SCHLACHT UM MIDWAY/MIDWAY
Ein deskriptiver Kriegsfilm, der sich um eine gewisse Differenzierung bemüht
1943 – erst sechs Monate sind vergangen, seit die Japaner mit ihrem Überraschungsangriff auf Pearl Harbor den Amerikanern eine vernichtende Niederlage beigebracht und diese damit zum Kriegseintritt gezwungen haben. Nun will die japanische Admiralität um Admiral Yamamoto (Toshirō Mifune) die verbliebenen amerikanischen Flugzeugträger ausschalten, damit die japanische Flotte im Pazifik die Seehoheit gewinnt. Die amerikanische Aufklärung um Commander Rochefort (Hal Holbrook) informiert General Nimitz (Henry Fonda), daß die Japaner wohl Midway angreifen würden, eine strategisch wichtige Inselgruppe im Pazifik. Nimitz heckt mit seinen wesentlichen Strategen einen Plan aus, wie man die Japaner in eine Falle locken kann, um seinerseits deren Träger zu vernichten. Er überträgt das Kommando für die gesamte Operation Vice Admiral Spruance (Glenn Ford). Indem Abwehr, Aufklärung, die Marine und die Air Force in einer konzertierten Aktion und einem großangelegten Manöver vorgehen und viele bereit sind, alles zu wagen, gelingt es, die Japaner vernichtend zu schlagen. Dabei müssen Einzelschicksale, wie das von Captain Garth (Charlton Heston), dessen Sohn (Edward Albert) eine Japanerin heiraten möchte und ob dessen von seiner Einheit nicht mehr als vertrauenswürdig eingestuft wird, oder jene all der namenlosen Piloten, die ihr Leben in den Cockpits und Schießständen der Jäger und Bomber ließen, zurückgestellt werden. Nimitz fordert eien Sieg auf ganzer Linie, immerhin ist er bereit, sich mit seinen Vorgesetzten in Washington anzulegen un die Ergebnisse seiner Analysten dort zu verteidigen. Auch er, ein solch mächtigeer Mann in der Navy, steht in einem Spannungsfeld zwischen Militär und Politik. Ähnliches erlebt Yamamoto, der dem Kaiser in einem weitaus hierarchischer organisierten Militärkomplex Rede und Antwort zu stehen hat. Die vernichtendste Niederlage seiner Laufbahn entsteht auch dadurch, daß er zwischen den Einflüsterungen seiner diversen Ratgeber den Überblick zu verlieren und sich zwischen unterschiedlichen Abteilungen, die alle ihre besondere Befähigung in diesem Krieg beweisen wollen, aufzureiben droht..
Wie es 1970 Richard Fleischer und sein Ko-Regisseur Kinji Fukasaku in ihrem Pearl-Harbor-Epos TORA! TORA! TORA! (1970) bereits vorgemacht hatten, so hält es auch der Regisseur Jack Smight in MIDWAY (1976) – akkurat werden die Geschehnisse um die so entscheidende Schlacht im Pazifik 1942 berichtet, beide Seiten werden gleichberechtigt behandelt, die Manöver, Angriffe, Taktiken und Finten so genau wie nur möglich nacherzählt. Durch den exzessiven Gebrauch von Originalmaterial, teils aus John Fords Midway-Dokumentation, die der Regisseur während der Schlacht vor Ort gedreht hatte, teils aus anderem Originalmaterial des Pazifikkrieges, erhält MIDWAY eine Art Authentifizierung, kann einen nahezu dokumentarischen Charakter beanspruchen und seine Darstellung als „wahr“, bzw. „objektiv“ verkaufen. Zumindest ist das der sichtliche Plan der Macher des Films, Interessanterweise wird aber gerade hier überdeutlich, wie Originalaufnahmen nachgestellte Szenen desavouieren können. Dennoch muß man dem ganzen Projekt MIDWAY attestieren, sich enorm um historische Genauigkeit bemüht zu haben. Und dank eines auch für die 1970er Jahre doch sehr hohen Budgets von fast 50 Mio. Dollar, bekommt der Film in seinen Schlachtszenen eine enorme Wucht.
Regisseur Smight, der einmal abgesehen von dem Paul-Newman-Vehikel HARPER (1966) davor und danach kaum mit Filmen in Erscheinung getreten ist, die in Erinnerung bleiben, konnte in den Kampfszenen also ein Spektakel inszenieren, doch stand ihm auch ein Aufgebot an Darstellern zur Verfügung, das es in sich hatte: Charlton Heston, Henry Fonda, Glenn Ford, Robert Wagner, Robert Webber, Hal Holbrook und der große Toshirō Mifune besetzen die Haupt- und führenden Nebenrollen, in kleinere Nebenrollen treten Robert Mitchum, James Coburn oder Edward Albert auf. So kann Smight, was dem Film auffallend gut tut, in der ersten Hälfte allmählich, die Dramatik langsam steigernd, Spannung aufbauen. Eher bedächtig wird davon erzählt, wie sich vom Admiral bis zum kleinen Bootsmaat ein jeder in der amerikanischen wie in der japanischen Marine mit den bevorstehenden Aufgaben beschäftigt. Es werden gewisse Beziehungen etabliert, wir lernen unsere Hauptfiguren kennen, derer viele sind, die alle irgendwann in diesen weit über zwei Stunden irgendwann einmal wichtig werden, und mit dem Konflikt um Heston und seinen Sohn, der sechs Monate nach Pearl Harbor eine Japanerin heiraten will, gelingt eine angemessen emotionale Bindung an wenigstens eine der Figuren.
