U 23 – TÖDLICHE TIEFEN/RUN SILENT, RUN DEEP

Der Pate aller modernen U-Boot-Filme

1943. Commander Richardson (Clark Gable) hat sein U-Boot durch den Angriff des japanischen Zerstörers Akikaze verloren. Dies war das vierte Schiff der U.S.-Navy, welches in kürzester Zeit in den sogenannten „Bungo Straits“ verloren gegangen ist. Die Akikaze unter ihrem Kapitän, den die Amerikaner „Bungo Pete“ nennen, gilt als unbezwingbar. Richardson kann die Admiralität überzeugen, ihm erneut ein Kommmando zu übertragen. Er bekommt das U-Boot USS Nerka, dessen erster Offizier Bledsoe (Burt Lancaster) damit gerechnet hatte, selber Kapitän des Schiffes zu werden. Verletzt möchte Bledsoe seine Demission vom Boot einreichen, doch Richardson, der das Boot eben auch wegen der erfahrenen Mannschaft und Offiziere haben wollte, lehnt das ab. Sobald sie auf See sind, fordert Richardson ein gnadenloses Training, um den Tauchvorgang enorm zu beschleunigen. Zugleich weicht er aber japanischen Handelsconvoys, die zu vernichten eindeutiger Auftrag der Mission ist, aus. Stattdessen lässt er sich auf ein höchst gefährliches Manöver ein, bei dem er ein japanisches Kriegsschiff frontal angreift und in letzter Sekunde unter ihm hinwegtaucht, so daß die spät abgeschossenen Torpedos ihr Ziel nicht mehr verfehlen können. Langsam dämmert Bledsoe und den anderen Offizieren, daß Richardson bewusst Auftragsziele mißachtet und offensichtlich nicht nur die „Bungo Straits“ ansteuert, sondern auch nach der Akikaze Ausschau hält. Doch bevor es zu einem Zusammenstoß kommen kann, wird das Boot von feindlichen Fliegern angegriffen. Hinzu kommt eine ganze Ladung von Wasserminen, die die Akikaze absetzt. Es kommt zu heftigen Erschütterungen an Bord der Nerka, drei Männer sterben. Richardson wird schwer am Kopf verletzt. Er befiehlt, die Leichen und allerhand Kram der Toten durch die Torpedorohre an die Meeresoberfläche zu katapultieren. Das Manöver gelingt, die Japaner halten das amerikanische U-Boot für zerstört. Auf dem Boot kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Bledsoe und Richardson, nachdem die Mannschaft Bledsoe aufgefordert hat, das Kommando zu übernehmen und Richardson unter Arrest zu stellen. Bledsoe tut dies mit der Begründung, Richardson sei aufgrund seiner Verletzung nicht mehr kommandotauglich. Bledsoe ordnet die Rückkehr nach Pearl Harbor an. Während des Gefechts hatte der Funker Richardson auf ein Signal aufmerksam gemacht, das er nicht identifizieren konnte. Zudem war das Boot nur mit letzter Not einem Torpedo entkommen, welches man für ein eigenes hielt, das ein japanisches Schiff verfehlt habe und dem man bei einem Ausweichmanöver in die Quere gekommen sei. Richardson kombiniert auf seinem Krankenlager, daß es gar nicht die Akikaze sei, mit der man es zu tun habe, sondern daß sich irgendwo, unbemerkt, ein japanisches U-Boot befinden müsse. Nun, so folgert er, solle man zurückkehren und die japanische Flotte, die ja nicht mehr mit der Nerka rechne, vernichten. Bledsoe versteht die Notwendigkeit, Richardsons Idee umzusetzen, auch, weil die „Bungo Straits“ eine strategisch wichtige Meerenge sind. So nähert man sich dem Feind erneut und es kommt, nachdem man die Akikaze relativ problemlos mit dem hundertfach geübten Manöver vom Beginn der Reise versenkt hat, zu einem nervenaufreibenden Show-Down zwischen den U-Booten, das schließlich Richardson mit einem ebenso gewagten wie brillanten Manöver für die Amerikaner entscheiden kann. Dennoch erliegt der geschwächte Kommandant seinen schweren Verletzungen. Bledsoe und die Mannschaft der USS Nerka lassen ihm das gebührende Seebegräbnis zuteil werden.

RUN SILENT, RUN DEEP (1958) ist ein gutes Beispiel jener Kriegsfilme Hollywoods der 1950er Jahre, die längst kein realistisches Bild des Krieges mehr malten, sondern einerseits spannende Unterhaltung bieten wollten, andererseits deutlich der Propaganda des Kalten Krieges dienten. Der Krieg geriet in diesen Filmen mehr und mehr zum Abenteuer, bot eher eine Kulisse für Männer, die sich bewähren wollten.

