THE UNTOUCHABLES
Chicago 1930...
Zu was das Verbot von Alkohol, Drogen etc führen kann, das kann die Welt heute Tag für Tag beobachten, wenn sie nach Mexiko schaut. Gewalt, Gewalt und nochmals Gewalt wird generiert bei den Kämpfen um Absatzmärkte, Routen und Verteiler. Will der Staat mitmischen, produziert dies meist noch mehr Gewalt. Die Amerikaner, die sowohl in Mexiko als auch in Südamerika auf allen Seiten kräftig mitmischen, könnten bei einem Blick in die eigenen Geschichte schnell herausfinden, daß das so nicht funktioniert. Verbot gebiert Verbrechen.
Vor allem in den 1920er Jahren wirkte sich das Alkoholverbot in den USA verheerend aus in den Großstädten des Landes, da die Gewalt stetig zunahm, die angewandt wurde, um sich Vorteile im Verteilerkampf unter den Gangstern zu sichern, die mit Herstellung oder Schmuggel des Verbotenen reich wurden. Eine ganze „Klasse“ amerikanischer Bürger wurde geboren – Gangster, die es schafften, reich und schließlich Mitglieder des Establishments zu werden. Joe Kennedy, Vater des späteren Präsidenten, gehörte dazu (und machte so einige Bekanntschaften, die ihm und seinem Sohn in späteren Jahren noch sehr von Nutzen sein sollten). Der „american gangster“ wurde vor allem in den 1920er Jahren eine populäre Figur, verstand er es doch, in Zeiten, da das Land darniederlag und weite Teile der Bevölkerung verarmten, nicht nur Reichtum anzuhäufen, sondern einem übermächtigen Staat, der selber als immer korrupter wahrgenommen wurde, die Stirn zu bieten. Und mit SCARFACE (1932) machte Howard Hawks diesen Typus des skrupellosen Killers auch im Hollywoodfilm populär und zu einer Art Held. Und er zeigte eine zuvor nie gesehen Gewalt auf der Leinwand.
Anfang der 80er Jahre nahm der Regisseur Brian DePalma diesen Film als Vorbild, um ein zeitgenössisches Gangsterportrait zu zeichnen. Vier Jahre später, 1987, nahm er sich schließlich den zumindest bekanntesten aller amerikanischer Gangster – Al Capone – vor und erzählte vom heroischen Kampf der Sondertruppe des Eliot Ness, Ermittler beim Bundesschatzamt, der es schließlich gelang, Capone das Handwerk zu legen. Um diese Geschichte zu erzählen, durfte DePalma, der in Hollywood ein seltsames Zwitterleben zwischen Anerkennung und Verachtung führt, auf ein großes Budget und dadurch auf eine Topriege an Schauspielern zurückgreifen. Der damals aufsteigende Kevin Costner ist Eliot Ness, Sean Connery sein väterlicher irischer Freund Jim Malone, der als Streifenpolizist natürlich genau weiß, wie man dem Übel beikommen muß, und Robert DeNiro darf als Capone einem Haufen Manierismen freien Lauf lassen, was in dieser Rolle allerdings besser funktioniert, als in vielen anderen, die er gespielt hat, war Capone selbst doch ein durchaus manierierter Mann, dem der große Auftritt gefiel.
DePalma setzt dieses actiongeladene Spektakel um die Hoheit auf Chicagos Straßen um, ohne sich allzu große Gedanken darum zu machen, „wie es wirklich war“. Dieses Chicago ist eines aus der Phantasie, sepiabraun und voller Rauch und Dreck, der – natürlich – sehr malerisch wirkt. Chicago war aufgrund seiner Lage an den Seen und der Nähe zur kanadischen Grenze einer der Hauptumschlagplätze für illegale Alkohollieferungen. Es wurde – nicht zuletzt durch Hollywood in den 30er Jahren – zu einem mythisch-gefährlichen Ort, an dem quasi nur noch Gangster, Gangsterliebchen und (meist korrupte) Polizisten existierten, Normalbürger waren lediglich verschrecktes Kanonenfutter. DePalma nimmt diesen Faden auf und zeigt von Moment eins, daß mit diesen Gangstern nicht zu spaßen und niemand – nicht einmal Kinder – vor der Brutalität dieser Männer sicher ist. Und so nehmen Ness und Malone den Kampf auf, indem sie ebenfalls bereit sind, jedes Gesetz zu brechen und ebensolche Gewalt anzuwenden, wie ihre Gegner. Exemplarisch wird das in jener berüchtigten Szene gezeigt, in der der Buchhalter Capones endlich an der Grenze dingfest gemacht werden kann, sich jedoch weigert, auszupacken. Malone/Connery schnappt sich daraufhin die Leiche eines anderen Gangsters, brüllt diese an, endlich zu quatschen, sonst…und als die Leiche nicht quatscht, schießt er ihr schlichtweg direkt in den Mund, woraufhin der Buchhalter natürlich zusammenbricht und auspackt.
