ROBERTA (1935)

Auf dem Weg zum Paradigma: Fred Astaire und Ginger Rogers!

Als Huckleberry ‚Huck‘ Haines (Fred Astaire) und sein Kumpel John Kent (Randolph Scott) mit ihrer Band ‚The Wabash Indianians‘ in Le Havre ankommen, um ein Engagement in Paris anzutreten, müssen sie leider feststellen, daß es zwischen ihnen und ihrem Arbeitgeber ein Mißverständnis gab: Der hatte „echte“ Indianer erwartet. Kent sucht in Paris seine Erbtante Minnie (Helen Westley) – weltweit als Roberta, Modedesignerin, bekannt – auf, ob vielleicht ist sie in der Lage sei, der von ihm gemanagten Band ein Engagement zu verschaffen. In ihrem Atelier trifft er Stephanie (Irene Dunn), der heimliche Star hinter Minnies Erfolgen. Kent ist sofort Feuer und Flamme, nicht zuletzt, weil ihn seine Freundin Sophie (Claire Dodd) sitzen gelassen hat und er frei ist. Minnie will gern aushelfen, doch letztlich ist es Hanks alte Flamme Lizzie (Ginger Rogers), die ebenfalls in Minnies Salons verkehrt, die Hank und seiner Truppe hilft. So werden diese in der ‚Bar Russe‘ angestellt, entwerfen ein gemeinsames Programm und alles könnte sich wundervoll entwickeln, wenn nicht plötzlich Tante Minnie das Zeitliche segnete. Angezogen durch das erhebliche Vermögen, das Kent mit Robertas Erbe erlangt, taucht Sophie in Paris auf, um alte Gefühle neu zu erwecken. Durch einen Streich Hucks, der Sophie nie leiden konnte und hofft, seinen Kumpel John mit Stephanie verkuppeln zu können, werden Verwechslungen und Verwirrungen ausgelöst, die fast dazu führen, daß Stephanie, die sich als geflüchtete russische Prinzessin entpuppt, die Stadt verlässt und Kent doch wieder bei Sophie landet. Doch glücklicherweise fügt sich alles, wie es soll und Huck und Lizzie können endlich befreit gemeinsam tanzen und ihre Mimikry aufgeben, sind sie doch nun einmal füreinander bestimmt…

1935, zwei Jahre nach seinem Debut, wurde das Erfolgsstück ROBERTA in Hollywood von RKO Pictures als finaler Film für ihren scheidenden Star Irene Dunne adaptiert und auf die Leinwand gebracht. Opulent ausgestattet, bot es der Aktrice die Möglichkeit, ihre Stimme noch einmal für das Studio ertönen zu lassen, welches sie groß gemacht hatte; zugleich bot es einem jungen, immerhin schon vor den Titeln genannten Paar eine  Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen: Ginger Rogers und Fred Astaire. Waren die beiden zwar zuvor schon gemeinsam in FLYING DOWN TO RIO (1933) und THE GAY DIVORCEE (1934) aufgetreten, war es doch der Erfolg, den ROBERTA auch als Film hatte, der den eigentlichen Start jenes Erfolges markierte, den das Duo Astaire/Rogers in den kommenden Jahren bedeuten sollte.

Astaire zeichnete für die Choreographie der Tänze verantwortlich, man merkt aber, daß – den Credits entsprechend, die sie groß und vor allem zuerst nennen – Irene Dunne der eigentliche Star des Films, ja, das Ganze ein Vehikel für sie war. Ihre Lieder sind perfekt im Film platziert und der kommt jedes Mal, wenn sie ihre klar klingende Stimme erhebt, nahezu zum Stillstand. Als fiele er und mit ihm das Publikum aus der Zeit. Minutenlang verweilt die Kamera auf ihrem zeitlos schönen Gesicht, Schnitte zeigen uns vielleicht eine Nahaufnahme, die uns die ergriffen Lauschenden ihrer Umgebung kurz erahnen lässt, doch erst wenn ihr Gesang verstummt, wechselt der Film wieder in seinen Modus und Rhythmus. Ein Kontrapunkt zu den wie immer enorm lebhaften und in den Handlungsfluß eingebetteten Tanzeinlagen von Rogers und Astaire. Es treffen verschiedene Konzepte aufeinander: Die Welt der Operette, in der Dunne viel eher beheimatet scheint als in jener des Swing, in der Astaire und sein Gefolge zuhause sind.

