FOOTLOOSE

Herbert Ross´ paradigmatischer Jugendfilm der 80er Jahre

Nach dem Tod seines Vaters zieht der junge Ren MacCormack (Kevin Bacon) mit seiner Mutter Ethel (Frances Lee McCain) von Chicago in ein Provinzkaff namens Bomont im Mittelwesten, wo ihre Schwester mit ihrer Familie lebt.

Schnell muß Ren feststellen, daß er in Bomont nicht nur den herkömmlichen Anfeindungen ausgesetzt ist, die typisch sind, wenn man neu an eine Highschool kommt, erst recht, wenn man als Wichtigtuer aus der Großstadt wahrgenommen wird, sondern er findet ebenso schnell heraus, daß in der Stadt weder laute Musik, schon gar keine Rock- und Popmusik, erlaubt sind – und auch keine Tanzveranstaltungen. Diese Regelungen gehen auf den Reverend Shaw Moore (John Lithgow) zurück.

Moore hat einst seinen Sohn bei einem Autounfall verloren, als dieser mit einigen Freunden von einem Konzert heimkam. Da der Liebhaber klassischer Musik und der klassischen Literatur grundlegend davon ausgeht, daß mit den Versuchungen des Rock´n´Roll auch Drogengebrauch einhergeht, sieht er in der Musik das Einfalltor für jedweden Mißbrauch. Deswegen hat er die scharfen Regeln im Stadtrat und Kraft seines Amtes durchgesetzt.

Nur wenige leisten Widerstand gegen diese Ansichten. Unter anderem ist es Ariel (Lori Singer), Moores Tochter, die ihre Mitschüler und Freunde immer wieder animiert, die Gebote ihres Vaters zu durchbrechen. Zudem ist sie immer wieder bereit, auch wirklich lebensgefährliche Mutproben zu wagen, um der Langeweile und Enge der Provinz etwas entgegenzusetzen.

Ren wird zunächst vor allem auch von Ariel und ihrem Freund Chuck (Jim Youngs), sowie dessen Clique aufs Korn genommen. Allerdings kann Ariel vor ihrer Freundin Rusty (Sarah Jessica Parker) nicht verheimlichen, daß sie Ren durchaus süß findet.

Ren freundet sich mit Willard (Chris Penn) an, einem Farmerssohn, der ihm ein wenig erklärt, wie die Dinge – auch mit Reverend Moore – in Bomont laufen. Ren will kaum glauben, daß Tanz und Musik hier wirklich verboten sein sollen.

Es gelingt Ren, eine Anstellung in einer lokalen Getreidemühle zu finden, um sich ein wenig Taschengeld zu verdienen. Daheim gibt es zwar immer wieder Auseinandersetzungen mit seinem Onkel, der in der Stadt schräg angesehen wird wegen seines Neffen, doch gelingt es Ethel immer wieder zu vermitteln. Und die Kinder von Rens Onkel mögen den jungen Mann und finden ihn „cool“.

Nachdem Ren ein Traktorrennen gegen Chuck eher zufällig denn gewollt gewonnen hat, wird seine Stellung an der Schule besser, er gewinnt an Ansehen. Doch die Anfeindungen und kleinen böswilligen Gesten, die er immer wieder sowohl von Mitschülern als auch seiner Familie empfängt, machen Ren zusehends mürbe. Er fährt mit seinem VW-Käfer über die Landstraßen der Umgebung und findet in einer alten Fabrikhalle ein Refugium, wo er ungestört sein kann. Vor allem kann er hier laut Musik hören und dazu tanzen.

Bei einer solchen Gelegenheit beobachtet ihn Ariel, die sich zunehmend zu Ren hingezogen fühlt. Sie hat zuhause ihre ganz eigenen Kämpfe zu bestehen, versucht ihr Vater doch mit allen Mitteln, sein Bild von ihr als treuer und gehorsamer Tochter aufrecht zu erhalten. Auch verschiedentliche Versuche ihrerseits, an seinen Verstand und seine Gefühle zu appellieren, führen zu nichts. Immer wieder ist es ihre Mutter Vi (Dianne Wiest), die vermittelt und dafür sorgt, daß der häusliche Segen nicht vollends schiefhängt.

