbar in New York gefertigt, was dem Film eine raue und authentische Atmosphäre gibt. Das ist lobenswert. Für die Kamera verantwortlich zeichnete Aldo Tonti, der zuvor mit Größen des italienischen Kinos wie Luchino Visconti (OSSESSIONE/1943) oder Federico Fellini (LE NOTTI DI CABIRIA/1957) gearbeitet, aber auch an reinen Genreproduktionen wie dem Italowestern LA SPINA DORSALE DEL DIAVOLO (1970) oder auch dem Thriller LA VITTIMA DESIGNATA (1971) mitgewirkt hatte. Er verstand es, dem Film seinen grobkörnigen, manchmal fast unfertig wirkenden Look zu verpassen.
Doch hat es im Budget dann offenbar nicht mehr für vernünftige Set Designs gereiht. Denn so ausgefeilt und detailgerecht viele der Innendekors sind, wenn Bronson/Valpachi seine Bosse in einem Oldtimer durch die Straßen kutschiert, dabei aber im Hintergrund nicht nur Automarken der frühen 70er zu erkennen sind, sondern an einer Stelle sogar das damals im Bau befindliche World Trade Center, dann verliert gerade ein Film wie dieser schnell an Glaubwürdigkeit. So ist CARTEGGIO VALACHI zumeist in den Dialogszenen, den Zwiegesprächen der Gangster untereinander oder dem des Agenten mit dem in Haft sitzenden Valpachi am stärksten. Die Actionszenen und Mordsequenzen dienen meist als schockierende Kontrapunkte zu dem zivilisierten Gebaren der Herren der ehrenwerten Gesellschaft, die viel Wert auf Stil und – in Maranzanos Fall, der seine Untergebenen gern mit Caesaren-zitaten traktiert – Bildung.
In einigen Szenen ist der Film sogar wirklich komisch; so in jener, in der Genovese für Valpachi um die Hand der Tochter des Mannes anhält, der einst in seinem Auftrag ermordet wurde. Und während sich Genovese alle Mühe gibt, den Gepflogenheiten einer Brautwerbung, den Sitten und Gebräuchen der alten Heimat gerecht zu werden, beißt der zukünftige Bräutigam im Hintergrund beherzt in eine ihm angebotenes Gebäck, ein Geräusch, das auf der Tonspur noch extra hervorgehoben wird. Drehbuch und Regie wissen sich also auch gebührend über diese Kerle zu amüsieren, die sich gern als Gentlemen geben, tatsächlich aber den Hintergassen New Yorks entstammen.
In vielem wirkt CARTEGGIO VALACHI wie ein Gegenentwurf zu Coppolas Film, ohne dass dies so angedacht gewesen sein wird. Wo THE GODFATHER elegant wirkt, ist CARTEGGIO VALACHI düster und grob; setzt Coppola mit den eher wohldosierten aber dann heftigen Gewaltausbrüchen genau überlegte stilistische Ausrufezeichen, präsentiert Young die Gewalt direkt und brutal und lässt sie wie etwas Notwendiges erscheinen; will THE GODFATHER ein Beitrag zum großen, umgreifenden amerikanischen Narrativ sein, so ist CARTEGGIO VALACHI ein der Wirklichkeit entnommenes Stück jüngerer amerikanischer Geschichte, brutal, rau und ungehobelt. So ergänzen sich die beiden Filme, ungewollt doch irgendwie perfekt aufeinander abgestimmt. In einer fast dialektischen Beziehung zueinander scheinen sie einander als jeweiliges Korrektiv zu dienen, was zumindest Terence Youngs Film vor allem filmhistorisch interessant macht. Denn Gangsterfilme gibt es seither wie Sand am Meer und viele davon – man denke nur an die Werke eines Martin Scorsese – sind sicherlich besser als Terence Youngs Beitrag. Viele seiner Zeitgenossen sind auch besser gealtert. Trotzdem bleibt dies ein kleiner, gemeiner, dreckiger Klassiker des Genres. Sehenswert.