Robert Wise, der in seiner langen Karriere einige Kriegsfilme inszenierte, griff hier auf den Roman des hochdekorierten Marineoffiziers Edward L. Beach zurück, der wiederum auf seine eigenen Erlebnisse während des Krieges rekurrierte. Wise, der gleich im Anschluß das Drama I WANT TO LIVE! (1958) und nachfolgend den ‚Film Noir‘ ODDS AGAINST TOMORROW (1959) drehte, war hier in ein bereits weit in der Pre-Production vorangeschrittenes Projekt eingestiegen, das hinter den Kulissen zudem zu einem Wettkampf zwischen verschiedenen Drehbuchautoren und auch den beiden Stars Burt Lancaster, der auch produzierte, und Clark Gable ausartete. Und schließlich verlor Wise, sehr selten bei ihm, einen ehemaligen Cutter, die Kontrolle über den Endschnitt, da er bereits für I WANT TO LIVE! nach New York musste.

Beachtet man, wie engagiert die beiden Nachfolgefilme mit ihrem jeweiligen Themen – Todesstrafe; Rassismus – umgingen, drängt sich bei RUN SILENT, RUN DEEP der Eindruck auf, daß der Regisseur deutlich weniger Herzblut und kritisches Bewußtsein in die Produktion mit einbrachte, als er dies bei anderen Projekten zu tun pflegte. Sein Interesse als Regisseur mag also vor allem den Bedingungen an Bord des U-Boots und vor allem den psychologischen Spannungen und Konflikten zwischen Lancasters Bledsoe und Gables Richardson gegolten haben, weniger der Frage danach, wie gerechtfertigt Aktionen, wie die gezeigte, gewesen sein mögen. Auch war Wise deutlich nicht an einem sogenannten Anti-Kriegsfilm interessiert. Der Krieg, wie er ist und was er zu tun fordert, steht in RUN SILENT, RUN DEEP nie in Frage. Im Gegenteil: Der Film kann sich ein gewisses Pathos nicht verkneifen, ja, eine gewisse Hochachtung vor diesen Männer nicht verhehlen.

Die Geschichte bedient sich im weitesten Sinne eines Ahab-Motivs. Richardsons „Mission“, die „Akikaze“ und deren Kapitän zu zerstören, erinnert nicht von ungefähr an Ahabs Obsession mit dem weißen Wal. Mehrfach wird in der Mannschaft thematisiert, daß man für eine herkömmliche militärische Mission viel zu wenig „Beute“ gemacht habe, zu viele Torpedos seien nicht eingesetzt worden und – was die Männer erst recht erzürnt – man hat sogar feindliche Convoys passieren lassen. Richardson setzt sich über Anweisungen der Admiralität hinweg, aber als die „Nerka“ als zerstört gilt und so unbemerkt unter den feindlichen Linien hindurchtauchen und so nicht nur das Geheimnis um die zerstörten amerikanischen Schiffe lösen kann, sondern auch reell eine Chance bekommt, die scheinbar unbezwingbare „Akikaze“ zu zerstören, sehen nicht nur Bledsoe, sondern auch die Mannschaft Richardson mit anderen Augen. Hier greift einer nach seiner Chance, als sie sich bietet. So werden Helden gemacht und so wie hier werden sie erkannt. Krieg wird zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen genialen Schlachtenlenkern. Wie die Geschichten der Kriege des 17., 18. oder 19. Jahrhunderts, erzählen Filme wie dieser die Geschichte des größten Massensterbens, das die Geschichte bisher erlebt hat, als Abfolge gekonnter Manöver, strategischer und taktischer Geistesblitze einzelner Kommandeure und als eine Saga von männlicher Risikobereitschaft und Mut.