Gemeinsam mit Ariel, Willard und Rusty fährt Ren eines Abends über die Grenze in den Nachbarstaat, wo sie an einem Tanzabend teilnehmen. Willard, der erstmals zugibt, gar nicht tanzen zu können, wird in eine Schlägerei verwickelt, die vier müssen das Feld räumen. Doch in Ren entsteht in dieser Nacht erstmals der Wunsch, in Bomont grundlegend etwas zu ändern.

Reverend Moore predigt von seiner Kanzel herab seine konservativen Dogmen auf die Gemeinde nieder. Doch als die Situation eskaliert und einige besonders fanatische seiner Anhänger die öffentliche Bücherei stürmen und haufenweise Literatur hinaustragen, die sie als sittenwidrig betrachten, um sie vor der Bibliothek einem Feuer zu überantworten, ist es Moore, der sich dem Mob, zu dem auch Rens Onkel gehört, in den Weg stellt und auffordert, ihr Tun sofort zu beenden.

Es zeigt sich, daß Moore keineswegs nur der verknöcherte und engstirnige Konservative ist, als der er erscheint, sondern ein gebildeter, moralisch im Grunde einwandfreier Mann, der seinerseits unter der Trauer um sein verlorenes Kind leidet. Vi macht ihm nach und nach klar, daß seine Art zu Trauern, sein Furor, die Trauer der anderen – immerhin hat auch sie ein Kind, hat Ariel den geliebten Bruder verloren – nahezu erstickt. Und sie verdeutlicht ihm, daß seine harten Dogmen, die er über die Stadt verhängt hat, seine Trauer ausweiten und er damit die ganze Stadt mit seinem Unglück belastet.

Bei einer Stadtratssitzung fordert Ren die Aufgabe der Gesetze, die Tanz und Musik verbieten. Er ist aufgeregt und versucht immer wieder, sein Anliegen vor- und durchzubringen, scheitert jedoch an den gesetzten Honoratioren der Stadt. So planen er und Willard, dem Ren nach und nach das Tanzen beibringt, einen Abschlußballl für die Highschool, den sie gegen alle Verbote und Widrigkeiten durchsetzen wollen. Ariel bemüht sich noch einmal um das Placet ihres Vaters und wird dabei von ihrer Mutter unterstützt.

Schließlich gibt der Reverend nach. Während die Jugend der Stadt sich zu ihrem ersten offiziellen Tanz trifft, stehen Moore und seine Frau vor den Fenstern und beobachten die jungen Leute. Vi erinnert ihren Mann daran, daß er einmal ein guter Tänzer gewesen sei.

 

Die 80er Jahre in Hollywood sahen den Niedergang einiger der klassischen Genres der Traumfabrik. Allen voran war es der Western, der angeblich auserzählt sei. Diese Analyse und die Prognose, daß es fürderhin wohl keine Western mehr geben werde, wurde dann allerdings nicht nur durch Clint Eastwood widerlegt, der spätestens mit UNFORGIVEN (1992) bewies, daß der Western immer noch taugt, große, epische, wesentliche Stories zu erzählen.