Erkennbar sind Buch und Regie nicht daran interessiert, menschliche Dramen zu erzählen, es wird auf all die typischen Verflechtungen und Topoi des Kriegsfilms verzichtet. Weder gibt es Differenzen zwischen den Waffengattungen, noch werden Konflikte zwischen Vorgesetzten und Untergebenen inszeniert, im Gegenteil wird das militärische Ganze als eine Maschinerie dargestellt, die bestenfalls perfekt läuft wenn alle Teile ineinandergreifen. Entgegen der Ansicht, MIDWAY feiere Heldentum, kann man sagen, daß Smight das Militär als Institution durchaus feiert, dabei den menschlichen Faktor jedoch extrem zurückdrängt. Helden gibt es hier keine. Es gibt einen Haufen Leute – Männer, um genau zu sein, es kommen kaum Frauen vor in diesem Film – die ihren Job so gut machen, wie sie es eben irgend können. Man begreift die Notwendigkeit der Abläufe vom Admiral, der den Krieg als eine Karte auf einem Tisch, bestückt mit Plastikbooten, wahrnimmt, bis zum Schützen in einem der Jagdbomber, die eine äußerst niedrige Überlebenschance hatten, waren sie nicht nur erstes Ziel feindlicher Abfangjäger, sondern auch auf Gedeih und Verderb auf Wohl und Wehe ihres Piloten angewiesen. Daß das Militär genau so funktioniert und wahrscheinlich seine besten Erfolge dann feiert, wenn wirklich niemand Befehle in Frage stellt, alle ihre Aufgaben erfüllen und niemand allzu viele Gedanken auf das eigene Weiterleben verschwendet, diese Weisheiten stellt MIDWAY nie in Frage, das stimmt. Ganz sicher hat man es hier mit keinem „Antikriegsfilm“ zu tun. Im Gegenteil: Hier wird mit Genauigkeit, aber viel Hochachtung und Respekt für alle Kombattanten in diesem Konflikt, von einer Schlacht erzählt, so, wie im 18. Jahrhundert die großen Schlachtenlenker ihre Maler mitführten, die das Töten und Sterben ästhetisch wertvoll einfingen und festhielten. Da sollte man sich bei einem Film wie MIDWAY keinerlei Illusionen hingeben.
Sieht man davon ab, daß die Loylität des jungen Garth kurz angezweifelt wird, werden Konflikte innerhalb des Militärs eher auf japanischer Seite thematisiert und damit indirekt die Haltung bestärkt, daß nur funktionierende Befehlsketten und Unterordnungsbereitschaft zu einem funktionierenden Ganzen taugen. All jene Konfliktlinien, die oben ausgeschlossen wurden, finden sich angedeutet auf japansicher Seite. Dort ist auch die Darstellung Yamamotos durch Toshirō Mifune ehestenst mit der Tragik des gescheiterten Kriegshelden aufgeladen, bewegt sich das Script nah am Klischee und damit am Kitsch. Mifune muß mindestens einmal zu häufig bedeutungsschwanger in die Kamera blicken und seine Augen dann in die Ferne richten, sich seines historischen Fehlschlags bewußt werdend und darob selbstredend verzweifelnd. Es sind – darin ist MIDWAY dann wieder erstaulich fair gegenüber dem Gegner von einst (der 1976 natürlich längst ein Verbündeter war) – also exakt jene Begründungen, die die Niederlage der Japaner hier besiegeln, die in älteren Kriegsfilmen aus Hollywood gern der eigenen Seite untergeschoben wurden. So entsteht hier wirklich kein unterschwellig rassistisches Ressentiment, sondern Kriegsgeschick und -glück werden durchaus auch als Folgen von Tagesform und mal richtigen, mal falschen Augenblicksentscheidungen dargestellt.