Wise widersetzt sich dieser Sichtweise nicht. Mag sein, daß sein Endschnitt anders ausgesehen hätte, man kann aber die Handschrift des Könners – hier: des routinierten Könners – deutlich erkennen. Nein, der Film erzählt seine Story unkritisch. Interessant sind die Bedingungen, unter denen diese Heldentaten geschehen. Die Enge des Bootes, das Wise 1:1 nachbauen ließ in den einzelnen Kulissenteilen, ist spürbar; in der Anordnung der Figuren, die die wenigen Räume zwischen Rohren, Maschinen und Metallverkleidungen ausfüllen, ist jederzeit Klaustrophobie spürbar. Daß dieses Boot im Zweifelsfall zur Todesfalle wird, steht vollkommen außer Frage; daß in dieser Situation alle am gleichen Strang ziehen sollten und man sich eine Meuterei kaum leisten kann, ebenso. Die Anspannung, die aufgrund der Situation zwischen Bledsoe und Richardson also sowieso schon erhöht ist, wird momentweise nervenzerfetzend, wenn das Boot in Gefahr gerät oder aber diese gar sucht. Wenn Richardson japanische Zerstörer angreifen lässt und sich dabei zeigen muß, ob seine  wochenlange Schinderei der Mannschaft, um das Boot in einer extrem geringen Zeitspanne tauchen zu lassen, aufgeht, spürt man das Vabanquespiel mit menschlichen Leben, das der Kapitän da treibt und das Bledsoe auch mehrmals als genau solches bezeichnet. Wie extrem angespannt die Atmosphäre an Bord eines U-Boots im Einsatz auch ohne zusätzliche Spannungen schon ist, wird deutlich, wenn sich das amerikanische und das japanische U-Boot minutenlang umkreisen und einander belauern, auf das kleinste Geräusch des anderen horchen. Szenen, die Wise zu unglaublich spannenden Momente zu verdichten weiß.

RUN SILENT, RUN DEEP wird gern als erster U-Boot-Film betrachtet, der all seine Nachfolger definiert habe und bis heute eine Referenz darstelle. Wenn man gerade jene Szenen sieht, in  denen die „Nerka“ feindlichen Torpedos ausweichen muß und ein wahres Bombardement mit Wasserminen durchzustehen hat, versteht man diese Sichtweise. Es stimmt, daß von THE BEDFORD INCIDENT (1965) über Petersens DAS BOOT (1981) oder John Mc Tiernans THE HUNT FOR RED OCTOBER (1990) bis zu Kathryn Bigelows K-19 – THE WIDOWMAKER (2002) in etlichen klassischen Hollywoodfilmen, die den U-Boot-Krieg thematisieren, solche und ähnlich aufgebaute Szenen zu finden sind. Robert Wise ist, wie so oft in seiner erstaunlichen Karriere, auch hier ein Klassiker des Genres gelungen, in dem er sich gerade bewegt. Wobei ihm das diesmal eher beiläufig gelungen sein mag, beachtet man die anfangs dargelegten Produktionsbedingungen.

RUN SILENT, RUN DEEP sticht aus dem außergewöhnlichen Oeuvre Robert Wise´ nicht zwingend hervor, ist es alles in allem doch ein zu oberflächlicher Kriegsfilm, der selbst sein psychologisches Konfliktpotenzial nicht ausspielt und bis zum Äußersten treibt, wie es bspw. David Lean in THE BRIDGE ON THE RIVER KWAI (1957) getan hatte. Letztendlich ist Bledsoe in dem Moment bereit, die Meuterei dranzugeben und wieder auf seinen Platz zurück zu kehren, in dem er Richardsons Plan begreift und ebenso, daß man es hier mit einer „größeren“ Mission zu tun hat – möglicherweise einer kriegsentscheidenden. Psychologischer Scharfsinn wird zugunsten eines Heldenepos aufgegeben. Diese Haltung kulminiert in der Schlußszene des Films, in der Richardson – natürlich begleitet von der gesamten Mannschaft, die ihm doch so kritisch bis offen feindlich gegenüberstand – ein ordentliches Seebegräbnis erhält. Spätestens hier offenbart sich das ganze reaktionäre Potenzial, das einem Film wie diesem immanent ist. Es ist und bleibt immer die Feier des Militärs, des heldischen Mannes und des Muts, den der Krieg erfordert. Anders als vielleicht noch in einem Film wie THE STORY OF G.I. JOE (1945), wird der Krieg hier nicht einmal mehr als etwas zwar notwendiges aber dennoch Schreckliches gezeigt. Er ist einfach da, der Zustand, der herrscht, die Bedingung, unter der diese Männer dienen.

So hat Robert Wise schließlich einen spannenden Abenteuerfilm gedreht, der seine Aufgabe erfüllt – kein Jota mehr, keins weniger. Wer nach diesen gut 90 Minuten aus dem Kino kommt, soll sich spannend unterhalten fühlen. Das gelingt perfekt. Und genau darin zeigt sich rein filmhistorisch die Genialität des Regisseurs. Wise konnte das: Engagiertes Kino machen und zugleich sich einfach in die Sache eines Films stellen, ob der ihm inhaltlich nun unbedingt zusagte, oder nicht. Das reiht ihn unter die Großen seines Metiers ein.

 

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