Ein anderes Genre, das mindestens so originär amerikanisch gewesen ist, wie es der Western immer war, ist das Musical. Seit dem frühen Tonfilm fester Bestandteil des Hollywood-Repertoires, hat nahezu jede Dekade maßgebliche Beiträge zum Genre geliefert. In den 30er Jahren waren es die Busby-Berkeley-Vehikel für Warner Bros., in den 30ern gab es das Traumduo Ginger Rogers und Fred Astaire sowie den Klassiker THE WIZARD OF OZ (1939), die 40er sahen Esther Williams und die späten Fred-Astaire-Filme mit wechselnden Partnern und Partnerinnen, in den 50er übernahm Gene Kelly und ersetzte den Pomp und die Eleganz der früheren Filme und Stars durch Athletik und Jazz. Die 60er schließlich boten einige der aufwändigsten Produktionen, die jemals als Musical hergestellt wurden: WEST SIDE STORY (1961), MY FAIR LADY (1964), THE SOUND OF MUSIC (1965) sind nur die bekanntesten und erfolgreichsten.

Danach riss die Produktion von Musicals weitestgehend ab. FIDDLER ON THE ROOF (1971) war noch einmal der Versuch, die Erfolge der 60er zu wiederholen. Doch die 70er brachten nur wenige wesentlichen Musicals hervor. Es gab natürlich die ROCKY HORROR PICTURE SHOW (1975), die allerdings eine Ausnahme darstellt, war sie in ihrem ironischen Erscheinungsbild, ihrer hingebungsvollen Feier der 50er Jahre als subkulturellem Fixpunkt und ihrer offenkundigen Verwandtschaft mit dem Vaudeville-Theater doch schon eine durch und durch postmoderne Angelegenheit. Es gab aber auch JESUS CHRIST SUPERSTAR (1973), es gab schließlich HAIR (1979) – aber dies waren einzelne Monolithen in einer ansonsten kargen Landschaft. Und sie alle deuteten in ihrer Machart und mit dem Publikum, an das sie sich richteten, schon auf die Entwicklungen hin, die dann in den 80er Jahren evident wurden.

Musicalmusik war kein eigenes musikalisches Fach mehr, sondern mittlerweile nahezu zwingend mit der Jugendkultur verwoben. EASY RIDER (1969) hatte bewiesen, daß hier ein kommerziell noch unerschlossenes Publikum abzuholen, ein Markt zu erschließen war. Allerdings musste man dafür die aktuell angesagten Themen, die Haltung und die Musik dieser Jugend in Filmstoffe transferieren. So waren viele dieser Produktionen im Grunde lange Videoclips. Das galt für erst recht für sogenannte Rock-Opern wie Ken Russells TOMMY (1975) nach Motiven des gleichnamigen Albums von The Who.

ANNIE (1982) wollte das Musical der 50er Jahre noch einmal aufleben lassen, doch entwickelte sich der Film zu einem künstlerischen und vor allem finanziellen Fiasko und bedeutete für lange Zeit das Aus für ähnliche Projekte. Doch auch die 80er mochten nicht auf Tanz und Musik im Film verzichten. Anstatt Handlung dauernd durch gesungene Passagen zu unterbrechen – ein Muster, welches Robert Wise und Jerome Robbins bereits in ihrer Verfilmung der WEST SIDE STORY durchbrachen – entwickelten die Macher in den Studios ein neues, dem Musical jedoch nah verwandtes Genre. Den Musikfilm, der entweder mit bereits bekannter Popmusik punktete oder dessen original produzierte Musik durch das neue Cross-Marketing, das durch Musiksender wie MTV möglich geworden war, in die Charts gehievt wurde. Wer die Musik kannte, wollte schließlich auch den Film sehen. Eine Fortentwicklung jener Filme der 70er Jahre, die aber meist noch deutlicheren Musical-Charakter aufwiesen. Prototyp dieses Subgenres war zweifelsohne der Travolta-Hit SATURDAY NIGHT FEVER (1977), dicht gefolgt von GREASE (1978). Doch wirklich voll entwickelt wurde das Metier erst in den 80er Jahren.