Brian DePalma – bekannt für sein Markenzeichen der langen, ungeschnittenen Kamerafahrt zur Steigerung spannenden Szenenaufbaus – scheute vor extremer Gewalt nie zurück, berüchtigt die heftigen Szenen in SCARFACE (1983), aber auch in DRESSED TO KILL (1980) u.a. Hier, in einem klaren Mainstreamfilm, der das Jahr 1987 mitbestimmte an den Kinokassen, setzt er sie pointiert, effektiv und drastisch, jedoch nicht übermäßig häufig ein. Dadurch entstehen einige unvergessliche Szenen, wie jene, in der Capone, einen Baseballschläger in der Hand, seinen Mitgangstern etwas über Teambuilding vorschwafelt, nur um dann jenen Buddy, den er als Verräter ausgemacht hat, zu Klump zu schlagen, während die Kamera sich scheinbar verstört in den Kronleuchter über dem Tisch zurückzieht. Und natürlich das berühmte Shoot-out am Ende, in Chicagos (erstaunlich leerer) Union Station, wo Costner und sein letzter ihm verbliebener Mitpolizist (nachdem sowohl der Finanzfachmann Wallace [Charles Martin Smith] als auch Malone den Kampf gegen die Gangster schon mit ihrem Leben bezahlt haben) George Stone (Andy Garcia) ein Blutbad veranstalten und ganz nebenbei einen Kinderwagen vor dem Absturz retten (und damals jeder über die Hommage an Eisensteins BRONENOSSEZ „POTJOMKIN“ (1925) und die Szene mit dem Kinderwagen auf den Treppen in Odessa redete).
Der klasssiche Hollywoodfilm der 30er jahre baute den Gangster zum mythischen Helden auf, SCARFACE unter Depalmas Regie schuf einen modernen Gangstertypus und -mythos (war der Film doch hochbeliebt bei Chicanos und in der Hip-Hop-Kultur), hier nun destruiert DePalma den Gansgter und zeigt uns aufrechte und unkorrupte Polizisten als Helden einer Gesellschaft, deren regeln man eben zu beachten habe, so Eliot Ness, der am Ende des Films gefragt wird, was er täte, würde die Prohibition aufgehobe? „Einen trinken gehen.“, antwortet er.
Man darf bei THE UNTOUCHABLES nicht erwarten, eine der Realität und dem, was damals wirklich passierte angemessene Umsetzung geboten zu bekommen. Es ist ein Film, der sich nur im mythischen Raum seiner filmischen Vorgänger (und einer einst sehr beliebten Fernsehserie zum Thema) bewegt. Dort jedoch kann er nicht nur unterhalten, sondern er erweist sich auch als ein Gangsterfilm von Format. Schauspieler, überlebensgroße Momente von Gewalt und daraus resultierenden Triumphen und etwas ironisches Augenzwinkern (vor allem von Connery) machen den Film zu einem Hollywooderlebnis herausragender Art. Ein Film, scheint DePalma uns zu verstehen zu geben, ein Film ist ein Film ist ein Film – und bleibt damit sich und seiner Arbeitsweise treu, die immer davon geprägt war, seinen Vorbildern, v.a. Alfred Hitchcock, zu huldigen. DePalma bewegt sich in einer Welt, die nur im Kosmos des Films existiert, ein „Außerhalb“ scheint es kaum oder gar nicht zu geben. Deshalb sind seine Filme immer Effektmaschinen, die auch nur daran zu messen sind, ob die Effekte funktionieren. Und das tun sie hier – hervorragend.