SCHLACHTGEWITTER AM MONTE CASSINO/THE STORY OF G.I. JOE
William A. Wellman blickt durch die Augen Ernie Pyles
Ernie Pyle (Burgess Meredith) begleitet als Korrespondent ein Bataillon der Infanterie der U.S.-Army durch Nordafrika und halb Italien. Dabei lernt er neben Captain Bill Walker (Robert Mitchum) auch etliche „einfache“ Soldaten kennen. Pyle, dessen Stil des bodenständigen, die Menschen verstehenden Beobachters ihn schon vor dem Krieg recht bekannt gemacht hat, findet schnell Zugang zu den Männern und wird wie ein Kamerad behandelt, was ihn die Nähe und Wärme in schweren Stunden erleben läßt, aber auch die Erfahrung der Todesnähe, des Kampfes und Gefechts. Der reale Pyle fiel schließlich auch im April 1945 im Pazifik, was im Film nicht gezeigt, wohl aber symbolisch angedeutet wird. Der Film endet kurz bevor die Truppen Rom erreichen, nachdem es gelungen ist, nach wochenlanger Warterei am Monte Cassino, den Durchbruch in Italien zu erkämpfen. Erzählt werden in den 108 Filmminuten kleine, manchmal nur anekdotenhafte Episoden aus dem Alltag an der Front.
William A. Wellman macht mit seiner Adaption einer ganzen Reihe von Kolumnen, die der reale Ernie Pyle für das ‚Scripps-Howard‘ Zeitungskonglomerat geschrieben hatte, eine Ausnahme von den meist den Krieg zwar nicht verherrlichenden aber als zu bezwingendes Übel darstellenden Filmen seiner Ära. Unmittelbar nach dem – im Falle von Wellmans Film sogar noch während des – Kriegs begonnen, dienten sie dazu, die Leistung der Männer zu feiern, der Nation zu versichern, daß sich die dargebrachten Opfer gelohnt haben und als Mischung aus Unterhaltung und Gedenken einem kollektiven Erinnern Vorschub zu leisten. Doch indem Wellmans Film auf die Berichte eines der Nation wohlbekannten Korrespondenten rekurriert, bekommt das gebotene Narrativ die nötige Autorität des Authentischen. Was hier erzählt wird, scheint noch ein bisschen wahrer als die an sich schon oft auf Dokumentarmaterial und „wahre Begebenheiten“ zurückgreifenden Kriegsfilme jener Jahre. Wellman nimmt die damit einhergehende Verantwortung sehr ernst. Wo Filme wie SANDS OF IWO JIMA (1949) oder, mehr noch, HALLS OF MONTEZUMA (1951) neben dem Gedenken des Vergangenen sicherlich propagandistisch bereits auch auf den neu dräuenden, bzw. bereits entflammten Krieg in Korea vorbereiten und einschwören sollten, nimmt sich THE STORY OF G.I. JOE ganz des vergangenen an. Ein Film, der verarbeitet, intim, traurig und zugleich grimmig.