Die Musik, und das war wesentlich, wurde direkt in die Handlung integriert. Selten wurde noch gesungen, zumindest nicht auf der Leinwand. Die Musik war entweder der Soundtrack, meist aber spielte die Musik in der Handlung eine große Rolle. Dadurch wurden Möglichkeiten geboten, Tanzeinlagen zu zeigen und die bereits bekannten Songs im Film abzuspielen. Diese Musikfilme waren immer auch Cross-Over-Produktionen. Sie kamen als Aufsteigermärchen des Yuppie-Zeitalters daher, wie in FLASHDANCE (1983), als verkappte Actionfilme, wie in STREETS OF FIRE (1984), oder als Dramen mit kritischem Anspruch. Dafür steht Herbert Ross´ FOOTLOOSE (1984).

FOOTLOOSE gelang allerdings noch einiges mehr. Der Film schuf eine Symbiose mit den immer wichtiger werdenden Teenagerfilmen, die sich dezidiert an ein jugendliches Publikum wandten und oft als dümmliche Komödie daherkamen, wie die PORKY`S-Reihe (ab 1982), von denen sich einige aber viel Mühe gaben, jugendliche Ängste und Nöte ernst zu nehmen und nahezu klassische Coming-of-Age-Stories boten. ST. ELMO`S FIRE (1985) und vor allem THE BREAKFAST CLUB (1985) sind die wohl bekanntesten Beispiele für diese Spielart des Jugendfilms.

Dem Drehbuch zu FOOTLOOSE, das Dean Pitchford geschrieben hatte, und vor allem der Regie von Herbert Ross gelang es, zunächst einen Konflikt zu etablieren, der das Tanzen, das Musikhören, ja, jedwede Art von jugendlicher Zerstreuung, in den direkten Mittelpunkt der Story rückte. Autor und Regisseur erzählen eine Außenseiterstory, in der der junge Ren, gespielt vom damals noch recht unbekannten Kevin Bacon, nach dem Tod seines Vaters mit seiner Mutter zu deren Schwester in ein kleines Nest irgendwo im ländlichen Mittelwesten zieht. War Ren in seiner Heimatstadt Chicago ein heißer Kerl, der wusste, was angesagt ist, fällt es ihm nun umso schwerer, die Regeln in Bomont, so der Name der Kleinstadt, zu befolgen. Denn hier herrscht absolutes Tanz- und Ausgehverbot. Mit eiserner Hand setzt Reverend Shaw Moore, von John Lithgow mit einer Aura von Melancholie umgeben, die sich hinter der Maske der Strenge verbirgt, diese Regeln durch, da sein eigener Sohn einst bei einem Autounfall ums Leben kam. Da er und seine Kumpels auf dem Rückweg von einer Tanzveranstaltung waren, macht der Reverend die Musik und den seiner Meinung nach damit einhergehenden Drogenkonsum für das Unglück verantwortlich. So können Buch und Regie nun also eine Geschichte erzählen, in der ein junger Außenseiter nach und nach die Jugend der Stadt auf seine Seite zieht und gegen das elterliche Bollwerk moralischer Indoktrination und strenger Regeln aufbegehrt, bis es ihm gelingt, seinem Widersacher, dem Reverend, eine Tanzveranstaltung abzutrotzen.

Angeblich beruht diese Story in ihren Grundzügen auf wahren Begebenheiten. Das sei dahingestellt; jedenfalls bietet sie eine Menge Möglichkeiten, das Konfliktpotential zwischen den Generationen auszuloten, aber auch solches zwischen Stadt und Land, urbaner Lässigkeit und vermeintlich ruraler Beschränktheit, fundamentalreligiöser Verbohrtheit und aufgeklärtem Gleichmut zu etablieren. Darüber hinaus baut Pitchford etliche Highschool-Konflikte und eine überzeugende, weil glaubwürdige Liebesgeschichte zwischen Ren und der Tochter des Reverends, Ariel, in sein Drehbuch ein. Das Kunststück besteht darin, all diese Ebenen und Stränge zusammen zu bringen und dem (überwiegend jungen) Publikum so zu vermitteln, daß es sich einerseits emotional angesprochen fühlt – die Identifikation mit dem Außenseiter Ren wird dem Betrachter natürlich geradezu aufgedrängt – , die Konflikte andererseits aber ernsthaft genug geschildert werden, um den Eindruck zu vermitteln, man habe es hier eben nicht einfach nur mit einer Teenagerkomödie oder einem Highschool-Film zu tun, sondern mit einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Problemen der Protagonisten.

