FIKKEFUCHS

Wenn Satire sich in Zoten verliert, bleibt die Subversion auf der Strecke

Thorben (Franz Rogowski) ist ein junger, verklemmter Mann, der eines Tages eine Kassiererin im Supermarkt anfällt und vergewaltigt. Er bricht aus der Psychiatrie aus, in die er eingeliefert wurde, und reist per Anhalter nach Berlin.

In Berlin sucht er Richard „Rocky“ Ockers (Jan Henrik Stahlberg) auf, von dem Thorbens Mutter behauptet, dieser sei sein Vater. Ockers ist ein langsam ins gesetzte Alter kommender Fast-Fünfziger, der den Ruf hat, einst der „größte Stecher von Wuppertal“ gewesen zu sein. Mittlerweile lässt sein Glück bei den Damen jedoch nach.

Als Thorben vor Ockers Tür steht, weigert sich dieser, den Jüngeren überhaupt nur anzuhören. Es bedarf einiger Tage der Überzeugung, bis Ockers sich des jungen Kerls annimmt, auch wenn er nach wie vor davon überzeugt ist, daß der nicht sein Sohn sein kann.

Thorben bittet seinen Vater nun, ihn in die hohe Kunst der Verführung einzuweihen, worauf sich der, an der Ehre gepackt, dann auch einlässt. So streifen die beiden durchs Berliner Nachtleben, Doch die väterlichen Einweisungen entpuppen sich gänzlich als Fehlschläge.

Nach allerlei Peinlichkeiten in Discos, Clubs und Kneipen, bei denen Thorben seine ganze Frauenverachtung auslebt und seinen Vater damit zunächst schockiert, nach und nach aber auch dessen Anerkennung dafür gewinnt, beschließt der Filius, sie beide für einen Workshop anzumelden, bei dem verunsicherten Männern beigebracht werden soll, wie sie sich dem zarten Geschlecht wieder annähern und dabei erfolgreich sein können. Unterrichtet durch Wilson (Susanne Bredehöft), gewinnt nicht nur eine wild zusammengewürfelte Gruppe Männer ihr Selbstbewußtsein zurück, sondern auch Thorben und Ockers scheinen Fortschritte zu machen. Ausgerechnet Ockers ist es, der an einem „Probeabend“ mit einer aufregenden Blondine namens Milena (Jenny Edner) abzieht.

Durch Zufall findet Thorben heraus, daß die Dame von Wilson engagiert wurde, um einem aus der Gruppe genau diesen Erfolg zu verschaffen, der auch den Rest daran glauben lässt, daß der Workshop erfolgreich sein könnte. Thorben, der ebenfalls durch einen Zufall mitbekommt, daß sein Vater unheilbar an Prostatakrebs erkrankt ist, konfrontiert Wilson mit dem Milenas Geheimnis. Doch Wilson lacht ihn nur aus und erklärt ihm ihr Geschäftsmodell – das ganz nebenbei eben auch Erfolge erziele.

Ockers verliebt sich in Milena und Thorben, nach einem erbärmlichen Zwischenspiel mit einer Prostituierten, entschließt sich, für seinen Vater, die Männergruppe aus dem Workshop und sich selbst eine Griechenlandreise zu buchen, um Ockers noch einmal jenes Gefühl von jugendlicher Freiheit zu verschaffen, von dem der ihm in seinen melancholischen Momenten erzählt.

So reisen alle – auch Ockers frische Liebe – gen Griechenland und erleben dort eine wirklich gute Zeit. Als Höhepunkt der Reise feiert Ockers seinen 50. Geburtstag. Thorben bandelt dabei mit einer Kellnerin an und da diese seine platten, sexistischen Anmachsprüche nicht versteht, gelingt ihm erstmals eine intime Begegnung mit einer Frau, die zärtlich ist und nicht einem billigen Pornofilm aus dem Internet gleicht.

Kurz nach dem Trip stirbt Ockers. Thorben entledigt sich dessen Hundes und geht davon.

Jan Henrik Stahlbergs FIKKEFUCHS (2017) ist herrliches Anschauungsmaterial für ein Werk, das subversiv sein will, wenn möglich „Kult“, aktuell und provokativ, stattdessen aber an seiner eigenen Nicht-Haltung erstickt, den Fokus verliert und schließlich in die Falle einer merkwürdigen Moral tappt, um dort zu verenden.