Astaires Tänze sind wie immer exquisit, er und Ginger Rogers stehen in der Blüte ihrer Arbeit. Was in den folgenden Jahren in Filmen wie TOP HAT (1935), FOLLOW THE FLEET (1936) oder SHALL WE DANCE (1937) verfeinert und zu immer neuen Höhen der Tanzkunst getrieben wurde, ist in ROBERTA in den wenigen, jedoch hinreißenden Tanzszenen schon deutlich zu sehen. Die Lust am Rhythmus, an der Bewegung, aber auch am geschliffenen Wort, das hier wie selten die Eleganz des Tanzes begleitet, an Witz und Humor – ROBERTA strotzt nur so davon. In späteren Werken der beiden sieht man, daß allen Beteiligten die Handlung nahezu gleichgültig gewesen sein muß, teils, wie in SHALL WE DANCE, wurde sie sogar um zuvor komponierte Songs herumgebastelt. Die Figuren wurden zu Stichwortgebern und die Filme ein wenig wie Nummernrevuen aufgezogen. Das ist hier deutlich anders. Ein gut aufspielendes Ensemble verkörpert einen Reigen wirklich gut ausgearbeiteter Figuren. Das Script ist voller herrlicher Dialogpassagen und One-Liner – You behave worse every day, but today you behave like tomorrow – die vor allem Astaire und Rogers alle Möglichkeiten geben, sich zu beharken. Beide haben weniger Leinwandzeit als Dunne, Astaire etwa gleichberechtigt mit Randolph Scott, während Rogers wirklich nur die führende Nebenrolle innehat. Doch bleiben sie nachhaltig in Erinnerung. Die Tänze natürlich, da sie die lebhaftesten und oft auch witzige Momente des Films sind, aber auch die schnellen Dialoge überstrahlen die eher biedere Verwechslungsfarce, die Scott und Dunne abliefern müssen. Dennoch nimmt man dem später als Rächertyp in den Western von Budd Boetticher legendär gewordenen Randolph Scott den etwas verkniffen hüftsteifen Kavalier durchaus ab. Es gibt urkomische Momente, unter anderem, wenn Fred Astaire und Irene Dunne, die nur zögernd bei dem Schabernack mitmacht, der als Erbschleicherin ausgemachten Sophie eben jenes gewagte Kleid aufschwatzen, von dem wir wissen, daß der puritanische Kent es ablehnt. Astaire dabei zu beobachten, wie sein Minenspiel seine Worte bekräftigt, Dunnes kommentiert und die von Claire Dodd ad absurdum führt, ist zeitlose Komödie. Ihm zuzuschauen erstaunt eh immer wieder: Wie modern er wirkt, wie seine Bewegungen schon antizipieren, was 20 Jahre später als anstößig betrachtet werden wird, ohne die Eleganz zu verlieren und deshalb auch niemals vulgär. Doch er tanzt nicht nur, er singt, musiziert und besitzt ein beträchtliches schauspielerisches Talent, das ihn seine Rollen glaubhaft ausfüllen lässt. Dieses Talent, kombiniert mit seinem tänzerischen Genie, prädestinierte ihn für die leichte Gesellschaftskomödie, die eine Gegenwart präsentiert, welche hochmodern und kosmopolitisch einerseits, zugleich aber in ihrem schwelgerischen Design und den verschwenderischen Dekors auch märchenhaft berauscht wirkt. Für jene goldenen Jahre, wie die 30er in Hollywood gern genannt wurden, war es doch die Dekade, die all jene Klischees, für die bis heute die Chiffre ‚Hollywood‘ steht, innoviert, verbreitet und übererfüllt hat, für diese Jahre stand und steht Astaire – steht das Paar Astaire/Rogers – paradigmatisch.

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