Dazu trägt neben den hervorragenden Schauspielerleistungen vor allem bei, daß das Buch allen Seiten Gerechtigkeit widerfahren lässt. Man versteht die jungen Leute, man ist weitestgehend auf ihrer Seite, doch dann gibt es immer wieder Szenen, gerade im Hause des Reverends, die eine andere Sicht der Dinge zumindest verständlich erscheinen lassen. Wir verstehen, nein ahnen mehr, das Anliegen dieses Mannes und die ihm zugrunde liegende Trauer, auch wenn er sich – daran lässt das Buch dann allerdings auch keine Zweifel – verrannt hat und seine Methoden schließlich hinterfragt und überdenkt. Wollte man, wie es die zeitgenössische Kritik, die nicht sonderlich freundlich mit dem Film umging, konstatierte, einen überzogenen didaktischen Effekt ausmachen, wäre es diese Art von Problemlösung, die am Ende des Films alle Konflikte scheinbar in einer einzigen Nacht überwindet. Man muß eben nur tanzen! Doch macht es sich genau diese Kritik etwas zu einfach, denn alles, was wir zuvor gesehen und erfahren haben, lässt uns ahnen, daß es nicht mit einem einzigen Tanzabend getan sein wird, um die Seelen dieser Menschen zu heilen.

Man könnte das Drehbuch für überfrachtet halten, doch Pitchford gelingt eben eine wirklich organisch erzählte Story, die einiges deutlicher ausbreitet, anderes andeutet und es der Phantasie des Zuschauers überlässt, sich die weiterführenden Krisen hinter diesen Andeutungen auszumalen. Es entsteht ein ausgewogener Mix aus Provinzposse, Problemfilm und ernsthafter Verarbeitung von Themen wie Trauer und der Art und Weise, wie aus persönlicher Trauer ein Dogma erwachsen kann. Zudem ist es mit etlichen Szenen angereichert, die großes Unterhaltungspotential haben. Ren, der sich einem der lokalen Jugendhelden bei einem Traktorrennen stellt und eher durch Zufall, denn durch die ihm unterstellte Kaltschnäuzigkeit gewinnt; Ren und sein Kumpel Willard, dem er das Tanzen beibringt, was zu wirklich ulkigen Momenten führt; die coolen Sprüche, die Ren für seinen Onkel übrighat, der ihn wiederholt zur Ordnung ruft und auf den in Bomont nun einmal geltenden Regeln beharrt. Einige dieser Szenen sind schlicht unterhaltsam, doch in jenem Moment, da Ariel mitten auf dem Highway zwischen zwei Autos auf den Rändern derer Türen balanciert und mit scheinbarer Todesverachtung einem schnell auf sie zukommenden Truck entgegenblickt, erzeugt Ross nicht nur ungeheure Spannung, sondern auch ein Gefühl für die Langeweile und Ödnis, der junge Menschen in Gegenden wie diesen sowieso schon ausgeliefert sind, erst recht unter den erschwerten Bedingungen in Bomont. Es sind Mutproben wie diese, die nicht nur in den USA dienstags auf den hinteren Seiten der Lokalpresse von traurigen Samstagabenden irgendwo in den Maisfeldern berichten.