Die eigentliche Faszination dieses Films ist die Technik. Das ist der Fetisch, der hier beschworen wird. Auf vielerlei Arten. Nicht zuletzt, indem der Mensch immer wieder als Teil technischer Vorgänge oder aber als Störfaktor gezeichnet wird. Die Kamera zeigt immer wieder Details der Flugzeuge auf den Trägern, wir werden mehrfach Zeugen, wie die gigantischen Rampen mit den festgeschnallten Maschinen an Deck fahren, die Mechanik, mit der die landenden Flugzeuge eingefangen werden, aber auch der Start wird wieder und wieder zelebriert als ein perfektes Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren. Der Einsatz von Originalmaterial, das sich dann materiell deutlich von den fiktiv gedrehten Einstellungen abhebt, was die Regie nicht zu stören scheint, bestätigt diesen Eindruck: Auch hier greift eine Industrie-Ästhetik, wird der Triumph menschlicher Erfindungsgabe gefeiert. Es sind allerdings auch immer wieder Bilder davon zu sehen, wie die Technik zur Falle wird, ebenfalls Originalmaterial ins Meer stürzender Jets und Kampfbomber verdeutlichen durchaus die ungeheure Wucht und Kraft, die hinter einer ungezügelt herabrasenden Maschine stecken und zugleich wirken diese manchmal aus großer Distanz aufgenommenen Momente auch wie ein ehrfurchtgebietender Todesgesang, eine Eloge auf den Mut derer, die bereit waren, sich dieser Technik zu bedienen, koste es, was es wolle. Wenn dann landende Flugzeuge direkt an Bord des Trägers zerschellen und auf der Landebahn explodieren, ist es menschliche Fehlhandlung, die dafür verantwortlich ist. Ein einziges Mal wird Technik als fehlerhaft gezeigt: Wenn die Bomberstaffel feststellen muß, daß die Scharfmacher die Waffen bereits ausklinken und die Flieger die Hälte ihrer Ladung bereits weit vor dem Ziel verlieren.
MIDWAY feiert nicht wirklich einen Sieg, eher wirkt der Film wie die rein deskriptive Darstellung eines bestimmten militärischen Einsatzes, der schließlich – die historische Bedeutung der Schlacht für beide Kontrahenten blendet der Film weitestgehend aus – zu einer Wende im Kriegsgeschehen führte. Hier wirkt das Ringen wie ein Titanisches, als rasten zwei unkontrollierbare Kräfte aufeinander zu und die Konfrontation sei eben unausweichlich. Indem MIDWAY der japanischen Seite ähnlich viel Raum gibt, wie der amerikanischen, wird nicht der Fehler etlicher Weltkriegsfilme wiederholt, den Gegner als gesichtslos darzustellen, ihn rassistisch zu einem Kollektivfeind zu stempeln, den man eben vernichten muß – und darf. Allein die kleine Episode, in der Captain Garth lernen muß, daß nicht nur er einen gewissen Vorbehalt gegen die Heirat seines Sohnes mit einer Japanerin hat, sondern vielmehr deren Eltern die Angelegenheit schlicht per Verbot beenden, verdient dabei besonderer Beachtung. So beschönigend die Szenen zwischen Heston und seiner Schwiegertochter in spe in der Internierung der japanischen Familie hinsichtlich dieses Vorgangs wirken mögen – und es ist schon eine Frechheit, dieses Lager als eine Art Hort der Ruhe und Sauberkeit darzustellen – , um die wechselseitige Abneigung einerseits, die Japaner als Subjekte mit eigenen Ansichten anderseits darzustellen, ist sie perfekt. Niemand könnte die Verblüffung eines ordentlichen amerikanischen Papas ob der Zurückweisung seines Filius´ durch eine Dame besser darstellen, als Charlton Heston. Die ganze Episode um Heston und seinen Sohn, dessen spätere Verletzung, Hestons eigenen Fliegereinsatz und seinen späten Tod mag abgeschmackt sein, reiner emotionaler Fänger, um in einem menschlich ansonsten recht kühl wirkenden Plot ein wenig Wärme und echtes Schicksal unterzubringen – allein um der gegnerischen Seite ein menschliches Antlitz zu verpassen, ist sie schon vollends geglückt.
MIDWAY, der kein sonderlicher Erfolg an der Kinokasse, genauer gesagt sogar ein ausgemachter Mißerfolg gewesen ist, sollte einer fairen Neubewertung unterzogen werden. Unter den Weltkriegsfilmen der 1970er Jahre sticht er dadurch hervor, daß er weder amerikanisches Heldentum feiert, noch apologetisch versucht, den deutschen Landser als „ganz normalen Soldaten“ darzustellen, sonderlich um Akkuratesse in der Darstellung eines gewaltigen Ringens bemüht ist. Mit seinem enormen Produktionsaufwand, den Schauwerten der zweiten, actiongeladenen Hälfte, kann er fesseln und durchaus auch spannend unterhalten, ohne die Tragik dessen, was er darstellt, zu vergessen, er vermeidet es, zu einem Abenteuerereignis für Spätpubertierende zu mutieren; mit seiner hervorragenden Besetzung gelingt es ihm aber auch, zu verdeutlichen, wie die militärischen Befehlswege laufen, wie Entscheidungen auf höchster Ebene vergleichsweise abstrakt getroffen und wie konkret sie dann an der Basis durchgesetzt werden müssen und was dieses Durchsetzen für den einzelnen bedeuten kann. So entsteht über gute zwei Stunden ein enorm dichter Kriegsfilm, der einen ernsthaften Eindruck dessen vermittelt, was auf den unendlichen Wasserweiten des Pazifik einst für ein Krieg ausgefochten wurde.