Männer und ihre Identitätskrisen – eigentlich der Film zur Zeit, bedenkt man, wie stark in diesem Land „Gender-Gaga“, Feminismus als Entzug männlicher Lebensgrundlage und der generelle Verfall herkömmlicher Geschlechterrollen beklagt werden. Vor allem von Männern werden diese Entwicklungen beklagt, versteht sich. Da kann ein witziger, provokanter, subversiver Beitrag zur Debatte doch eigentlich nur für Auflockerung sorgen. Man muß nur Männer in ihrer ganzen Erbärmlichkeit vorführen, Frauen als nicht ganz unschuldig an der Krise zeigen und dabei politisch möglichst inkorrekt vorgehen, dann sollte man sich allgemeinen Zuspruchs doch sicher sein können. Also lassen Stahlberg und sein Ko-Autor Wolfram Fleischhauer ein allerdings so wirklich noch nicht dagewesenes Männer-Duo auf den Zuschauer los. Vater und Sohn – wobei der ältere Herr seine Vaterrolle nur widerwillig einnimmt – ziehen durchs Berliner Nachtleben, damit der Junior vom ehemals „größten Stecher von Wuppertal“ (O-Ton) ein paar Tricks lernt, wie er an die Damen seiner Wahl herankommt. Daß der Sohnemann aus einer psychiatrischen Einrichtung ausgebüxt ist, wo er nach einer versuchten (oder vollzogenen?, der Film schweigt sich da aus) Vergewaltigung einsaß, interessiert dabei weder den Senior sonderlich, noch das Drehbuch. Und auch der Zuschauer soll möglichst bald vergessen, daß der junge Mann nicht ganz ohne ist, was seine bisherige Annäherung an die Damenwelt betrifft. Natürlich entpuppt sich der Herr Vater als mittlerweile seines Charmes und seiner Überzeugungstricks ledig, wenn er diese Fähigkeiten überhaupt je besaß. Und so übernimmt schließlich der Sohn das Ruder und führt beide via Workshop und Verführungs-Trainerin zumindest zu spätem Glück, wohl wissend, daß der Vater es nicht mehr lange macht, da er an Prostata-Krebs leidet, was er aber geflissentlich ausblendet.

Der von Franz Rogowski sehr überzeugend gegebene Sohnemann Thorben wird dem Publikum zunächst als extrem verklemmter junger Mann vorgeführt, der sich hinsichtlich des weiblichen Geschlechts ausschließlich des F-Wortes bedient, einen Video-Kanal betreibt, in dem er sich mit anderen Männern über seine vermeintlichen Abenteuer auslässt und ganz allgemein als Proll gut charakterisiert ist. Der stößt in dem von Stahlberg selbst gespielten Richard Ockers auf einen selbstzweiflerischen Fast-Fünfziger, der seinen alten Erfolgen nachhängt, gern über die Geschlechterverhältnisse philosophiert, ansonsten offenbar recht erfolgreich im IT-Bereich arbeitet und an einem schwülstigen Buch zum Thema „Jugendliebe“ und „verlorene Zeit“ schreibt. Er liest gern Philip Roth – selbstredend dessen Roman DAS STERBENDE TIER, das seinerseits von der Diskrepanz zwischen Ratio, Bildung und dem alles beherrschenden Trieb erzählt – und scheitert mit seinen Bemühungen, bei deutlich jüngeren Frauen zu landen. An und für sich wäre das eine ansprechende Ausgangssituation, nur nimmt man diesem Richard Ockers den Typ, der er vorgibt zu sein, von Anfang an nicht ab. Weshalb jene Szenen, in denen er seinen komplett überforderten Sohn in die neuesten Geschlechtertheorien einführt, nicht einmal witzig wirken, sondern einfach nur falsch.

Und falsch ist an diesem Film vieles. Die vorgeblich komischen Dialoge sitzen nicht, die Sprüche, die ach so provokant daherkommen, sind meist einfach nur dümmlich, die Figuren sind nicht klar umrissen, ihre Milieus sind nicht zuzuordnen, meist bleiben die gezeigten Männer, von dem Vater/Sohn-Duo einmal abgesehen, in Klischees stecken und die Frauen sind entweder dumm, hinterhältig, arrogant oder alles zusammen. Überhaupt treten Frauen hier hauptsächlich als Wesen der Nacht auf, aufgebrezelt, verführerisch, abweisend – oder sie sind Prostituierte. Lediglich Thorbens Mutter, eine befreundete Ärztin, eine abgehalfterte Wirtin in einer Bar und schließlich die Coachin des Workshops werden als integre oder zumindest vollständige Charaktere dargestellt. Wobei lediglich die Coachin eine größere Rolle spielt und sich schließlich als Betrügerin entpuppt, die mit den Ängsten, Wünschen und Unsicherheiten des modernen Mannes, der Frauen offenbar ausschließlich als Objekt wahrzunehmen in der Lage ist, ihren Reibach macht. Immerhin öffnet ihr Betrug dem jungen Thorben die Augen dafür, daß Sex vielleicht etwas mit Sinnlichkeit, Zärtlichkeit und Zuneigung zu tun haben könnte. Es gelingt ihm – nach einem unwürdigen Intermezzo mit einer Hure in einem Auto, das ihm die ganze Erbärmlichkeit gekaufter Intimität noch einmal vor Augen führt – an den steinigen Stränden Griechenlands doch noch so etwas wie eine „normale“ Begegnung mit einer Frau zu erleben – weil die seinen dummen Anmachspruch erst gar nicht versteht. Hallelujah – Im Kommunikationszusammenbruch liege die Zukunft des Geschlechterverhältnisses!