Schließlich ist da natürlich die Musik. Denn FOOTLOOSE ist vor allem ein Musikfilm. Pitchford, der lange als Choreograph, aber auch Liedtexter und Komponist beim Film und in der Musikbranche gearbeitet hatte, komponierte das Titellied, das dann für Kenny Loggins, der es sang, ein internationaler Mega-Hit wurde. Es eröffnet den Film mit einem Vorspann, der von enormer Dynamik zeugt, wenn er dem Zuschauer hinter den Credits lediglich tanzende Füße in unterschiedlicher Beschuhung zeigt. Angereichert mit etlichen bekannten und einigen eigens für den Film produzierten Songs, war das Album zum Film ebenfalls ein riesiger Erfolg. Wie die oben erwähnten Filme der späten 70er und der 80er Jahre, integrierte Ross die Musik aber in seinen Film. Er lässt, anders als beim klassischen Musical, die Protagonisten nicht aus der Handlung heraustreten und singend kommentieren, was die Story ohnehin erzählt, sondern die Musik begleitet entweder – manchmal ironisch, wie in jener Szene mit dem Traktorenrennen, in der Bonnie Taylors Holding Out for a Hero eingespielt wird – die Bilder, tritt also etwas zurück und unterstützt die Handlung, oder aber sie wird im Film selbst abgespielt – so zum Beispiel bei der abendlichen Szene vor dem Diner, bei dem Ariel selbst es ist, die einen Ghettoblaster aufstellt und ihre Mitschüler zum Tanzen animiert; vor allem aber in jener Szene, in der der emotional aufgewühlte Ren sich in eine alte Fabrikhalle zurückzieht, wo er zu Never, einem Song der australischen Band Moving Pictures, seine Wut in einem wilden Tanz herauslässt.

Diese Szene ist es, die am ehesten auf die Ästhetik von Filmen wie FLASHDANCE trifft, in dem Adrian Lyne den Körper von Jennifer Beals (respektive den von Marine Jahan, die die Tanzszenen übernahm) so in Szene setzte, daß dies stilprägend für die Videoästhetik der 80er Jahre wurde und zugleich mit dem auch im Hollywood-Film in verschiedenen Ausprägungen neu etablierten, gelegentlich extremen Körperkult korrespondierte[1], dem vor allem Actionstars wie Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger huldigten. Wenn Ren durch die verlassene Lagerhalle tanzt, dabei Bewegungen vollzieht, die einem Jugendlichen nur bedingt zuzutrauen sind, außer er ist jahrelang professionell ausgebildet worden, in welcher die Kulissen irgendwann in keinem räumlich nachvollziehbaren Zusammenhang mehr stehen, tritt FOOTLOOSE aus seiner eigenen Geschichte heraus und nähert sich selbst einem Videoclip an. Doch bleibt dies die (einzige) Ausnahme. Und Ross versteht es, auch diese Szene sofort in die Handlung zurückzuholen, indem Ren, nachdem er vollkommen ausgepowert zur Ruhe kommt, feststellen muß, daß er die ganze Zeit von Ariel, die langsam Interesse an ihm entwickelt, beobachtet wurde.

Auch diese Ebene weiß Ross gut in seinen Film zu integrieren. Vor allem dadurch, daß er die mögliche Liebesgeschichte nicht besonders hoch hängt, sondern eher wie nebenbei, wie etwas Natürliches, sich entwickeln lässt. Sie ist für das, was es zu erzählen gilt, nicht wirklich wichtig, sondern eher ein Nebenprodukt von Rens Entwicklung in Bomont. Er fällt einem Alphatierchen wie Ariel, immer leader of her gang, schon allein dadurch auf, daß sie in ihm einen Ebenbürtigen erkennt – und auch ein wenig darauf hofft, daß von seiner Weltläufigkeit, die er in einem Nest wie Bomont verströmt, etwas auf sie abfällt. Ren, so scheint ihr bewußt zu sein, könnte einst ihr Ticket aus der Stadt sein.