Wellman ist weniger daran interessiert, brutale, blutige und möglichst realistische Schlachtengemälde zu präsentieren oder das Opfer der Männer in der Schlacht zu zeigen, obwohl er in einigen wenigen, sehr intensiven Kampfszenen nicht verhehlt, wie nervenaufreibend, beängstigend und brutal es war. Seine Darstellung der Erstürmung des Klosters Monte Cassino wirkt nahezu avantgardistisch: Man kann weder den Figuren noch den Bewegungen, die sie vollziehen, folgen, das Geschehen wird abstrakt. Wahrscheinlich eine künstlerisch ausgesprochen ehrliche Art, die Realität einer Schlacht abzubilden, die man nicht erlebt hat. Doch das Hauptaugenmerk des Films liegt auf den Alltagskleinigkeiten; Buch und Regie wollen das skizzieren, was den weitaus größeren Teil des Soldatenlebens ausmacht. So sieht man die Soldaten sehr viel marschieren. Die schwarz-weißen Bilder der nachts durch die Wüste laufenden Kolonnen wirken authentisch und man kann sich als Zuschauer die Strapazen vorstellen. Wellman konnte auf Truppen zurückgreifen, die gerade aus dem Krieg zurückgekehrt waren, den Krieg gleichsam noch in den Knochen hatten. Ihre Haltung, ihre Gesichter, die Blicke, die man verfolgen kann, wenn man seine Aufmerksamkeit auf die Bildhintergründe richtet, erzählen sehr viel über das Erlebte und geben dem Film einen tief dokumentarischen Charakter. Wie Pyle, der bis kurz vor seinem Tod am Film mitarbeitete, einst die Menschen Amerikas, dann die amerikanischen Soldaten im Krieg eingefangen, beschrieben, der Heimat vermittelt hatte, so vermittelt Wellmans Film ebenfalls etwas über diese Männer, ihre Befindlichkeit. Kameramann Russell Metty fängt die passenden Bilder ein, Wellman platziert sie im Film. Eine sekundäre Erzählung, bestehend aus Falten, Narben, Blicken und Mimik. Stumm.
Die Erzählebene konzentriert sich auf die Männer einer kleinen Einheit, die durch Mitchums Captain Walker geführt wird. Rolle und die Art der Darstellung, die dem jungen Schauspieler seine erste Oscarnominierung als ‚Bester Nebendarsteller‘ einbrachte, setzten Maßstäbe bis in unsere Tage. In der Figur des Major Winters, einer wichtigen Figur aus der Miniserie BAND OF BROTHERS (2001), kann man durchaus Walker als Wurzel erkennen, in Damien Lewis´ Interpretation der Rolle aber auch deutlich Spuren von Mitchums subtiler und differenzierter Darstellung. Die Dialoge zwischen Walker und Pyle dienen dem Film immer wieder als Orientierung in Zeit und Raum, doch hier wird auch skeptisch und oft mit Müdigkeit und Trauer der Krieg reflektiert. Wellman geht nicht soweit, zu verdammen, was soeben erst unter großen Opfern ausgefochten worden war. Dazu ist sein Respekt vor eben diesen Opfern viel zu groß. Das spürt man. Der Krieg ist hier ein Faktum, der Film zu nah an ihm dran – zeitlich und emotional – , um sich bewußt einer Metaebene zu bedienen. Und doch spürt man in einigen Momenten – bspw. wenn Pyle Walker dabei beobachtet, wie der die Gefallenen aus der Regimentsliste streicht und durch die neu Hinzugekommenen ersetzt – eine wirklich essenziell tiefe Trauer darüber, daß der Mensch dies Schlachten nötig hat. Eine tiefe Trauer über ungelebtes, vergeudetes Leben. Eine Vorahnung vielleicht. Eine der wenigen Kampfszenen des Films zeigt, wie zwei G.I.´s sich an einen Scharfschützen heranarbeiten, der sie ununterbrochen im Visier hat. Der Mann sitzt im Glockenturm einer bereits vollkommen zerstörten Kirche. Wenn er schließlich erschossen wird und fällt, setzt dies die Glocken in Gang. Wellman gibt, wenn überhaupt, bittere Kommentare auf die Selbstzerstörungsmechanismen der menschlichen Spezies ab. Wir schaffen Wunderbares und zerstören es mit noch mehr Lust an der Destruktion, so scheint es.