So wird aus dem Vergewaltiger ein Geläuterter. Ob es ihm zukünftig gelingen wird, Frauen nicht durchgängig als „Fo***“ zu bezeichnen, sie nicht als erstes zu fragen, ob er ihre „Muschi lecken darf“, wir wissen es nicht, aber man kann durchaus sagen, daß die Sozialprognosen nach den Entwicklungen des letzten Drittels dieses Films ganz gut stehen. Da kann man dann auch einmal nachsichtig darüber hinwegschauen, daß der Mann immerhin zumindest versucht hat, eine Kassiererin in einem Supermarkt zu vergewaltigen. Aber das hat man zu diesem Zeitpunkt, wie eben auch der Vater des jungen Kerls und das Drehbuch, längst vergessen. So wie FIKKEFUCHS sich selbst zu diesem Zeitpunkt bereits vergessen hat. Ausgestattet mit dem Low-Budget-Label, das ja Authentizität und Credibility verspricht, kann der Film irgendwann nicht mehr unterscheiden zwischen Satire, Farce, Gesellschaftskomödie und schlichter Aneinanderreihung von Zoten und zotiger Szenen, die letztlich nur bestätigen, was hier vornehmlich kritisiert oder zumindest kritisch ausgestellt werden soll. Der moderne Mann verloren in einer Welt, die er nicht mehr versteht, in der die Frauen sich nicht verhalten, wie man(n) es doch eigentlich erwarten könnte, in der er nachgerade gezwungen ist, sich mit Fäkalsprache und Kraftausdrücken Gehör zu verschaffen, um nicht an der eigenen Lächerlichkeit zu ersticken – sicher kann das ein Thema sein und es würde, vernünftig und wirklich hintersinnig aufbereitet, auch einiges hergeben. Nur bräuchte es dafür eine Idee, eine Vorstellung davon, wie so ein wirklich moderner Mann eigentlich aussieht? Leider werden hier ausschließlich Mängelexemplare vorgeführt. Und die scheinen alle dem Klischee- und Phrasenbuch des deutschen Humors zu entstammen.

Und trotz der obigen Aufzählung hat der Film – und mit ihm seine Macher – eben auch kein Positiv-Modell von einer Frau, die selbstbewußt und modern einen Typus darstellt, der post-feministisch überzeugend all den „Schlampen“ und „Abgefuckten“ gegenübergestellt wird. Junge Frauen sind hier „Dinger“, die sich kichernd über den alternden Casanova lustig machen, ältere Frauen sind entweder hässlich und blöd oder einfach nur blöd. Die einzige Frau, die hier wirklich überzeugend selbstbewußt dargestellt wird – die von Susanne Bredehöft sehr gut gespielte Wilson, eben jene Coachin der im Verführungsspiel gescheiterten Herren – ist Nutznießerin eben jener männlichen Schwächen und versteht es, diese monetär auszunutzen. So wird man als Zuschauer nie den Eindruck los, daß der Film hinter der Maske der Satire einfach nur genau das darstellt, was diese Männer wohl empfinden: Abgründig tiefen Hass auf Frauen, die sich ihnen verweigern, die nicht „willig“ sind, die sich entziehen. Und ebenso wird man den Eindruck nicht los, daß hinter der Maske der Subversion einfach endlich mal jene abwertende und verachtende Sprache genutzt und ausprobiert werden kann, die sich ein moderner Mann ja nicht mehr erlauben darf – außer in männerbündlerischen Gruppen und an männerbündlerischen Orten, bspw. der Umkleidekabine nach Trump´scher Diktion.

Als weiblicher Zuschauer dürfte man sich von all dem gelinde gesagt schlicht angewidert fühlen, als männlicher Betrachter fragt man sich, wieso man diese Typen so gar nicht kennt in der eigenen Umgebung. Und dann erinnert man sich doch an den Typen mit dem schmierigen Haar an Silvester, der in der Küche neben dem Bierfass saß und Reden schwang und die längste Zeit belächelt wurde, bis der Gastgeber ihn rauswarf. Ach ja, die gibt es doch, diese Typen. In den 70er und 80er Jahren konnten sie sich in Filmen wie EIS AM STIEL (1978) und PORKY´S (1982) Bestätigung holen, heute braucht es den Umweg über die Satire, also: die Mimikry der Satire, um ungehemmt sein misogynes Weltbild zu verbreiten. Arme Kerle… und eine Beleidigung für angenommene 80% alle Männer im Publikum.

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