Ariel, scheinbar ein Luder, das die Jungs gegeneinander aufhetzt, es mit dem Bad Boy der Highschool hat, ihre Mitschüler zum Tanzen animiert und damit insgeheim gegen ihren Vater rebelliert, ist eben auch ein verletzbares und vor allem verletztes Mädchen. Die wenigen Szenen zwischen ihr und ihrem Vater bringen hervorragend zum Ausdruck, wie die Trauer dieses Mannes alles unterdrückt, nicht nur die Freude am Leben, sondern eben auch die Trauer seiner Familie. Denn nicht nur er hat einen Sohn verloren, sondern auch seine Frau, die von Diane Wiest mit nur wenigen Gesten und Blicken ausdrucksstark gespielt wird, hat einen Sohn verloren und die gemeinsame Tochter Ariel einen (bewunderten) Bruder. Daß dieses Mädchen – auch das sehr gut vom Drehbuch eingefangen und verständlich gemacht – den „Neuen“ in der Schule anziehend findet und sich zugleich in einem Abwehrreflex auf die Seite derer stellt, die ihn wegen seiner großstädtischen Attitüde ablehnen, ist nachvollziehbar und glaubwürdig und gibt der Figur eine gewisse Tiefenschärfe und Ambivalenz. Und gerade in ihren Auseinandersetzungen mit dem Vater wird deutlich, wie ihr cooles Gehabe, ihre divenhafter Auftritt in der Schule, nichts weiter als Kompensationen für das strenge Regiment sind, welches ihr Vater daheim und in der Gemeinde führt.

Selbstgerechtigkeit und Bigotterie, religiöse Verbrämung und konservativer Provinzgeist – FOOTLOOSE versteht es, diese Melange spürbar zu machen, ohne die Provinz dabei zu diskreditieren. Viel mehr wirft er einen differenzierten Blick auf die Hintergründe. Das tut er auf geschickte Art und Weise und weist damit über das Fach, für das er steht, weit hinaus. Vielleicht liegt es genau daran, daß der Film die Zeit gut überstanden hat. Viel besser überstanden hat, als seine damaligen Konkurrenten. Vielleicht sind es gerade die Dinge, die damals bemängelt wurden – angeblich harsche Anschlüsse, Oberflächlichkeit, inhaltlich inadäquat und uneinheitlich – , die heute dafür sorgen, daß der Film immer noch funktioniert. Vielleicht war er seiner Zeit in gewissem Sinne sogar voraus. Er hat ein gutes Tempo, er hält die Balance zwischen ernsthaftem Drama und eher belangloser Teenie-Geschichte (dort, wo er sich auf die reinen Highschool-Probleme konzentriert), er ist ein wunderbares Stück reines Americana und vor allem ist er überzeugend gespielt. Zudem ist er von all den für die 80er Jahre so typischen Jugendfilmen der Einzige, der eine Neuverfilmung erfahren hat, was durchaus für ihn spricht. Zumal das Original der bessere film ist.

Man muß die Musik, die der Film präsentiert – hauptsächlich Powerrock und Popsongs – nicht unbedingt mögen, FOOTLOOSE funktioniert dennoch. Er gibt ein gutes Bild dessen wieder, was in den mittleren 80er Jahren angesagt war, er repräsentiert das Jahrzehnt auf eine angenehmere Art und Weise, als dies FLASHDANCE, ROCKY IV (1985) oder TOP GUN (1986) tun. Er zeigt, daß die Dekade durchaus anspruchsvollere Unterhaltung zu bieten hatte, als jene Reißbrettblockbuster, die oft propagandistisch die Politik der Reagan-Administration unterstützten. Und für jene, die damals jung waren, ist er so oder so eine wunderbare Reminiszenz an ihre Jugend. Ganz gleich, welche Musik man damals gehört hat.

 

[1] Vgl. Gutberlet, Kerstin: FLASHDANCE. In: Ott, Dorothee/Koebner, Thomas (Hrsg.): MUSICAL- UND TANZFILM. Reclam Filmgenres. Stuttgart, 2014; S. 308.

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