Umso treffender, wenn wir diese Männer in ihren alltäglichen Nöten, Ängsten und auch den kleinen Freuden, die es gibt, sehen. Da trifft ein Infanterist – der Film handelt dezidiert von der Infanterie, mehrmals wird das unterschiedliche Töten und Sterben in der Luft, zu Wasser und auf dem Boden in Gesprächen zwischen den Soldaten thematisiert – auf seine Verlobte, die als Krankenschwester hinter der Front tätig ist, seine Kameraden organisieren die Hochzeit und sogar einen Lazarettwagen als Hochzeits-Suite, doch kann der Betreffende nur schlafen, als er das Prozedere endlich hinter sich hat; ein Hund wird zum Maskottchen, als der, der ihn aufgenommen hat, direkt beim ersten Feindkontakt stirbt; da versucht ein Mann den ganzen Weg durch Italien hindurch eine Grammophonnadel aufzutreiben, um endlich die Schallplatte hören zu können, auf der seine Frau die Stimme des gemeinsamen Sohnes hat pressen lassen und verfällt in dem Moment, in dem das Gerät endlich funktioniert, dem Wahn; da machen sich einzelne auf, mit den Damen hinter der Front anzubandeln und vergessen dabei ihren Dienst und gefährden die andern – Wellmann zeigt sich an diesen vermeintlichen Kleinigkeiten interessiert. Er macht sie groß. Er verdeutlicht, wieso eine undichte, stetig tropfende Stelle im Verhau ein größeres Ärgernis als der mögliche Tod im Kampf werden kann. Wellman zeigt ein tiefes Verständnis für die Nöte der Männer. Umso erstaunlicher, da er selber ein erklärter Mann der Luftwaffe war und die Infanterie angeblich nicht mochte.
Wenn schließlich der Weg gen Rom frei ist und sich die Männer des Zugs, den wir die meiste Zeit des Films begleitet haben, sammeln um gemeinsam aufzubrechen, taucht auch Ernie Pyle wieder auf. Alle wundern sich, wo Walker abgeblieben ist. Als er mit den Gefallenen den Berg hinauf getragen wird, ist es der stille Schmerz, den der Film uns spüren läßt, zugleich zeigt er uns aber, wie distanziert die Männer auch mit dem Verlust ihres Captains umgehen. Weniger Verrohung als eine notwendige Verdrängung, die Wellman uns zeigt – als die Männer dann doch einzeln abtreten und sich entfernen, tritt ein jeder kurz zu Walkers Leiche. Aber was bliebe einem Soldaten auch viel mehr übrig, als dem toten Kameraden „Danke“ zu sagen? So resümiert Pyle, während die Männer gen Horizont ziehen. Wir wissen, daß auch auf den Erzähler bald das Ende wartet, was den Film noch zusätzlich beschwert. Durch die Augen Ernie Pyles wird uns ein Krieg nahegebracht, der auch unser Leben massiv bestimmt hat. Neutral ist sein Blick, niemals korrupt. Ein ehrlicher Blick auf ehrliche Männer und deren Leben unter den Bedingungen des Krieges, unter den Bedingungen der Front.
Wellman, ein Humanist, der in seiner Karriere oft schwierige Fragen an die Gesellschaft stellte, der er entstammte, gelang ein sensibler, vergleichsweise ruhiger Kriegsfilm, dem man anmerkt, wie nah an seiner Erzählung er auf allen Ebenen war. Ein tiefes Erschrecken ist dem Film anzumerken, ein Erschrecken über uns selbst, darüber, was wir bereit sind, uns gegenseitig und also selbst anzutun. Vielleicht ein Film, der eigentlich für die gemacht wurde, die gekämpft hatten und für die, die daheim geblieben waren und um Söhne, Väter, Brüder, Ehemänner gezittert hatten. Und das Opfer ist auch für die Amerikaner ein großes gewesen. Nicht vergleichbar den europäischen Nationen, deren Blutzoll unermesslich war, doch sollte man nicht unterschätzen, was die Amerikaner auch an der europäischen Front zu leisten bereit gewesen sind. THE STORY OF G.I. JOE ist eine stille, unaufdringliche Erinnerung an diese „G.I. Joes“, ebenso aber ist es ein Gemahnen, so etwas nie mehr zuzulassen. Für uns heutige ist es fast ein Dokumentarfilm, kommt nur darauf an, wohin wir unsere Augen beim Sehen fokussieren.